Protocol of the Session on April 25, 2012

In der heutigen Zeit werden Mobilitätsanforderungen gestellt, denen sich der Einzelne nicht entziehen kann. Deshalb wird der Wegfall des ÖPNV die Abwanderung mit all ihren negativen Konsequenzen weiter verschärfen. Gerade in den strukturschwachen Regionen müssen die Menschen mobil sein; gerade hier sind Pendlerinnen und Pendler auf eine gutes ÖPNV-System angewiesen. Dies sicherzustellen liegt in der Verantwortung der Landesregierung.

Mit unserem Antrag wollen wir dazu beitragen, diese Prioritäten zu überdenken und den Entscheidungsprozess transparenter zu gestalten. Der ÖPNV in unserem Land darf nicht zu einem Rumpfangebot für Minderheiten verkommen, sondern muss fester Bestandteil der Daseinsvorsorge in allen Regionen sein. Deshalb lehnen wir das Mantra des Verkehrsministers „Neubestellungen gibt es nur gegen Reduktion an anderer Stelle“ ab. Die einzelnen Regionen Brandenburgs dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

(Beifall GRÜNE/B90)

In vielen dieser dünnbesiedelten Regionen - das wissen wir alle - ist der Tourismus die wichtigste Form der Wertschöpfung. Für all jene Brandenburgerinnen und Brandenburger, die sich seit Jahren darum bemühen, ihre Region für den Tourismus attraktiv zu machen, ist die drohende Streckenstilllegung ein Schlag ins Gesicht. Was sollen sie denn ihren Gästen zukünftig erzählen? Naturtourismus ja, aber nur im klimaschädlichen Pkw?

Taktausdünnung und Streckenstilllegungen sind im ÖPNV daher nicht nur klimaschädlich, sie gefährden auch regionale Wirtschaftsstandorte in Brandenburg.

Mit moderner, nachhaltiger Verkehrspolitik hat das jedenfalls nichts zu tun. Es widerspricht auch dem eigenen Koalitionsvertrag. Darin heißt es:

„Die Koalition strebt eine Stärkung des Bahnverkehrs durch Erhalt, Lückenschluss und Ertüchtigung des Schienennetzes und Qualitätsverbesserungen in der Fläche an.“

(Minister Dr. Markov: Den nächsten Satz muss man da- zulesen!)

Wir liegen daher mit unserem Antrag völlig auf einer Linie mit dem Koalitionsvertrag, denn wir fordern, zusätzliche Bestellungen oder die Aufnahme neuer Strecken grundsätzlich auch ohne Leistungsreduktion an anderer Stelle zu ermöglichen.

Die zugegebenermaßen schwierige Herausforderung einer nachhaltigen Verkehrspolitik besteht darin, mehr Mobilität bei weniger Verkehr zu schaffen. Denn Mobilität - das steht außer Frage - wird sowohl für die modernen Menschen als auch für die globalisierte Wirtschaft immer wichtiger. Gleichzeitig stößt unsere Infrastruktur an ihre Grenzen. Mehr Mobilität bei weniger Verkehr ist deshalb nur mit einem attraktiven ÖPNV-System zu erreichen. Die traditionelle Bevorzugung des Straßenbaus ist nicht mehr zeitgemäß. Mit Verweis auf knappe Finanzmittel Strecken abzubestellen folgt einer völlig falschen Logik. Nicht das Angebot wird unattraktiv, weil die Fahrgäste ausbleiben, sondern die Fahrgäste bleiben weg, weil das Angebot nicht attraktiv ist, Herr Minister.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Genilke [CDU])

Nur ein attraktiver Nahverkehr ermöglicht nachhaltige Fahrgaststeigerungen, die zu einem Zuwachs des Marktanteils des Schienenverkehrs führen können. Für die Gewinnung von Fahrgästen sind neue Strecken, Taktverdichtungen und Haltepunkte zentral. Daher fordern wir eine umfassende Prüfung von Netzergänzungen und Angebotsausweitungen, die auch bereits erfolgte Abbestellungen und Streckenstilllegungen beinhaltet.

Dabei ist der finanzielle Spielraum ja durchaus vorhanden. Das beginnt bei überflüssigen Straßenneubauprojekten, geht über die Zweckentfremdung von Landesmitteln bis hin zu Tricksereien mit Leertiteln, zum Beispiel beim Mobilitätsticket, welches eigentlich in den Sozialhaushalt, der dann entsprechend aufgestockt werden muss, gehört. Hier kann sich aber Minister Vogelsänger scheinbar nicht gegen seinen Ministerkollegen Baaske durchsetzen.

