Protocol of the Session on March 21, 2012

gliederungen möglich sind. Unsere Region hat somit die einmalige Chance, als Modellregion in Deutschland, als Motor für eine bundesweite Länderneugliederung voranzugehen.

(Bischoff [SPD]: Kein Widerspruch!)

Und diese Chance sollten wir nutzen.

Nach Artikel 118a des Grundgesetzes bedarf es neben einer Einigung der Länder auch einer Beteiligung der Wahlberechtigten. Hier sind wir alle, ist insbesondere die Landesregierung gefordert. Hier muss die Landesregierung ansetzen und den Brandenburgerinnen und Brandenburgern die Angst vor einer Fusion bzw. einer Dominanz der Bundeshauptstadt Berlin in einem gemeinsamen Bundesland nehmen.

Lassen Sie mich einige Punkte aus dem Fortschrittsbericht und etwas, was wir heute Morgen gehört haben - das fand ich nämlich sehr interessant -, ansprechen. Im Bereich der Arbeitsförderung bezieht sich die Landesregierung insbesondere auf die gemeinsame Fachkräftestudie aus dem Jahr 2010. Dieses Engagement ist lobenswert, da hierdurch erstmals eine Datenbank und ein Gesamtüberblick über den Fachkräftebedarf und die Entwicklung der Beschäftigten in beiden Ländern ermöglicht worden ist, was als Grundlage für die weitere Politik beider Länder äußerst nützlich ist. Und nun? Was kommt nun? Beide Länder sollten den Blick nun auf zwei weitere Themen legen, die mit der Fachkräftesicherung in engem Zusammenhang stehen: Zum einen sollten sich Brandenburg und Berlin in der neuen EU-Förderperiode 2014 bis 2020 stärker als bislang für die Förderung gemeinsamer Arbeitsmarktprojekte einsetzen. Zwar sind die Arbeitsmärkte beider Länder in ihrer Struktur durchaus unterschiedlich: Dienstleistungen in Berlin, Verarbeitung in Brandenburg, aber das bedeutet ja nicht, dass man bei der Förderung von Maßnahmen zur Ausbildung junger Menschen bzw. bei der Umschulung arbeitsloser Personen, bei der Förderung beruflicher Fortbildung oder bei der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland nicht stärker kooperiert und diese Bereitschaft auch bei der Akquise von Fördermitteln der EU anzeigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Morgen zwei Dinge hinsichtlich der Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg gehört. Herr Kollege Vogel hat darauf hingewiesen, dass wir eigentlich eine Energiestrategie der Region Brandenburg-Berlin hätten beraten müssen. Herr Vogel hat absolut Recht. Das wäre notwendig gewesen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Dass dies nicht geschehen ist, zeigt, dass dieses Thema bei der Landesregierung nicht wirklich im Fokus ihrer Politik steht, das ist das Grundproblem. Sie haben den Fokus bzw. die Leidenschaft, für eine gemeinsame Region Brandenburg-Berlin, für ein gemeinsames Bundesland zu kämpfen, nicht auf Ihrer politischen Tagesordnung. Das ist das Problem, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Ein weiterer Punkt war die Bemerkung der Kollegin Kaiser hinsichtlich des Solidarpaktes. Ministerpräsident Platzeck hat 2010 mit der Aussage, dass er keine politische Mehrheit für eine Verlängerung des Solidarpaktes sehe, Schlagzeilen gemacht.

Das heißt, wenn der Solidarpakt II im Jahr 2019 ausläuft, muss der Osten auf eigenen Füßen stehen - unabhängig von der Klage der südlichen Bundesländer, die uns ins Haus steht.

(Görke [DIE LINKE]: Ach so? Ist ja ganz was Neues!)

