akademischer Teil - ein wichtiger und fester Bestandteil unseres Landes. Die jüdischen Hochschuleinrichtungen waren eine Bereicherung der Wissenschaftslandschaft. Die jüdischen Gemeinden florierten auch aufgrund der gezielten akademischen Ausbildung von Rabbinern, und zwar bis in die 30er-Jahre hinein. Das Seminar in Breslau wurde noch 1938 im Rahmen der Reichspogromnacht geschlossen. Die Hochschule in Berlin bekam 1933 zunächst den diskriminierenden Namen „Lehranstalt“ und wurde 1942 ganz geschlossen. Leo Baeck wurde mit den damals verbliebenen Studenten nach Theresienstadt deportiert, konnte aber glücklicherweise überleben. Regina Jonas wurde 1944 in Auschwitz ermordet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist uns auch heute noch eine Verpflichtung, diese ehemals bedeutende Wissenschaft des Judentums wieder zum Leben zu erwecken und zu fördern. Für dieses Leben und für vitale Gemeinden braucht es auch Rabbinerinnen und Rabbiner. Dr. Graumann, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, hat auf einer Ordinationsfeier im November letzten Jahres gesagt:
„Es ist doch bekannt: Wir hungern nach rabbinischer Betreuung. Neue Rabbiner braucht das Judentum in Deutschland.“
In Heidelberg gibt es seit 1979 die Hochschule für Jüdische Studien, in Berlin seit 2009 eine orthodoxe Jeschiwa. In Potsdam hat sich 1999 das Abraham Geiger Kolleg als An-Institut der Universität Potsdam gegründet. Es ist damit das erste Rabbinerseminar in Kontinentaleuropa nach der Shoah. Seit 2001 werden hier in Kooperation mit der Universität Rabbinerinnen und Rabbiner, seit 2008 auch Kantoren ausgebildet. Dank der Ausbildung an diesem Kolleg konnten am 14. September 2006 mit Daniel Alter, Thomáˇs Kuˇcera und Malcom Mattitiani die ersten Rabbiner in Deutschland seit 1942 ordiniert werden.
Das Kolleg leistet damit mehr als 50 Jahre nach der Shoah etwas für die Verankerung des Judentums in unserer Gesellschaft, für das wir gar nicht dankbar genug sein können. Zu Recht wird das Abraham Geiger Kolleg daher von der Kultusministerkonferenz, dem Land Brandenburg, dem Zentralrat der Juden und der Leo Baeck Foundation gefördert, und zu Recht wurde es 2007 als Ort im Land der Ideen ausgezeichnet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Völlig zu Recht kam im letzten Jahr erneut der Wunsch des Kollegs auf, sich stärker zu institutionalisieren, als das mit dem An-Institut bisher der Fall ist. Damit ging nicht nur eine andere Wertschätzung einher, sondern das wäre auch ein weiterer Schritt hin zu einer akademischeren Ausbildung, wie es sie in Deutschland einmal gab.
Das Ziel, die erste jüdisch-theologische Fakultät nach der Shoah in Deutschland hier bei uns in Brandenburg zu errichten, traf bei meiner Fraktion schnell auf volle Zustimmung. Wir können uns dabei auf die Empfehlung des Wissenschaftsrates zur Weiterentwicklung der Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften aus dem Jahr 2010 berufen. Darin wird nicht nur der Aufbau von Zentren islamischer Studien, sondern auch der Ausbau jüdischer Studien empfohlen.
Nun gab es im letzten Jahr auch etliche Irritationen auf Landesebene, was den Willen zu einer stärkeren Institutionalisierung des Abraham Geiger Kollegs angeht. Es gab konkurrierende Bewerbungen aus Bayern und Thüringen. Ich will diesen Konflikt nicht bewerten, sondern stelle lediglich fest: Das starke landespolitische Signal, das Kolleg in Brandenburg zu halten und zu stärken, war offenbar nicht allen Beteiligten präsent. Zugegeben, das Werben aus Bayern und Thüringen war durchaus lautstark, aber es kommt nicht darauf an, laut „hier“ zu schreien, sondern darauf, aktiv zu sein. Weder können sich die Länder über den Weg der Fakultätsgründung hinwegsetzen, noch war man hier in Brandenburg untätig.
