Protocol of the Session on November 10, 2011

Jetzt will ich noch etwas sagen zum Mindestlohn in diesem Land: Da haben Sie sich nun wirklich ein wenig lächerlich gemacht. Herr Senftleben, mir zu unterstellen, wir hätten in der vergangenen Legislaturperiode kein Vergabegesetz gewollt,

(Zuruf der Abgeordneten Lehmann [SPD])

das Mindestlohnregelungen für den öffentlichen Dienst vorsieht, das ist nun echt eine brüske Angelegenheit.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich sagte vorhin: Googeln Sie bitte einmal „Funck + Mindestlohn“. Da stoßen Sie auf ein brandenburgisches Vergabegesetz, mit dem wir genau diese Dinge für den Wachschutz und für die Reinigungsleistungen in diesem Haus regeln wollten und Sie uns vorgeworfen haben, wir wären Populisten.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Die Jacke muss ich mir wirklich nicht anziehen.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Jürgens [DIE LINKE]: Heute noch! Heute noch!)

Das Wort erhält noch einmal die SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Holzschuher spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Wenn man erfahren will, warum wir in Deutschland einen gesetzlich geregelten, bundeseinheitlichen Mindestlohn brauchen, dann muss man nur einmal Günter Baaske einladen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich kann Ihnen in der CDU-Fraktion nur empfehlen: Machen Sie es einfach einmal und versuchen Sie einmal ruhig und sachlich mit ihm zu diskutieren, so wie im Übrigen auch die von mir sehr geschätzte Kollegin Schier hier am Anfang argumentiert hat. Sie hat ja sehr sachlich argumentiert; sie hat es zwar nicht ausgesprochen, aber sie hat in Wahrheit eben für den gesetzlichen bundeseinheitlichen Mindestlohn argumen

tiert. Sie hat ja aufgeführt, warum es eben nicht akzeptabel ist, dass wir uns mit dieser windelweichen Formulierung zufriedengeben, die die CDU im Augenblick auf ihrem Bundesparteitag offensichtlich diskutieren will, weil es eben Tür und Tor öffnet für weitere Dumpinglöhne, weil es eben tatsächlich kein Mindestlohn für alle ist, weil man sich nicht darauf verlassen kann, existenzsichernd zu arbeiten, wenn man einen Mindestlohn einführt - wie Sie es im Augenblick diskutieren -, der noch unter der Lohngrenze bei der Zeitarbeit von 7 Euro in Ostdeutschland liegt. Die Kanzlerin hat nun leider gestern erklärt, dass ihr das auch noch zu hoch sei. So wird sie jedenfalls zitiert. Wo soll das denn hinführen? Was ist denn daran noch ein Mindestlohn, wenn es denn dazu führt, dass man nur noch winzig kleine Beträge verdient und nicht mehr in der Lage ist, sich davon zu ernähren? Das ist genau das Ziel eines bundeseinheitlichen Mindestlohns, und zwar ohne Differenzierung zwischen Ost und West,

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

genau 22 Jahre nach dem Mauerfall. Da werden immer noch die Löhne mit einer Existenzsicherung verwechselt. Das Existenzminimum ist in Deutschland überall gleich, in Ost und West. Wer heute noch fordert, in Ostdeutschland ein niedrigeres Existenzminimum einzuführen - wie die CDU -, der macht etwas grundfalsch und hat eben nicht verstanden, warum wir einen bundeseinheitlichen Mindestlohn brauchen.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Auch das ist ein Argument für das, was wir hier auf die Tagesordnung gesetzt haben. In Wahrheit ist das blanker Populismus, der im Augenblick auf Bundesebene betrieben wird. Das ist leider mein Eindruck.

Vielleicht - Frau Kollegin Schier, Sie haben ja gleich die Gelegenheit, ans Mikrofon zu treten - korrigieren Sie diesen Eindruck jetzt. Vielleicht haben Sie ja jetzt den Mut zu sagen: Ja, wir hier sind auch dieser Meinung, dass wir diesen bundeseinheitlichen gesetzlichen Mindestlohn brauchen. - Vielleicht haben Sie den Mut - so, wie es Ihre Fraktion bei dem etwas grotesken Thema Atomausstieg hatte -, sich auch einmal gegen die Kanzlerin zu stellen. Haben Sie doch zumindest hier den Mut, zu sagen: Wir wollen in Ostdeutschland die gleichen Mindestlöhne wie in Westdeutschland.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Zumindest diesen Mut können Sie doch im Land Brandenburg aufbringen und damit Ihrer Kanzlerin einen kleinen Anstoß geben. Dann hätten wir auch die Chance, auf Bundesebene einen existenzsichernden Mindestlohn einzuführen. Aber nur gemeinsam können wir das erreichen. Insofern ist es durchaus legitim, die CDU-Fraktion für einen solchen Antrag in die Verantwortung zu nehmen.

