Protocol of the Session on April 26, 2012

Als Drittes gibt es die Spezialprävention, wodurch ein Mensch befähigt werden soll, nicht erneut eine Straftat zu begehen.

Alle drei Strafzwecke spielen bei der Strafzumessung eine Rolle. Sie sind an der einen oder anderen Stelle im Strafgesetzbuch verankert, und ihnen wird durch die Höhe der Strafe Rechnung getragen. Aber der Strafvollzug - das ist die verfassungs- und einfachrechtliche Situation - ist nur auf die Spezialprävention, auf die Resozialisierung festgelegt. Wenn man etwas anderes will, sollte man nicht verdeckt von einem „Schlag ins Gesicht der Opfer“ sprechen, sondern offen sagen: Wir wollen die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen verändern.

(Beifall DIE LINKE, SPD und der Abgeordneten von Ha- lem [GRÜNE/B90])

Es ist dogmatisch einfach falsch - entweder haben Sie im Studium nicht aufgepasst, oder Sie reden hier wider besseres Wissen -, dass der Strafvollzug in der Art, wie er gestaltet wird, auf Abschreckung ausgerichtet sein soll. Tragen die Gefangenen dann wieder Kugeln am Bein oder arbeiten im Steinbruch? Das ist nicht Sinn und Zweck der freiheitlichen Demokratie.

(Zuruf des Abgeordneten Eichelbaum [CDU])

- Doch, wenn Sie ehrlich sind, geben Sie zu, dass Sie genau das wollen.

Das ist nicht das, was einer freiheitlichen Demokratie geziemt. Ich werde mich in der rechtspolitischen Diskussion dafür stark machen, dass die verfassungsrechtlichen Koordinaten erhalten bleiben und dem Vergeltungsgedanken nicht Rechnung getragen wird. Was den Vergeltungsgedanken angeht, so sind Sie übrigens in hochintellektueller Gemeinschaft. Ganz ehrlich formuliert war er auch Bestandteil der Rechtsphilosophie Kants und Hegels. Ich kann Ihnen nur entgegenhalten, was Franz von Liszt gesagt hat: Das „ist nicht nur eine Versündigung des Herzens, sondern auch eine Verirrung des Verstandes.“

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sollten den Musterentwurf und den darauf basierenden Entwurf eines Landesstrafvollzugsgesetzes im Rechtsausschuss diskutieren. Wir werden im Sommer, spätestens im Frühherbst, einen Referentenentwurf dazu vorlegen.

Die „Frankfurter Rundschau“ hat geschrieben - damit möchte ich enden -, dass die Ideen der zehn Länder zu den Lockerungen vernünftig seien; schon das würde ihr Scheitern bedingen. Ich glaube das nicht. Ich glaube an die Vernunft und eine vernünftige Debatte. Bis auf Ihren Beitrag, Herr Eichelbaum, gibt mir der Diskussionsverlauf Recht. - Danke schön.

(Lebhafter Beifall DIE LINKE, SPD und der Abgeordne- ten von Halem [GRÜNE/B90])

Meine Damen und Herren! Die Fragestunde verkürzt sich auf eine halbe Stunde, wenn Sie die von Minister Schöneburg um fünf Minuten überzogene Redezeit ebenfalls in Anspruch nehmen wollen. - Der Abgeordneten Mächtig stehen noch zweieinhalb Minuten Redezeit zu. Benötigen Sie die?

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Nein!)

Dann hat der Abgeordnete Eichelbaum das Schlusswort.

(Krause [DIE LINKE]: Er kann jetzt zeigen, dass er et- was gelernt hat!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Schöneburg, wenn ich das sagen darf: Sie haben eine sehr engagierte Rede gehalten, aber das war nicht die Rede eines Justizministers, der auch die Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung und den Opferschutz im Blick haben muss,

(Beifall CDU)

sondern die Rede eines Strafverteidigers, der das Beste für seinen Mandanten herausholen und Schwerverbrecher vor dem Absitzen ihrer gerechten Strafe schützen will.

(Beifall CDU - Holzschuher [SPD]: Das ist albern! Sie haben zugehört, aber nichts verstanden!)

So viel Engagement wünschte ich mir von Ihnen, wenn es um die Verbesserung der Rechte der Opfer geht.

(Bischoff [SPD]: Mann, ist das ein Populismus!)

Ich finde es beschämend, wie Sie hier einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten, Ihre Länderkollegen, die Gewerkschaften und die Opferverbände verhöhnen, die mit uns gemeinsam gegen einen frühzeitigeren Hafturlaub für Schwerverbrecher kämpfen.

(Holzschuher [SPD]: Das ist so lächerlich! Sie verhöhnen die Opfer mit Ihrer Ignoranz!)

Sie haben die Chance verpasst, diesen täterfreundlichen Vorschlag wieder einzukassieren.

Sie werden zu dem Thema sicherlich auch Briefe von Bürgern erhalten haben; Frau Mächtig hatte schon einen zitiert. Ich möchte einen Bürger aus Rangsdorf zitieren. Er schreibt:

„Ich halte von dem Vorschlag von Justizminister Schöneburg nicht viel. An die Opfer scheint mal wieder keiner zu denken. Die haben, sofern sie überhaupt noch leben, Schaden durch ein Verbrechen davongetragen. Die Opfer von Gewaltverbrechen und deren Angehörige sind traumatisiert. Es ist wichtig, dass die Straftäter zur Rechenschaft gezogen werden.“

Genau so ist es! Weder das Grundgesetz noch die Landesverfassung schreiben der Landesregierung vor, Schwerverbrechern, die zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden sind, bereits nach fünf Jahren Haftverbüßung Langzeitausgang zu gewähren.