Allerdings treten bei der Gründung einer Fakultät oder einer ähnlichen Einrichtung durchaus schwierige Fragen auf. Das beginnt bei der Berufung bekenntnisbezogener Professuren, geht über die Einbindung des Zentralrates der Juden und die Ausstattung einer solchen Einrichtung bis dahin, dass das Land eine solche Gründung gar nicht verordnen kann. Es ist an der Universität Potsdam und an dem Kolleg, sich auf den Weg zu machen und zu verhandeln - mit der Rückendeckung des Landes.
Hier ist der Unterschied zu Ihnen, liebe Kollegen von der CDU. Mit der damaligen Wissenschaftsministerin Frau Wanka habe ich zwar den einen oder anderen Streit ausgetragen und hatte auch eine andere Meinung zu bestimmten Dingen, jedoch waren wir uns immer darin einig, dass wir die Autonomie der Hochschule wahren. Daher steht es dem Landtag höchstens zu, die Universität Potsdam zu bitten, in diesen Prozess einzutreten. Einer Erwartungshaltung, wie sie in Ihrem Antrag formuliert ist, können wir nicht folgen.
Die gerade beschriebenen offenen Fragen sind nicht in wenigen Wochen zu klären. Dennoch kann ich den Unmut einiger Beteiligter verstehen. Aus diesem Grund hoffe ich, dass das starke politische Signal bzw. der Wille des Landes, das Kolleg hier in Brandenburg zu halten und zu stärken, heute von diesem Landtag ausgeht. Dabei danke ich auch ausdrücklich den beteiligten Fraktionen von FDP und Grüne für ihre Unterstützung und hoffe, dass der Antrag eine breite Zustimmung findet.
Der Weg zu einer jüdisch-theologischen Fakultät ist zwar noch steinig, aber das Land ist bereits einige Schritte gegangen. Zudem haben wir einen klaren Vorsprung zu anderen Ländern. Lassen Sie uns gemeinsam für diese Einrichtung kämpfen und heute ein klares Bekenntnis zur Rabbinerausbildung in Brandenburg geben. Ermöglichen wir es den jüdischen Gemeinden, dem Spruch der Väter aus dem Talmud zu folgen: „Such dir einen Lehrer“. Diese Suche können wir heute ein Stück erleichtern. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Juden sind deutsche Staatsbürger mit glei
chen Rechten und gleichen Pflichten. Zu dieser verhältnismäßig einfachen Formel hat es Freiherr von Hardenberg bereits vor genau 200 Jahren einmal zusammengefasst. Juden sollten Teil der Gesellschaft in Preußen sein und wie die anderen Staatsbürger auch Rechte und Pflichten haben. Er beschreibt damit die Vision, dass die Staatsbürgerschaft nicht an die Zugehörigkeit der Religion geknüpft sein soll, sondern, dass die Anerkennung als Staatsbürger an die Erfüllung der Pflichten geknüpft ist und im Gegenzug staatsrechtliche Rechte gewährt werden.
Das sogenannte Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden im preußischen Staate vom - man beachte das Datum 11. März 1812 trug endlich dem Umstand Rechnung, dass jüdische Gemeinden unumstößlicher Bestandteil des deutschen und europäischen Gemeinwesens waren und dass jüdisches Leben und jüdische Kultur tief in unserer Nation und Gesellschaft verwurzelt sind. An dieser Tatsache hat auch das Nazi-Regime mit der Verfolgung des jüdischen Volkes in Deutschland und Europa nichts verändern können, und dafür bin ich dankbar.
Insofern halte ich es auch nicht für richtig, wenn Menschen jüdischen Glaubens von anderen Menschen unterschieden werden und eine Unterstützung aus einer moralischen Verpflichtung heraus erwachsen soll. Für mich sind sie in allererster Linie Menschen, die - wie andere Menschen auch - in Deutschland frei ihrer Religion und Weltanschauung nachgehen können und das auch sollen.