Bei dieser Gelegenheit gebe ich noch kurz einen Hinweis darauf, was Mindestlohn sonst noch bewirkt: Existenzsicherung. Darauf kommt es an, aber auch darauf, dass man nicht über solch eine Lächerlichkeit wie Steuerentlastungen in Höhe von 1,42 Euro diskutieren muss. Das ist das, was gegenwärtig bei der niedrigsten Steuerklasse für das nächste Jahr diskutiert wird. Um 1,42 Euro monatlich - nicht in der Stunde - würde nach dem Entwurf der Bundesregierung ein Arbeitnehmer entlastet werden. Im Monat 1,42 Euro mehr!

Im Übrigen: Bei den Besserverdienenden, die angeblich nicht so sehr davon profitieren sollen, macht sich das mindestens um 10 Euro bemerkbar. Das ist auch ein Beispiel dafür, wie verfehlte Politik in der Bundesregierung dieses Landes betrieben wird. Man spricht davon, die Geringverdiener zu entlasten und mehr für die „kleinen Leute“ zu tun, aber in Wahrheit geht die Schere immer weiter auf.

Das ist in der Tat auch für mich das größte Problem, das es derzeit im Land gibt. Das größte soziale Problem mit einer extremen Anlage zu sozialem Sprengstoff ist, dass die Schere zwischen den Einkommen der oberen 10 % und denen der kleinen und Geringverdiener immer weiter aufgeht, dass die Reichen in diesem Land immer reicher werden und die Armen immer ärmer.

(Beifall SPD und DIE LINKE und des Ministers Dr. Mar- kov)

Das war eines der großen Probleme der vergangenen Jahre. Wir haben hier erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Auch in dieser Hinsicht hat die CDU jetzt die Chance, zu sagen: Wir stellen uns gemeinsam mit allen wichtigen Kräften im Land dieser Entwicklung entgegen. Dafür brauchen wir diesen gesetzlichen und bundeseinheitlichen Mindestlohn. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit im Land. Helfen Sie uns und stimmen Sie zumindest heute unserem Antrag zu. Das wäre ein klares Signal auch an Ihren Bundesparteitag. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Bevor die Abgeordnete Schier noch einmal spricht, begrüße ich unsere Gäste vom Friedrich-Engels-Gymnasium in Senftenberg zu diesem spannenden Thema. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ein wenig traurig darüber, dass ich mich so missverständlich ausgedrückt habe. Insofern will ich es noch einmal auf den Punkt bringen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Sie unterstützen den Antrag nicht!)

Wir sind für einen Mindestlohn bzw. für eine Lohnuntergrenze überall dort, wo es keine tarifliche Bindung gibt. Jedoch wollen wir die Tarifparteien nicht aus der Pflicht nehmen. Wenn Sie einen Ausflug durch dieses Haus unternehmen, können Sie sich diese Broschüre in der dritten Etage bei der CDU-Fraktion ansehen.

(Frau Schier zeigt eine Broschüre.)

Darin steht all das, was ich heute in einigen wenigen Minuten zusammenzufassen versucht habe.

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Herr Minister Baaske, ich habe in Ihrer Rede vieles nicht verstanden. Was mich aber wirklich traurig macht, ist die Tatsa

che, dass Sie in Ihrer Rede nicht einmal über Leistung gesprochen haben, und zwar über die Leistung der Unternehmer.

(Beifall CDU und FDP)

Es gibt viele Unternehmer, die täglich dafür sorgen, dass ihre Angestellten Arbeit haben, und sich nur das herausnehmen, was am Ende des Monats - nach Bezahlung ihrer Angestellten übrig bleibt. Das habe ich in Ihrer Rede vermisst.

(Beifall CDU und FDP)

Wenn Sie, Herr Minister Baaske, vom Staat als Primat sprechen, dazu den Gartenbau anbringen, bei dem ein Meister 6 Euro/Stunde verdient - es hat zwar gewabert, jedoch hat sich niemand getraut, 8 Euro zu sagen -, und die kommunale Betätigung heranziehen, dass das Mähen des Rasens in der Stadt nicht mehr die Gartenbaufirma, sondern der Bauhof übernimmt, dann herzlichen Glückwunsch.

(Beifall CDU und FDP)

Die Abgeordnete Kaiser spricht für die Linksfraktion.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Schier, in Brandenburg sind nur noch 30 % der Betriebe überhaupt tarifgebunden.

(Frau Schier [CDU]: Warum ist das so?)

Ja, nehmen wir die Tarifpartner in die Pflicht und lassen Sie uns einen bundesweit gesetzlichen Mindestlohn festlegen. Die Tarifpartner können dann darüber hinaus alles ausverhandeln, was sie wollen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich bin wirklich entsetzt, dass die Fraktionen von CDU und FDP das Thema Mindestlohn als Parteitaktik verstehen und behandeln.

(Zuruf des Abgeordneten Büttner [FDP])

Ich frage Sie: Wollen Sie, Herr Büttner und Frau Schier, für 6,50 Euro pro Stunde arbeiten gehen? Glauben Sie wirklich, dass man davon leben kann? Glauben Sie, dass die von Ihnen zitierte Friseurin als Berufseinsteigerin diese 6,50 Euro überhaupt bekommt?

(Frau Lehmann [SPD]: Nein!)

Können Sie noch ruhig schlafen, wenn Sie sich dort hinsetzen und bedienen lassen? - Ich nicht.