Es handelt sich hierbei um Ignoranz gegenüber Wohlfahrtsverbänden, gegenüber den Kirchen und Gewerkschaften sowie der Wirtschaft - erinnern Sie sich: Herr Hundt, der Vertreter der Arbeitgeberverbände, spricht sich vehement gegen das Betreuungsgeld aus -, aber auch gegenüber der Wissenschaft, meine Damen und Herren, gerade aus der CDU-Fraktion. Frau Blechinger, Sie sind immer eine so große Verfechterin, wenn es um wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich der Bildung geht, und gerade hier versagt die CDU/CSU auf Bundesebene.
Aber Sie ignorieren auch den Wunsch vieler Eltern, vieler Väter und Mütter nach einem bedarfsgerechten Betreuungsangebot im Bereich der frühkindlichen Bildung. Ich weiß das ganz genau, ich bin selbst Mutter von drei Kindern und habe für alle meine Kinder genau dieses Angebot genutzt. Zwei davon haben Abitur gemacht, der Dritte ist jetzt in der 5. Klasse, und ich hoffe, auch er wird seinen Weg gehen. Ich freue mich, dass sie gut ausgestattet wurden und - ergänzend zum familiären Angebot eine frühkindliche Bildung in einer Kindestagesstätte genießen konnten.
Wir haben in Deutschland ein Bild, das klar und deutlich zeigt: Der Rechtsanspruch, der ab dem 1. August 2013 für alle Kinder - das heißt, 35 % der Ein- bis Dreijährigen - vereinbart wurde, soll erfüllt werden können. Wir werden ihn deutschlandweit so nie erfüllen können, jedenfalls steht er derzeit für 2013 überhaupt nicht auf dem Tablett. Maximal 20 % werden durchschnittlich in Deutschland erreicht werden. Dabei verbessern wir, die ostdeutschen Bundesländer, an dieser Stelle den deutschen Durchschnitt. Wir haben jetzt schon eine Quote von mehr als 50 % im Bereich der frühkindlichen Bildung, und ich sage: Das ist genau richtig so, und das sollte uns auch das Geld wert sein, das wir dafür in die Hand nehmen.
Wir brauchen mehr Unterstützung dafür, dass diese Betreuungsangebote auch in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und anderen Bundesländern zur ganz normalen Wahlmöglichkeit der Eltern zählen. Das ist es, was Herr Seehofer mit dem Betreuungsgeld zu propagieren versucht: Er versucht uns einzureden, damit würde die Wahlmöglichkeit der Eltern gestärkt, sich für eine öffentliche oder eine private Betreuung zu entscheiden. Bei Prozentsätzen in Bayern von unter 20 % im Bildungsangebot für Ein- bis Dreijährige frage ich mich: Wo haben die Eltern dabei tatsächlich eine Wahl? Sie haben gar keine Wahl.
Die Bundesregierung will das Modell des Betreuungsgeldes auf Bundesebene installieren, um dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab 01.08.2013 ein Stück weit eine Alternative
entgegenzusetzen. Hintergrund ist, dass nicht nur eventuell, sondern mit Sicherheit viele Eltern entsprechende Klagen einreichen werden; deren Folgen sollen abgemildert werden. Ich glaube, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird. Es kommt hinzu, dass die Zeitschiene der Verabschiedung sehr ambitioniert ist. Der Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause durch den Bundestag und den Bundesrat - ich sage es bewusst so - „gepeitscht“ werden, um das Geld tatsächlich ab 01.01.2013 auszahlen zu können.
Ich will an dieser Stelle nicht an die unendliche Diskussion darüber erinnern, ob an die Eltern Gutscheine verteilt werden sollen und ob sie dieses Geld tatsächlich für Bildung und Betreuung ihrer Kinder einsetzen. Insoweit sind sich die Koalitionäre auf Bundesebene glücklicherweise noch immer nicht einig. Ich hoffe, dass es noch ganz viele Kollegen im Bundestag geben wird - auch aus den Fraktionen von CDU/CSU und FDP -, die eine von der Regierungsmeinung abweichende Position vertreten.
Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich für das Signal unserer Landes-FDP. Lieber Andreas Büttner, du hast mir heute Morgen an der Hintertreppe des Landtags sehr freundlich die Tür geöffnet.
Du hast mich insofern dabei unterstützt, dass ich heute kraftvoll am Rednerpult stehen und meine Meinung - meine Meinung und die meiner Fraktion - von hier vorn verkünden kann. Vorhin hast du mir signalisiert, dass sich die FDP-Landtagsfraktion unserem Entschließungsantrag anschließen werde. Recht herzlichen Dank dafür!
Wir haben uns in diesem Hohen Haus schon oft mit dem Thema „frühkindliche Bildung“ auseinandergesetzt. Die FDP-Fraktion des Landtages Brandenburg bleibt sich in dieser Frage treu.
Sie sagt: Gute frühkindliche Bildung ist der wichtigste Baustein für die Zukunftssicherung unserer jungen Generation.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ab 01.01.2013 für die häusliche Betreuung von Kindern im ersten Lebensjahr 100 Euro monatlich gezahlt werden sollen. Ab 2014 sollen für Kinder im zweiten und im dritten Lebensjahr 150 Euro monatlich gezahlt werden. Das alles ist mehr oder weniger eine Farce. Derzeit sind 1,2 Milliarden Euro eingeplant; einige Wirtschaftsinstitute rechnen sogar mit 2 Milliarden Euro oder mehr. Die Verteilung nach dem Gießkannenprinzip soll angeblich dazu führen, dass wir die frühkindliche Bildung in Deutschland quantitativ und qualitativ verbessern.
Daran glaube ich nicht. Das ist eine Mär. Wir hoffen, dass wir diese Mär mit dem, was wir in der heutigen Aktuellen Stunde miteinander besprechen, tatsächlich für jeden widerlegen können. Damit senden wir aus Brandenburg ein klares Signal an den Bundestag. Aber auch in anderen Bundesländern - wie Mecklenburg-Vorpommern - verläuft die Diskussion zu diesem Thema ähnlich.
Wir sagen: Es geht auch und gerade um die Kinder, die besondere Unterstützung im Rahmen ihrer frühkindlichen Förderung brauchen. Wissenschaftliche Studien - nicht nur die der SPDnahen Friedrich-Ebert-Stiftung, sondern auch die der Bertelsmann-Stiftung - zeigen eindeutig, was wirklich wichtig ist, um Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Natürlich brauchen Kinder intakte Familien und gute Vorbilder in den Familien; das ist vollkommen klar. Aber mittlerweile herrscht in Deutschland mehrheitlich ein Familienbild vor, das mit dem traditionellen Bild von CDU und CSU nicht mehr vollkommen in Übereinstimmung ist. Wir haben nicht mehr nur Familien mit zwei erwerbstätigen Eltern oder gar nur Familien mit einem gutverdienenden Elternteil, dessen Einkommen ausreicht, um die gesamte Familie zu ernähren. Schauen Sie sich doch die Familienlandschaft in Deutschland an! Es gibt alleinerziehende Mütter. Es gibt Schlechtverdiener, die drei oder vier Jobs annehmen müssen, um ihren Lebensunterhalt sichern und keine ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt beantragen zu müssen. Viele Erwerbstätige müssen weit pendeln, sich also täglich viele Fahrtstunden ans Bein binden, um die wirtschaftliche Grundlage für die Familie zu schaffen. All diese Menschen erwarten von uns, dass wir ihnen ein qualitativ hochwertiges Betreuungsangebot zur Verfügung stellen.
Wenn Sie sich ansehen, wie hoch die Inanspruchnahme entsprechender Angebote in den neuen Bundesländern ist, dann erkennen Sie, dass diese Angebote nicht ohne Grund vorgehalten werden. Übrigens wird daran auch unsere brandenburgische Familienpolitik deutlich. Wir in Brandenburg sagen: Familien ohne ausreichende Möglichkeit zum Einkommenserwerb sollte es nicht geben. Beides gehört zusammen: Erwerbstätigkeit und Familie. Es geht um Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Betreuungsgeld zielt gerade nicht darauf ab.
