Protocol of the Session on February 22, 2012

Zum Flughafen kann man wirklich die Überschrift finden: „Schweigen, überrascht sein, abtauchen - und dann die Bran

denburger allein lassen“. „Unsere Brandenburger allein zu Haus“, wäre ein schöner Titel für diese, und es wird, wenn wir uns nicht intensiv darum kümmern, eine „Neverending Story“.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Gehen wir einmal von den eigenen Annahmen aus, dass sich Schönefeld wie München entwickelt und wir im Jahr 2020 34 Millionen Passagiere und im Jahr 2040 - ich weiß, dass der eine oder andere nicht so lange planen will, aber das sind wir Brandenburg schuldig - wie Frankfurt am Main 50 Millionen Passagiere haben werden. Wir hören jeden Tag neue Ankündigungen und neue reale Verkehrsentwicklungen. Uns und den Bürgern Brandenburgs wurde gesagt, dass wir mit Inbetriebnahme des Standortes Schönefeld circa 22,3 Millionen Passagiere dort abfertigen werden.

Fakt ist heute: Es werden bereits 27 Millionen sein. Wir freuen uns ausdrücklich darüber, und wir freuen uns auch über die Zuwachsraten und Entwicklungen. Worüber wir uns nicht freuen, ist, dass nach wie vor bei den Zahlen getrickst wird. Es wird mit einer zweiprozentigen Steigerung geplant, obwohl man weiß, dass diese längst hinfällig ist. Wir haben seit 2005 ein Wachstum von 7 %. Andere Flughäfen, wie Frankfurt am Main, gehen in den nächsten Jahren von einem Dauerwachstum von 4 % aus, und wir erzählen den Brandenburgern nach wie vor: Wenn wir die 2 % erreichen, sind wir schon gut.

Fakt ist auch, dass die aktuellen Planungen der Airlines, die wir in den letzten Wochen gehört haben, nichts mehr mit den Ankündigungen der Landesregierung von 2004, 2006, 2009 und 2010 zu tun haben. Man freut sich jedes Mal darüber und macht sich keine Gedanken darüber: Wie sieht es denn eigentlich perspektivisch aus? Was tun wir unseren Brandenburgern an diesem Standort damit an?, wobei dem Ministerpräsidenten damals noch Umweltminister - seit 1994 bekannt war, dass dieser Standort nicht für einen Großflughafen geeignet ist.

Was ich mir wünsche, ist, dass folgende Fragen gestellt werden: Wie wirkt sich solch eine positive wirtschaftliche Entwicklung auf den Standort Schönefeld aus, und werden wir eine dritte und vierte Start- und Landebahn brauchen? Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben das per Beschluss auf dem Parteitag für den Standort Schönefeld ausgeschlossen. Diesen Beschluss begrüße ich ausdrücklich, da er die Realitäten anerkennt, dass das an diesem Standort nicht machbar ist. Herr Holzschuher, ich weiß nicht, warum Sie die Stirn runzeln. Ich gratuliere Ihnen zu diesem Beschluss.

(Zuruf von der SPD: Es wird schon noch erklärt!)

Wozu ich Ihnen nicht gratuliere, ist, dass Sie dem Flughafen dann keine Entwicklungsmöglichkeiten bzw. Perspektiven eröffnen oder sich Gedanken darüber machen, wie man mit Wachstum umgeht.

Wir sagen: Das hat nichts mit zukunftsorientierter Infrastrukturpolitik, nichts mit zukunftsorientierter Wirtschaftspolitik und schon gar nichts mit neuen Entwicklungschancen des Landes Brandenburg zu tun.

Die Fragen, die sich aus der heute schon vorherrschenden Entwicklung ergeben, lauten: Wie geht man mit dem wichtigsten und teuersten Infrastrukturprojekt um, wenn man es jetzt schon

in seiner Entwicklung beschneidet? Wie ist die Lärmentwicklung im Umfeld der Betroffenen?

