Protocol of the Session on November 10, 2011

(Beifall SPD und DIE LINKE sowie von der Regierungs- bank)

Auch hier hören wir immer wieder: Leute, seht doch mal, die Lebenshaltungskosten in München sind doch ganz anders als bei uns. Dazu kann ich nur sagen: Ja, aber die Lebenshaltungskosten im Bayerischen Wald sind auch andere als in MünchenSchwabing oder am Marienplatz, und natürlich sind die Lebenshaltungskosten in Potsdam auch wieder andere als zum Beispiel in der Uckermark. Trotzdem macht es keinen Sinn, dabei zu differenzieren, weil der Uckermärker wiederum sagt: Ich muss aber viel weiter zum Arzt oder zur Kaufhalle fahren; ich habe ganz andere Wege als der Potsdamer. Insofern kommt es schon hin, dass sich das wieder ausgleicht, und dies spricht sehr deutlich dafür, dass wir eine einheitliche Regelung anstreben sollten.

Meine Damen und Herren! Die CDU hat in der nächsten Woche ihren Parteitag. Ich denke, Sie haben an dieser Stelle noch eine ganze Menge Hausaufgaben zu machen, und ich sage ausdrücklich: Liebe CDU, bei diesen Hausaufgaben ist Abgucken erlaubt. Viel Spaß!

(Beifall SPD, DIE LINKE und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren, es gibt zwei Kurzinterventionen zu diesem Redebeitrag. Als Erster spricht der Abgeordnete Büttner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Baaske, ich möchte auf zwei Punkte eingehen, die Sie genannt haben. Sie brachten das Beispiel der Mindestlöhne im Ausland. Ich sage Ihnen nochmals: Es besteht gegenwärtig ein Trugschluss bei den Befürwortern staatlicher Lohnpolitik, die Stundenlöhne als Indikator des Armutsrisikos heranzuziehen, nicht jedoch das gesamte verfügbare Haushaltseinkommen, wie es bei den Berechnungen in Sozialstrukturberichten im Übrigen seit jeher standardisiert ist.

Die Einführung von Mindestlöhnen brächte für viele Geringverdiener keine Verbesserung mit sich, sondern würde sie vielmehr vom Arbeitsmarkt ausschließen und ihnen die Möglichkeit nehmen, ein Arbeitseinkommen zu erzielen. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Frankreich, die einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt haben, verdeutlicht diesen negativen Effekt durch staatliche Eingriffe in das Tarifsystem.

(Beifall FDP und CDU)

Ein zweiter Punkt: Ich habe Ihnen vorhin den Stundenlohn von 13 Euro bei einer vierköpfigen Familie genannt. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität verdient etwa 11 bis 12 Euro pro Stunde. Ein Mindestlohn müsste aber auch für alle Geringqualifizierten in der Art, wie Sie ihn einführen wollen, gezahlt werden, und es gäbe überhaupt keine Unterschiede mehr zwischen Geringqualifizierten und Höchstqualifizierten mit akademischer Ausbildung, und das ist schlichtweg falsch.

(Widerspruch bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Der letzte Punkt, von dem Sie gesprochen haben; Sie haben hier ja sehr viel erzählt: Besonders in Dienstleistungsberufen erhöht sich durch den Einzug fester Lohnuntergrenzen infolge zu erwartender steigender Preise die Gefahr des Anstiegs der Schwarzarbeit oder die Reaktivierung des Prinzips „self-made“. Friseurtätigkeiten, kosmetische Behandlungen, aber auch Bauaufträge würden vom regulären Arbeitsmarkt in eine Grauzone aus schwer zu kontrollierender Schwarzarbeit rutschen,

(Bischoff [SPD]: Du liest deine Rede ab! Das ist keine Kurzintervention!)

was sich aufgrund ausbleibender Steuern und Sozialabgaben negativ auf die Staatsfinanzen und die sozialen Sicherungssyteme auswirken wird, meine Damen und Herren.

Der letzte Punkt, Herr Minister Baaske: Sie sollten einmal Ihre

Wortwahl überdenken. Wenn Sie hier davon sprechen, dass Abgeordnete Mist erzählen und wenn Sie hier davon sprechen,

(Jürgens [DIE LINKE]: Wenn Sie aber Mist erzählen? Es war falsch!)

- Herr Jürgens, Sie sollten das genauso machen wie der Minister Baaske und einfach einmal Ihre Wortwahl überprüfen!

(Anhaltender Beifall FDP und CDU)

Es ist schlichtweg unanständig, was Sie hier machen, Herr Minister Baaske, und für ein Ministeramt schlichtweg unwürdig.

(Beifall FDP und CDU - Jürgens [DIE LINKE]: Es war falsch, was Sie erzählt haben!)

Es folgt nun die Kurzintervention von Herrn Senftleben, und dann kann der Minister reagieren.

(Bischoff [SPD]: Noch eine Runde bellen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Ich kann mich den Worten von Herrn Büttner nur anschließen. Ich glaube, Herr Baaske, es ist nicht Ihre Aufgabe, in der Form, wie Sie es gerade eben getan haben, über Staatspräsidentinnen anderer Länder, zu reden.

