Ferner liegt Ihnen in Drucksache 5/5448 ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP und der Fraktion BÜNDNIS/90 DIE GRÜNEN vor.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute erneut über die Empfehlungen zum Änderungsbedarf der Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Beratung und Betreuung. Der Ausschuss hat sich in einer Anhörung sehr intensiv über die jetzigen Gegebenheiten informiert und sich von Trägern, Betreibern und Vereinen unterrichten lassen.
Der obengenannte Bericht schlägt einige Veränderungen vor. Gemeinschaftsunterkünfte sollen künftig innerorts angesiedelt sein. Die Wohnfläche soll 9 Quadratmeter betragen; im Moment sind es sechs. Die Verweildauer der Asylsuchenden in Gemeinschaftsunterkünften soll auf 12 Monate begrenzt werden. Das sind nur einige Aspekte aus dem Bericht.
Den letzten Abschnitt des Berichts haben einige Kolleginnen und Kollegen anscheinend überlesen oder nicht zur Kenntnis genommen. Ich möchte zitieren:
„Es sollte deshalb zunächst ein vollständiger Überblick über die möglichen Kostenfolgen vorliegen, bevor eine Entscheidung getroffen wird, auf welchem Weg die vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden.“
Damit sind wir schon beim größten Problem, den Kosten. Ich will es einmal am Beispiel des Landkreises OberspreewaldLausitz festmachen. Dort haben wir zwei Asylbewerberheime zu einem zusammengelegt. In der Gemeinde Sedlitz wurden 2008/2009 1,6 Millionen Euro in die Hand genommen, und es entstand eine der modernsten Gemeinschaftsunterkünfte im Land. Die Gemeinschaftsunterkunft ist nahezu ausgelastet. Es leben 15 Nationalitäten unter einem Dach. Viele sind täglich dort; einige kommen nur zum Zahltag. Ich denke, das ist bekannt. 80 Personen - nämlich Familien - leben in Wohnungen. Der örtliche Sportverein Blau-Weiß 90 hat die Flüchtlinge in Sedlitz beitragsfrei in den Verein aufgenommen. Es werden Projekte, unter anderem mit Grundschulen, durchgeführt.
Und: Im Jahr 2010 hat der Verein den Julius-Hirsch-Preis des Deutschen Fußball- Bundes und den Integrationspreis des Landes Brandenburg bekommen. Außerdem hat unser Kreistag im März dieses Jahres einen Integrationsbeirat ernannt, in dem Menschen aus mindestens fünf verschiedenen Nationalitäten mitarbeiten.
Jetzt frage ich Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Wie soll ich meinem Landkreis erklären, dass jetzt plötzlich alles hinfällig ist?
Werden die Single-Flüchtlinge in Wohnungen wirklich besser betreut? Ich bin der Meinung: Wir brauchen zwei Dinge. Das Erste betrifft die Zusammenarbeit der Landkreise untereinander. Jeder hat gute Ideen, aber unterschiedliche Voraussetzungen. Daher gehören die Landkreise mit dem Ministerium an einen Tisch.
Das Zweite betrifft die Umsetzung der Vorschläge aus dem genannten Bericht. Will man sie umsetzen, braucht man ein langfristig gesichertes Finanzierungskonzept. Die Beschlussempfehlung der Koalitionsfraktionen sieht vor, dass sich die Kreise und kreisfreien Städte zusammensetzen und diskutieren. In der Beschlussvorlage wird aber schon das Ziel der Beratung vorgegeben. Dem können wir so nicht zustimmen.
Die Menschen, die zu uns kommen, fühlen sich in Sedlitz wohl. Warum soll das nicht woanders genauso gut funktionieren? - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Das Thema lautet: Verbesserung der Lebenssituation von Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Land Brandenburg. Wenn wir heute den Antrag dazu vorlegen, liegt eine sehr interessante und sehr umfangreiche Debatte hinter uns. Ich möchte mich im Vorfeld vor allen Dingen sehr herzlich beim Flüchtlingsrat Brandenburg bedanken, der sich quasi bis zur letzten Stunde mit eingebracht hat, bei der Ausländerseelsorge in Potsdam und beim Brandenburger Netzwerk für besonders bedürftige Flüchtlinge. Herzlichen Dank dafür.
Der Bericht der Landesregierung, der uns im Parlament schon vorlag, und auch das Fachgespräch im Fachausschuss wie auch ein separates Gespräch der SPD-Landtagsfraktion im Landkreis Potsdam-Mittelmark haben letztlich zu dem Antrag geführt, der Ihnen heute hier vorliegt.
Wir haben festgestellt - das ist in dem Bericht sehr deutlich geworden -, dass sich die Situation der Flüchtlinge und Asylbewerber gegenüber der Situation vor zehn Jahren sehr erheblich geändert hat. Wir haben sehr viele Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten zu uns kommen. Auch die Anzahl der besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge hat sich erhöht. Das rankte sich durch alle Gespräche, die wir geführt haben, und ist auch in dem Bericht sehr deutlich geworden.