Um diese Fragen zu beantworten, kann man sich Rat holen bei den Flughäfen, die jetzt schon Kapazitätsprobleme aufweisen und massiv mit Protesten zu kämpfen haben; das haben wir ja in Brandenburg auch schon.

Wenn es keine Entwicklungsmöglichkeiten gibt - wie sieht dann die wirtschaftliche Situation des Flughafens aus?

Dass der Herr Ministerpräsident nicht anwesend ist - vorhin saß er zumindest noch hinten auf einem der Besucherplätze -, finde ich schade; es sind nämlich Fragen an ihn als Landesvater. Fakt ist, dass Berlin seine Egoismen befriedigt hat - mit dem Standort Schönefeld. Schon 1995 wurden mehrere Artikel geschrieben, in denen deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass Berlin natürlich Vorteile von diesem Standort haben werde, während sich für Brandenburg größere Vorteile von einem berlinfernen Flughafen - in der Region Sperenberg - ergäben. Wir als Brandenburger erleiden durch den Standort Schönefeld massive Nachteile. Das können wir täglich aufs Neue erleben im Gegensatz zu den Berlinern.

Wir brauchen wiederum nur nach Hessen zu schauen. Mittlerweile verklagt die Stadt Mainz das Land Hessen. Ich weiß nicht, ob wir Lust zu einer entsprechenden Auseinandersetzung zwischen Brandenburg und Berlin haben.

Die Kosten für den Lärmschutz im Umfeld von Schönefeld sind damals mit 60 Millionen DM bzw. 30 Millionen Euro veranschlagt worden. Wir liegen jetzt schon bei 170 Millionen Euro. Dabei reden wir noch nicht von den Umsiedlungen, die aufgrund der absehbaren Lärmentwicklung auf uns zukommen werden.

Angesichts all dessen müssen wir die Frage nach der Wirtschaftlichkeit stellen. Damit kommen wir zwangsläufig zu einer Debatte darüber, an welchem Standort der Flughafen Schönefeld die Möglichkeit hat, sich weiterzuentwickeln, sodass uns die mangelnde Wirtschaftlichkeit nicht irgendwann auf die Füße fällt.

Was wir in Brandenburg brauchen, ist ein wirkliches Großprojekt mit Entwicklungspotenzial für unser Land.

(Beifall CDU)

Ich möchte versuchen, Sie dafür zu sensibilisieren, in die Zukunft und auch über den Tellerrand von Brandenburg hinaus zu blicken. Deutschland braucht einen Flughafen mit ausreichend Entwicklungspotenzial, das den Interessen der Flugbetriebswirtschaft vor dem Hintergrund der weltweiten Flugverkehrsentwicklung entspricht. Das bedeutet natürlich Kapazitätserweiterung. Schaut man sich die Zahlen für Frankfurt am Main an, stellt man fest: Dort rechnet man für 2020 schon mit 88 Millionen Passagieren. Schaut man sich das Entwicklungspotenzial des Münchner Flughafens an, weiß man, dass wir steigenden Bedarf in Deutschland haben. In München - genauso wie in Frankfurt am Main - ist die Belastungsgrenze für die Bevölkerung erreicht. Angesichts dessen sollten wir in Brandenburg doch überlegen, ob wir nicht eine Diskussion darüber anfangen sollten, wie wir daraus Honig saugen können.

(Beifall CDU)

Deswegen fordern wir ein langfristiges Konzept für eine mögliche - wahrscheinlich: notwendige - Erweiterung der Flugverkehrskapazitäten.

(Beifall CDU)

Wer unter dem Eindruck dieser Fakten, der Proteste, die wir schon heute erleben, und der vorliegenden Gutachten des Umweltbundesamtes, die ganz klar besagen, dass ein Nachtflugverkehr, wie wir ihn planen, nicht machbar ist - er ist nicht nur gesundheitsgefährdend, sondern tatsächlich gesundheitsschädlich -, Sperenberg tatsächlich entwidmen will, und zwar in rasantem Tempo, der arbeitet aus unserer Sicht absolut unverantwortlich. Er hat keine Vision, keinen Plan für das Land Brandenburg.

