Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kircheis. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben nur noch wenige Minuten vor uns, und ich bitte, aus Respekt vor der Arbeit derer, die heute noch sprechen müssen, den Lärmpegel ein Stück herunterzufahren.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es in der Tat ganz kurz. Ich musste eben bei den Interpretationsversuchen des Kollegen Genilke zum Thema dichter Baumbestand etwas schmunzeln, denn was eine Allee mit dichtem Baumbestand zu tun hat, erschließt sich einem Förster grundsätzlich nicht.
Aber das ist ein ganz persönliches Problem, das will ich einräumen. Da wir gerade bei Förster sind, lieber Michael, ich darf das bei dieser Gelegenheit verraten - Facebook ist ja ohnehin öffentlich -: Wir hatten heute Morgen einen kleinen FacebookAustausch und Kollege Luthardt meinte: Wir sehen uns heute Abend bei Tempo 70.
Ich habe zurückgepostet: aber mit Tempo 120. - Lieber Michael, ich habe Recht behalten, ich bin nämlich vor dir hier am Pult.
Ich will es nicht ausweiten, ich bin auch, lieber Herr Minister Vogelsänger, ein wenig beruhigt, dass wir endlich einmal nicht einer Meinung sind, denn wir werden dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion in der Tat zustimmen. Die Argumente sind schon ausgetauscht. Das Bürokratiemonster dieses Alleen-Erlasses erschließt sich uns ebenfalls nicht, und wir sind auch aus praktischer Erfahrung - darin schließe ich mich vollkommen den Ausführungen des Kollegen Genilke an der Meinung, dass ein Regeltempo 70 in Alleen, wie auch immer definiert, eher zu Überholmanövern provoziert, und wir
glauben nicht, dass dies der Verkehrssicherheit dienlich ist. Aber alle anderen Unterschiede können wir dann gleich noch ausdiskutieren, denn ich habe es extra kurz gemacht. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Beyer. - Wir kommen nun zum Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Herr Abgeordneter Luthardt hat das Wort.
Ich komme mit Tempo 120. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Pressenotiz in der „Märkischen Oderzeitung“ vom 2. Juni 2012:
„Zollbrücke: Ein Autofahrer ist am Freitag kurz nach 18 Uhr zwischen Altwustrow und Zollbrücke, MärkischOderland, tödlich verunglückt. Nach Angaben eines Sprechers der Feuerwehr Neulewin war der Mann mit seinem BMW mit überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Baum geprallt. Die Feuerwehr konnte ihn nur noch tot bergen.“
Ich kenne diesen Mann nicht. Ich kenne aber diese Straße und auch die Bäume, die daran stehen, und es macht mich betroffen, solche Nachrichten zu hören oder zu lesen. Es ist gut, auch wenn es diesen Unfall nicht ungeschehen macht -, dass sich die Zahl der Getöteten in den letzten Jahren deutlich nach unten bewegt hat.
Trotzdem: 74 Tote bei Unfällen an Bäumen im Jahr 2010. Jeder einzelne Tote - wie dieser am vergangenen Freitag - ist einer zu viel. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft Anstrengungen unternimmt, die Zahl der Unfälle weiter zu senken. Die vorgesehene Temporeduzierung ordnet sich in die verschiedenen diesbezüglichen Maßnahmen der Landesregierung ein. Dazu zählen unter anderem 30 Projekte für die Verkehrssicherheit, die vom Landwirtschaftsministerium gefördert werden, denn dies ist wichtig. Ursache für die Unfälle sind nicht die Bäume - das muss ich als Förster sagen -, sondern sind meist Fahrfehler und überhöhte Geschwindigkeit. Dies sieht übrigens die Landesverkehrswacht Brandenburg genauso, wie es jetzt in einem Heft veröffentlicht worden ist.
Deshalb benutze ich das Wort „Baumunfälle“ auch nicht. Aber wo Bäume am Straßenrand stehen, haben Unfälle unter Umständen schlimmere Folgen als anderswo. Daher ist es sinnvoll, gerade dort besonderen Wert auf Unfallvermeidung zu legen.
Der Antrag der CDU enthält einen Widerspruch. In der Begründung schreiben Sie richtigerweise, dass sich die Unfälle an Bäumen nicht auf bestimmte Schwerpunktstrecken konzentrieren, sondern fast über das gesamte Straßennetz mit Baumbestand verteilt sind. Trotzdem beantragen Sie, Tempolimits auf ausgewiesene Unfallschwerpunkte zu begrenzen. Das ist aus meiner Sicht nicht so ganz schlüssig. Die Frage ist doch viel
mehr: Sind wir bereit, ein höheres Unfallrisiko zugunsten der Freizügigkeit in Kauf zu nehmen? Ich sage deutlich Nein, zumal die Einschränkung der Freizügigkeit längst nicht so groß ist, wie dies hier suggeriert wird.