Weil dem so ist, sollten wir jetzt alles dafür tun, dass wir in naher Zukunft als gemeinsame Region mit einer Stimme Brandenburg-Berlin sprechen können. Wenn im Jahr 2016 die Verhandlungen mit dem Bund und den Ländern über die Neuordnung des Finanzausgleichs beginnen, müssen wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Mehr als 25 Staatsverträge zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin zeigen, dass wir es gemeinsam besser können. Der vorliegende Fortschrittsbericht zeigt, dass wir es gemeinsam besser können. Die vor uns liegenden großen Aufgaben besagen, dass wir es gemeinsam besser können. Lasst es uns gemeinsam machen! Richtig ist: Man darf sich nicht mit einem unrealistischen Zeithorizont überfordern, aber genauso richtig ist: Über kurz oder lang bleibt die Fusion die beste aller Möglichkeiten, um uns für die Zukunft gut aufzustellen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Bevor Frau Abgeordnete Kaiser spricht, begrüße ich Soldatinnen und Soldaten der fünften Kompanie des Logistikbataillons 172 der Bundeswehr aus Beelitz. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort erhält nun Frau Kaiser. Sie spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Chef der Staatskanzlei, vielen Dank für Ihren Bericht. Ich gebe allerdings an dieser Stelle zu - es ist ja heute offensichtlich die Stunde der Wahrheit -, dass ich mit Fortschrittsberichten immer so meine Probleme habe. Auch mit dem Fortschritt ist es so eine Sache. Herr Kollege Büttner, ich bin ja Slawistin und denke immer, wenn ich solche Werbereden „Gemeinsam geht es besser, gemeinsam können wir es besser!“ höre, an den Satiriker Soschtschenko und seine berühmte Geschichte „Die Kuh im Propeller“. Wenn eine derartige Agitation für solch ein Anliegen notwendig ist, kann ich nur sagen: Sie geht meistens nach hinten los. Im Fall von Soschtschenko guckten die Bäuerlein böse, und im Fall der Fusion von Berlin und Brandenburg haben wir gesehen, wohin es uns geführt hat, wenn in allererster Linie das gemeinsame Bundesland propagiert wird. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall.

Dieser Bericht ist tatsächlich ein Verwaltungsbericht. Er bringt wenig Leidenschaft zum Ausdruck und beinhaltet - das gebe ich zu, Frau Richstein - keine politischen Fragestellungen, Probleme oder Handlungsoptionen. Es ist ein Bericht, okay, an der Stelle schließe ich mich an: Man könnte auch eine andere Form als die sachliche Aufzählung finden. Aber wir alle wissen: Das ist die Konzentration auf ein Thema an einem bestimmten Punkt, und die Politikbereiche beschäftigen uns doch jeden Tag, ausführlich und im Einzelnen in jeder Plenarsitzung und

in jeder Ausschusssitzung. Das Thema Energie haben wir heute früh gemeinsam diskutiert. Lassen Sie uns am Thema einer gemeinsamen Strategie dranbleiben. Kein Problem. Vorwärts! Das machen wir.

Aber diese Art von Agitation, nur weil das Fusionsziel nicht immer wieder wie eine Fahne vorangetragen wird - ich kann nicht glauben, dass uns das voranbringen soll. Ich lebe in dieser Region. Wir sehen, wie die Konzentration um Berlin zunimmt, wir bemerken eine stärkere Zusammenarbeit und können es im Übrigen auch belegen: Vor zwei Jahren war die Wirtschaftsförderung ein Thema. Ich selbst habe gesagt, wir können und wollen auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung vorankommen. Genau das ist mit dem genannten Projekt, mit der Clusterförderung in dem vorliegenden Bericht nun dargestellt. Lassen Sie uns also einfach sachlich bleiben.

Das Stichwort „Wirtschaftspolitik“ ist genannt worden. Im Bericht wird umfassend auf die Innovationsstrategie und die Clusterpolitik eingegangen. Damit sind die Grundlagen für eine gemeinsame Entwicklung von bestimmten Branchen und Wirtschaftszweigen in der Region gelegt worden. Brandenburg beschreitet in diesem Bereich seit einigen Jahren Neuland, und zwar mit Erfolg; das zeigen Preise und aktuelle Umfragen. Insofern habe ich nichts gegen eine konzentrierte Darstellung im Bericht.

Ein weiteres Beispiel ist die Bildungsregion. Auch sie wird im Bericht beleuchtet. Der Bericht hat ja nicht immer alle Staatsverträge und Themen zum Inhalt, sondern weist in Auszügen auf Schwerpunkte hin. Im aktuellen Bericht ist die Bildungsregion genannt. Auch in diesem Bereich sind Berlin und Brandenburg Schritte vorangekommen. Es gibt Potenziale und Reserven, beispielsweise was die Absprachen hinsichtlich der Entwicklung und Annäherung der Schulsysteme angeht. Ich weiß nicht, inwieweit die CDU und die FDP da großen Enthusiasmus aufbringen, aber mir würde das gut gefallen, denn es hat sich bei der Einführung des Zentralabiturs gezeigt, dass aufgrund der unterschiedlichen Stundenzahlen in Leistungsund Grundkursen in der gymnasialen Oberstufe oder hinsichtlich der Voraussetzungen, mit denen Schülerinnen und Schüler aus Berlin und Brandenburg in die Prüfungen gehen, der Stand nicht adäquat und die Bewertung daher kompliziert ist.