(Beifall CDU)

Wir wollen eine bürgerliche Politik, die bürgernah und transparent ist. Wir wollen eine vorausschauende Politik, die für jeden einzelnen Bürger nachvollziehbar ist und nicht, einer Salamitaktik folgend, weiter wie bisher gemacht wird. Wir wollen eine Politik, die der Wirtschaft und den Bürgern Planungssicherheit gibt und die nicht jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf treibt. Ich erinnere an Schönhagen oder irgendeinen anderen Randflughafen, der jetzt schon gebraucht wird, weil die Kapazitäten am Flughafen überschritten werden - was übrigens das Single-Konzept schon von vornherein ausschließt.

(Holzschuher [SPD]: Wer treibt denn hier Säue durchs Dorf?)

Aber Sie sind nicht bereit, darüber zu diskutieren. Sie sind nicht bereit, den Brandenburgern zu sagen, wohin die Entwicklung langfristig gehen soll. Das finden wir schade. Wenn Sie verantwortungsbewusst mit dem Großprojekt Flughafen Schönefeld umgehen wollen, dann müssen Sie unserem Antrag zustimmen. - Danke.

(Beifall CDU)

Die Abgeordnete Kircheis spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 3. Juni soll der Flughafen „Willy Brandt“ in Schönefeld seinen Betrieb aufnehmen - ein Flughafen, der zehn Jahre lang geplant wurde. Die CDU war an den Diskussionen und Planungen sowohl in Berlin als auch in Brandenburg und im Bund - in Regierungsverantwortung, zum Teil sogar in Ressortverantwortung! - beteiligt. Man sollte deshalb meinen, sie sehe der Eröffnung des Flughafens entsprechend gelassen entgegen.

Stattdessen wird nun, drei Monate bevor der erste Flieger vom BER startet, so getan, als ob der neue Flughafen schon jetzt zu klein sei. Dafür gibt es jedoch keinen ernsthaften Anhaltspunkt, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall SPD)

Die Kapazitäten des BER erlauben die Abfertigung von 27 bis 30 Millionen Fluggästen im Jahr. Sie können ohne großen Auf

wand aufgestockt werden, sodass bis zu 45 Millionen Flugreisende jährlich abgefertigt werden könnten. Das ist weit mehr als das Doppelte des aktuellen Fluggastaufkommens, das im Jahr 2010 bei 22,3 Millionen lag. Soweit ich es sehen kann, lassen diese Zahlen weit und breit keinen Bedarf für ein Erweiterungskonzept erkennen. Eine dritte Start- und Landebahn steht deshalb auch nicht zur Diskussion. So haben wir es erst im Dezember 2011 - es ist noch nicht so lange her - hier beschlossen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es nicht nur eine mögliche Antwort auf die Herausforderungen durch den zunehmenden Flugverkehr gibt. Vornehmste Aufgabe der Politik ist es schließlich nicht, zu reagieren; unsere wichtigste Aufgabe ist es, frühzeitig Weichen zu stellen, Entwicklungen in unserem Sinne zu lenken.

(Beifall des Abgeordneten Vogel [GRÜNE/B90])

Mit Blick auf den Flugverkehr heißt das, zu überlegen, ob wir dieses Segment tatsächlich grenzenlos ausbauen wollen. Mögen die Zahlen der Flugbewegungen, der beförderten Personen und des Frachtgutes in den vergangenen Jahren auch stetig gewachsen sein - ein grenzenloses Wachstum wird es ganz sicher auch im Flugverkehr nicht geben.