(Holzschuher [SPD]: Sie haben überhaupt nicht zuge- hört! Das ist peinlich! - Jürgens [DIE LINKE]: Hören Sie doch mal zu!)

Das schreiben Gesetz und Verfassung nicht vor. Anstatt Vollzugslockerung für Schwerverbrecher durchzusetzen, sollten

Sie sich dafür einsetzen, dass die Rechte der Opfer und ihrer Angehörigen verbessert werden.

(Beifall CDU - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das tun wir!)

Sorgen Sie dafür, dass die Opfer und ihre Angehörigen erweiterte Informationsrechte bei Vollzugslockerung erhalten. Sorgen Sie dafür, dass die Opfer an Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft beteiligt werden. Sorgen Sie dafür, dass die Opfer bei der Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe beteiligt werden. Und sorgen Sie dafür, dass die den Tätern auferlegten Geldstrafen den Opfern bzw. den Opferverbänden zufließen. Das sind die Aufgaben eines Justizministers.

(Beifall CDU)

Wenn Sie das Thema Resozialisierung ansprechen, so gebe ich Ihnen Recht, dass wir in Brandenburg deutlich mehr tun müssen als bisher. Wir brauchen neue Therapieplätze, neue Behandlungskonzepte und mehr Therapieangebote, die auf die speziellen Bedürfnisse der Gefangenen ausgerichtet sind. Das ist Ihre Aufgabe. Die Landesregierung und die Regierungsfraktionen haben bis heute kein Resozialisierungsgesetz vorgelegt. Noch nicht einmal die Vorschläge der Arbeitsgruppe „Resozialisierung“ in Ihrem eigenen Hause haben Sie umgesetzt. Ich kann Ihnen auch sagen, warum das so ist: Wer die Resozialisierung von Gefangenen verbessern möchte, benötigt mehr Personal im Strafvollzug. Sie hingegen wollen bis zum Jahr 2015 179 Stellen im Strafvollzug einsparen. Sie können nicht eine Verbesserung im Bereich Resozialisierung fordern und gleichzeitig Personal einsparen. Das funktioniert nicht.

(Beifall CDU)

Herr Minister Schöneburg, Sie sprachen die Rückfallwahrscheinlichkeit bei den Tätern an. Ich sage Ihnen: Jeder Rückfall, jeder erneute Missbrauch von Kindern, jede Vergewaltigung während eines Freigangs oder nach der Haftentlassung ist unverzeihlich und ein Fall zu viel. Wir müssen alles unternehmen, um dies zu verhindern.

Und ja, eine gute Resozialisierung beginnt in den Justizvollzugsanstalten. Es gibt keine einzige wissenschaftliche Studie, die belegt, dass Freigänge oder Hafturlaube zu einer niedrigeren Rückfallquote führen. Wohl aber gibt es Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass gute Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten die Rückfallwahrscheinlichkeit minimieren. Angesichts dessen frage ich mich, warum Sie in Ihrem Gesetzentwurf die Arbeitspflicht für Gefangene abschaffen wollen. Das widerspricht sich doch!

(Beifall CDU)

Schon der von Ihnen immer wieder zitierte sozialdemokratische Rechtspolitiker Gustav Radbruch sagte in den Grundsätzen zum Strafvollzug 1923:

„Durch den Vollzug der Strafe sollen die Gefangenen an Ordnung und Arbeit gewöhnt werden.“

Genau das wollen Sie abschaffen. Wir fordern Sie nochmals auf: Schaffen Sie nicht die Arbeitspflicht für Gefangene ab, sondern ziehen Sie Ihren Vorschlag zurück!

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Eichelbaum. - Ihr Beitrag hat die Abgeordnete Mächtig zu einer Kurzintervention veranlasst. Bitte, Frau Mächtig.

Herr Eichelbaum, bei dem, was Sie hier veranstalten, ist es wirklich schwer, sachlich zu bleiben, weil ich nicht weiß, ob Sie uns nicht verstehen können oder nicht verstehen wollen. Ersteres würde mir Sorge bereiten, Zweiteres ist politisches Mandat.

Wenn vom Umgang mit Tätern die Rede ist und Sie sagen, dass diese in der Lage sind, irgendwann wieder in der Gesellschaft zu leben, so muss ich Ihnen sagen: Das funktioniert nicht durch Wegsperren. Schwarze Zelle.

(Eichelbaum [CDU]: Wer sagt denn das?)

- Hören Sie doch bitte erst einmal zu!

Sie sagen: Wir werden Täter erst dann freilassen, wenn sie ihre Strafe verbüßt haben. - Das Verhältnis Strafe - Freiheitsentzug habe ich vorhin zu erklären versucht. Schauen Sie noch einmal in Ihren Studienunterlagen nach.

Was mir Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass Sie offensichtlich wirklich der Auffassung sind, dass Strafvollzug, wenn er nicht mit einer Wiedereingliederungsmöglichkeit in die Gesellschaft, und zwar in kleinen Schritten, vollzogen wird, tatsächlich funktioniert. Sie lassen Resozialisierung im Sinne von „zurück in die Gesellschaft“ nach Ihrer Methode nicht zu.

(Zurufe von der CDU)

- Doch, genau das machen Sie.