20 Jahre später ist vieles, was die Landesverfassung fordert, Realität geworden. Der nunmehr dritte Rat für sorbische (wen- dische) Angelegenheiten nimmt - wie wir es auch heute erleben konnten - seine Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsrechte mit großem Engagement wahr und ist ein selbstbewusster Akteur der Landespolitik. Seine Rechte wurden durch den Landtag zu Beginn der Wahlperiode erheblich erweitert. Seit 1998 leisten die Sorben/Wenden mit dem Witaj-Projekt ihren Beitrag zur Revitalisierung ihrer vom Aussterben bedrohten Muttersprache. Mittlerweile lernen fast 300 Kinder - vom Kleinkindalter bis zur Sekundarstufe II - durch Witaj, immer auch unterstützt durch die verschiedenen Landesregierungen, Niedersorbisch.
Mit dem Kurswechsel hin zum Vorrang erneuerbarer Energien ist die Rohstoffsicherungsklausel des Bundesberggesetzes nicht außer Kraft gesetzt und damit das Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden auch nicht vor jeglicher Abbaggerung geschützt. Insoweit haben wir einen Schwerpunkt gesetzt, dass die heutige und künftige Landespolitik davon nachhaltig beeinflusst wird. Zugleich verkennen wir aber auch nicht: In den vergangenen zwei Wahlperioden haben sich im Bereich der Minderheitenpolitik einige Probleme angestaut. Das macht nicht zuletzt die Diskussion in der sorbischen und deutschen Öffentlichkeit zur Zukunft des Witaj-Projektes und des niedersorbischen Fremdsprachenunterrichts deutlich, die ja bekanntermaßen darauf gerichtet ist, Witaj nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ weiterzuentwickeln.
Für uns ist klar, dass für das Minderheitenschulwesen andere Maßstäbe gelten müssen als in anderen Bereichen des Bildungssystems. Dies hat vor drei Wochen auch die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen auf ihrem Kongress in Moskau in einem ausschließlich Brandenburg betreffenden Beschluss unterstrichen. Darin heißt es unter anderem:
1. dass das Land Brandenburg Grundsätze des Minderheitenschutzes anerkennt und auf eine unveränderte Anwendung von für die Mehrheitsbevölkerung geltenden Regelungen gegenüber den Sorben verzichtet, 2. dass keine Mindestschülerzahlen für sorbischsprachige Unterrichtsangebote festgesetzt werden, 3. dass keine weiteren Kürzungen des Unterrichtsangebots erfolgen und bestehende Kürzungen zurückgenommen werden, 4. dass Vertreterinnen und Vertreter des sorbischen Volkes in die Entscheidungsfindung einbezogen und über geplante Vorhaben frühzeitig informiert werden.“
Es geht also um mehr als um ein paar kleine Änderungen. Deshalb hat der Rat für sorbische (wendische) Angelegenheiten Anfang Dezember 2011 einen umfassenden Gesetzentwurf zur Novellierung des Sorben/Wenden-Gesetzes und weiterer Landesgesetze vorgelegt. Für diese Arbeit möchte ich mich namens der Fraktion DIE LINKE nochmals recht herzlich bedanken.
Ich freue mich, dass Abgeordnete der SPD-Fraktion, der Fraktion DIE LINKE, der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion mit der heutigen Einbringung dieses Gesetzentwurfs in den Landtag das parlamentarische Verfahren und damit eine breite Diskussion über Fragen, die hier auch angesprochen wurden, die für die nationale Minderheit der Sorben/Wenden in Brandenburg essenziell sind, eröffneten. Wir unterstützen die Überweisung an die Ausschüsse. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Maresch. - Bevor ich der FDP-Fraktion das Wort erteile, möchte ich ganz herzlich Gäste aus der Stadt Finsterwalde in unserem Haus begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Minderheiten genießen in Deutschland Schutz, ihnen werden spezielle Rechte zugestanden - so auch in Brandenburg. Das heute eingebrachte Gesetz beschäftigt sich mit den Rechten einer Minderheit in Brandenburg, den Sorben/Wenden. Die Frage der Förderung von Minderheiten allein auf den Aspekt finanzieller Förderung zu reduzieren wäre ein falscher Ansatz. Förderung muss man viel weiter fassen. So gibt es auf Bundesebene seit 2002 das Amt des Beauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Der Umgang mit den Sorben/Wenden fand auch im Einigungsvertrag Beachtung, worin eindeutig die Landeshoheit betont wurde, siehe Protokollnotiz Nr. 14 zum Artikel 35, siehe auch § 184 Gerichtsverfassungsgesetz.
Das Gesetz über die Rechte der Sorben/Wenden in Brandenburg muss aufgrund veränderter Fakten novelliert werden. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt nach langen Diskussionen und mehreren Vorentwürfen den besten Gesetzentwurf in der Sache dar. Dafür auch von unserer Seite einen herzlichen Dank an den Rat für die in einer sehr offenen Diskussion geleistete Arbeit.