In der Tradition Hardenbergs verstehe ich an dieser Stelle auch unser Grundgesetz. Die Unterstützung von jüdischen Gemeinden in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und in Brandenburg seit der Wiedervereinigung ist Ausdruck unseres demokratischen Grundverständnisses für einen respektvollen und toleranten Umgang mit verschiedenen Religionen und Weltanschauungen. Die Förderung von aktiven und vitalen jüdischen Gemeinden ist demzufolge Aufgabe eines Landes. Ausgebildete Rabbiner und Kantoren sind wichtiger Bestandteil eines aktiven Gemeindelebens. Deshalb hat das Abraham Geiger Kolleg meine höchste Wertschätzung. Es ist europaweit eine einzigartige Institution, die an eine lange Tradition der jüdischen Wissenschaften in der Region Berlin-Brandenburg anknüpft und die es ganz klar in Brandenburg zu halten gilt.
Die Errichtung einer jüdisch-theologischen Fakultät wäre eine sehr wertvolle Bereicherung für die brandenburgische Kulturlandschaft und hätte eine große internationale Ausstrahlung. Deshalb sprechen wir von der CDU-Fraktion uns auch für ein Weiterführen der Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern am Abraham Geiger Kolleg in Brandenburg aus und erwarten von der Universität Potsdam, die Kooperation mit dem Kolleg weiter zu intensivieren und die Institutionalisierung der jüdischen Theologie zügig zu beraten.
Das entbindet uns Abgeordnete aber nicht von der Aufgabe, darüber zu diskutieren und später auch darüber zu entscheiden, wie diese Einrichtung finanziert werden soll. Die CDU-Fraktion möchte die Institutionalisierung der jüdischen Theologie an der Universität Potsdam unterstützen, ohne dass dies zulasten der Globalhaushalte der anderen Hochschulen geschieht.
Es wird der brandenburgischen Hochschullandschaft nicht zu vermitteln sein, wenn den Hochschulen durch die Beschlüsse
der Regierungskoalition von SPD und Die Linke Kürzungen zugemutet werden und gleichzeitig eine, wenn auch sehr wichtige neue Einrichtung in der Hochschullandschaft Brandenburgs entstehen soll. Aus diesem Grund bitte ich um Zustimmung zu dem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag. - Vielen Dank.
Verehrter Herr Landtagspräsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir als Koalitionsfraktionen gemeinsam mit den Grünen und der FDP ein deutliches Zeichen für die Stärkung der Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern an der Universität hier in Potsdam setzen. Bisher hat die akademische Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern - meine Kollegin Heinrich und auch Peer Jürgens sind darauf schon eingegangen - am Abraham Geiger Kolleg in Potsdam stattgefunden. Rabbiner sind von hier nicht nur nach Berlin-Brandenburg, sondern auch in andere Bundesländer und in die ganze Welt gegangen.
In Deutschland wird gerade auf Empfehlungen des Wissenschaftsrates die Imamausbildung als akademische Disziplin eingeführt. Sie ist damit der katholischen und evangelischen Theologie gleichgestellt. Da ist es nur logisch und folgerichtig, dass auch die jüdische Theologie im universitären Kontext gelehrt und unterrichtet wird; denn, meine Damen und Herren, das Judentum gehörte schon immer zu Deutschland.
Das Abraham Geiger Kolleg bietet mit seiner schon bisher praktizierten akademischen Ausbildung hervorragende Voraussetzungen für den Aufbau jüdisch-theologischer Studien an der Universität hier in Potsdam. Auch die Universität hat sich bereits positioniert und dazu bekannt, die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen.