Deswegen haben wir ganz klar und deutlich in unserem Antrag gesagt: Hierauf müssen wir reagieren. Die Schlussfolgerungen der Facharbeitsgruppe, die das Ministerium selbst einberufen hat, auch auf unsere Bitte hin, hat hier bereits sehr abgewogene Schlussfolgerungen gezogen. Wir möchten, dass diese Schlussfolgerungen die Grundlage für die Unterbringung der Flüchtlinge bilden.
Wir bitten die Landesregierung in unserem Antrag, uns bis Ende des I. Quartals 2013 ein entsprechendes Unterbringungskonzept zu den Schwerpunkten bauliche Voraussetzungen und Mindestausstattung der Gemeinschaftsunterkünfte, Verweildauer der Flüchtlinge, Anforderungen an die soziale Beratung und Betreuung und an die besonderen Bedarfe besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge vorzulegen. Die einzelnen Schwerpunkte können Sie unter Punkt 3 unseres Antrags nachlesen. Ich will sie aus Zeitgründen hier nicht extra vortragen.
Wir greifen viel weiter, und deswegen ist unser Antrag weitergehender als der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Wir sagen auch: Weil die Situation so ganz anders geworden ist, bitten wir die Landesregierung darum, die Landesintegrationskonzeption in Gänze fortzuschreiben. Ihr Stand ist von 2005. Wir bitten darum, aufgrund all dieser Erkenntnisse, die in dem Bericht sehr deutlich geworden sind, die Landesintegrationskonzeption bis zum III. Quartal 2013 vorzulegen.
Meiner Ansicht nach haben wir Ihnen damit heute einen allumfassenden und ausgewogenen Antrag zu diesem Thema vorgelegt. 2013, wenn die Unterbringungskonzeption vorliegen wird, werden wir erneut darüber diskutieren. - Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, aus „fernsehtechnischen“ Gründen tauschen wir die Reihenfolge der Redner Büttner und Frau Nonnemacher, sodass ich jetzt nicht Herrn Büttner, sondern Frau Nonnemacher aufrufe, die für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht.
Herr Präsident! Vielen Dank an den Kollegen Büttner. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Im April 2011 setzte meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Thema der Flüchtlingsunterbringung auf die Tagesordnung des Landtages. Unser Antrag wurde von den Koalitionsfraktionen in einem Entschließungsantrag aufgegriffen. Die Landesregierung verfasste den Bericht über die Mindestbedingungen für den Betrieb der Gemeinschaftsunterkünfte.
Zusammen mit der FDP-Fraktion beantragten wir im März dieses Jahres eine Anhörung zur Unterbringung von Flüchtlingen im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie. Damit sorgten wir für ein Novum im Landtag. Zum ersten Mal beschäftigte sich der Ausschuss ausführlich mit diesem Thema. Neu war zusätzlich, dass 45 Flüchtlinge aus verschiedenen Gemeinschaftsunterkünften aufgrund unserer Einladung zur öffentlichen Ausschusssitzung kamen. Sie wollten hören, was über die Gestaltung ihres Lebens beraten wurde.
Aus den Ergebnissen der Anhörung formulierten wir zusammen mit den Kollegen der FDP-Fraktion frühzeitig den Antrag für den Ausschuss: „Die Rechte von Flüchtlingen stärken - Bereitstellung von Wohnungen für Flüchtlinge intensivieren! Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften im Land Brandenburg verbessern!“
Flüchtlinge brauchen individuelle und gesellschaftliche Akzeptanz, die ihr Hiersein begleitet. Zu einem Wandel im Umgang mit Flüchtlingen gehört, ihre Eigenverantwortung für ihr Leben in Brandenburg zu stärken. Dazu wollen wir die Unterbringung mit verbesserten Mindeststandards von Anfang an so gestalten, dass sie dem Leben in privaten Wohnungen nahekommt, Hilfe zur Selbsthilfe bei Wohnungssuche und eine frühzeitige Wohnungsunterbringung ermöglichen.
Besonders wichtig ist die Begrenzung der Verweildauer von Flüchtlingen in den Gemeinschaftsunterkünften. Die Pflicht, in Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen, ist zu begrenzen, damit für die Flüchtlinge eine Perspektive und ein Anspruch auf Auszug besteht. Gegenwärtig entscheiden allein die Ämter, wann Flüchtlinge aus Unterkünften ausziehen dürfen.
Jahrelanges Leben in Gemeinschaftsunterkünften ist mehr die Regel denn die Ausnahme. Wir möchten den Aufenthalt in den Erstaufnahmeeinrichtungen auf drei Monate und den in Gemeinschaftsunterkünften auf maximal neun Monate begrenzen. Für besonders Schutzbedürftige nach der EU-Richtlinie ist eine sofortige Wohnungsunterbringung anzustreben.
Wir wollen, dass Kommunen und Landkreise gemeinsam mit den Akteuren auf kommunaler Ebene ein Stufenkonzept zur
Wohnungsunterbringung der Flüchtlinge erarbeiten. Für solche Planung brauchen wir Daten und Zahlenmaterial, das die Landesregierung vorhalten sollte.
