erleben wir ein Trauerspiel, das seinesgleichen in der Geschichte der Bundesrepublik seit 1989 sucht. Die Landesregierung ist de facto gelähmt und handlungsunfähig, meine Damen und Herren. Sie sitzt wie das Kaninchen vor der Stasi-Schlange und vor immer neuen Enttarnungen von IMs. Wie erleben Abgeordnete, die die Menschen in diesem Land und dieses Hohe Haus über Jahre hinweg über wesentliche Teile ihrer Biografien nicht informiert haben. Verschweigen ist in diesem Falle Betrug, meine Damen und Herren.
Wir erleben - Frau Prof. Wanka hat es vorhin gesagt -, dass getarnt, getrickst, getäuscht und nur das zugegeben wird, was ohnehin bekannt ist. Wir haben in der vergangenen Woche erlebt, dass der Ministerpräsident dieses Landes mit dürftigen Erklärungen kam und erst dann aktiv wurde, als die Opposition in diesem Haus ihn gemeinsam zu einer Erklärung drängte. Die heutige Sitzung, meine Damen und Herren, findet doch nicht statt, weil die Landesregierung oder die Fraktionen der SPD und DIE LINKE sie gewollt haben. Diese Sitzung findet statt, weil die Opposition ihre Verantwortung für Wahrheit und Aufklärung wahrnimmt.
Herr Ministerpräsident, Sie sind ein Getriebener der Geister, die Sie riefen und nun nicht mehr loswerden.
Dann höre ich im Radio von Ihnen, sehr geehrter Herr Ness, dass es interessierte politische Kreise und Journalisten seien, die nun die Biografien der Abgeordneten genauer anschauten. Im Untergrund schwingt mit, dass das aus Ihrer Sicht unangemessen ist. Herr Dr. Woidke hat es in seiner Rede noch einmal bestätigt. Sie legen damit offen, dass Sie das selber eigentlich gar nicht wollen. Das ist doch kein Umgang mit der jüngsten Geschichte, mit der jüngsten Vergangenheit in diesem Land! Das ist der verzweifelte Versuch, eine Koalition zu retten, die in Wahrheit schon wenige Wochen nach ihrem Start vollends gescheitert ist.
Meine Damen und Herren, viele Menschen in Brandenburg fragen sich, warum das gerade hier passiert. Wir haben es vorhin gehört. Natürlich liegt es auch daran, dass seit Anfang der 90er Jahre eben keine Überprüfungen durchgeführt wurden. Deswegen ist es so notwendig, dass wir endlich ein Gesetz verabschieden, das die Regelüberprüfung der Mitglieder des Landtages auf eine frühere Tätigkeit beim MfS vorsieht. Aus meiner Sicht ist es auch notwendig, in diesem Gesetz festzuschreiben, dass Mitgliedern des Landtages ihr Mandat aberkannt werden kann, wenn sie eine Tätigkeit für das MfS verschwiegen haben.
Schaden von diesem Land abzuwenden bedeutet auch, dass diejenigen, die für das MfS gearbeitet haben, nicht länger schweigen, sondern sich zu ihrer persönlichen Schuld bekennen und vor allem die Konsequenzen daraus ziehen. Wenn Sie Ihrer Verantwortung gerecht werden wollen, dann legen Sie endlich Ihr Mandat nieder. Sie sind hier, weil die Menschen Ihnen vertraut haben. Dieses Vertrauen haben Sie gröblichst missbraucht.
Noch eines, Herr Ministerpräsident, weil es in Ihrem Koalitionsvertrag steht und Sie es in Ihrer Regierungserklärung am 18.11.2009 auch gesagt haben: Die Menschen in Brandenburg und in der gesamten damaligen DDR haben mit Sicherheit keinen Gedanken daran verschwendet, dass sich die SED zu einer demokratischen Partei in einem pluralistischen System wandeln sollte.
Die Menschen in der DDR sind auf die Straße gegangen, um dieses Regime loszuwerden. Das Schicksal der SED war ihnen ziemlich egal.
