Protocol of the Session on February 22, 2012

(Beifall FDP, GRÜNE/B90 sowie vereinzelt DIE LINKE - Zuruf: Es finden noch Beratungen statt!)

Es finden noch Beratungen statt, wird mir zugerufen. Das ist sicher so. Manche Ausschüsse tagen noch. Es handelt sich also nicht nur um Pausenbeschäftigungen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetz zur Anpassung des brandenburgischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsrecht des Bundes (Brandenburgisches Lebenspartnerschaftsanpas- sungsgesetz - BbgLPAnG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie

Drucksache 5/4624

Die Abgeordnete Schulz-Höpfner eröffnet die Aussprache.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es? Es geht um die Anpassung des brandenburgischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsrecht des Bundes.

Das vorliegende Gesetz wurde in den mitberatenden Ausschüssen beraten und beschlossen. Der federführende Ausschuss war der Ausschuss für Soziales. Dort wurde erst in der vorigen Woche darüber endabgestimmt. Dieser Endabstimmung ging ein langer Diskussionsprozess voraus, auch mit Anhörung. Man musste feststellen, dass auch nach der Anhörung nicht alles Wünschenswerte erfüllt werden kann und nicht alles regelbar ist.

Es wurde aber dann der Versuch unternommen, der für mich etwas fragwürdig ist, insbesondere die Rückwirkung in der Hinterbliebenenversorgung generell durchzusetzen. Ich möchte betonen: Dem Antrag auf Rückwirkung der Leistungsansprüche bei Beamten haben wir zugestimmt. Sie entspricht auch unserer Intention, und die Regelung kann das Land ja auch ohne Weiteres vornehmen.

Den zusätzlichen Änderungen, die einen Eingriff in berufsständische Versorgungswerke bedeuten, können wir hingegen nicht zustimmen. Da macht es auch keinen Unterschied, ob die Neuregelung - wie im Rechtsanwaltsversorgungsgesetz oder Steuerberatungsgesetz - bereits im vorliegenden Gesetz vorgenommen wird oder ob die Veränderungen in Versorgungswerken anderer Bundesländer, denen sich Berufsgruppen aus Brandenburg angeschlossen haben, erwirkt werden sollen. Wir haben nicht das Recht, in diese Versorgungswerke einzugreifen. Berufsständische Versorgungswerke treffen ihre Entscheidungen eigenständig. Die Politik hat in diesem Fall keine Eingriffsmöglichkeit; und ich meine, das ist auch gut und richtig so. Auf diese Weise sind sie der politischen Einflussnahme entzogen und regeln ihre Angelegenheiten selbst.

Wir gehen davon aus, dass die Versorgungswerke ihre Entscheidungen mit Augenmaß treffen werden und sich auch im Fall der Hinterbliebenenversorgung in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften den Neuregelungen nicht verschließen werden. Manchmal sind die Menschen ja vernünftiger, als Politik meint das beschließen zu müssen.

In diesem Sinne können wir dem Gesetz leider nicht unsere Zustimmung geben. - Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schulz-Höpfner. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Prof. Dr. Heppener hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte doch noch einmal darauf hinweisen, dass wir mit diesem brandenburgischen Lebenspartnerschaftsanpassungsgesetz - ein so sperriger Titel für eine solch

tolle Sache des Humanismus und der Gleichberechtigung von Menschen - einen bedeutsamen Schritt auf dem Weg gehen, Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu beseitigen.

Am Ziel sind wir doch noch nicht. Der Staat schafft die rechtlichen Voraussetzungen. Gesellschaftliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist mehr. Toleranz, Verständnis und Solidarität mit Menschen, die ihr privates und familiäres Zusammenleben anders planen und gestalten, sind nicht durch Gesetz zu verordnen. Wir müssen sie im Alltag gemeinsam leben, und zwar dort, wo die Menschen sind.

Das vorgelegte Artikelgesetz spannt einen weiten Bogen. Deshalb ist es nicht verwunderlich - Frau Schulz-Höpfner hat darauf hingewiesen -, dass die Beschäftigung mit diesem, so viele einzelne Gebiete umfassenden Gesetzentwurf in der Anhörung und in den Gremien auch nach rechtlichen Regelungen fragte, für die die Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe noch nicht oder nicht vollständig thematisiert war. In diesem Zusammenhang musste die Frage nach der versorgungsrechtlichen Gleichstellung in den berufsständischen Versorgungswerken beantwortet werden. Der Gesetzentwurf der Landesregierung formuliert bisher lediglich die Verpflichtung zur Gleichstellung. Die Zielstellung und die Logik des Anpassungsgesetzes verlangen jedoch, auch hier konkrete Regelungen zu treffen. Da sind wir anderer Meinung als die CDU, so für die rückwirkende Gleichstellung und für die Verjährungsfristen bei der Anmeldung von Versorgungsansprüchen.

