Ich habe mich neulich mit Kollegen aus Nordrhein-Westfalen unterhalten. Sie sagten: Lieber Kollege Goetz, wir haben auch eine Außengrenze. Zu uns kommen die Holländer mit den ganzen Drogen. Die Bekämpfung ist auch wichtig. Deswegen könnt ihr doch nicht mehr verlangen als wir. - Ich habe denen gesagt: Liebe Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, es ist für die Menschen aber ein Unterschied, ob man etwas bekommt oder einem etwas weggenommen wird. Das haben sie auch eingesehen.
So einfach ist es manchmal. Damit konnte man den Leuten aus NRW problemlos erklären, dass wir andere Probleme haben als sie und dass es eben ein Unterschied ist, ob da einer vor der Tür steht und fragt, ob man etwas kaufen will, nach dem Motto „Brauchst du?“ oder einer vor oder hinter der Tür steht und das Haus ausräumt, das Auto mitnimmt - oder was immer dort läuft.
Jetzt haben wir ganz frisch - ich weiß nicht, ob wir das schon haben dürfen - die Gesundheitsstatistik des Polizeipräsidiums Potsdam: 7 000 Beamte, durchschnittlicher Krankenstand 33 Tage pro Jahr, 700 dauerhaft krank, jeden Tag. Das ist jeder 10. Beamte des Polizeipräsidiums. Das heißt, gegenwärtig sind wir dort nicht mit 7 000 Beamten besetzt, sondern auch heute nur mit 6 300. Wir sind also schon weit unter den Zahlen, die erst noch kommen werden. Bei Lehrern haben wir Vertretungsreserven. Eigentlich benötigen wir etwas Vergleichbares bei der Polizei, um die ausfallenden Beamten ersetzen zu können. Denn so funktioniert die Polizei zwar irgendwie, aber nicht richtig.
Ich war vor kurzem auch in Lauchhammer, und auch andere Beamte haben mir gesagt: Selbstverständlich ist die Polizei an ihren Aufgaben gewachsen. Polizei schafft alles, Polizei kriegt alles hin - solange nichts passiert. Das Problem ist, wenn etwas passiert, dann kriegen sie es eben nicht mehr auf die Reihe. Fahren Sie einmal zur Autobahnwache nach Michendorf und
reden Sie mit denen! Die sagen: Wir schaffen einen Unfall, wir schaffen den zweiten. Wenn ein dritter geschieht, wird es ziemlich schwierig, dann müssen wir von anderen Wachen Leute anfordern. Wenn in Beelitz keiner mehr ist und wenn in Teltow nachts die Wache zu ist, dann wird versucht, irgendjemanden aus Potsdam zu bekommen. Der braucht entsprechend lange. Dann fehlen sie auch dort wieder. Wenn Leute aufgegriffen und weggebracht werden müssen, dann fehlen die Polizisten im jeweiligen Einsatzgebiet. Auch das gehört dazu, dass man polizeiliche Sicherheit, innere Sicherheit gewährleistet und auch die Eingriffszeiten einhält. Genau da liegt unser Problem. Der Personalabbau im Rahmen der Polizeistrukturreform läuft bereits auf weit unter 7 000 Beamte zu. Ich habe bei Haushaltsberatungen immer wieder dargelegt, dass wir bei 6 700, 6 400 oder 6 500 Stellen ankommen werden, wenn nicht massiv mit neuen Anwärtern gegengesteuert wird.
Zu dem Fakt, dass wir 2013/2014 in die Evaluierung gehen sollen: 2013 ist für die Evaluierung dieser Strukturreform zu spät. Bis dahin läuft die Kriminalität weiter aus dem Ruder. Wir erleben bereits jetzt, dass die Polizei in weiten Bereichen ihren Aufgaben nicht gewachsen ist.