Dennoch wissen wir, dass der Gesetzentwurf nicht perfekt ist. Darum muss er im parlamentarischen Prozess abgerundet und qualifiziert werden; der Meinung sind wir auch. Erfreulich ist daher die Ankündigung der Landesregierung, bis August 2012 eine Stellungnahme abzugeben. Es ergeben sich aus dem Gesetzentwurf, aber auch aus der derzeitig laufenden öffentlichen Diskussion Fragen. Brauchen wir eine Personalstelle Beauftragter für Sorben/Wenden, oder ist dies besser in eine bereits
vorhandene Personalstelle zu integrieren, sodass ein ständiger Ansprechpartner in der Landesregierung vorhanden ist? Das bedarf natürlich - Herr Nowak, da haben Sie völlig Recht - der verstärkten Kommunikation zwischen den Ministerien, die wir von der Opposition immer wieder einfordern und anmerken.
Sind zwei ständig stimmberechtigte Vertreter der Sorben/Wenden im Plenum sinnvoll? Auch diese Frage wurde gestellt. In Deutschland kann sich jeder Mensch politisch betätigen. Auch als Sorbe/Wende kann man heute schon Ministerpräsident werden, wie man in Sachsen sieht. Das wäre vielleicht auch für Brandenburg keine allzu schlechte Alternative.
Verbandsklagerecht für Sorben/Wenden - warum nicht? Für andere ist das schon heute kein Problem. Stellen eingeforderte Berichte wirklich einen ernsten Verwaltungsmehraufwand dar, wie uns - siehe letzte Sitzung - Glauben gemacht wird? Sind alle Formalien und Rechte sowie das Subsidiaritätsprinzip beachtet worden? Auch diese Frage stellt sich noch. Stehen zum Beispiel die Kommunalverfassung und das Braunkohlegesetz dem hier eingebrachten Gesetz entgegen? Dann müssen wir uns im Plenum nämlich ernsthaft über Prioritäten und Rechte Dritter unterhalten.
In Begleitung der Diskussion um dieses Gesetz stehen natürlich auch die Fragen nach Evaluierung, Fortführung und Förderung des Witaj-Projekts, nach einem Fach Sorabistik in Brandenburg oder einer effizienteren Zusammenarbeit mit Sachsen. Beide Kabinette treffen sich demnächst im Schloss und Park Branitz - ein idealer Ort, um auch darüber zu reden. Wir fordern an dieser Stelle mehr pragmatische und zielorientierte Gespräche der Landesregierung mit den Vertretern der Sorben/Wenden und von allen Seiten Kompromissbereitschaft und Toleranz. - Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lipsdorf. - Bevor ich die Aussprache fortsetze, möchte ich natürlich auch ganz herzlich die Vertreterinnen und Vertreter des Rates für sorbisch (wendische) Angelegenheiten in unserem Hause begrüßen; sie wurden schon mehrfach erwähnt und für ihre Arbeit am Gesetzentwurf gelobt.
Die Aussprache wird nunmehr mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fortgesetzt. Frau Abgeordnete Niels hat das Wort.
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Da meine Vorredner so schön persönliche Bezüge haben einfließen lassen, tue ich das auch, aber nicht durch sorbische Sprache, sondern: Ich bin Sorbin, da ich die Kultur lebe. Das hat mir der Rat für sorbische (wendische) Angelegenheiten erklärt. Es ist das Besondere und Schöne, dass viele Menschen am bilingualen Sprachunterricht teilnehmen oder ihre Kinder daran teilnehmen lassen, weil sie sich dafür begeistern. Es gibt also auch
Es wurde von dem Vertreter der Fraktion DIE LINKE bereits aufgezählt, wer alles den Gesetzentwurf eingebracht hat, und da fehle ich als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE, sorbische Abgeordnete. Das hat folgenden Grund: Zwei Jahre lang hat der Rat für sorbische (wendische) Angelegenheiten in kompliziertesten Verfahren alle Beteiligten angehört, um einen möglichst optimalen, runden Gesetzentwurf einzubringen. Dieses komplizierte Verfahren hat uns der Rat dankenswerterweise sogar tabellarisch zur Verfügung gestellt. Wir konnten also sehen, wer sich hier und dort eingebracht hat.
Ich finde die Forderungen recht niedrigschwellig; denn ich hatte damit gerechnet, dass sich die Sorben (Wenden) den Wegfall der 5 %-Klausel erstreiten wollen und damit leichter Zugang zu unserem Parlament, zum Landtag, bekommen. Insofern hat mich die Milde des Gesetzentwurfs überrascht.
