Protocol of the Session on September 1, 2011

Mitwirkung und Mitgestaltung sind Grundrechte, die ins Gesetz gehören.

Zweitens: Nach Auffassung der Linken ist eine bundesgesetzliche Regelung zum konsequenten Nachtflugverbot für Flughäfen in dicht besiedelten Gebieten im Luftverkehrsgesetz festzuschreiben.

(Beifall DIE LINKE)

Damit wäre ein für alle Mal klar, dass Großflughäfen in dicht besiedelten Gebieten nur mit konsequentem Nachtflugverbot möglich sind. Dem Schutzgut Gesundheit wäre gegenüber den wirtschaftlichen Interessen gesetzlich der Vorrang eingeräumt. Frau Künast hat mit den Grünen zu Ihrer Regierungszeit im Bund von 1998, Herr Jungclaus, wohlgemerkt bis 2005, als es noch nicht einmal einen planfestgestellten Beschluss zu Schönefeld gab, wohlweislich dieses Thema nicht angefasst.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt bei der SPD)

Denn das hätte zu dieser Zeit die fachliche Standortdebatte beeinflusst und eine Entscheidung für Sperenberg bedeutet. Auch Schwarz-Gelb hat sich ausdrücklich nicht für mehr Lärmschutz im Luftverkehr entschieden. Der Koalitionsvertrag sagt - im Gegenteil -, dass das Luftverkehrsgesetz geändert werden soll, und zwar für eine Kapazitätserweiterung der Flughäfen und um international wettbewerbsfähige Betriebszeiten sicherzustellen. Frau Ludwig, Sie werden uns ja nun nicht weismachen wollen, dass unter wettbewerbsfähigen Betriebszeiten das grundsätzliche Nachtflugverbot zu verstehen sei.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich höre und lese oft, die Linke müsse sich einfach mal gegenüber ihrem Koalitionspartner behaupten; das kann man so sehen, darum geht es hier aber nicht. Es geht um die Frage: Wo kann was erreicht werden? Ich zitiere aus dem Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes, was Sie, verehrte Grüne, in Auftrag gegeben haben.

„Aufgrund der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Luftverkehr und der konkurrierenden Kompetenz des Bundes für das Immissionsschutzrecht, von welcher der Bund Gebrauch gemacht hat, ist dem brandenburgischen Landesgesetzgeber eine unmittelbare gesetzliche Lärmschutzregelung... aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich.“

Wir haben also nicht die Landeskompetenz für eine gesetzliche Lärmschutzregelung. Die liegt beim Bund.

(Beifall DIE LINKE)

Wer also wirklich Denkverbote aufbrechen will, der muss da heran. Einen anderen Weg gibt es nicht oder er ist zumindest folgenlos, wie der Weg, der auch im Gutachten beschrieben ist: über eine Verlängerung der Betriebszeiten durch die Flughafengesellschaft. Für eine solche Entscheidung haben wir als einer von drei Eigentümern nicht die Mehrheit.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Und das ist der Fakt.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wehlan. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion der FDP fort. Der Abgeordnete Beyer hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir in den letzten Wochen und Monaten erleben, das ist - ich glaube, man kann es so bezeichnen - irritierend. Wer gelegentlich mit Freunden im Ausland über das eine oder andere Problem, das wir im Land Brandenburg reflektieren, redet, erhält von den höflicheren Freunden oft die Antwort: Ach, ihr Deutschen! - Die etwas Unhöflicheren will ich gar nicht zitieren. Es ist in der Tat so manches irritierend und für viele Außenstehende offensichtlich auch schwer zu verstehen.

Zwei Dinge sind klar: Wir brauchen einen Flughafen, und obwohl dieser Flughafen noch nicht eröffnet ist, ist er schon heute ein Erfolgsmodell und wird es auch bleiben; dessen bin ich sicher. Und wir brauchen die konsequente Einbindung derer, die betroffen sind, in Entscheidungen. Auch das muss organisiert werden.

Eines ist auf alle Fälle sicher: Das Hauptproblem all dieser Debatten, die wir führen, ist ganz klar ein Kommunikationsdefi

zit, das insbesondere - ich spreche ausdrücklich im Plural - die Landesregierungen, die in diese Verfahren eingebunden sind, zu verantworten haben. Es gehört aber auch dazu - das muss man gelegentlich einmal sagen dürfen -, dass die meisten Menschen leider Gottes immer erst dann aufwachen, wenn die Betroffenheit ante portas steht. Das ist genauso wahr.

