Protocol of the Session on April 26, 2012

Indem Sie hier nur weiter herumschreien, werden Sie nicht dafür sorgen, dass Ärzte nach Brandenburg kommen. Denn was Sie hier machen, ist nicht gerade eine Einladung dazu, dass Ärzte hierher kommen.

Herr Prof. Dr. Schierack, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Wöllert zu?

Herr Prof. Schierack, ich habe eine konkrete Frage: Worin sehen Sie in diesem Versorgungsstrukturgesetz konkret die Chance, Ärzte aufs Land zu bekommen, und zwar die richtigen Ärzte? Wir brauchen mehr Allgemeinmediziner, und es muss attraktiv sein, sich für das Fach Allgemeinmedizin zu entscheiden und hier als Hausarzt oder Internist tätig zu werden.

Noch eine kleine Bemerkung: Ich glaube, keine einzige Rednerin und kein einziger Redner hat etwas gegen Ärzte gesagt. Das ist ein Missverständnis.

Sie haben nicht gehört, was Frau Lehmann eben gesagt hat.

Ich möchte gern die Antwort auf Frau Wöllerts Frage geben: Frau Wöllert, Sie fokussieren immer allein auf die Hausärzte. Das ist das eine Problem. Es fehlen aber beispielsweise in der Uckermark überwiegend Fachärzte. Es fehlt nicht nur an Kinderärzten, sondern es fehlen auch Dermatologen, Gynäkologen, Augenärzte usw. All diese Situationen spricht das Versorgungsstrukturgesetz an, indem es den Kassenärztlichen Vereinigungen die Möglichkeit gibt, besser auf die Bedarfe und die Bedarfsräume einzugehen. Das wissen Sie doch.

Sie wissen auch, dass es in dem Versorgungsstrukturgesetz über einen Landesausschuss möglich ist, mehr Einfluss zu nehmen. Das wissen Sie doch auch. Das sind doch alles Maßnahmen, die dazu führen, dass wir die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum besser abbilden können. Das wissen Sie doch warum erzählen Sie dann, das funktioniere nicht?

(Frau Wöllert [DIE LINKE]: Aber das funktioniert nicht!)

Also, Frau Wöllert, sehen Sie bitte die Fakten!

Meine Damen und Herren, mit Ad-hoc-Maßnahmen werden Sie keine Ärzte nach Schwedt bringen. Wenn Sie natürlich hier zwei Jahre nichts tun, dann haben Sie zwei Jahre verloren, um Ärzte auf das Land zu bringen und eine entsprechende Struktur zu schaffen. Deswegen fordere ich Sie auf, ein Konzept vorzulegen. Ich bitte Sie, Ihre Position noch einmal zu überdenken. - Danke.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Prof. Schierack. - Frau Ministerin Tack hat rund 1,5 Minuten länger gesprochen. Möchte eine Fraktion noch von der zusätzlichen Redezeit Gebrauch machen? - Das ist nicht der Fall.

Dann sind wir am Ende der Aussprache angelangt, und ich komme zur Abstimmung. Es liegt Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordnete, der Antrag in der Drucksache 5/5125, „Konzept zur Sicherstellung der Medizinischen Versorgung vorlegen“, vor, eingereicht durch die Fraktion der CDU. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Überprüfung der Brandenburger Landesbediensteten nach dem Stasiunterlagengesetz

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/5124

in Verbindung damit:

Transparente und einheitliche Stasi-Überprüfung in der Landesregierung

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/5130

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Eichelbaum hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst, mich im Namen meiner Fraktion bei Ulrike Poppe und ihrem Team zu bedanken. Die Entscheidung des Landtages, nach 20 Jahren endlich eine Diktaturbeauftragte einzusetzen, war richtig und wichtig.

(Beifall CDU)

Die über 2 000 Brandenburgerinnen und Brandenburger, die sich in den letzten zwei Jahren an Frau Poppe wandten, belegen auch, dass es keinen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der DDR-Diktatur und der Stasi-Hinterlassenschaften in Brandenburg geben darf. Wenn wir über die Aufarbeitung der SEDDiktatur sprechen, geht es aber nicht nur um Opferberatung und Opferentschädigung, sondern auch um Transparenz, um Wahrheit und um Ehrlichkeit im Umgang mit stasibelasteten Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Brandenburg.

Ich möchte noch einmal für meine Fraktion betonen: Wir haben aus einer ehemaligen Tätigkeit für die Staatssicherheit kein strafrechtliches Kriterium gemacht, und das haben wir auch nicht vor. Es geht uns nicht um einseitige Schuldzuweisungen, um Hysterie, Hexenjagd oder Inquisition, sondern um Aufklärung und Transparenz.

(Beifall CDU sowie vereinzelt FDP)

Jeder Bürger in Brandenburg und erst recht die Opfer des SEDRegimes haben das Recht, von der Landesregierung zu erfahren, in welchen herausgehobenen Positionen des Staates ehemalige Stasimitarbeiter tätig sind und warum gerade in Brandenburg so viele ehemalige Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes übernommen worden sind.