„Wir wollen den Ausbau der jüdischen Studien und die institutionelle Verankerung der jüdischen Theologie gemeinsam mit dem Abraham Geiger Kolleg vorantreiben. Die Einrichtung hätte dann neben Forschung, Lehre und Religionsausübung auch Promotions- und Habilitationsrecht, eigenständige Studiengänge, Prüfungs- und Weiterbildungsangebote. Sie stünde für die Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern des liberalen und konservativen Judentums offen.“
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, sicher haben Sie auch in der Presse verfolgt - auch darauf sind die Vorredner schon kurz eingegangen -, dass der sehr engagierte Vorsitzende des Abraham Geiger Kollegs, Prof. Homolka, sich auf den Weg gemacht hat und auch mit anderen Universitätsstandorten im Gespräch ist. Das Ganze mutet ein wenig an wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel. Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie an den Ausgang der Geschichte: Der Igel hat gewonnen. Wir sollten uns nicht wie der Hase zu Tode hetzen, aber dennoch ziel
strebig unsere Hausaufgaben machen. Dazu gehören die im Antrag genannten Punkte wie die personellen und sächlichen Voraussetzungen, die räumliche Unterbringung und - das steht jetzt nicht im Antrag, ist aber ganz dringend erforderlich - eine staatskirchenrechtliche Grundlage als Voraussetzung für die Benennung bekenntnisgebundener Professuren. Das ist dann die wirkliche Gleichstellung von katholischer, evangelischer und jüdischer Theologie.
Seit Beginn des Jahres arbeitet ein Arbeitskreis an der Potsdamer Universität, der alle Voraussetzungen klären und die noch offenen Fragen beantworten soll. Zu ihm gehören neben dem Vizepräsidenten Dr. Grünewald auch der schon genannte Kollege Walter Homolka, der Vorsitzende des Abraham Geiger Kollegs. Ich bin sicher, dass man sich dort verständigen wird. Unser Antrag soll den notwendigen Rückenwind dafür geben.
Ich bedaure, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie sich dem gemeinsamen Antrag der anderen vier Fraktionen hier nicht anschließen konnten und einen eigenen Antrag eingebracht haben. Einziger Unterschied in Ihrem Antrag ist die Frage der Finanzierung - Frau Heinrich ging darauf ein -, die nicht zulasten anderer Hochschulen in Brandenburg gehen soll. Meine Damen und Herren von der CDU, erstens ist die Universität Potsdam in Brandenburg die Hochschule mit den meisten Studierenden und damit mit dem größten Etat. Zweitens hätten Sie doch die Möglichkeit gehabt, diese Änderung einzubringen und dann den gemeinsamen Antrag hier miteinander zu beschließen. Auch wir fordern die Ministerin auf, uns im Ausschuss regelmäßig über den Fortgang der Dinge zu unterrichten.
Meine Damen und Herren, schließen möchte ich mit dem folgenden Zitat des katholischen Theologen Rainer Bucher von der Universität Graz. Er schrieb in der Wiener katholischen Wochenzeitung „Die Furche“ im Juli 2011:
„Für das Judentum stellt sich die Frage, ob und wie seine Theologie universitär wird, für das Christentum, was es bedeutet, dass sie dann universitär ist.“
„Theologie sollte unbedingt an Universitäten stattfinden, da sie nur dort auf das Denken einer Zeit trifft.“
„Theologie gehört um ihrer selbst Willen an die Universität. Das gilt einmal mehr für die jüdische Theologie.“
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jüdisches Leben wächst und gedeiht wieder in Deutschland. 1945 hätte sich das wahrscheinlich niemand von uns vorstellen können, dass wir in Deutschland je wieder jüdisches Leben, jüdi
sche Kultur, jüdisches Geistesleben spüren und erleben dürfen. Wie viel Mut es unseren jüdischen Mitbürgern gekostet haben mag, ihr Vertrauen erneut in eine zweite deutsche Demokratie zu setzen, das vermag von uns vermutlich niemand zu ermessen. Dafür bleibt uns nur die Bewunderung.
Und dennoch: Heute haben wir wieder jüdisches Leben, jüdisches Geistesleben und jüdisches Gemeindeleben in unserem Land. Eines der schönsten Symbole dafür gibt es hier in Potsdam, nämlich das Abraham Geiger Kolleg als eines der besten und schönsten Symbole für wiedergewonnenes jüdisches Geistesleben in Deutschland, meine Damen und Herren.