Viele Kollegen haben es vor mir schon angesprochen: Wir haben Defizite in diversen Verfahren, und ich hoffe, dass wir aus all diesen Problemen wenigstens die Erfahrung mitnehmen, diese Fragen konsequent, wo immer die Zuständigkeiten liegen, anzugehen.

Aber meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist auch wieder richtig: Wer solche Mängel erkennt, von dem erwarte ich dann wenigstens die Wahrhaftigkeit, die er von anderen einfordert. Da gibt es ein urliberales Prinzip, das Sie alle kennen und das ganz einfach ist: Was du nicht willst, das man dir tut, das füg' auch keinem andern zu. - Wenn ich dann die Fragen der sogenannten Großen Anfrage lese, kann ich auf alle Fälle feststellen, dass die Grünen mit den liberalen Prinzipien so manche Probleme haben. Ich knüpfe gern an Frau Kollegin Gregor-Ness an - ich muss das ja auch nicht ganz so höflich wie eine Dame sagen -: Wenn ich allein die Ausrufezeichen sehe, und wenn ich lese, dass von „neuen Flugrouten“ gesprochen wird, obwohl es bis zum heutigen Tag niemals Flugrouten gab, und von Verheimlichung die Rede ist, dann frage ich mich doch, wie es um diese Wahrhaftigkeit und die Intentionen der Großen Anfrage bestellt ist.

(Beifall FDP und der Abgeordneten Frau Gregor-Ness und Holzschuher [SPD])

Umso begrüßenswerter, dass wir alles in allem - über Details können wir gern reden - auf sachliche und fundierte Antworten der Landesregierung zu dieser Großen Anfrage blicken können. Ich bin der Landesregierung auch dankbar, dass diese Große Anfrage in Form einer Vorbemerkung verfasst ist, eine Vorbemerkung, die einige Dinge noch einmal deutlich fasst und die vielleicht auch zu einer Versachlichung beitragen kann.

Natürlich war das, was ursprünglich von der Deutschen Flugsicherung vorgelegt wurde, eine Grobplanung, die keine genauere Ausführung der Divergenzwinkel enthielt. Darum heißt das auch Grobplanung; es sind eben noch keine Details reflektiert worden. Ich bin auch dankbar, dass noch einmal klar dargestellt wurde, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 13.08.2004 ausdrücklich darauf hinweist, dass Flugrouten erst kurz vor der Eröffnung des Flughafens festgelegt werden, was übrigens gar nicht unbedingt hätte erwähnt werden müssen. Denn es ist eine Selbstverständlichkeit, die sich aus den gesetzlichen Verfahren ableitet. Auch das ist richtig.

Ich bin froh, dass in der Vorbemerkung auch auf die Problematik der diversen Diagramme und Karten, die gelegentlich veröffentlicht werden, hingewiesen wird. Wer sich wie ich beruflich häufig mit Karten beschäftigt hat, der weiß, wie problematisch solche generalisierten Karten sind, die eben niemals in dieser Generalisierung konkrete Flugrouten darstellen können, allenfalls - wenn überhaupt - Korridore.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist der wichtigste und wirklich auch ernstzunehmende Punkt in der Großen Anfrage? - Die Betroffenheit. Nur, die steht nachher - heute Abend, beim letzten Tages

ordnungspunkt - zur Debatte, und dann werde ich mich konkret dazu äußern. Ansonsten finden wir in der Tagesordnung unter dem Punkt „Bemerkungen“ das schöne Wort „Kenntnisnahme“. Wir haben die Große Anfrage zur Kenntnis genommen. Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Beyer. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Vogelsänger, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin für Ehrlichkeit, und deshalb stelle ich einiges voran: Es wird am Flughafen keinen Baustopp geben; das steht indirekt auch in der Antwort auf die Große Anfrage. Es gibt keine Standortdiskussion. Und ich habe immer ehrlich gesagt: Es wird Flugrouten bzw. Flugbewegungen in der gesamten Region geben. Flugbewegungen in der gesamten Region! Das sage ich jedem, der mit einem Schild „Keine Flüge über der Gemeinde...!“ daherkommt. Das wird nicht funktionieren. Übrigens funktioniert das auch jetzt nicht. - Ich habe nichts zu verheimlichen.