Zusammenfassend kann man sagen: Wir brauchen mehr Geld für den ÖPNV in Brandenburg. Die Mängelliste des ÖPNV in Brandenburg ist lang und reicht von überfüllten Regionalexpresszügen über fehlende Anbindung an das Berliner Zentrum und zu geringer Taktdichte bis hin zur Herkulesaufgabe der Anbindung des neuen Flughafens. Ein Qualitätssprung für den ÖPNV, den wir aus wirtschafts- und klimapolitischen Gründen dringend brauchen, ist ohne bessere finanzielle Ausstattung völlig illusorisch.

Im Sinne eines nachhaltigen und modernen ÖPNV in unserem Land und auch, um ein transparentes Verfahren sicherzustellen, bitte ich Sie daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Überweisung unseres Antrags in den Infrastrukturausschuss zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Genilke [CDU])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Wir kommen nun zum Beitrag der SPD-Fraktion. Frau Abgeordnete Kircheis hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag befasst sich mit einem sehr wichtigen Thema: Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs im Angesicht demografischer Veränderungen und notwendiger Einsparungen im Hinblick auf die verfassungsmäßige Schuldenbremse. Wir werden intensiv über den Landesnahverkehrsplan 2013 bis 2017 diskutieren, wir wollen jedoch heute und hier diesen Beratungen nicht vorgreifen. Wir werden daher dafür stimmen, diesen Antrag in den Infrastrukturausschuss zu überweisen.

Erstaunlich an Ihrem Antrag ist für mich, dass er sich so liest, als hätten Sie noch nie von der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse oder gar vom nahenden Ende des Solidarpakts gehört. Ebenso haben Sie offenbar keine Kenntnis von der anstehenden Revision der Regionalisierungsmittel durch den Bund. Denn dann wüssten Sie: Es wird künftig deutlich weniger Geld im System geben.

(Zuruf von der CDU: Stimmt doch gar nicht!)

Das erzwingt Einsparungen - leider. Wenn Sie über die Landesgrenzen Brandenburgs hinausschauen, erkennen Sie, dass diese Einsparungen anderswo schon deutlich sichtbarer und spürbarer als in Brandenburg sind. Wenn wir in Brandenburg gegenwärtig alle Strecken erhalten könnten und lediglich ein paar schlecht genutzte Züge streichen würden, wäre das ein riesiger Erfolg.

Noch erstaunlicher an Ihrem Antrag ist Folgendes: Sie sprechen vom ÖPNV und widmen dann vier von fünf Beschlusspunkten dem Schienenverkehr, und das, wo doch gerade die Grünen für ökologisch orientierte Verkehrspolitik schlechthin stehen. Ein Zug mit einem Verbrauch von 80 Litern Diesel auf 100 km ist nicht nur unökonomisch; er ist auch unökologisch, wenn er mit nur zwei Fahrgästen durch die herrliche Brandenburger Landschaft braust. Stattdessen wäre ein zusätzlicher Zug im Berliner Umland mit 200 Fahrgästen ökonomisch und ökologisch günstiger, weil dafür keine 100 Autos im Stau stehen. Wie aber sollen wir einen solchen Zug bestellen, wenn das Geld schon anderweitig - durch leere Züge - gebunden ist? Ich würde mir hier etwas mehr Realitätssinn von den Grünen wünschen. Auch Minister Vogelsänger bzw. das brandenburgische Infrastrukturministerium kann schließlich kein zusätzliches Geld drucken oder herbeizaubern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist uns beim Nahverkehrsplan noch wichtig? Wir wollen die Regionen in ein integriertes Verkehrskonzept einbinden. Wenn die Landkreise einen halbleeren Bus neben dem halbleeren Zug herfahren lassen, dann läuft etwas gewaltig schief. Daher müssen Bus, Linientaxi und Bahnen optimal miteinander verknüpft werden. Wir wollen keine Konkurrenz, sondern ein Zusammenspiel der Systeme, einen Brandenburg-Takt in jedem Winkel unseres Landes. Wenn die Landkreise beispielsweise bereit wären, Schülerverkehr vom Bus auf die Schiene zu verlagern, dann könnten sie einen eigenen Beitrag zur Rettung ihrer Strecken leisten.