Dankenswerterweise wandte sich die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hierzu an den Parlamentarischen Beratungsdienst. Auf dessen Stellungnahme beruhte ein gemeinsamer Antrag der vier Fraktionen im Fachausschuss, der sich nun in der Beschlussempfehlung des Ausschusses wiederfindet. Die CDU-Fraktion konnte sich dem, wie wir gehört haben, leider nicht anschließen.

Ich meine, dass wir mit den vom Ausschuss empfohlenen zusätzlichen Änderungen zum Gesetzentwurf der Landesregierung einer ebenso komplizierten wie wichtigen Materie gerecht werden. Hinterbliebene aus eingetragenen Partnerschaften sollen auch in den Versorgungswerken hinsichtlich der von ihren Lebenspartnern erbrachten Leistungen und gezahlten Beiträgen den Hinterbliebenen aus einer Ehe gleichgestellt werden. Es ist Anerkennung des Zusammenhalts und der gegenseitigen Sorge von Menschen, gleichgültig, ob sie in einer Ehe oder in einer Lebenspartnerschaft lebten.

Zweifellos wird damit der Kreis der Versorgungsberechtigten erweitert. Das Mehr an Leistungsberechtigten reduziert die Höhe der von allen angesparten und erwirtschafteten Leistungen. Aber Lebenspartner wie Eheleute haben diese Leistungen erbracht. Zudem: Die rückwirkende Gleichstellung beseitigt einen im Sinne des Bundesgesetzes und der europäischen Rechtsprechung verfassungswidrigen Zustand der Ungleichbehandlung der Lebenspartner gegenüber Eheleuten.

Hinsichtlich des Rückwirkungszeitpunkts 1. Januar 2005 bei den Versorgungswerken schließen wir uns der verfassungsrechtlichen Begründung des Beratungsdienstes an. Zu diesem Zeitpunkt traten die berufsständischen Versorgungswerke an die Stelle der gesetzlichen Rentenversicherung.

Hinsichtlich der Beamtenversorgung, des Beamtenversorgungsergänzungsgesetzes und des Brandenburgischen Besoldungsgesetzes, ist die Rückwirkung auf den 1. August 2001 als Termin des Inkrafttretens des Bundesgesetzes festzusetzen.

Auch für die nötige gesetzliche Klärung von Verjährungsfristen und Übergangsregelungen konnten sich die vier Fraktionen den Vorschlägen des Parlamentarischen Beratungsdienstes anschließen.

Ich möchte mich für den Rat und die Hilfe herzlich bedanken. Es war so vieles zu bedenken, aber es ist der Mühe wert. Es geht um Anerkennung, Gleichstellung und Gleichbehandlung der verschiedenen Formen des Zusammenlebens von Menschen in der Partnerschaft und in der Familie. Da schmerzt es, dass Lebenspartnerschaften und Ehepaare bei Adoptionen noch immer nicht gleichgestellt sind und die sexuelle Identität durch das Grundgesetz nicht geschützt ist.

Wenn wir heute das Brandenburger Gesetz beschließen, haben wir immerhin einen großen Schritt getan. - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Prof. Dr. Heppener. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Der Abgeordnete Büttner hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können es kurz machen: Was lange währt, wird endlich gut. So und nicht anders möchte ich die Beratungen zu dem hier heute vorliegenden Gesetzentwurf überschreiben. Selten habe ich ein Gesetzgebungsverfahren erlebt, in dem so intensiv geprüft und verhandelt wurde und an dessen Ende ein von fast allen Fraktionen getragener Gesetzentwurf stand. Hierfür danke ich allen beteiligten Fraktionen, insbesondere den Mitgliedern des zuständigen Sozialausschusses.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Im Zentrum der Beratungen zum Lebenspartnerschaftsanpassungsgesetz stand die Frage, wie wir die rechtliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften und Ehen weiter vorantreiben und für alle Beteiligten akzeptabel gestalten können. Dies war auch das beabsichtigte Ziel des von der Landesregierung im Mai vergangenen Jahres vorgelegten Gesetzentwurfs. Im Zuge der Beratungen im Ausschuss wurde jedoch zunehmend deutlich, dass die im ersten Gesetzentwurf vorgesehenen Rückwirkungsregelungen bei weitem nicht ausreichend waren. Aus diesem Grund hat meine Fraktion den Gesetzentwurf diesbezüglich vom Parlamentarischen Beratungsdienst prüfen lassen, der unsere Auffassung gestützt hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass schlichtweg Gesetzesänderungen vergessen wurden und dass auch für die einzelnen Berufsgruppen, die in den Versorgungswerken zusammengeschlossen sind, die in den Verantwortungsbereich des Landes fallen, Regelungen getroffen werden müssen.