Die Große Anfrage ist eine umfassende Dokumentation dessen, was der Wissensstand ist. Es ist ganz deutlich: Ich kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht wissen, welches Flugzeug ab dem 3. Juni 2012 wann in Schönefeld losfliegt.

Vieles können Sie übrigens auch schon im Plenarprotokoll vom 7. Oktober 2010 nachlesen. Damals habe ich ganz eindeutig dokumentiert, wie die Planungen von 1998 bis zum 7. Oktober 2010 gelaufen sind. Ich habe bei der Debatte am 7. Oktober 2010 darauf hingewiesen, dass wir eine schwierige Gesetzeslage haben. Frau Wehlan und Frau Gregor-Ness haben das auch betont: Es gibt bezüglich der Zuständigkeit für die Planfeststellung und die Festlegung der Flugrouten unterschiedliche Zuständigkeiten. Da muss man einmal in den Spiegel schauen, auch die Grünen müssten das einmal tun: Es gab sieben Jahre Rot-Grün, und in diesen sieben Jahren wurde die Gesetzgebung nicht geändert.

Die Große Anfrage ist eine gute rechtliche Darstellung dessen, in welchem Rahmen ich mich zu bewegen habe. Ich habe mich in diesem gesetzlichen Rahmen für das wichtigste Infrastrukturprojekt in Berlin-Brandenburg zu bewegen. Die An- und Abflugverfahren an einem Flughafen werden außerhalb der luftrechtlichen Planfeststellung in einem gesonderten Verfahren gemäß § 27 a Abs. 2 Luftverkehrsordnung vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nach Vorarbeiten der Deutschen Flugsicherung durch Rechtsverordnung des Bundes festgelegt. Das gilt übrigens auch für alle anderen Flughäfen. Herr Beyer hat es schon zitiert, der Planfeststellungsbeschluss vom 13.08.2004 weist ausdrücklich darauf hin, dass die verbindliche Festlegung der An- und Abflugverfahren erst kurz vor Betriebsbeginn der neuen Start- und Landebahn durch Rechtsverordnung des Bundes erfolgen wird. So ist es nun einmal, und in diesem Rahmen werden wir uns auch bewegen.

Zum Lärmschutzbeauftragten: Herr Genilke, egal, wie man es macht, man macht es verkehrt. Ich habe in Abstimmung mit der kommunalen Seite entschieden, dass dieser Lärmschutzbe

auftragte nicht bei mir angesiedelt ist. Das halte ich für eine richtige Entscheidung. Sonst hätte ich mich wieder dem Vorwurf der Einflussnahme ausgesetzt. In Abstimmung mit der kommunalen Seite ist dieser in Teltow-Fläming angesiedelt mit der besonderen Begründung, dass Blankenfelde-Mahlow, egal, wie die Flugrouten gelegt werden, die Gemeinde mit der größten Betroffenheit ist. Deshalb halte ich den Lärmschutzbeauftragten dort für richtig angesiedelt.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Zur Festlegung der Flugverfahren und zur Zuständigkeit: Es ist nun einmal Gesetzeslage, dass es keine Zuständigkeit der Landesregierung für die Festlegung der Flugverfahren gibt. Für die Festlegung ist das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung zuständig. Ich habe trotzdem über die Fluglärmkommission Einfluss genommen. Die Fluglärmkommission ist ein geeignetes Instrument zur Einbindung der kommunalen Interessen und zur Bündelung aller Interessen. Die Fluglärmkommission wurde von mir nach einheitlichen Kriterien und nach besonderen Betroffenheiten erweitert. Deshalb sind dort Gemeinden und auch Landkreise Mitglied, die einen Ausgleich der Interessenlagen der Gemeinden darstellen.

