Protocol of the Session on February 22, 2012

Meine Damen und Herren, wenn man sich diese Zahlen anschaut, kommt man an folgender Feststellung nicht vorbei: Sie begegnen der kalten Progression mit einer Steuerpolitik der sozialen Kälte, nicht etwa der Gerechtigkeit.

(Beifall CDU und FDP)

Nun komme ich zum sozialistischen Dauerlutscher: Anhebung des Spitzensteuersatzes. Nicht nur die brandenburgische SPD die Linke ohnehin - und die Bundes-SPD, sondern auch Herr Hollande und andere sind natürlich dafür. Um welche Zahlen geht es konkret? Die Anhebung des Spitzensteuersatzes würde nach einer Berechnung des DIW etwa 3,5 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen bringen. Im vergangenen Jahr wurden über 12 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen erzielt. Steuermehreinnahmen in ähnlicher Dimension werden wir im laufenden Jahr verzeichnen.

Sowohl das DIW als auch der Sachverständigenrat machen deutlich auf Steuervermeidungsstrategien aufmerksam, die ausgelöst werden, wenn der Steuersatz über eine Grenze hinaus steigt, die die Menschen als angemessen, vertretbar und leistbar halten.

(Jürgens [DIE LINKE]: Bei Kohl lag der Spitzensteuer- satz bei 53 %!)

Wiegard argumentiert in eine ähnliche Richtung. Es soll sogar einen ehemaligen SPD-Finanzminister geben, der vor einer solchen Entwicklung warnt.

Der eine oder andere erinnert sich vielleicht an das Steuerreformpaket des Jahres 2000; es ist erst 12 Jahre her. Damals regierte weder eine sozial-liberale noch eine schwarz-gelbe Koalition, sondern eine rot-grüne Koalition. Die Roten waren auch ein bisschen dabei, aber vor allem waren es wahrscheinlich die Grünen, die dieses Steuerreformpaket auf den Weg brachten. Es beinhaltete die Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 % und des Eingangssteuersatzes von 25,9 auf 15 %.

Das war eine sinnvolle Handlung zur Belebung der Wirtschaft, ein Schritt in die richtige Richtung. - Damit Sie nicht meinen, das sei meine eigene Erkenntnis: Ich habe nur den damaligen und heutigen SPD-Landesvorsitzenden Matthias Platzeck zitiert.

Aber man ist ja nicht daran gehindert, dazuzulernen. Das, was damals richtig war, muss heute nicht mehr unbedingt richtig sein. Deswegen sind wir gespannt, wie Sie es schaffen werden, durch Drehen an der Steuerschraube das, was wir an prosperierender Wirtschaft in Deutschland haben, ein Stück weit zurückzufahren, nämlich auf das Maß, das es Ihnen nach Ihrer Auffassung ermöglicht, Ihre sozialistische Politik umzusetzen. Schönen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Der Abgeordnete Görke spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie groß muss die Not inzwischen bei Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, sein, dass Sie Ihren politischen Überlebenskampf in den Landtag verlegen! Das bundesweite Konzept der FDP als Steuersenkungspartei ist tot. Die Umfragewerte befinden sich im freien Fall. Wenn wir nur noch einmal die Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Zusammenhang mit der Enquetekommission Revue passieren

lassen, stellen wir fest, dass manche Ihrer Politikansätze gegen null gehen.

(Frau Lehmann [SPD]: Das sagt ja auch Frau Ludwig!)

Die Bedienung Ihrer politischen Lebenserhaltungsmaschinerie, liebe Kollegin Vogdt, haben Sie längst in ganz andere Hände gelegt, und ich glaube, von der Kollegin Angela Merkel werden Sie momentan gemanagt.

Auch Ihre eigene Mitgliedschaft glaubt nicht mehr an das von Ihnen propagierte Modell. Ganze Ortsverbände in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen treten aus. In Brandenburg sieht es nicht anders aus. Dazu habe ich ein Zitat. So hat Ihr ehemaliger Ortsvorsitzender von Treuenbrietzen im Januar dieses Jahres festgestellt, dass „die Ein-Themen-Ausrichtung auf die Steuerpolitik die Arbeit an der kommunalen Basis unmöglich“ gemacht hat.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Genau das setzen Sie hier im Landtag fort. Für die Aktuelle Stunde haben Sie - meine Kollegin Geywitz hat es richtig klar formuliert - den Titel „Haushaltskonsolidierung und Steuersenkung gehen Hand in Hand“ gewählt. Selbst beim politischen Rosenmontag in Werder wäre solcherart ungereimter Unfug nicht auf Beifall gestoßen. Das ist schlichtweg falsch, wirklich falsch. Haushaltskonsolidierung und Steuersenkung gehen eben nicht Hand in Hand. Ihre These wird auch nicht besser, wenn Sie diese in der heutigen Aktuellen Stunde gebetsmühlenartig wiederholen. Was in diesem Zusammenhang Hand in Hand geht, sind das Festhalten an wirren steuerpolitischen Glaubenssätzen und der Absturz der Umfragewerte Ihrer Partei unter die 5%-Hürde. Das ist das, was einen Zusammenhang hat.