(Beifall des Abgeordneten Vogel [GRÜNE/B90])

Das kann übrigens auch niemand wollen, schon gar niemand, der bereits heute die Belastungen der Anrainer durch Fluglärm für schwer erträglich und die Belastungen von Umwelt und Klima durch den CO2-Ausstoß für höher als nötig hält.

Sehr viel sinnvoller als über eine dritte Start- und Landebahn zu sinnieren ist es meiner Meinung nach, die Verkehrsströme zu lenken. Wir sollten darüber nachdenken, ob jede, aber auch wirklich jede Flugverbindung notwendig ist. Wenn dieser Tage in Frankfurt wegen des Streiks vor allem Inlandsflüge ausfallen und die Fluggäste stattdessen mit dem Zug fahren, zeigt das, welches Potenzial der Bahn noch nicht ausgeschöpft ist. Genau dafür haben wir doch einen neuen Bahnhof am Flughafen gebaut, einen Bahnhof, der auch für den ICE-Verkehr geeignet ist. Wenn die DB AG künftig Schnellzugverbindungen direkt vom Flughafen aus anbieten würde, bräuchten Reisende nach Neumünster oder Neu-Ulm nicht ins Flugzeug zu steigen. Dann blieben auch in Zukunft genügend Kapazitäten für Flüge nach Neu Delhi oder New York übrig. Auf solch eine gute Verknüpfung des Schienenverkehrs mit dem neuen Flughafen sollten wir uns in den nächsten Jahren konzentrieren.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, können sich ja bei Ihrem Bundesverkehrsminister dafür stark machen. So lange legen wir die Diskussion um eine dritte Start- und Landebahn auf Eis.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Der Abgeordnete Beyer spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss gestehen: Ich hatte

recht hohe Erwartungen an die Ausführungen der Kollegin Ludwig; denn ich hätte mir - das hätte der Antrag vermuten lassen - durchaus gewünscht und hätte gehofft, dass wir heute eine Definition für den Terminus „basisliberal“ erhalten. Aber das ist mir nicht ganz eingängig geworden. Eines kann ich aber auf alle Fälle feststellen: Das Ausspielen von Berlin gegen Brandenburg oder Brandenburg gegen Berlin ist mit Sicherheit nicht basisliberal.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU hat trotzdem eine ernsthafte Komponente; das will ich ganz deutlich sagen. Denn wir haben im Oktober 2011 ein Gutachten gelesen - das übrigens, soweit ich weiß, das MIL in Auftrag gegeben hat -, das sich mit den Kapazitätsfragen am zukünftigen Flughafen befasst. Ich glaube, es ist wichtig, die darin enthaltenen Aussagen ernst zu nehmen. Es ist wichtig, ein Konzept für eine mögliche Erweiterung rechtzeitig zu denken, „zu denken“, sage ich erst einmal. Es ist wichtig, sich Gedanken zu machen, wie der Flugverkehr abgewickelt werden soll, wenn denn eines Tages tatsächlich die planfestgestellten Kapazitäten überschritten werden sollten.

Wir tun das vor dem Hintergrund, auch wenn es nicht meine persönliche Meinung ist, aber auch nicht die Meinung meiner Fraktion, dass sich der Landtag im Dezember gegen den Bau einer dritten Start- und Landebahn in Schönefeld ausgesprochen hat. Das ist einfach nur der Rahmen - ganz emotionslos. Die Frage, wo die dritte Start- und Landebahn denn einmal sein sollte, kann man durchaus stellen, wenn man die Kapazitätsberechnungen ernst nimmt, wobei ich persönlich - ich sage das ganz deutlich - nicht davon überzeugt bin, dass wir diese Frage so schnell beantworten müssen. Aber das ist vielleicht auch ein anderes Thema.

Wie dem auch sei, beim ersten Lesen des Antrags der Kolleginnen und Kollegen von der CDU muss ich durchaus sagen: Manche aufgeworfene Fragestellung klingt durchaus vernünftig.