Als Konsequenz aus dem Gutachten haben Grüne und FDP im Sozialausschuss einen entsprechenden Änderungsantrag vorgelegt, in welchem die Hinweise des Beratungsdienstes be

rücksichtigt worden sind, und der deshalb entsprechend rechtssicher war. Dieser ist intensiv beraten worden. Ich freue mich, dass auch die Regierungsfraktionen die Notwendigkeit der von unseren Fraktionen angemahnten Änderungen erkannt und sich dem gemeinsamen Antrag von FDP und Grüne angeschlossen haben.

Mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes zur Anpassung des Brandenburgischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsrecht bekennt sich Brandenburg in einem weiteren Schritt zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher und heterosexueller Partnerschaften und Ehen. Für das hieraus erwachsende gesellschaftliche Signal hätte ich mir fraktionsübergreifende Zustimmung gewünscht. Jedoch war dies leider nicht möglich, da die Interpretation eines modernen Familien- und Ehebegriffs auch im Jahr 2012 noch variiert. Zwar ist das schade, jedoch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine breite Mehrheit die Gleichstellung befürwortet. Insofern freue ich mich, dass wir in Brandenburg in einer zentralen gesellschaftlichen Frage wieder ein Stück vorangekommen sind. - Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall FDP, SPD, DIE LINKE sowie GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Die Abgeordnete Wöllert hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Herr Büttner, jetzt machen Sie es mir etwas schwer. Sie haben mir meinen Eingangssatz geklaut.

(Oh! bei der FDP)

Ich wollte das auch sagen. Daraus mache ich jetzt einfach: Ende gut - fast alles gut! - Das ist so ähnlich, dann passt es.

(Beifall des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Wir haben hier ein langes Gesetzgebungsverfahren gehabt. So etwas habe ich hier selten erlebt: Am 22. Juni des vergangenen Jahres hat dieser Landtag den Gesetzentwurf federführend an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie überwiesen. Der Fachausschuss befasste sich seit August 2011 sechs Mal mit dem Gesetzentwurf, darunter am 23. September in einer öffentlichen Anhörung, zu der auch die mitberatenden Ausschüsse eingeladen wurden. Von den Anzuhörenden wurden der Gesetzentwurf und - das ist vielleicht etwas, was auch für die Zukunft in anderen Bereichen wichtig ist - die breite Einbindung der Verbände und Vereine in das Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich gelobt; Änderungsbedarf wurde vor allem hinsichtlich der rückwirkenden Gleichstellung im Versorgungs- und Besoldungsrecht gesehen.

Am 7. Dezember 2011 wurde ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen und von Bündnis 90/Die Grünen und FDP angenommen, der zum Inhalt hatte, das Rückwirkungsdatum auf den 1. August 2001 festzuschreiben.

Im Januar zog der Ausschuss seine Beschlussempfehlung zurück, denn es lag ein von der FDP dankenswerterweise - es wur

de heute schon gesagt - in Auftrag gegebenes Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes vor, das sich vor allem mit der Ausdehnung der Rückwirkung der Gleichstellung für die Versorgungssysteme der freien Berufe befasste. In einem weiteren Änderungsantrag aller Fraktionen - außer der CDU wurde beschlossen, die Rückwirkung auf den 1. Januar 2005 festzulegen, soweit das in der Regelungskompetenz des brandenburgischen Gesetzgebers liegt. In den Kammern, die Versorgungswerke gemeinsam mit anderen Bundesländern haben, hat sich der Ausschuss ebenfalls für eine Gleichstellung in der Hinterbliebenenversorgung ausgesprochen.

In einem Brief an den Chef der Staatskanzlei spricht sich der Ausschuss dafür aus, sich in den brandenburgischen Kammern für eine satzungsrechtliche Gleichstellung in den maßgeblichen Versorgungswerken einzusetzen. Das ist gut so, haben doch alle Menschen den Anspruch auf diese Gleichstellung.

Wir haben von allen verfassungsmäßig denkbaren Lösungen, die den Interessen der Betroffenen entsprechen, die meist entsprechende gefunden und in das Gesetz eingebracht. Mein Dank gilt an dieser Stelle nochmals den beiden Oppositionsparteien FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die konstruktive Zusammenarbeit, die es ermöglichte, diesen Gesetzentwurf heute vorzulegen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wöllert. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird die Abgeordnete Nonnemacher die Aussprache fortsetzen.