Ihre finanzpolitischen und steuerpolitischen Vorschläge in diesem Haus gleichen einem Zickzackkurs. Hier eine kleine Auswahl - Sie sind ja mit sechs Mitgliedern im Landtag vertreten -, ich will nur vier Beispiele nennen.

(Frau Vogdt (FDP) : Mit sieben!)

- Mit sieben. Dann bleiben wir trotzdem bei den vieren, die ich gleich nennen werde; hier eine kleine Auswahl:

Am 29.11. fordert Ihr Fraktionsvorsitzender Büttner mehr Geld für behindertenpolitische Maßnahmen der Landesregierung. Am 14.12. kritisiert Herr Kollege Lipsdorf die Finanzausstattung der Hochschulen. Nur zwei Tage später, liebe Kollegin Vogdt, fordern Sie von uns ein mutiges Sparpaket zum Schuldenabbau. Am 05.01. kommt Ihr Kollege Tomczak mit der Forderung nach stärkerem Ausbau der Infrastruktur im Land. Heute propagieren Sie wieder Steuermindereinnahmen und damit das ganze Gegenteil. Meine Damen und Herren, wenn das kein Ausdruck von steuerpolitischer und finanzpolitischer Geisterfahrerei ist, dann frage ich mich wirklich, was das sonst ist.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Niedergang der FDP hat ja nun noch ganz andere hier im Landtag auf den Plan gerufen. Es gibt ja - dazu möchte ich mich gar nicht äußern, das wird sicherlich an anderer Stelle noch einmal möglich sein - ein richtiges Werben in der Opposi

tion um abtrünnige FDP-Wähler. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Kollege Burkardt, warum sollen jene, die sich wegen einer verfehlten Steuerpolitik mit Grausen von der FDP abwenden, gerade zu Ihnen kommen? Auf Bundesebene dulden Sie - Sie haben es vorhin ebenfalls verstärkt diese militante Steuersenkungsrhetorik der FDP und versuchen dann mit weiteren Steuergeschenken den Koalitionspartner zumindest bis zur nächsten Bundestagswahl am Leben zu erhalten.

Hier in Brandenburg sind Ihre steuer- und finanzpolitischen Vorschläge, die Sie ja ständig unterbreiten, ähnlich wirr und kontraproduktiv. Hier will ich schon einmal einen Ausblick auf den Tagesordnungspunkt „Personalabbau bei den Brandenburger Sicherheitsbehörden sofort stoppen“ geben: Mehrausgaben ohne Gegenfinanzierung.

Meine Damen und Herren, bei Ihnen kämen die FDP-Wähler sicherlich vom Regen in die Traufe. Deshalb sagen wir von der Linken deutlich: Wir sind auch für die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen.

(Burkardt [CDU]: Die gehen jetzt alle zu Ihnen!)

Aber im Gegensatz zur FDP und zu Ihnen, Herr Kollege Burkardt, sind wir für eine seriöse Gegenfinanzierung.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Bekanntlich - das ist doch Konsens - stehen Bund und Länder vor großen Herausforderungen, um ihre Haushalte zu konsolidieren. Die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die neoliberale Steuerpolitik der letzten Jahre haben zur massiven Erhöhung der Schulden in den öffentlichen Haushalten nicht nur der Länder, sondern auch der Kommunen geführt. Angesichts dieser Ausgangslage nun weiterer Steuersenkung ohne Gegenfinanzierung das Wort zu reden ist unverantwortlich. Das ist nicht nur die Sichtweise der rot-roten Koalition hier in Brandenburg, sondern auch andere Landesregierungen teilen diese. So führte zum Beispiel in der vorletzten Woche die Bremer Finanzsenatorin Linnert im Bundesrat aus:

„Der Gesetzentwurf der kalten Progression führt zu weiteren Steuermindereinnahmen, die die meisten öffentlichen Haushalte nicht verkraften können.“

Das gilt übrigens nicht nur für die Haushalte der Länder und Kommunen, sondern auch für den Haushalt des Bundes. Da diese Befürchtungen keinesfalls aus der Luft gegriffen sind, möchte ich noch einmal den Blick in die Vergangenheit der Haushalte Brandenburgs wagen. Aus Zeitgründen nur vier Beispiele:

Bereits die Steuerreform unter der damaligen Regierung Schröder - Absenkung des Spitzensteuersatzes, Absenkung des Körpersteuersatzes - im Jahre 2000 hatte negative Auswirkungen auf den Haushalt in Brandenburg. Im nachfolgenden Zeitraum erhöhte sich die Nettokreditaufnahme von 350 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden Euro im Jahre 2002 und 1,16 Milliarden Euro im Jahre 2003.

