Nein, das habe ich nicht gesagt. Was wir brauchen, ist Offenheit für verschiedene Erfahrungen. Eltern erzählen natürlich aus eigenen Erfahrungen. Da gibt es unterschiedliche Erfahrungen. Aber wenn Eltern ihren Kindern erzählen, dass es nicht so schlimm gewesen sei, nur, weil sie selbst bestimmte Dinge nicht erlebt haben, dann ist das problematisch. Und da spreche ich gern ausnahmsweise mit den Worten Rosa Luxemburgs, mit der Sie es ja sonst haben: Wer nicht aufsteht, der spürt die Fesseln nicht. - Wenn man Eltern hat, die nicht aufgestanden sind, dann hat man da ein lückenhaftes Bild. Das ist nun einmal so.
Woran es, wie gesagt, nicht mangelt, sind Vorgaben und Lehrpläne für die Schulen. Minister Rupprecht hat auch hier im Haus schon vor längerer Zeit auf das Material und die Fortbildungsveranstaltungen hingewiesen, die das LISUM den Schulen zur
Verfügung stellt. Trotzdem hat dieser Antrag seine Berechtigung, denn er setzt genau da an, wo es offenbar noch hapert und mangelt: bei der Motivation der Lehrer, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Die Lehrkräfte müssen mehr als bisher dazu ermutigt werden, sich differenziert mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, sich ihr anzunähern, und sie brauchen nach wie vor Ermutigung, auch ihre eigenen Biografien offen einzubringen. Ich sage das durchaus anerkennend: Herr Rupprecht hat ja diesen Versuch unternommen. Da gehört es auch manchmal dazu, einzugestehen, in seinem Leben in der DDR nicht so couragiert gewesen zu sein, wie man es sich gewünscht hätte.
Das Prinzip Freiwilligkeit hat hier nicht zum Erfolg geführt, wie man es sich wünschen würde, deshalb brauchen wir mehr Verbindlichkeit. Der vorliegende Antrag sieht deshalb zu Recht mindestens zwei Wochenstunden für die Klassen 9 und 10 vor, um die wichtigsten Etappen der deutsch-deutschen Geschichte auch angemessen zu behandeln.
Wir brauchen mehr Evaluation: Wie viele Schüler haben eigentlich die Gedenkstätten besucht, in welchen Klassenstufen? Gerade der Besuch der Gedenkstätten ist besonders wichtig. Er ist ein wesentlicher Baustein für die Vermittlung von Geschichte.
Die Erfahrung zeigt, dass sich eine solche Behandlung manchmal auch so auswirkt, dass zum ersten Mal bei den Eltern mehr über das Thema gesprochen wird. Die vorhandenen Lehrpläne müssen weiterentwickelt und ausgewogener werden, denn es gibt neue Erkenntnisse der Forschung. Was meist gut behandelt wird, sind die direkte Nachkriegszeit - 1945 bis 1949 - und die Wendezeit, aber es muss mehr über die Zeit dazwischen gelehrt werden.
Frau Kollegin, Sie überziehen gnadenlos. Sie bekommen aber noch eine Chance, wenn Sie jetzt Pause machen.
Gut. - Niemand von uns kann wollen, dass das Geschichtsbild vieler junger Menschen davon geprägt ist, dass dann, wenn man sich anpasst, schon alles funktioniert. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag. - Herzlichen Dank.
Die Abgeordnete Dr. Ludwig hat zu diesem Thema eine Kurzintervention angemeldet. Frau Teuteberg, auf diese dürfen Sie reagieren und haben dann noch ein bisschen Zeit.
Auch wenn es heute der letzte Tagesordnungspunkt ist, finde ich, ehrlich gesagt, die Reaktion, die wir soeben von der linken Ecke erlebt haben, mehr als ungeheuerlich; Sie sehen es etwas an meiner Erregung.
Aus einem einfachen Grund: Da gibt es eine Partei. Ich verallgemeinere jetzt nicht komplett, weil ich davon ausgehe, dass nicht alle von Ihnen gerade das geleugnet haben, was Frau Teuteberg als Beispiel gebracht hat.