Ich bin ein großer Verfechter der Belange der ländlichen Räume, aber ich habe keine Angst, dass sie durch diese Beschränkung abgehängt werden. Also, so schon gar nicht. Es geht hier wirklich nur um eine wenige Minuten längere Fahrzeit.
Die Reduzierung der Höchstgeschwindigkeiten auf Alleen von 100 auf 80 km/h im Jahre 1998 zeigt, dass es ein richtiger Weg ist. Die Zahl der an Bäumen Getöteten ist deutlich zurückgegangen. Die Statistik zeigt uns aber, dass Unfälle nicht nur in geschlossenen Alleen geschehen, sondern eher in lückigen Abschnitten. Deshalb ist damit zu rechnen, dass die vorgesehene Geschwindigkeitsbegrenzung an solchen Straßenabschnitten ihre Wirkung nicht verfehlen wird.
Dies führt mich aber auch noch zu einer anderen Überlegung, die ich hier gern loswerden möchte: Wir wollen eine Evaluierung und Fortschreibung der Alleenkonzeption. Wir müssen dabei den Alleenbestand für die Zukunft sichern und den Anforderungen der Verkehrssicherheit gerecht werden. Wir wissen, dass es immer schwieriger wird, Straßenabschnitte zu finden, an denen neue Bäume gepflanzt werden können. Man kann sich fragen: Ist der kategorische Ausschluss von Lückenbepflanzungen, wie ihn die derzeitige Konzeption vorsieht, im Sinne der Verkehrssicherheit notwendig? Ich freue mich jedenfalls auf die Diskussion um die Evaluierung dieser Konzeption.
Die Linke hat sich schon immer dafür eingesetzt, den Baumbestand an Straßen als ein Markenzeichen unseres Landes langfristig besser zu sichern. Die von der CDU angefochtene Reduzierung der Geschwindigkeit auf Tempo 70 bezieht sich ja, wie schon gesagt worden ist, ausnahmslos auf die baumbestandenen Straßenabschnitte. Es ist immer eine Einzelfallprüfung durch die Landkreise notwendig, wo Tempo 70 dann gefahren werden soll. Ich finde es sehr gut, dass diese Verantwortung auf die untere Ebene gegeben worden ist. Ich halte es für eine grundsätzlich richtige Herangehensweise und empfehle daher, den Antrag der CDU abzulehnen.
Ich hoffe, dass ich auch mit Tempo 70 gut durch meine Redezeit gekommen bin, und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit zu dieser späten Stunde.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Luthardt. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Herr Abgeordneter Jungclaus hat das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Sicher hat der eine oder die andere von Ihnen schon einmal einen Crashtest im Fernsehen oder als Fotoserie,
vielleicht sogar schon einmal live miterlebt - Letzteres hoffentlich nicht als Betroffener. Jedenfalls kann man sich angesichts solcher Bilder leicht vorstellen, wie schwerwiegend Verkehrsunfälle mit Bäumen sind. Sicherlich, Herr Minister Vogelsänger und Kollege Luthardt, haben Sie Recht, wenn Sie sagen, jeder Tote ist einer zu viel. Dem kann man nur vorbehaltlos zustimmen. Die Frage ist jedoch, welche Ursachen maßgeblich zu Unfällen beitragen. Ist es tatsächlich nur die Geschwindigkeit? Oder sind es nicht viel mehr Unaufmerksamkeit, schlechte Sicht, mangelnde Erfahrung, Alkoholkonsum usw.? Bringt uns hier ein flächendeckendes Tempolimit von 70 Kilometern pro Stunde in irgendeiner Form weiter?
Die Analyse der Baumunfälle der Jahre 2008 bis 2010 Ihres Ministeriums, Herr Vogelsänger, zeigt, dass sich über die Hälfte der Unfälle auf Abschnitten mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 oder mehr Kilometern pro Stunde konzentriert. Nach Ihrer Logik, Herr Minister Vogelsänger, müssten Sie dann hier ebenfalls ansetzen und dort überall auf 80 km/h reduzieren. Selbst dann: Ein Restrisiko wird immer bleiben. Das können wir leider nicht ändern, auch nicht, wenn wir die Geschwindigkeit nach 70 auf 60, auf 50, auf 40 herabsetzen. Der Artikel, den Kollege Luthardt zitiert hat, hat halt ausgesagt: Erhöhte Geschwindigkeit ist die Ursache des Unfalls gewesen und nicht, dass der Betreffende mit 80 km/h durch die Allee gefahren ist.