Weiter ist die Verbesserung der medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen nötig. Wir treten für die Regelfinanzierung der Beratungsstelle für Traumatisierte und Folteropfer in Fürstenwalde ein. Die Anhörung hat eindringlich ergeben, dass die Anzahl der durch Kriegswirren und Verfolgung traumatisierten Flüchtlinge beträchtlich zugenommen hat. Ein Angebot zur medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung müsste in einem Flächenland außerdem an mehreren Orten vorgehalten werden.
Zum eigenständigen Leben in Brandenburg gehört, dass Flüchtlinge von Anfang an die Möglichkeit zum Besuch von Deutschkursen haben, die gegenwärtig vielfach nur ehrenamtlich gegeben werden.
Die Koalitionsfraktionen haben im Ausschuss in letzter Minute einen Antrag vorgelegt, in dem sich viele dieser Vorstellungen auch wiederfinden. Wir begrüßen es ganz außerordentlich, dass sich vier Fraktionen dieses Landtages wirklich engagiert für eine Verbesserung der Situation der Flüchtlinge einsetzen.
Wir haben etwas Zweifel daran, was die im Koalitionsantrag gewünschte langfristige Unterbringung in Wohnungen denn bedeuten mag. Wir halten unsere Vorstellungen dafür klarer und mutiger, Frau Lehmann, wir sehen unseren Antrag als den besseren an. Deshalb stellen wir ihn hier erneut als Entschließungsantrag zur Abstimmung. - Danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Frau Nonnemacher, ich glaube, wir können ganz ruhig sein, weil uns so viel gar nicht unterscheidet in Bezug auf die Sache, die wir hier diskutieren. Ich möchte nur sagen, dass es ein nicht ganz normaler parlamentarischer Weg war, dass ein Bericht, den die Landesregierung gibt, den Weg in den Ausschuss gefunden hat. Die Koalitionsfraktionen wollten das ausdrücklich. Wenn wir dann den Bericht im Ausschuss haben wollen, haben wir uns auch überlegt, dass wir hinterher noch etwas ergänzen und verändern wollen. Das war auch unsere erklärte Absicht.
Genau so ist es dann auch gekommen. Durch die Anhörung, die wir hatten, sind wir fachgerecht beraten worden, wie wir das am günstigsten gestalten können.
Ich denke, wir waren hier auch aufgerufen, bundes- und landesrechtliche Möglichkeiten bis hinein ins Europarecht abzuklären. Bei der ganzen Angelegenheit war es durchaus nicht immer einfach, die richtigen Formulierungen zu finden. Dass unser Antrag so spät kam, war einfach der Sache geschuldet,
dass wir noch bis Dienstag vor der Ausschusssitzung daran gearbeitet haben, weil noch am Freitagnachmittag vor Pfingsten Anrufe und Mails mit Veränderungsbedarf kamen. Diese haben wir dann noch über einen Neudruck eingearbeitet. Das war der Grund für die Kurzfristigkeit unseres Antrages.
Lassen Sie mich nur ganz kurz auf einige Schwerpunkte eingehen, von denen ich meine, dass sie von besonderer Wichtigkeit sind: Einmal wollten wir unbedingt sicherstellen, dass im Erstaufnahmeverfahren die erhobenen Informationen auch an die Landkreise und kreisfreien Städte übermittelt werden, damit Unterkünfte, wenn dem datenschutzrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, gleich im Interesse der Betroffenen richtig geplant werden können. Wir wollten gerne - genauso wie Sie -, dass möglichst viele und vor allem Familien in der Regel nicht in Gemeinschaftsunterkünften leben und die Zeit in den Gemeinschaftsunterkünften geregelt und verkürzt wird. Sie soll im Regelfall zwölf Monate nicht übersteigen. Wir liegen da im Gegensatz zu Ihren Vorstellungen um drei Monate auseinander.
Die Schutzbedürftigkeit muss qualifiziert festgestellt werden. Genau auf dieses Verfahren haben wir abgestellt. Aber um dieses Verfahren zur Feststellung der Schutzbedürftigkeit durchführen zu können, müssen die Menschen erst einmal untergebracht werden - das liegt in der Logik der Sache -, und das ist in der Regel, wenn es nicht sofort klar ist, dann doch die Gemeinschaftsunterkunft. Daraus erschließt sich dann, dass an diese Gemeinschaftsunterkünfte auch hohe Ansprüche zu stellen sind.
Liebe Frau Schier, Sie haben Ihren Beitrag damit beendet: Was soll ich denn meinen Leuten dort in Sebnitz sagen? - Ich finde, es ist ganz einfach, was Sie ihnen sagen sollen. Sie sollen so weitermachen wie bisher. Das ist doch eine tolle Arbeit, die sie da geleistet haben. Ich sehe das, was wir heute hier machen, durchaus im Zusammenhang mit dem Thema „Tolerantes Brandenburg“, was wir gestern besprochen haben. Wir haben ja gar nicht vor, Heime zu schließen. Aber wenn die Menschen in Wohnungen untergebracht werden wollen, dann sollen sie auch in Wohnungen untergebracht werden.