Wir sagen: Wir brauchen das Betreuungsgeld nicht. Wir möchten, dass die frühkindliche Bildung Fortschritte macht. Wir haben eine gute Quote erreicht und wollen die finanziellen Mittel dafür nutzen, die Qualität in den Kindertageseinrichtungen noch stärker zu erhöhen.
Einige Bundesländer haben die Quote von 35 % schon erreicht. Wir wollen das Geld, das auf Bundesebene für das Betreuungsgeld vorgesehen ist, dafür nutzen, die Qualität in den Kitas weiterzuentwickeln, die Möglichkeiten zur Förderung der Sprachkompetenz zu verbessern und den Betreuungsschlüssel zu verkleinern. Das wären gute Ansätze. Insofern werbe ich dafür, dass Sie sich unserem Entschließungsantrag anschließen und dafür sorgen, dass wir nicht nur in Brandenburg, sondern auch in ganz Deutschland eine moderne Familienpolitik vorantreiben können, die mit familienunterstützenden Systemen das auf den Weg bringt, was jedes Kind in Deutschland braucht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Abgeordnete Lieske, „modern“ heißt nicht, dass der Staat das Familienbild vorschreibt.
Das kann nicht sein. Es geht um Wertschätzung der Erziehungsleistung der Eltern, nicht nur um Wertschätzung der Erziehungsleistung der Kita.
Sie werden es in Finnland erlebt haben: Auch dort gibt es ein Betreuungsgeld. Finnland wird uns doch bei jeder Gelegenheit als Vorbild für eine moderne Familienpolitik vorgehalten. Dort würde auch niemand auf die Idee kommen, das Betreuungsgeld als „Herdprämie“ zu diffamieren. Sie wollen mir doch nicht im Ernst einreden, dass eine Frau ihren Beruf an den Nagel hängt und wegen 100 Euro zu Hause bleibt. Es geht darum, dass die Erziehungsleistung der Frauen, die sich bewusst entscheiden, länger als 12 Monate bei ihren Kindern zu bleiben, anerkannt wird.
Es ist ungerecht, wenn nur Kita-Erziehung vom Staat gefördert wird, aber nicht die Erziehung zu Hause.
Zur frühkindlichen Bildung: Ich kann Ihnen gern Studien zur Verfügung stellen - ich habe sie hier nicht vorliegen -, die zu dem Ergebnis kommen: Eine gute Krippe schadet nicht.
- Übrigens sitzen hier eine ganze Reihe von Menschen, die weder eine Krippe noch eine Kita von innen gesehen haben und die in ihren Bildungsmöglichkeiten nicht gebremst wurden.
Wie gesagt: Eine gute Krippe schadet nicht. Aber wir haben das schlechteste Betreuungsverhältnis in Deutschland in Krippen und Kindergärten.
- Nein, das ist Sache des Landes und nicht der Bundesregierung. Das Land kann nicht von der Bundesregierung etwas fordern, was es selbst leisten kann. Die anderen Länder leisten das bessere Betreuungsverhältnis ja auch.
Die wissenschaftlichen Untersuchungen, die Sie angesprochen haben, beweisen den erhöhten Stressspiegel - den Cortisolspiegel - bei Krippenkindern, die ganztägig in der Krippe sind. Sie beweisen auch, dass dieser erhöhte Cortisolspiegel teilweise Hirnschädigungen hervorrufen könnte.
Nur: In Deutschland sind diese Studien nicht so verbreitet, weil sie nicht der Political Correctness entsprechen.
Bei uns steht das Kind im Mittelpunkt! Und das Kind braucht als Erstes die Mutter. Ich kann Ihnen die entsprechenden Artikel zur Verfügung stellen.
(Beifall CDU - Holzschuher [SPD]: Und Väter! - Frau Blechinger [CDU] geht zu Frau Lehmann [SPD] und zeigt ihr eine Broschüre - Unruhe)