Ich kannte den Ausdruck „Doppelsprech“ noch nicht. Deshalb bin ich der Jugend dankbar, dass sie solche Fragen stellt. Es ist die Situation geschildert worden - ich weiß nicht, wer von Ihnen sie nicht erlebt hat -,
dass Lehrer gerade sechs-, sieben-, achtjährige Schüler gefragt haben, welche Uhr denn beispielsweise bei den Nachrichten erscheint. Wenn Sie dann auch noch erzählen, dass nur Eltern das Geschichtsbild prägen sollen, dann frage ich Sie: Wie lange hat es denn nach 1945 gedauert, bis Eltern angefangen haben zu erzählen, was sie erlebt hatten? Und Sie wollen sich als demokratische Partei, als gestaltende Kraft hier im Lande äußern, die sich wirklich ernsthaft mit der Geschichte auseinandersetzt? Es tut mir leid: Das spreche ich Ihnen in dem Moment ab.
Diese Kurzintervention entsprach nicht unserer Geschäftsordnung. Kurzinterventionen sind nur zu den Inhalten des Vorredners zulässig.
Frau Teuteberg, wenn Sie sich in der Lage sehen, auf diese Kurzintervention zu reagieren, dann dürfen Sie jetzt noch einmal etwas sagen. - Das ist nicht Ihr Begehr, danke sehr.
Dann kommen wir zum nächsten Redebeitrag. Das ist der Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Die Abgeordnete Große spricht.
hier spricht eine Zeitzeugin. Ich bedaure es sehr, dass Sie gestern in der FDP-Fraktion nicht die Möglichkeit genutzt haben, mich auch nach meiner Sicht auf diese Dinge zu fragen, die möglicherweise ein Stück zur gemeinsamen Wahrheitsfindung geführt hätte. Aber es steht Ihnen natürlich frei, das zu entscheiden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie machen mit dem vorliegenden Antrag erneut auf eine unbefriedigende Situation im Umgang mit der DDR-Geschichte an unseren Schulen aufmerksam und unterbreiten mit Ihrem Maßnahmenpaket ein niedrigschwelliges Angebot.
Die Befunde zum Kenntnisstand der Schülerinnen und Schüler sind so, wie Sie sie dargelegt haben, zumindest in den einschlägigen Studien, auf die Sie sich hier beziehen. Unsere gemeinsame Erwartung ist doch wohl vor allem die, dass Schülerinnen und Schüler aus dem Wissen um die Geschichte der DDR Schlussfolgerungen für diese Demokratie hier und heute erwerben, dass sie immun gemacht werden gegen hierarische, totalitäre Strukturen, dass sie mit dem Wissen um Diktaturen in die Lage versetzt werden, Diktaturen jeglicher Art abzulehnen. Darum muss es gehen. Es geht nicht nur um Wissen, es geht doch vor allem darum: Was mache ich aus dem Gelernten?
Was wir wahrscheinlich nicht erwarten können, ist, dass Schülerinnen und Schüler das Kapitel DDR-Geschichte mit der gleichen Leidenschaft betrachten, wie uns hier in diesem Parlament dieser Umgang leidenschaftlich umtreibt. Für die meisten unter uns, denke ich, ist die DDR ein Teil des aktiven Lebens, sehr unterschiedlich wahrgenommen, sehr unterschiedlich erlebt. Natürlich gab es auch das von Frau Teuteberg geschilderte Leben. Frau Ludwig hat das in der Intervention noch einmal deutlich gemacht.
Für die meisten hier ist das ein Teil ihres Lebens. Für die Schüler ist das Geschichte: die Geschichte der Eltern, die Geschichte der Großeltern, auch die ihrer Lehrer, zwar noch sehr nahe, trotzdem weit weg vom eigenen Lebensgefühl.
Ich hatte übrigens 2001 - das war mein letztes Jahr als Lehrerin - oft den Eindruck, dass die Schülerinnen und Schüler die friedliche Revolution ähnlich spannend - oder eben nicht spannend - gefunden haben wie den Dreißigjährigen Krieg, wie die NS-Zeit, wie die Französische Revolution. Ich rede noch gar nicht über internationale Geschichte und all diese Dinge, die auch wichtig sind, wenn man über Geschichte spricht. Ich will hier wirklich nichts relativieren, ich bitte Sie. Ich will auch gar nichts einschränken. Wir sollten nur unsere Erwartungshaltung überdenken, die wir gegenüber Schülerinnen und Schülern haben.