Ein weiteres Beispiel, bei dem es zugegebenermaßen nicht gut gelaufen ist - es hatte zeitweise sogar bizarre Züge -, war das Festhalten der Berliner Seite am Ausbau der Vollzugsanstalt Heidering in Großbeeren. Da waren die Widerstände aus Berlin nicht zu überwinden. Vor dem Hintergrund, dass in Brandenburg seit Jahren Hunderte Haftplätze leerstehen, ist das Agieren der Berliner schwer zu verstehen und schwer zu vermitteln, zumal in Brandenburg zur Zeit des ersten Spatenstichs im Sommer 2009 - noch vor der Zeit von Rot-Rot - der deutliche Rückgang der Haftplatzbelegung bekannt war. Nun werden wir hier im Land möglicherweise eine JVA schließen müssen, während Berlin auf Brandenburger Territorium für mehr als 120 Millionen Euro eine neue JVA baut. Es kann sein, dass solche Beispiele in einem gemeinsamen Bundesland nicht mehr vorkämen, aber das ist eigentlich keine Frage von Regierungspolitik oder politischer Farbenlehre; das sehen wir über die verschiedenen Phasen der Regierungen in Berlin und Brandenburg. Vielmehr erfolgt oft keine gesamtheitliche Sicht auf Probleme. Differenzierte Bedingungen in den Ländern bzw. differenzierte Interessen werden leider zu Differenzen. An der Stelle

haben wir - das gebe ich zu - wirklich Reserven. Das ist ein Appell an dieses Haus, an die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker in den Ausschüssen, dass wir in dieser Hinsicht langfristig besser arbeiten.

Einige weitere Stichworte sind mir wichtig: Flüchtlingspolitik ich erinnere an die teilweise Aufhebung der Residenzpflicht, die zwischen Berlin und Brandenburg möglich war. Es war ein wichtiger Schritt, den wir gegangen sind. Der Studiengang Jüdische Studien - die Verhandlungen zur Gründung eines Zentrums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg sind ein Beitrag zum Ausbau interdisziplinärer Vernetzung und ein wichtiger politischer Schritt.

Frau Kaiser, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich denke, wir brauchen kein formales Agitieren für eine Fusion, sondern ein Miteinander, und da haben auch wir in diesem Hause das Heft des Handelns in der Hand. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kaiser. - Das Wort erhält nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abgeordnete von Halem wird die Aussprache fortsetzen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Euphemismus ist ein rhetorisches Stilmittel, das, wörtlich aus dem Griechischen übersetzt, bedeutet, Dinge schönzureden, also zu beschönigen. Den vorliegenden Bericht über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg einen „Fortschrittsbericht“ zu nennen kann man mit Fug und Recht als Euphemismus bezeichnen; denn das, was hier vorliegt, ist in Wirklichkeit ein Rückschrittsbericht, ein Dokument planloser Tippelschritte und kleinmütiger Hasenfüßigkeit.

(Bischoff [SPD]: Hallo?!)

Hieß es zu Beginn der Legislaturperiode noch, mit anhaltend guter Kooperation werde eines Tages die Fusion wie eine reife Frucht vom Baum fallen, scheint die Landesregierung sich jetzt von jeder Fusionsperspektive verabschiedet zu haben. Es heißt nur noch lapidar:

„Eine Zusammenführung beider Länder innerhalb der nächsten Jahre ist nicht zu erwarten.“

Ja, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, insbesondere von der SPD, das ist schlichtweg Ergebnis Ihrer Politik.

(Holzschuher [SPD]: Das ist Realismus!)

Sie haben das so gewollt. Wer nämlich immer nur sagt, ein Projekt sei schwierig und man müsse die Bedenken der Menschen ernst nehmen, aber nie auch nur eine einzige Silbe darüber verliert, dass das Projekt Vorteile haben könnte, der braucht sich

nicht zu wundern. Sie haben für dieses Projekt nicht geworben, Sie haben es totgeredet.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und des Abgeordneten Büttner [FDP])

Die Zusammenarbeit läuft mitnichten rund. Insofern ist nicht nur das interessant, was in dem Bericht steht, sondern vielmehr auch das, was nicht drinsteht.