Aufgrund meines Respekts, den ich dieser ehrenamtlichen Arbeit entgegenbringe, habe ich mich immer dafür eingesetzt, dass wir den Entwurf unverändert in den Landtag einbringen. Am 14. Mai um 7.30 Uhr erhielt ich den Gesetzentwurf auch noch unverändert zur Unterschrift. So war es auch unter allen fünf Fraktionären verabredet. Am 16. Mai um 12.19 Uhr, das heißt 53 Stunden später, erhielt ich eine E-Mail mit der kurzen Nachricht, § 5 sei entfallen, man möge beachten, dass Herr Schippel im Ausland ist, und diesen Entwurf unterzeichnen.
Sorry, das ist kein Verfahren, das ist keine Legitimation, und es ist einfach nicht in Ordnung. Wenn man Absprachen getroffen hat, und zwar aus gutem politischen Grund, dann sollte man sich daran halten. Die Wertschätzung gegenüber dem Rat sollte sich nicht auf ein Dankeschön beschränken. Deswegen werde ich mich diesem simplen Dankeschön auch nicht anschließen, sondern lasse lieber Taten sehen. Und zwar lese ich den Paragrafen, von dem die SPD-Fraktion sagt, man möge nicht an falschen Stellen diskutieren und habe ihn deswegen herausgestrichen, vor.
Zuvor allerdings sei Ihnen gesagt: Ein Landesbeauftragter kostet ungefähr 120 000 Euro im Jahr; wir reden hier also nicht über große Summen.
(1) Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident setzt für die Dauer der Wahlperiode einen hauptamtlichen Beauftragten für Angelegenheiten der Sorben/Wenden ein. Dachverbände nach § 4a sind vor der Einsetzung der oder des Beauftragten anzuhören, eine Wiederberufung ist zulässig.“ Bei Absatz 2 bedenken Sie bitte die Debatten zum WitajProjekt und die umständlichen Erklärungen hin und her zwischen Bildungsministerium und den Sorben/Wenden und hören Sie gut zu unter der Prämisse, wie hilfreich solch ein Beauftragter sein kann. „Die oder der Beauftragte hat die Aufgabe, die Umsetzung und Weiterentwicklung der eingegangenen internationalen und landesrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz und zur Förderung der Sorben/Wenden zu begleiten und sicherzustellen. Dabei berät und informiert sie oder er die Landesregierung in Fragen der Minderheitenpolitik ressortübergreifend, pflegt und fördert Kontakte zu sorbischen (wendischen) Organisationen und Einrichtungen, arbeitet mit Interessenvertretungen der Sorben (Wenden) auf Landes-, nationaler und internationaler Ebene zusammen, vertritt das Land in beratenden Gremien beim Bundestag und bei der Bundesregierung. Die oder der Beauftragte unterstützt die Zusammenarbeit und Tätigkeit der kommunalen Beauftragten für Angelegenheiten der Sorben/Wenden.“
Ich finde, das klingt nach extremer Arbeitsentlastung und nach einer ganz sinnvollen Koordinierungsstelle.
Übrigens hat die CDU hier einmal einen Tierschutzbeauftragten beantragt. Wie ich gehört habe, stimmt man einem Sorbenbeauftragten nicht zu. Man sollte sich einmal diese Diskrepanz auf der Zunge oder im Kopf zergehen lassen.
„Zur Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 ist die oder der Beauftragte an allen Gesetzgebungs-, Verordnungs- und sonstigen Vorhaben der Landesregierung zu beteiligen, soweit sie die Rechte der Sorben/Wenden berühren.“
Wollen wir es weiter den ehrenamtlich tätigen Mitgliedern des Rates für sorbische (wendische) Angelegenheiten zumuten, sich zu jedem Gesetz zu äußern? Ist es nicht viel sinnvoller, jemanden dafür zu bezahlen, der dieses Wissen bündelt und der auch eine Wertschätzung durch Entgelt erhält? Das muss man sich einmal fragen.
Die Mitglieder des Rates für sorbische (wendische) Angelegenheiten haben nicht einmal - auch wenn sie sich so richtig bemüht haben, sich zu Gesetzesverfahren zu äußern -, die Möglichkeit, ihre Stellungnahme prägnant durchzusetzen, und wie wir heute sehen: Sie können nicht einmal eigene Entwürfe in den Landtag einbringen. Insofern wäre das doch noch einmal nachdenkenswert.
Absatz 4 können Sie selbst lesen; ich schicke noch einmal eine E-Mail herum. - Es blinkt rot, danke.
Die habe ich nicht gesehen, Entschuldigung. Dann ist sie auch zur richtigen Zeit gestellt worden. Frau Abgeordnete Niels, darf ich Sie bitten, noch einmal nach vorn zu kommen?
- Nein. Die Anfrage wird gestellt durch wen? - Es ist immer günstig, wenn Sie sich dann auch irgendwo positionieren. Wir wissen nicht, wer Fragebedarf hat. Wer möchte fragen? - Herr Dombrowski, bitte, Sie haben die Gelegenheit.