Drei Einsatzhundertschaften an der Grenze sind eine nette Idee, lösen aber nicht das Problem. Erst einmal haben wir nur zwei Hundertschaften an der Grenze, nämlich in Frankfurt (Oder) und in Cottbus. Die dritte Hundertschaft ist schon ein Viertel ihrer Arbeitszeit unterwegs, um überhaupt hin- und zurückzukommen. Dann fallen die aus und fehlen eben bei anderen Aufgaben, die auch gestemmt werden müssten. Die Hundertschaften sitzen doch sonst nicht herum und tun nichts und warten nur darauf, dass einer über die Grenze kommt. Da wird uns erzählt, der Zoll hat neue Aufgaben bekommen. Toll, Frau Kollegin Stark. Wenn da 20 Zollbeamte im Land irgendwo unterwegs sind und versuchen, ein paar Schwarzarbeiter aufzugreifen, dann ist das natürlich genau der richtige Punkt, um den Wegfall von hundert oder tausend Polizeibeamten auszugleichen. Das wird nie im Leben gelingen. Das ist ein kleiner Baustein. Der Innenminister sagte gestern: Er mag mal groß, mal klein sein, aus Zement oder aus Pappmaché. - Ich tippe eher auf klein und Pappmaché. Das ist dann so, aber es löst auch kein Problem.
Wenn wir das Thema ernsthaft angehen, wenn wir uns ernsthaft damit befassen wollen, dann brauchen wir verlässliche Daten, und zwar nicht erst im Jahr 2014, wenn das Kind weitere zwei Jahre lang in den Brunnen gefallen ist.
In Lauchhammer - weil es angesprochen worden ist - haben sich die Leute inzwischen auf Kriminalität eingerichtet. Der Geschäftsführer eines größeren Unternehmens - er hat gut 100 Leute, ist FDP-Mitglied - sagte: Wir haben massenhaft Fahrzeugklau, wir haben Dieselklau aus den Fahrzeugen. - Man könnte den Tank abends leer haben. Das machen die aber nicht, denn wenn der Tank leer ist, schmeißen die Diebe Sand hinein, weil sie frustriert sind, weil sie nichts gefunden haben. Also richten die sich entsprechend ein und lassen ein wenig Diesel im Tank, damit ein gewisses Erfolgserlebnis eintritt. Im Übrigen hoffen sie, dass möglichst keiner kommt.
Deswegen ist es richtig, jetzt zu evaluieren. Der Antrag der CDU ist richtig, wir brauchen die Daten jetzt und nicht erst im Jahr 2014. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Für die Fraktion DIE LINKE ergreift Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Keine Landtagssitzung ohne einen CDU-Antrag zur Polizei. Ich habe den Eindruck, dass es bei Ihnen Vorgaben gibt, jeden Monat einen Antrag einzubringen.
Das, was wir heute hier in dieser Landtagssitzung erleben, haben wir schon vielfach erlebt. Aus dieser Sicht bietet auch der heute vorliegende Antrag eigentlich nichts Neues. Das Thema der öffentlichen Sicherheit und der Grenzkriminalität beschäftigt die Menschen in unserem Land zweifellos. Das nehmen wir sehr ernst, auch wenn ein Teil der Unsicherheit damit zusammenhängt, dass die CDU keine Gelegenheit ungenutzt lässt, den Notstand auszurufen, was folgerichtig zu einer Verschlechterung des subjektiven Sicherheitsempfindens der Bevölkerung beiträgt. Das ist ganz normal.
Wenn Sie sich mit Ihren Anfragen jetzt die hochgerechneten Zahlen geben lassen, die in den Polizeirevieren 2020 gegeben sein werden, und die dann draußen vorlesen, dann ist die Wirkung vorprogrammiert. Sie sollten dabei aber nicht ganz vergessen, dass die Personalentwicklung bei der Polizei einschließlich der Planung für das Jahr 2012 noch vom damaligen Innenminister Schönbohm zu verantworten ist.