Wirtschaft: Seit Ende Juni letzten Jahres - sage und schreibe zwei Jahrzehnte nach der Einheit! - vermarkten und managen Berlin und Brandenburg fünf Cluster zusammen. Ist das der Beginn einer neuen Wirtschaftspolitik? Mitnichten! Die ClusterStrategie steckt noch nicht einmal in den Kinderschuhen. Von einem Cluster Tourismus zum Beispiel fehlt jede Spur, obwohl Tourismus doch gerade das Paradebeispiel eines gelungenen Gebens und Nehmens ist. Wenn noch nicht einmal auf diesem Themenfeld ein gemeinsamer Auftritt gelingt, wie soll dann Standort- und Förderpolitik zusammen vorangetrieben werden? Hier ist sich jeder selbst der Nächste, was sich unter anderem in der regelmäßigen und ungenierten Förderung von Unternehmensumzügen von Berlin nach Brandenburg zeigt. Kein Wunder, dass die Industrie- und Handelskammern hier weiter sind.

Energiepolitik: Auch auf diesem Gebiet fährt jedes Bundesland eine eigene Strategie. Wir haben ein Angebot unterbreitet. Auf der Grundlage unserer Studie könnten die beiden Bundesländer mit der Energiewende Ernst machen.

Bildung: Selbst bei so grundlegenden Dingen wie der gemeinsamen Lehrerbedarfsplanung oder der Kooperation bei der Lehrerausbildung - Stichwort: Kunstlehrer und Sonderpädagogen - kocht jeder sein eigenes Süppchen und wirbt sich gegenseitig Leute ab. Dieses wichtige Thema wird nicht einmal erwähnt. Eine abgestimmte Planung der Angebote von Hochschulen, die teilweise nicht weiter entfernt sind als die einzelnen Gebäude anderer Hochschulen in großen europäischen Städten, gibt es nur in Ausnahmefällen.

Infrastruktur und Verkehr: Straßen enden im Nirgendwo. Ein Flughafen wird innerhalb eines dichten Siedlungsgebietes errichtet.

Doch der Archetyp widerstreitender Interessen Berlins und Brandenburgs ist und bleibt der ÖPNV. Berlin will städtische Lösungen und Brandenburg will schnelle Verbindungen zwischen Stadt und Land. Das Ergebnis: Regionalbahnen enden in Lichtenberg oder Spandau, S-Bahnen werden bis nach Falkensee geplant. Eine gemeinsame Landesnahverkehrsplanung ist so fern wie die nächste Reise zum Mond.

(Beifall GRÜNE/B90)

Auch in den Verhandlungen über die Regionalisierungsmittel werden Berlin und Brandenburg voraussichtlich nicht an einem Strang ziehen.

Gesundheitswirtschaft: In Brandenburg fehlen Ärztinnen und Ärzte. Die Chance, mit Praxisanteilen der Ausbildung in Brandenburg junge Medizinerinnen und Mediziner an das Land Brandenburg zu binden, ist vertan worden. Leider gescheitert!

Justiz: Gemeinsame Gerichte gibt es zwar, aber die gemeinsame Sicherungsverwahrung funktioniert schon nicht mehr. Das Thema „JVA Heidering versus freie Brandenburger Haftplätze“ lässt mich weiterhin am gesunden Menschenverstand zweifeln.

Aber egal - schuld sind immer die anderen. Schließlich gibt es auch keinen gemeinsamen Landesrechnungshof.

Fazit: Wer bei der Zusammenarbeit Transparenz und demokratische Kontrolle will, der muss sich für ein gemeinsames Bundesland einsetzen. Wir brauchen einen Fortschritt, der auch im internationalen Kontext wahrnehmbar ist, nicht einen Fortschritt, der aus der Binnenperspektive bzw. - Frau Kaiser, ich greife Ihr Wort von heute Vormittag auf - aus der Perspektive der Gartenzwerge heraus definiert wird. Damit gelingt der Blick über den Zaun nicht. Ich wiederhole: Es geht um echten Fortschritt, der auch im internationalen Kontext wahrgenommen wird. Den wird es aber nur mit einem gemeinsamen Bundesland geben.