Wir werden hier einen Kompromiss brauchen. Primat hat die Wahrung der Sicherheit, aber es geht gleichermaßen um die Minimierung der Umweltbelastungen für die Bevölkerung, allerdings bei Beachtung der Wirtschaftlichkeit des Verkehrsflughafens. Die Landesregierung, die Regierungskoalition, aber hier im Parlament auch die FDP stehen zum Flughafen BER, stehen zu den damit verbundenen Entwicklungschancen. Wir haben die Aufgabe, für eine möglichst hohe Akzeptanz zu sorgen. Eine hundertprozentige Akzeptanz gibt es bei keinem Vorhaben im Bereich der Verkehrsinfrastruktur. Wir alle sind auf eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur angewiesen, und Berlin-Brandenburg braucht den Flughafen BER. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Vogelsänger. - Der Abgeordnete Goetz von der FDP-Fraktion hat eine Kurzintervention angemeldet und hat jetzt Gelegenheit zu sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Vogelsänger, Sie haben erneut die Rechtsgrundlagen dargelegt und aus den Rechtsgrundlagen hergeleitet, was Sie alles nicht tun können. Tatsächlich wird dabei ausgeblendet, dass das Land Brandenburg zu 37 % Eigentümer dieses Flughafens ist. Wenn die Frage von Verbreitungen der Flughafengesellschaft kommt, wenn die Mitteilungen der Flughafengesellschaft herangezogen werden, wenn also wie 2003 von der Flughafengesellschaft erklärt wird, wo denn genau Flugrouten entlanggehen würden, dann sind auch das Land Brandenburg als 37%iger Eigentümer und der Ministerpräsident als Mitglied des Aufsichtsrates dafür in der Verantwortung, dass dabei von der Flughafengesellschaft die Wahrheit gesagt wird.

(Vereinzelt Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Das ist nicht passiert. Genau das ist das Transparenzdefizit, das wir hier in vielen Fällen angesprochen haben.

Es genügt dann eben nicht zu sagen, wie die Rechtslage ist. Natürlich ist die Rechtslage schwierig für das Land Brandenburg. Was Ihnen aber vor allem fehlt, ist der Wille zu Änderungen. Auch das ist deutlich geworden, auch das kommt aus Ihrer Antwort auf die Große Anfrage heraus, indem Sie selbst sagen: Jawohl, wir bekennen uns zum Flughafen. - Kein Thema, das kann man ja tun. Aber Sie sind nicht gewillt, Änderungen herbeizuführen, zum Beispiel beim Nachtflugverbot, das auch als Antrag im Landtag zu behandeln ist und immer wieder von Mitgliedern der Regierungskoalition hinausgezögert wird, sodass dort Entscheidungen nicht fallen können.

Herr Minister, wenn ich dann in der Antwort auf die Große Anfrage lese:

„Bei Anerkennung der Priorität von Sicherheitsfragen und der besonderen Bedeutung des Lärmschutzes darf aber der Aspekt der Wirtschaftlichkeit nicht völlig außer Acht gelassen werden.“,

dann kann ich das als Betroffener dieser Flugrouten nur als zynisch empfinden. Die Zusicherungen des Ministerpräsidenten waren ganz klar: Sicherheit zuerst, das ist unstreitig, zweitens Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit, so hieß es in Stahnsdorf und auf verschiedenen anderen Kundgebungen. Ich habe es des Öfteren gehört, die Leute haben es gehört. Jetzt heißt es hier, der Aspekt der Wirtschaftlichkeit dürfe nicht vollkommen außer Acht gelassen werden. Na toll, wenn es so wäre! Die Realität ist aber eine andere, und auch die kommt aus Ihrer Antwort auf die Große Anfrage heraus: dass nach wie vor Wirtschaftlichkeit stark vor Lärmschutz gestellt wird und ein gerechter Interessenausgleich hier nicht stattfindet.

Ich hätte diese Große Anfrage in manchen Punkten möglicherweise etwas anders formuliert, als die Grünen das getan haben. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Ich danke der Fraktion der Grünen sehr herzlich für diese Große Anfrage. Sie trägt zur Aufklärung bei und hilft den Betroffenen auch zu erkennen, wer hier ihr Freund ist. - Herzlichen Dank an die Grünen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Herr Minister Vogelsänger hat Gelegenheit, im Rahmen von drei Minuten auf diese Kurzintervention zu reagieren.

Herr Abgeordneter Goetz, die Landesregierung steht zum Flughafen und steht auch zu ihrem Gesellschafterengagement. Ich würde mir wünschen, dass der Bund das genauso tut.