In ihrem Tätigkeitsbericht ist Frau Poppe eindrucksvoll darauf eingegangen, was die Opfer empfinden, wenn die Täter von damals heute immer noch als Richter, Staatsanwälte oder hohe Regierungsbeamte tätig sind. Ich darf aus dem Tätigkeitsbericht von Frau Poppe zitieren:

„Sie erleben zum Teil mit Bitterkeit, wie diejenigen, die sich dem damaligen Regime dienstbar erwiesen hatten, heute an ihnen vorbei ihre berufliche Karriere fortsetzten oder sogar wieder politische Macht ausübten.“

Hiervon gibt es in Brandenburg nicht wenige. Ich möchte Ihnen, ohne eine Bewertung vorzunehmen, beispielhaft nur einige aktuelle Zahlen zu stasibelasteten Beschäftigten nennen: Im Ministerium der Justiz sind noch 152 stasibelastete Mitarbeiter beschäftigt, darunter 13 Richter und ein Staatsanwalt. Im Landeskriminalamt sind es 87 stasibelastete Mitarbeiter. Der Brandenburger Staatsschutz besteht sogar zu 30 % aus ehemaligen Stasimitarbeitern. Und neu hinzugekommen ist „IM Kristina“ eine Referatsleiterin im Brandenburger Arbeitsministerium.

(Ludwig [DIE LINKE]: „Ganz neu“!)

Das gibt es in keinem anderen Bundesland. Ich weiß nicht, wie viele weitere ehemalige Stasimitarbeiter in den Landesministe

rien tätig sind. Mittlerweile kann man sich ja auch nicht mehr auf die Antworten der Landesregierung verlassen. Nicht nur der Justizminister, sondern auch der Arbeitsminister musste einräumen, dass die Angaben gegenüber dem Parlament falsch waren. Herr Baaske hat gelogen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das besprechen Sie mal bitte mit Frau Blechinger!)

Ich glaube, dass die Minister mittlerweile völlig den Überblick verloren haben, wer wann nach welchen Kriterien eine StasiÜberprüfung in den einzelnen Ministerien durchgeführt hat. Sie wissen nicht, wie viele schwarze Schafe es in den Landesbehörden gibt.

(Beifall CDU - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Frau Blechin- ger wollte das nicht einmal wissen!)

Das, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis einer über 20 Jahre lang versäumten systematischen Stasi-Überprüfung der Brandenburger Landesverwaltung und Resultat der Abschaffung der Regelanfrage durch die SPD-Alleinregierung im Jahr 1995. Wissen Sie, was das Schlimmste an der Sache ist, Frau Kaiser?

(Jürgens [DIE LINKE]: Dass Sie in zehn Jahren CDU- Mitregierung nichts getan haben!)

Dass Sie so tun, als wäre das alles ganz normal.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Es ist bekannt, das ist der Punkt!)

Das ist eine Verhöhnung der Opfer des SED-Regimes.

Aber wenigstens ein Gutes hatten diese Zustände in Brandenburg: Sie führten zu einer Novellierung des Stasi-UnterlagenGesetzes. Anstatt nun aber auch die Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes, die zum 01.01.2012 in Kraft getreten ist, konsequent anzuwenden, erklärte der stellvertretende Ministerpräsident Helmut Markov im Dezember letzten Jahres per Handstreich, das Bundesgesetz würde in Brandenburg keine Arbeitsgrundlage darstellen. Dies war und ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, und ich bin froh, dass wir für den Notfall den Artikel 20 Abs. 4 Grundgesetz haben.

Immer wieder wurde das Stasi-Unterlagen-Gesetz von den Landesministerien unterschiedlich oder gar nicht angewandt, ich erinnere nur an die unterschiedliche Überprüfungspraxis in der Justiz und bei der Polizei. Eine brandenburgische Zeitung sprach deswegen zu Recht vom „Willkürland Brandenburg“. Zwei Stasi-Fälle, zwei Ministerien, zwei ungleiche Verfahren eine Erbsünde. Auch Ihre jetzt angekündigte Stasi-Überprüfung ändert daran nichts, denn diese soll sich ja nur auf Neueinstellungen beziehen.

Überhaupt nicht mehr nachvollziehbar ist es, wenn der Ministerpräsident, der ja immer wieder betont, dass er seine Wurzeln in der Bürgerrechtsbewegung hat, dann auch noch das Vokabular der SED-Rechtsnachfolger übernimmt und beim Thema Stasi-Überprüfung von „Generalverdacht“ spricht oder die verdachtsunabhängige Überprüfung von Richtern als „rechtlich nicht möglich“ bezeichnet.

Ich zitiere aus der Begründung zum Gesetzentwurf der 7. Novelle des Stasi-Unterlagen Gesetzes - nachzulesen in der Bundestagsdrucksache 16/3638:

„Zudem ist auf das Erfordernis tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst verzichtet worden, um für die genannten Personengruppen“

- zum Beispiel kommunale Wahlbeamte und Richter

„die Möglichkeit der Überprüfung unvermindert zu erhalten.“

(Beifall CDU)