Wir wollen Synergien zwischen Personen- und Güterverkehr nutzen und den touristischen Verkehr in die Planung einbeziehen. Die Rückverlagerung von Güterverkehr auf die Schiene nutzt die Trasse besser aus. Dadurch verringert sich auch der Preis des Personenzuges. Zugleich ist es ein Beitrag, um Straßen zu entlasten. Wir wollen Schienentrassen für den Bau von Stromnetzen und Kommunikationsleitungen intelligent nutzen. Das vermeidet zusätzliche Eingriffe in die Landschaft.

(Beifall des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

Wir wollen kleine Privatunternehmen stärken, die in den Regionen engagiert sind. Warum? Ganz einfach, weil sie mit Kreativität und Bürgernähe Kundenbedürfnisse häufig besser und billiger bedienen.

Was wir im Landtag ohnehin nicht lösen können, ist das Grundproblem ungerechter Finanzierung des ÖPNV. Beim Straßenverkehr muss der Nutzer künftig „nur“ den ständig steigenden Benzinpreis aufbringen. Die Straßen werden sowieso mit Geldern von Steuerzahlern in die Landschaft gebaut. Der Schienenverkehr aber muss Fahrwegkosten, das Fahrzeug, Personalkosten und die steigenden Energiepreise für Kraftstoffe größtenteils über den Fahrpreis aufbringen. Wie soll da eine ökologische Verkehrswende gelingen? Ich wäre schon froh, wenn wir nicht unsere knappen Landesmittel ständig für Fernverkehrs

aufgaben einsetzen müssten. Doch der auf eine Bahndividende schielende Bund bekennt sich eben nicht zu einem Fernverkehr in die Regionen. Ganz besonders betroffen ist davon die Uckermark, wie dieses Beispiel zeigt: Streichung des Euro-City Berlin - Szczecin ab Juni - wieder einmal auf Kosten der Länder. Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kircheis.

Bevor wir die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fortsetzen, möchte ich sehr herzlich in diesem Raum den Landrat des Spree-Neiße-Kreises, Herrn Altekrüger, begrüßen. Seien Sie willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Genilke spricht nunmehr für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kircheis, bitte sehen Sie es mir nach: Ich habe weite Strecken Ihres Vortrages nicht verstanden. Aber wir werden uns über den Landesnahverkehrsplan sicherlich noch des Öfteren unterhalten dürfen.

Am Montag, Herr Minister Vogelsänger, haben Sie die Eckpunkte des Landesnahverkehrsplans bis 2017 vorgestellt. Auch wenn SPD und Linke es in der Öffentlichkeit gern anders verkaufen würden, muss man klar sagen, dass die rot-rote Landesregierung erhebliche Kürzungen und auch Abbestellungen im SPNV vornehmen wird. Wenn man Züge nur noch im Zweistundentakt fahren lässt, dann sind das für mich ganz klar Abbestellungen. Das darf man auch an dieser Stelle so klar benennen.

(Beifall SPD)

Im Grunde - das muss man einfach an dieser Stelle sagen - haben Sie mit dem Requiem schon begonnen, denn das, was hier vorgenommen werden wird - und das nicht nur an einer Stelle, sondern an mehreren Stellen -, führt dazu, dass weitere Abbestellungen praktisch zwangsläufig folgen werden.

In Bezug auf die Prignitz haben Sie, wie ich meine, einen faulen Kompromiss geschlossen. Die Prignitz bekommt eine Galgenfrist von zwei Jahren, aber ohne Aussicht darauf, dass durch ein Regionalkonzept die SPNV-Verbindungen des PE 73 und 74 langfristig erhalten werden könnten. Das ist kein offenes und faires Verfahren, sondern ein Tod auf Raten.

Nun zum konkreten Antrag der Grünen: Unter Punkt 1 lässt sich die Forderung finden, dass zusätzliche Bestellungen oder die Aufnahme von neuen Strecken im SPNV grundsätzlich ohne Leistungsreduktionen an anderer Stelle möglich sind. Das ist im Prinzip auch richtig. Wenn wir mehr Geld für SPNV-Bestellungen zur Verfügung stellen, dann ist das natürlich möglich. Es wäre an dieser Stelle allerdings interessant zu wissen, woher es kommen soll. Sie haben es heute schon gesagt: von der Streichung „unsinniger“ Straßenverkehrsprojekte. Sie be

ziehen sich dabei nicht zuletzt auf die A 14. Ich war gestern in Wittenberge und kann Ihnen sagen: Diese Autobahn wird nicht unnütz sein. Ich denke hier aber auch an die Ortsumfahrung Falkensee, an die Ortsumfahrung Thyrow und an kleine Ortsumfahrungen wie Kuhbier; auch da war ich am Montag.

