Protocol of the Session on August 31, 2011

Ich gebe zu: Bei dem Antrag der CDU schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite gibt es sehr gute Argumente, warum man dem Antrag zustimmen sollte, und es gibt wohl auf der anderen Seite auch gute Argumente, warum man ihm nicht zustimmen sollte.

Auf der einen Seite sehe ich, dass es zu einer Erhöhung des Risikobewusstseins kommen könnte, wenn wir den Feldversuch hier im Land durchführen. Ich glaube auch, dass ein

gesteigertes Gefahrenbewusstsein vorhanden ist, denn ein neuer Mopedführerschein bedeutet eine qualifizierte Ausbildung der Jugendlichen. Ich habe auch Vertrauen in die Professionalität der Ausbildung durch unsere Fahrlehrer.

Ich glaube also, dass es eine sehr gute Begründung gibt, diesem Antrag hier zuzustimmen. Wir kämen zu einer Entbürokratisierung, zu einer Erleichterung beim Erwerb des Zweiradführerscheins und selbstverständlich - die Problematik im Zusammenhang mit dem ÖPNV ist geschildert worden - zu einer Stärkung der Mobilität von Jugendlichen im ländlichen Raum.

Ich sehe allerdings auf der anderen Seite auch, was der Deutsche Verkehrssicherheitsrat sagt, der sich gegen die Herabsetzung des Zugangsalters zur neuen Führerscheinklasse AM von derzeit 16 Jahren ausspricht. Er geht davon aus, dass es mit der Zunahme der Verkehrsbeteiligung derartiger Fahrzeuge auch zu steigenden Unfallzahlen kommen wird. Jugendliche im Alter von 10 bis 15 Jahren haben laut Unfallstatistik bereits ein besonders hohes Risiko als Fahrradfahrer. Die Mofa-Ausbildung, die in vielen Bundesländern fester und wichtiger Bestandteil der schulischen Verkehrserziehung im Sinne eines behutsamen Heranführens an den motorisierten Straßenverkehr ist, würde an Bedeutung verlieren und gegebenenfalls ganz entfallen.

Wir dürfen Selbstüberschätzung, Risikobereitschaft, fehlende Erfahrung, die insgesamt einen gefährlichen Risikomix ergeben, nicht übersehen.

Ich hätte mir gewünscht, dass wir diesen Antrag, den ich für richtig halte, im zuständigen Infrastrukturausschuss hätten beraten können, vielleicht verbunden mit einer Anhörung, damit wir die unterschiedlichen Argumente, die, so glaube ich, durchaus für beide Seiten vorhanden sind, noch einmal hätten gewichten können. Leider wurde das nicht beantragt; deswegen werden wir uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Die Abgeordnete Wehlan spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die wirkliche Vorgeschichte zu Ihrem Antrag ist schnell erzählt. Im Juli 2010 hat der Bundestag auf Antrag von CDU und FDP beschlossen, das Mindestalter für die Fahrerlaubnis der Klasse AM auf 15 Jahre zu senken, um den Erwerb von Zweiradführerscheinen zu erleichtern. Aufgrund der Einwendungen gegen die Altersabsenkung durch Verkehrssicherheitsverbände sowie durch die Mehrheit der Länder, insbesondere aber vor dem Hintergrund der Unfallzahlen in Österreich, die seit Einführung eines Mopedführerscheins mit 15 sprunghaft angestiegen sind, hat Ihr Bundesverkehrsminister, Herr Lakenmacher, es für geboten gehalten, das Mindestalter von 16 Jahren beizubehalten. Da Ihre Abgeordneten im Bundestag es nicht zulassen können, wenn die Exekutive sagt: „Ihr Beschluss war Murks“, soll nun ein Dreh gefunden werden, über einen Modellversuch in einem Bundesland die Einführung doch noch zu befördern.

Auf die Bitte Ihres Bundesverkehrsministers, die Länder sollten ihr Interesse an einem Modellversuch bekunden, folgt nun

prompt Ihr Antrag. Dabei ist Ihnen die Meinung der Landesregierung zu diesem Thema durchaus bekannt; denn Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass Herr Vogelsänger auf der Verkehrsministerkonferenz die Frage eines Modellversuchs in Brandenburg mit Nein beantwortet hat. Anders als Ihre Abgeordnetenkollegen im Bundestag, die die Ergebnisse einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen einfach so beiseite schoben sämtliche Warnungen des Deutschen Verkehrssicherheitsrates und der Deutschen Verkehrswacht gleich mit -, bildeten diese Argumente die Grundlage der Entscheidung für Brandenburg.