Richtig ist: Es gibt Defizite. Die sind teilweise - Frau Dr. Ludwig, das räume ich ein - struktureller Natur. Es gibt zu wenig Geschichtsunterricht. Es gibt innerhalb des Curriculums eine zu späte Befassung mit dieser Zeit. Es gibt kaum fachübergreifende Angebote. Das nehmen Sie, meine Damen und Herren in der CDU, in Ihrem Antrag auch auf. Das sehe ich ebenfalls so. Lernen findet mit allen Sinnen statt. Deshalb sollten die schulinternen Curricula bei wichtigen Themen - und das ist ein wichtiges Thema - so gestrickt werden, dass dies ermöglicht wird.
Möglicherweise brauchen Schulen hier Angebote und Unterstützung. Zugleich müssen wir aber - und da appelliere ich an uns alle - die Balance wahren und dürfen nicht auf neue Art und Weise die Selbstständigkeit von Schulen einschränken. So habe ich Ihren Antrag auch nicht verstanden. Schüler lernen immer noch am besten durch Selbsttun.
Das Erforschen regionaler Geschichte, das Nachspüren von gelebtem Leben, auch unser aller Leben, Theater spielen, Musik machen, an der ehemaligen Grenze entlanglaufen - das bringt manchmal mehr an Erkenntnissen als noch ein Buch und noch ein Film. In Schwedt muss man vielleicht anderes tun als in Hohen Neuendorf oder in Wittenberge. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, Spurensuche fassbar und damit auch anfassbar zu machen.
Das Berlin-Brandenburg-Projekt zur Geschichte „Wir waren, wir sind, wir werden sein“, das von der Stiftung Jugend kürzlich hier im Bahnhof stattfand - wo ich Sie leider nicht angetroffen habe -, war ein gutes Beispiel dafür.
Wir plädieren dafür, den Schulen Zeit zu geben, auch eigene Wege zu gehen. Im Übrigen finde ich, dass man den Fokus nicht nur auf die Klassen 9 und 10 richten darf. Die Neugier von jungen Menschen auf die Zeit der Eltern und Großeltern beginnt doch schon viel früher. Die Fragen sind wesentlich eher da. Auch darüber müssen wir nachdenken.
Gegen eine Empfehlungsliste, wie Sie sie in Punkt zwei Ihres Antrags fordern, kann niemand etwas haben. Die Stiftung Politische Bildung hat hier sehr gute Vorarbeit geleistet. Darauf kann man aufbauen. Auch das MBJS war nicht untätig, wie wir wissen. Aber auch das hilft alles nur im Zusammenhang mit Fortbildungsangeboten, also einem komplexen Herangehen.
Punkt drei Ihres Antrags halte ich für problematisch, gar nicht wegen der Idee, sondern wegen der aus meiner Sicht unzureichenden Wirksamkeit. Bei 1 000 Schulen sind 100 Pakete nicht viel. Vielleicht fallen uns hier bessere Maßnahmen ein.
Das alles ist komplex. Lassen Sie uns im Bildungsausschuss den Bericht der Landesregierung abwarten und dann gemeinsam nach neuen Maßnahmenpaketen suchen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich hat es uns alle erschreckt, als es plötzlich hieß: Die bayerischen Kinder wissen mehr über die DDR als unsere.
Ich weiß auch, dass sich trefflich streiten lässt über das Zustandekommen und die Qualität dieser Umfrageergebnisse. Aber es bleibt der Fakt, dass die Kinder über die nahe Geschichte besser informiert sein sollten.
Gleichzeitig ist aber über die nahe Geschichte sehr viel schwieriger zu unterrichten. Es ist für die Lehrerin oder den Lehrer ein großer Unterschied, sich im Unterricht mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen und auf der Basis der am eigenen Leib gemachten Erfahrungen über Recht und Unrecht, über Schuld und Versöhnung reflektieren zu müssen. Das ist eine viel größere Herausforderung als die Abhandlung der Punischen Kriege.
ches Ereignis hinweggegangen sind, Meinungen hin und her diskutiert worden sind, dann fällt es sehr viel leichter, sich ein Urteil zu bilden und das Kindern auch zu vermitteln.
In dieser zeitlichen Nähe zur Geschichte der DDR liegt aber auch eine große Chance, nämlich genau anhand der eigenen Erfahrungen Geschichte zu reflektieren, Lebensläufe gegenüberzustellen und damit der Diskussion über die unterschiedlichen Gesellschaftssysteme menschliche Gesichter zu geben. Diese Chance sollten wir besser nutzen, um die Geschichte der DDR deutlicher zu vermitteln, und zwar mit dem Fokus darauf, Kinder für die Demokratie stärker zu machen.