(Beifall CDU und FDP)

Denn auch das ist ein Stück Respekt, dem wir in diesem Land und in diesem Landtag weiterhin eine Chance geben sollten. Sie haben das Wort Nachhilfeunterricht in den Mund genommen. Darauf möchte ich gern etwas erwidern, weil Sie sich hier als „Speerspitze des Mindestlohnes“ ausgesprochen haben in Ihrer Tätigkeit als Arbeitsminister von 2002 bis 2004. Ich will daran erinnern, dass es von 1998 bis 2005 die rot-grüne Koalition war, die nichts getan hat, aber auch rein gar nichts getan hat. Jetzt sagen Sie plötzlich, daran wären die Gewerkschaften schuld gewesen, weil diese es nicht wollten.

(Zuruf des Abgeordneten Krause [DIE LINKE])

Sie haben Hartz IV umgesetzt gegen den Willen der Gewerkschaften; da haben Sie auch nicht gefragt, was diese wollen. Das heißt, wenn Sie es gewollt hätten, hätten Sie es auch gemacht.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Lehmann [SPD])

Sie wollten es nicht, und Sie haben es nicht getan.

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE] - Weitere Zurufe)

Stattdessen haben Sie Folgendes gemacht: Die rot-grüne Koalition war es, die Leiharbeit zu einem großen Spektrum am Arbeitsmarkt gemacht hat. Ich teile die Ansicht mancher, die sagen, das sei moderner Sklavenhandel. Das hatten Sie unter Rot-Grün zu verantworten - nichts anderes!

(Beifall CDU und FDP)

Jetzt kommt Folgendes: Meine Damen und Herren, Sie tun immer so, als ob Sie diejenigen wären, die alles sofort sozial umsetzen. Sie waren Fraktionsvorsitzender, haben sich Ihren Fraktionsvorsitzendenwagen auf den Landtagshof chauffieren lassen und von Wachleuten den Weg freihalten lassen, die Ihrer Ansicht nach unter Mindestlohn verdienen.

(Beifall CDU und FDP - Zuruf der Abgeordneten Ness und Bischoff [SPD])

Sie lassen sich den Weg Ihres Ministerwagens, der heute auf den Landtagshof fährt, von Wachleuten, die Ihrer Ansicht nach unter Mindestlohn verdienen, freiräumen.

(Zurufe der Abgeordneten Holzschuher, Ness und Bi- schoff [SPD])

Das haben Sie zu verantworten. Sie haben die Hand dafür gehoben. Das ist ein Punkt, den Sie nicht vergessen dürfen. Zwischen Taten und Worten sollten Sie nicht zu viel Spalt lassen, meine Damen und Herren!

(Starker Beifall CDU sowie vereinzelt FDP)

Minister Baaske reagiert darauf.

Lieber Herr Büttner, wissen Sie, ich finde es ehrlich gesagt zynisch, wenn man daherkommt und sagt: Wissenschaftliche Mitarbeiter in bestimmten Einrichtungen werden schlecht bezahlt; deshalb müssen jetzt diejenigen, die womöglich geringqualifizierte Jobs haben, noch schlechter bezahlt werden.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Das als Ausrede heranzuziehen ist nun das Allerletzte; das geht nun gar nicht.

(Zuruf der Abgeordneten Lehmann [SPD] - Weitere Zu- rufe)

Was die Aussage mit dem Mist angeht und dem einen Dollar: Sie können sich aussuchen, ob ich es als Mist oder als Lüge bezeichne. Es ist mir letzten Endes egal, aber eins von beidem ist es. Denn Sie wissen ganz genau, dass das mit diesem einen Dollar ungefähr 80 Jahre her ist und inzwischen ganz andere Mindestlöhne in den USA gezahlt werden.

Wenn Sie solche Zahlen in den Raum werfen, dann ist es eben entweder Mist oder Lüge. Dabei bleibe ich.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Senftleben, zur Leiharbeit: Das ist in der Tat ein Thema, das wir in der rot-grünen Koalition versucht haben aus der Schmuddelecke zu holen, unter anderem auch mit den Stimmen der CDU; vollkommen richtig. Ich kann mich gut an die Verhandlungen im Bundesrat erinnern. Ich weiß auch noch, dass in dem Gesetzentwurf von Wolfgang Clement stand: Es gilt der Grundsatz „equal pay“. Es gab dann seitens der CDU den Einwurf, aber auch der Gewerkschaften - auch das gehört

zur Ehrlichkeit, das zu sagen - Moment mal, es gilt „equal pay“, es sei denn, ein Tarifvertrag regelt etwas anderes. Wir haben dann sehr schnell gemerkt, dass dieses „es sei denn“ den Leiharbeitnehmern auf die Füße fällt. Herr Senftleben, es gehört zur Wahrheit dieser Geschichte, dass fortan die SPD und auch die Grünen immer versucht haben, dieses „es sei denn“ wieder zu streichen. Weil die CDU mitregiert hat, war es bisher nicht möglich, dieses „es sei denn“ wieder zurückzunehmen. Aber wir haben viel früher als Sie und viel früher als die CDA gelernt, dass dieses „es sei denn, ein Tarifvertrag regelt etwas anderes“ falsch ist. Wir stehen dazu; wir wollen es ändern.

(Jürgens [DIE LINKE]: Das haben Sie von uns!)

Sie hätten auch die Möglichkeit, es jetzt zu tun, aber Sie tun es gerade nicht.

Jetzt will ich noch etwas sagen zum Mindestlohn in diesem Land: Da haben Sie sich nun wirklich ein wenig lächerlich gemacht. Herr Senftleben, mir zu unterstellen, wir hätten in der vergangenen Legislaturperiode kein Vergabegesetz gewollt,