Herr Lakenmacher, wenn ich richtig informiert bin, wird es den Modellversuch doch geben: in Sachsen-Anhalt. Damit ist der Bitte des Bundesverkehrsministers sozusagen auf dem kleinen Dienstweg ausreichend entsprochen worden. Natürlich hat Ihr Antrag Charme, lieber Kollege, und löst bei mir auch freundliche Erinnerungen an meine Mopedprüfung mit der Schwalbe auf dem Schulhof in der Ernst-Moritz-Arndt-Schule in Luckenwalde aus, aber für die Linke verbindet sich mit Mobilität und gesellschaftlicher Teilhabe von Jugendlichen im ländlichen Raum in erster Linie die kostengünstige Anbindung des ÖPNV. Rufbusse und das sogenannte Discotaxi sind Beispiele, die schon gut funktionieren.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Abgeordnete Jungclaus spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mir erging es ähnlich wie Kollegin Kircheis. Als ich den Titel des vorliegenden Antrags sah, war ich erst einmal positiv überrascht. Ich rechnete zunächst damit, dass wir uns im Landtag nun mit einer nachhaltigen Strategie zur Verbesserung der Mobilität junger Menschen im ländlichen Raum beschäftigen. Als ich dann den Inhalt las, blieb davon allerdings nur noch Kopfschütteln übrig. Es ist mir echt ein Rätsel, liebe Kollegen von der CDU, welcher Teufel Sie bei diesem Born-to-be-wild-Antrag geritten hat.

(Heiterkeit)

Es ist mir ein Rätsel, und ich weiß gar nicht, wo ich mit der Kritik anfangen soll. Als erstes fallen mir natürlich die Unfallstatistiken ein. Das erhöhte Risiko junger, insbesondere männlicher Fahrer ist allseits bekannt - je jünger, umso schlimmer. Beispielsweise sind die Unfallzahlen der 15- bis 17-Jährigen in Österreich, wo der Mopedführerschein ab 15 bereits 1997 eingeführt wurde, dramatisch gestiegen. Selbst Verkehrsminister Ramsauer bekommt inzwischen kalte Füße und rudert mit dem Vorschlag, einen Modellversuch durchzuführen, deutlich hinter die Beschlussfassung zurück.

Die zur Debatte stehenden Motorräder mit 45 km/h übertreffen in der Motorleistung erheblich die bisher für 15-Jährige nutzbaren Mofas, und es ist unverantwortlich, sich dies auf Brandenburger Landstraßen zu wünschen - gerade hier, wo die Unfallzahlen traurige, teilweise schon besungene Berühmtheit erlangt haben. Ganz abgesehen davon, zu welcher Leistung ein entsprechendes Tuning mit frei im Handel erhältlichen Teilen verhilft, oder hat irgendjemand von Ihnen schon einmal ein

Kleinkraftrad gesehen, das mit der gesetzlich erlaubten Geschwindigkeit unterwegs ist?

Dieser Antrag trifft bei uns aber noch einen ganz anderen Nerv. Aus der Sicht unserer Fraktion besteht die Aufgabe einer Landesregierung darin, Jugendlichen eine klimafreundliche Mobilität zu ermöglichen. Kinder und Jugendliche bringen ja von Natur aus erst einmal ein vorbildliches Mobilitätsverhalten mit, sind sie doch meist zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs. Daran sollten wir anknüpfen, anstatt ihnen das eigene Motorrad bzw. den eigenen Pkw mit Ihren Easy-Rider-Phantasien als alternativlos darzustellen.

(Heiterkeit und Beifall bei GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Ich verstehe auch das Argument demografischer Wandel nicht. Kennen Sie irgendeinen 15-Jährigen, der Brandenburg verlässt, weil er kein Moped hat? Ich nicht.

(Heiterkeit)

Wenn Sie an die Verantwortung von Jugendlichen in dem Alter appellieren, verstehe ich nicht, warum wir vor einigen Monaten die Debatte hatten, in der Sie sich gegen das Absenken des Wahlalters ausgesprochen haben. Das passt auch nicht zusammen.

(Lebhafter Beifall GRÜNE/B90, DIE LINKE und SPD)

Zum Angebot einer klimafreundlichen Mobilität gehören der verstärkte Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur, der Ausbau des flexiblen öffentlichen Nahverkehrs sowie eine verbesserte Vernetzung bereits vorhandener Angebote. Alles andere wäre eine politische Bankrotterklärung. Ihr Wort „Modellversuch“ heißt im Klartext nichts anderes als Kreuze zählen.