Zum „Prinzip Verantwortung“ gehört auch die Übernahme von Verantwortung. Das Abschieben der Verantwortung allein auf zwei Abgeordnete - wie Sie das vorhin getan haben - entbindet Sie, Herr Ministerpräsident, nicht von dieser Verantwortung. Sie haben es zugelassen, dass Brandenburg von dieser Koalition - unter Beteiligung von Mitarbeitern der Staatssicherheit, von Menschen, die andere Menschen systematisch ausspioniert
und sie damit der Verfolgung durch das staatsdiktatorische System der SED ausgesetzt haben - regiert wird.
Das Ministerium für Staatssicherheit war der Arm oder - in der damaligen Terminologie - das Schild und Schwert der alles beherrschenden SED. Die Mitarbeiter des MfS waren - auf welcher Ebene auch immer - die Handlanger des diktatorischen Regimes der SED und haben systematisch in das Leben der Menschen eingegriffen. Die Perfidie dieses Systems wurde nie tiefgründig untersucht. Die Aufarbeitung dieser Diktatur bedarf noch eines langen Weges, den wir endlich zu gehen haben. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist hiermit erschöpft. Der Abgeordnete Dr. Luthardt hat aus Anlass dieser Debatte eine persönliche Erklärung angemeldet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herrn! Ich möchte auf die Rede des Abgeordneten Dombrowski etwas erwidern. Ich stehe hier und sage Ihnen: Der Eid, den ich geleistet habe, war der normale Eid, den jeder dort leisten und unterschreiben musste. Ein Abgeordneter der FDP-Fraktion sagte mir gestern, ähnliche Eide habe er auch beim Bund leisten müssen. Das war das Normale. Man musste seinem Dienstherrn entsprechende Treue schwören. Das ist in jeder militärischen Einheit üblich.
Ich stehe vor Ihnen und sage: Ich war nicht Mitarbeiter der Staatssicherheit in dem Sinne, dass ich Menschen ausspioniert habe. Ich habe meinen Wehrdienst dort geleistet. Ich wusste erst im Laufe der Zeit, was dort vor sich geht. Daraus habe ich meine Lehren gezogen. Ich habe jeglichen weiteren Dienst dort
abgelehnt und auch gesagt: Ich gehe keinen Schritt weiter als diesen. Zudem denke ich, dass man mit 18 oder 19 Jahren einfach noch nicht den Überblick hat.
Ich habe 20 Jahre meine Arbeit in diesem Bundesland getan. Ich bin gern bereit, das auch weiterhin zu tun und mit Ihnen, Frau Wanka, auch persönlich über meine Geschichte zu sprechen. Das tue ich mit aller Konsequenz. Jeder, der es wissen will, kann zu mir kommen. Demjenigen sage ich, was ich dort getan habe und wo ich tätig war. Ich bitte darum, das zu respektieren.
Ich möchte auch Folgendes sagen: Diese Hetzjagd - so muss ich es wirklich nennen -, die vor zwei Tagen über mich herging, möchte ich niemand anderem zumuten. Es war so schlimm, dass meine Kinder mich anriefen und weinend gefragt haben: Was ist hier los? - Ich sage Ihnen: Das war ein Schritt zu weit.
Ich möchte aber auch ausdrücklich sagen, dass es Unterschiede in der Presseberichterstattung gab. Es gab durchaus sehr positive Schlussfolgerungen und Reaktionen. Zudem haben mich in meinem Wahlkreis so viele Menschen angerufen und gesagt: Du hattest den Mut. Wir respektieren deine Aussage. - Dafür bin ich dankbar. Ich bin auch allen anderen Menschen, die es ehrlich meinen, dankbar. Ich beziehe dabei ausdrücklich Sie mit ein und hoffe, dass wir darüber sprechen können. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, damit ist die Debatte beendet. Ich darf Ihnen einen solch breiten Brandenburger Weg in die Zukunft wünschen, dass wir alle darauf Platz finden. Die Sitzung ist geschlossen.