Natürlich betrifft das, einmal weitergedacht, auch den Radwegebau und Alleebäume. Alles dies wird aus Straßenbaumitteln bereits finanziert. In diesem Zusammenhang möchte ich im Übrigen einmal klarstellen, dass die Regionalisierungsmittel, also über 7 Milliarden Euro, schon heute komplett aus der Mineralölsteuer bezahlt werden. Das heißt, wir haben schon eine deutliche, extreme Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Das sollte, meine ich, an dieser Stelle Berücksichtigung finden.

Der Minister hat die finanziellen Rahmenbedingungen am Montag beschrieben. Das Land Brandenburg erhält bis 2014 jährlich über 400 Millionen Euro vom Bund, um SPNV-Leistungen zu bestellen. Für den Inflationsausgleich werden diese Mittel derzeit um 1,5 % jährlich dynamisiert. 2014 soll eine Revision erfolgen; danach entscheidet sich, wie viel Mittel wir weiterhin zur Verfügung haben werden.

Der Minister sagt nun am Montag, dass der Bund diese Mittel kürzen wolle und bezeichnet den Bundesfinanzminister und bei dieser Gelegenheit gleich die komplette westliche Bundesrepublik - als seine „Feinde“ - wörtlich so ausgesprochen. Tatsächlich können wir vernehmen, dass sich der Bund dazu überhaupt noch nicht geäußert hat. Ich möchte darauf hinweisen, dass jeder Bus, der in Brandenburg fährt, und jede Regionalbahn, die in Brandenburg fährt, komplett von diesen „Feinden“ bezahlt wird. Das, meine ich, gehört auch zur Wahrheit, wenn wir über die weitere Finanzierung des Regionalverkehrs sprechen.

Genauso unverständlich ist es, dass bereits 2013 erhebliche Leistungen im SPNV abbestellt werden. Denn 2013 bekommt das Land Brandenburg nicht weniger, sondern, im Gegenteil, mehr Regionalisierungsmittel vom Bund. Auch 2014 wird dies so sein; dann sind es immerhin 416 Millionen Euro.

Ich frage deshalb den Minister: Wieso bestellen wir Leistungen ab, wenn wir gleichzeitig noch mehr Mittel vom Bund bekommen? Wir haben außerdem 40 Millionen Euro durch Ausschreibungen eingespart. Ich meine, was wir hier tun, ist eine Signalisierung an den Bund - praktisch im vorauseilenden Gehorsam -, dass es durchaus Einsparmöglichkeiten gibt. Das Sozialticket wurde von den Grünen schon angesprochen. Ich meine, dass das, was wir tun, am Ende kontraproduktiv für die weiteren Verhandlungen mit dem Bund sein wird. Wir brauchen auch vom Bund her Sicherheit.

Trassenpreise - ich meine damit vor allem die Trassenpreise in der Fläche - werden von Bundesseite neu betrachtet werden müssen; das ist gar keine Frage. Sie sind intransparent aufgestellt, die Bedingungen sind schlecht, sie sind gestiegen - in den letzten fünf Jahren deutlich mehr als jemals zuvor. Aber das hat nichts mit der Dividende zu tun, denn bezahlt werden die Regionalisierungsmittel, wie gesagt, aus der Mineralölsteuer.

Ich freue mich auf eine interessante Diskussion auch in den Ausschüssen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Genilke. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Bitte, Frau Abgeordnete Wehlan.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Jungclaus, Sie haben Ihren Antrag sozusagen schon in der letzten Ausschusssitzung eingebracht, als wir uns über eine Zuschrift im Zusammenhang mit der Abbestellung von Bahnen unterhalten haben.

Wir haben Ihnen auch schon signalisiert, dass wir diesen Antrag in den Ausschuss verweisen werden, weil wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mittendrin sind in der Diskussion über das Brandenburger Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr, das zum 1. Januar 2013 novelliert wird, und über die Fortschreibung des Landesnahverkehrsplanes für die Jahre 2013 bis 2017.