Wir befürworten und unterstützen ausdrücklich den Weg, der mit Projekten wie „JugendMobil“ bereits eingeschlagen wurde. Dieses Projekt zeigt, dass viele Verkehre auch in dünn besiedelten Gebieten vorhanden sind. Das Problem ist allerdings, dass die Angebote oftmals unzureichend kommuniziert werden. Durch den Einsatz von kleineren Einheiten könnten auch Rufbussysteme oder sogenannte Partybusse noch an Bedeutung gewinnen. Das vollkommen antiquierte Bundesgesetz zur Personenbeförderung, das flexibleren und ortsangepassten Lösungen häufig noch im Wege steht, gehört hoffentlich bald der Geschichte an. Dafür sollte sich die Landesregierung auf Bundesebene weiterhin einsetzen.

Noch aus einem weiteren Grund erscheint mir Ihr Antrag mehr als fragwürdig. Was glauben Sie denn, wie viele Eltern gerade bei uns im ländlichen Raum ihren Kindern die CDU-Mobilitätsvariante Moped finanzieren können? Was machen die anderen? Von einer flächendeckenden Lösung mit sozialer Gerechtigkeit kann hier jedenfalls nicht die Rede sein. Dahingegen würde die Stärkung des ÖPNV nebenbei auch Menschen nützen, die aus anderen Gründen, zum Beispiel finanziellen, gesundheitlichen oder altersbedingten, nicht über ein eigenes Kraftfahrzeug verfügen.

Mein Fazit: Der vorliegende Antrag konterkariert unsere Vorstellungen von Mobilität für Jugendliche in so ziemlich allen Bereichen: von Verkehrssicherheit, zeitgemäßer Mobilität, über soziale Gerechtigkeit bis hin zum Klimaschutz. Ich glaube, dass ich auf unser Abstimmungsverhalten zu diesem Antrag nicht extra eingehen muss.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Beifall)

In dem Fall ist es eine Abschlussfrage. Gern.

Bitte, Herr Goetz.

Verstehe ich Sie richtig, Herr Kollege, dass soziale Gerechtigkeit für Sie bedeutet, dass es gerecht ist, wenn alle zuhause festsitzen, ja?

(Zurufe: Oh!)

Soziale Gerechtigkeit bedeutet jedenfalls nicht, dass man mit unqualifizierten Anträgen 1 % oder 2 % der Bevölkerung Mobilität verschafft.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Minister Vogelsänger spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lakenmacher, ich finde es interessant, dass Sie von Veranstaltungen berichten, bei denen Sie nicht anwesend waren. Es war eine wunderbare Veranstaltung. Ich war begeistert, wie sehr sich die Jugendlichen eingebracht und neue Ideen vorgetragen haben. Ich habe mir fest vorgenommen, das Projekt „JugendMobil“ weiter zu begleiten. Das sollte man hier auf keinen Fall schlechtreden.

(Beifall SPD - Zuruf von der CDU: Hat ja auch niemand getan!)

Ich sage eines: Es darf keine Denkverbote geben, was Mobilität im ländlichen Raum,

(Zuruf von der CDU: So, so! Aha! - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Aber Denkgebote kann es sehr wohl geben!)

Mitfahrzentralen an Schulen, Rufbussysteme, Ruftaxisysteme und andere Dinge betrifft.

Wir haben als Defizit bei dieser Veranstaltung festgestellt - das ist für mich erschreckend -, dass diese Mobilitätsangebote gar nicht bekannt sind. Auch hier gibt es eine wichtige Aufgabe. Gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium habe ich vor, das entsprechende Projekt weiterzuführen.

Jetzt kommen wir zu Ihrer Überschrift. Mehrere Abgeordnete haben gesagt, sie sei schon sehr verwirrend. Sie hätten

„Mopedführerschein mit 15“ hineinschreiben müssen. Um nichts anderes geht es in Ihrem Antrag, er hat nichts mit Mobilität im ländlichen Raum insgesamt zu tun. Der Mopedführerschein mit 15 löst kein Problem, sondern schafft neue.

(Beifall DIE LINKE)

Alle Verkehrssicherheitsverbände lehnen dies ab. Eindringlich gewarnt wird in der Studie der Bundesanstalt für Straßenverkehr, insbesondere was das Gefährdungspotenzial dieser Altersgruppe und was die Infrastruktur in Brandenburg betrifft; denn viele Strecken sind außerorts und werden von den Jugendlichen dann auch benutzt. Verkehrssicherheit ist ein zu wichtiges Thema, als es hier einfach mit einem solchen Antrag abzuhandeln.

(Beifall SPD)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?