Zweites Beispiel: Die Steuerreform 2008 der Großen Koalition führte zu jährlichen Steuermindereinnahmen von 5 Milliarden Euro.

Drittes Beispiel: Das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz der schwarz-gelben Bundesregierung führte in den letzten beiden Haushaltsjahren zu 130 Millionen Euro weniger Steuereinnahmen für das Land.

Viertes Beispiel: Die Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 nach der großen, mehrstufigen Steuerreform von Rot-Grün wurde unter anderem damit begründet, dass die öffentlichen Kassen leer sind.

Das heißt, Steuersenkungsreformen führen auch zu massiven Sozialkürzungen in diesem Bereich. Angesichts dieser Ausgangslage weiteren Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung das Wort zu reden ist deshalb unverantwortlich.

Meine Damen und Herren, das war die Vergangenheit. Jetzt zum Ist, liebe Kollegin Vogdt, zum Ist der Neuverschuldung der Länderhaushalte. Sie haben hier einige Zahlen genannt. Wir haben in den Ländern 9,4 Milliarden Euro an Nettoneuverschuldung und beim Bund 17,3 Milliarden Euro im letzten Jahr, das sind zusammen 26,7 Milliarden Euro - Ihre Ausgaben durch Neuverschuldung. In dieser Zeit preisen Sie beide hier den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Abbau der kalten Progression mit weiteren Mindereinnahmen von 6 Milliarden Euro als einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung an. Das ist unverantwortlich und auch schizophren.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, die tatsächlichen Probleme der Menschen in Brandenburg mit geringen und mittleren Einkommen liegen doch ganz woanders. Bundesweit 1,4 Millionen und in Brandenburg fast 70 000 Menschen müssen aufstocken, müssen trotz Arbeit zum Jobcenter, um aufstockende Leistungen zu erhalten. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der FDP, tatsächlich etwas für die soziale Gerechtigkeit tun wollen - zumindest ist dieser Begriff in Ihrer Entschließung zu finden -, dann blockieren Sie nicht auf Bundesebene die schon lange überfällige Einführung des gesetzlichen Mindestlohns und sorgen Sie endlich dafür, dass nicht der Steuerzahler für die Zockereien an den Finanzmärkten in Haftung genommen wird.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wie man Haushaltskonsolidierung und soziale Gerechtigkeit miteinander verbindet, das können Sie dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen entnehmen. Darin sprechen wir uns auch für die Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer auf 49 % aus. Ich glaube, wir sind als Abgeordnete fast alle in diesem Bereich jetzt bei 42 % eingruppiert. Wir werden uns also selber beschränken. Deshalb ist es auch gut, dass die Koalition diesen Antrag, den die Brandenburger Landesregierung mit anderen rot-grünen Landesregierungen im Bundesrat vertreten hat, unterstützt.

Deswegen appellieren wir an die Bundesregierung, an den Bundestag und den Bundesrat, endlich die Einführung der Finanztransaktionssteuer voranzutreiben. Diesbezüglich ist das Engagement von Wirtschaftsminister Christoffers auf europäischer Ebene in der letzten Woche auch erfolgreich gewesen. Seine Stellungnahme ist im Ausschuss der Regionen in der Vorwoche angenommen worden. Der Ausschuss sprach sich für die zügige Annahme der EU-Richtlinie über die gemeinsame Finanztransaktionssteuer in Europa aus. Nicht zuletzt sind die

Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Reform der Erbschaftssteuer zielführend, um die öffentlichen Haushalte nachdrücklich zu konsolidieren.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion: Den zweiten Satz Ihrer Entschließung muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Darin heißt es:

„Die Landesregierung wird aufgefordert, nach Vorlage eines erneuten Gesetzentwurfs im Bundesrat der Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen zuzustimmen.“

Sie fordern von der Landesregierung tatsächlich vorauseilenden Gehorsam. Ohne den Inhalt eines erneuten Gesetzentwurfs zu kennen, soll die Landesregierung verpflichtet werden, im Bundesrat zuzustimmen. Das ist aber ein sehr spezielles Verständnis von Liberalismus, das Sie hier heute einbringen.

Herr Kollege Büttner, Ihr Bundesvorsitzender, Philipp Rösler, hat in seiner Antrittsrede auf dem Bundesparteitag gesagt, dass die FDP nun liefern werde. Das Einzige, was Ihre Partei mit dieser Aktuellen Stunde abliefert, ist ein Trauerspiel. Da reihen sich die Reden vom Kollegen Burkardt durchaus ein. Deshalb bitte ich: Stimmen Sie dem Entschließungsantrag der rot-roten Koalition am heutigen Tag zu. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)