Auf einer Pressekonferenz zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2008 hat Herr Schönbohm am 3. März 2009 für den 01.01.2013 einen Personalbestand bei der Polizei in Höhe von 8 524 Stellen angesagt. Vergleichen Sie das einmal mit dem aktuellen Stand. So weit muss man aber gar nicht zurückgehen. Die CDU-Fraktion hat im Jahr 2011 alternativ zu den Plänen des Innenministers einen eigenen Vorschlag zur Personalentwicklung bei der brandenburgischen Polizei gemacht, unterzeichnet vom damaligen innenpolitischen Sprecher Sven Petke - insofern haben Sie damit nicht unmittelbar etwas zu tun, Herr Lakenmacher - und der Fraktionsvorsitzenden. Nach diesem Konzept wollten Sie die Polizei bis auf 8 000 Planstellen abbauen, verbanden das aber mit dem völlig unrealistischen Anspruch, alle 49 Polizeiwachen in diesem Land im 24-Stunden-Betrieb aufrechtzuerhalten. Das kann nicht so richtig ernst gemeint sein.
Diese von der CDU anvisierte Personalstärke wäre nach der aktuellen regierungsoffiziellen Personalplanung im Jahr 2016 erreicht.
Jetzt fühlen Sie sich aber offensichtlich nicht einmal mehr an Ihr eigenes Konzept gebunden und betrachten die gegenwärtige Personalsituation in der Polizei mit immerhin noch über 8 500 Stellen als unzureichend. Also fordern Sie eigentlich, die gegenwärtige Anzahl der Polizisten noch zu erhöhen. Dass das völlig unrealistisch ist, wissen Sie. Insofern operieren Sie mit unlauteren Mitteln, indem Sie sich einerseits Ihrer früheren Verantwortung als konkret dafür verantwortliche Regierungspartei entziehen wollen und andererseits mit den zweifellos in der Bevölkerung vorhandenen Ängsten spielen. Das ist unseriös.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind unzufrieden damit, dass die Diebstahlkriminalität insbesondere im grenznahen Raum solche Dimensionen angenommen hat. Wir sind auch mit den Aufklärungsquoten nicht zufrieden. Diesen Problemen müssen und wollen wir uns stellen. Wir haben alle zur Kenntnis nehmen können, Sie auch meine Damen und Herren von der CDU, dass der Innenminister die Probleme nicht schönredet, sondern verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Kriminalität eingeleitet hat. Wir konnten auch zur Kenntnis nehmen, dass es ähnliche Probleme im CDU-regierten Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Insofern war es auch folgerichtig, dass der Bundesinnenminister seine abwehrende Haltung aufgegeben und die Innenministerkonferenz jetzt ein gemeinsames Vorgehen der Länder gegen die zunehmenden Kfz-Diebstähle im Rahmen der grenzüberschreitenden Kriminalität beschlossen hat. Das begrüßen wir.
Sie sprechen von explodierter Kriminalität, wahrscheinlich meinen Sie aber explodierende Kriminalität. Sie sprechen von dramatischer Entwicklung bei Einbruch- und Diebstahlkriminalität usw. Ich weiß gar nicht, wie Sie sich angesichts dieser Wortwahl noch steigern wollen.
Wenn Sie die Forderung aufmachen, dass der Bericht „Polizei Brandenburg 2020“ und das Personalentwicklungskonzept kritisch hinterfragt werden sollen, dann sage ich Ihnen: Das ist selbstverständlich. Das nehmen wir sehr ernst, und das nimmt
der Innenminister sehr ernst, und das geschieht schon. Wenn Sie weiter fordern, dass der tatsächliche Stellenbedarf bei der Polizei auf analytischer Grundlage festgestellt werden soll, kann ich auch nur sagen, dass wir das grundsätzlich bereits beschlossen haben.
Ich bin gleich am Ende. - Auf Antrag der Koalitionsfraktionen ist festgelegt worden, dass dazu jährlich im Innenausschuss ein Bericht zur Entwicklung der Polizeistrukturen und zur Personalentwicklung vorzulegen ist.