Der Bericht des Ministeriums zeigt weiterhin, dass vor allem junge Fahrerinnen und Fahrer in der Altersgruppe 18 bis 24 in Unfälle verwickelt sind. Ist es hier nicht vor allem die Unerfahrenheit und Selbstüberschätzung, die zu Unfällen führt? Und glauben Sie, dies durch Tempo 70 in den Griff zu bekommen? Ich habe daran starke Zweifel und sehe den Handlungsdruck eher bei Prävention und Aufklärung. Natürlich: Es steht außer Frage, dass wir Tempo 70 auf Streckenabschnitten brauchen, bei denen es spezielle Vor-Ort-Situationen verlangen. Aber das Tempolimit auf einer Landstraße auf 70 herabsetzen, weil sich dort ein tödlicher Unfall ereignet hat - dessen Ursachen wir noch nicht einmal kennen -, geht definitiv am Ziel vorbei. Unter den pauschalen Geschwindigkeitsbeschränkungen werden nämlich auch die leiden, die die Strecke tagtäglich zur Arbeit fahren, und das seit Jahren unfallfrei.
Die Antwort auf eine Kleine Anfrage hat kürzlich gezeigt, dass es in Brandenburg keine wesentlichen Unfallschwerpunkte mehr gibt. Die Unfälle verteilten sich im Jahre 2010 über das gesamte Land. Es war kein Straßenabschnitt mit mehr als einem tödlichen Unfall zu verzeichnen. Sie aber agieren auf dieser Datengrundlage mit einem Erlass für ein flächendeckendes Tempo 70 und wissen dann noch nicht einmal, auf wie viel Straßenkilometer sich dies auswirken wird. Planvolles Handeln sieht anders aus.
Für die Tempo-70-Strecken setzen Sie folgendes Kriterium an: Die Zahl der Bäume mit mehr als 25 Zentimetern Stammumfang an beiden Fahrbahnrändern in einer Distanz von kleiner/gleich 4,5 Metern vom jeweiligen Fahrbahnrand muss sich auf einer Strecke von 500 Metern auf eine beidseitige Summe von mindestens 15 belaufen. Merken Sie was? Verantwortlich für diese Klassifizierung sind die Unteren Straßenverkehrsbehörden. Käme der Vorschlag von Ihrem Kollegen Baaske, könnte man ja meinen, es handele sich da um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
Lieber Minister Vogelsänger, Sie schieben die Verantwortung auf die Kreisebene ab und erwarten damit indirekt, dass sämtliche Straßen in Brandenburg kartiert werden. Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge ganze Kreisverwaltungen mit dem Maßband und bunten Warnwesten monatelang die Straßen entlang marschieren.
Wir sehen in diesen übereilten Tempo-70-Aktionen jedenfalls keine sinnvolle Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und teilen daher in diesem Punkt die Stoßrichtung des vorliegenden Antrags, den Runderlass zurückzunehmen. Jedoch sehen wir im Gegensatz zur CDU keinen Anlass für ausufernden Leitplankenausbau, da es - wie schon erwähnt - gar keine Unfallschwerpunkte im Land mehr gibt, die man entsprechend ausstatten müsste, und lehnen bekanntermaßen auch eine Aufstockung der Mittel für den Landesbetrieb für Straßenwesen ab. Wir werden uns daher bei dem vorliegenden Antrag enthalten. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Moment, Herr Minister - es gibt das Bedürfnis nach einer Kurzintervention. Herr Abgeordneter Luthardt hat das Wort.
Ich möchte hier noch einmal sagen: Es geht nicht um ein flächendeckendes Tempolimit 70. Das ist hier schon zum zweiten Mal falsch dargestellt worden.
Zweitens finde ich es sehr gut, dass es die Landkreise machen sollen, denn ich denke, es wäre Quatsch, wenn es von Potsdam aus gemacht und festgelegt würde, wo Tempo 70 gefahren wird. Ich finde diese Regelung also gut und möchte mich noch einmal gegen diese falsche Darstellung verwahren.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Luthardt. - Wir kommen nunmehr zum Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Vogelsänger hat das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Verkehrssicherheitsarbeit ist und bleibt eine ständige Herausforderung. Der stelle ich mich, der stellt sich auch das Parlament.
Ich will daran erinnern: Trotz der Haushaltszwänge haben wir gemeinsam beschlossen, bei der Verkehrssicherheitsarbeit 2012 nicht zu kürzen. Ich sage das, weil das hier auch immer Thema ist. Wir machen das eine wie das andere.
Ich bin in politischer Verantwortung und man muss nicht immer überall mit populären Maßnahmen auffallen.