Herr Abgeordneter Scharfenberg, ich bitte Sie, Ihre Rede zu beenden! Sie sind deutlich über Ihrer Redezeit.
Daher ist es folgerichtig, dass wir Ihren Antrag ablehnen, weil er nicht gebraucht wird. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. - Wir kommen nun zum Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abgeordnete von Halem hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Beginn dieser Debatte um die Polizeistrukturreform sind wir nicht müde geworden zu betonen, dass wir uns der Notwendigkeit von Reformen zwar nicht verschließen, aber einen derart drastischen Personalabbau, der sich auf ein fragwürdiges Benchmarking stützt anstatt auf Aufgabenkritik, scharf kritisieren. Ebenso haben wir die Kritik am Standortkonzept hier immer wieder vorgetragen. Die Forderung in diesem Antrag, den Bericht der Bosch-Kommission und insbesondere das Personalentwicklungskonzept kritisch zu hinterfragen und den Stellenbedarf fachlich begründet zu überarbeiten, hat die gesamte Opposition immer wieder erhoben. Insofern können wir wesentlichen Teilen dieses Antrags auch zustimmen.
Wo wir nach wie vor nicht mitgehen können, sind diese ideologisch motivierten Weltuntergangsszenarien, die Sie uns jetzt zum dritten Mal in diesem Jahr bieten. Liebe CDU, wir machen uns langsam Sorgen um Sie. Sie nehmen die politische Farbenlehre offensichtlich sehr ernst, denn Sie etablieren sich hier immer mehr als die Schwarzmaler der Nation.
Das von Ihnen beschriebene Szenario löst bei uns zunehmend Befremden aus. Sie reden von dramatischen, zum Teil historisch schlechten Ergebnissen der Kriminalitätsbelastungs- und Aufklärungsbilanz, von einer explodierenden Kriminalitäts
belastung, von drastisch gesunkenen Aufklärungsquoten und einer insgesamt dramatischen Entwicklung. Dabei hat die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2011 ergeben: die Gesamtkriminalität ist gesunken, die Gewaltkriminalität ist gesunken, die politisch motivierte Kriminalität ist gesunken und die Jugendkriminalität ist gesunken. Lassen Sie uns die Dinge also etwas differenzierter betrachten.
Ja, es gibt eine Menge Probleme wie die grenzüberschreitende Kriminalität, die gesunkene Aufklärungsquote, mehr Diebstahldelikte, eine höhere Internet- und Rauschgiftkriminalität. Diese Probleme haben Ursachen in Brandenburg, in der Bundesrepublik und in der Entwicklung der organisierten Kriminalität im gesamten mittel- und osteuropäischen Raum. Sich jetzt um die Ohren zu hauen, ob entweder der Personalabbau unter Rot-Schwarz oder der jetzt einsetzende Personalabbau unter Rot-Rot Schuld an der Misere habe, bringt uns nicht weiter. Ist die besorgniserregende Aufklärungsquote vielleicht eine Folge der Verunsicherung im letzten Jahr durch die Umstrukturierung der Polizei? Das hat zumindest viel Kraft und Aufmerksamkeit gekostet. Erholt sich die Aufklärungsquote vielleicht wieder, wenn die neuen Strukturen wirksam werden? Handelt es sich um ein temporäres Problem oder um ein systematisches? Was müssen wir tun?
Sicher ist, dass die kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit gerade in den Problembereichen und die operative Polizeiarbeit momentan nicht weiter geschwächt werden sollten. Das Kerngeschäft muss gestärkt werden. Probleme können nicht durch die Verlagerung von Bereitschaftspolizei dauerhaft gelöst werden. In diesem Zusammenhang erneuern wir unsere Kritik an Prestigeobjekten wie dem Polizeiorchester und der Sportfördergruppe.