Es geht darum, wenn wir mit dem Strafrecht effektiv Kriminalitätsvorbeugung und -bekämpfung betreiben wollen, dass die sozialen Dienste der Justiz entsprechend mit den Strafrichterinnen und -richtern zusammenarbeiten; man könnte diese Beispiele fortsetzen. Deshalb ist es für ein Flächenland wie Brandenburg wichtig, mit der entsprechenden Gerichtsbarkeit in der Fläche präsent zu sein.
Das sind die justizpolitischen Erwägungen. Natürlich spielen neben finanziellen Erwägungen auch - dies hat bei der Strukturreform 1993 ebenfalls eine Rolle gespielt - strukturpolitische Erwägungen eine Rolle. Ich möchte dies ebenfalls an einem Beispiel erläutern:
Wir haben uns entschieden, das Amtsgericht Zossen zu erhalten. Es ist ein mittleres Amtsgericht, mit acht Richtern ausgelastet; die Eingangszahlen steigen.
Es ist meiner Ansicht nach wichtig, dass wir uns als Staat, als Justiz nicht dort zurückziehen, wo die Entwicklung nicht rückläufig ist, und diese damit befördern.
Mir sagte damals der Bürgermeister von Zossen: Uns hat man die Kreisverwaltung, das Kreiskrankenhaus und die Sparkasse genommen, und nun soll auch noch das Gericht mit über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschlossen werden, obwohl Zossen ein Brennpunkt rechtsradikaler Kriminalität ist. - Nein, wir bleiben in Zossen präsent, solange es die Eingangszahlen rechtfertigen.
Das heißt aber nicht, dass die Justiz dort, wo es nichts mehr zu richten gibt, wo die Konfliktlage entschärft ist, an Standorten festhält. Es ist keine Zementierung der Arbeitsgerichtsstruktur bis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Natürlich werden wir, wenn die Eingangszahlen zurückgehen und kleine Gerichte sich nicht mehr rentieren, Entscheidungen treffen, diese zu schließen - unter dem Aspekt von Bürgernähe und Strukturen -, nicht aber im Vorgriff auf Entwicklungen, die demografischer Natur sind, selbst beschleunigen.
Das spiegelt sich im Entwurf wider. Das Amtsgericht Guben ist das kleinste, dort sind die Eingangszahlen so rückläufig, dass es nur noch für drei Richter genügend Arbeit gibt. Deswegen sehen wir dort die Lösung in einer Zweigstelle. Möglicherweise wird auch das Amtsgericht Guben in einer bestimmten Zeit geschlossen werden. Das Gleiche betrifft das Arbeitsgericht in Senftenberg, bei dem die Eingangszahlen die Existenz von nur noch zwei Richtern rechtfertigen. Wir werden auch die Außenanmietungen aufgeben und die beiden Arbeitsrichter in das Amtsgericht Senftenberg zurücknehmen, um dort vor Ort zu sein. Ansonsten verhindern die langen Wege nach Cottbus eher die Verhandlung von Arbeitsrechtsstreitigkeiten. Am Anfang steht eine Güteverhandlung, die manchmal nur 10 oder 20 Minuten dauert, und dafür bis nach Cottbus zu fahren, ist unter Umständen abschreckend. Insofern ist das nach
meiner Ansicht nicht sachgerecht. Wenn es die Eingangszahlen aber nicht mehr hergeben, wird auch diese Außenstelle, diese Zweigstelle aufgegeben werden müssen.
Ich möchte noch auf den zweiten Aspekt des Gerichtsneuordnungsgesetzes hinweisen: den Neuzuschnitt der Landgerichtsbezirke. Die Landgerichtsbezirke sind nach meiner Ansicht demografiefester und ausgeglichener gestaltet. Das ist ein wichtiger Vorzug. Wir hatten diesbezüglich vor - die Debatte ist bereits geführt worden und kein Geheimnis -, eine Identität der Strukturen, nämlich die der Polizei mit den Justizstrukturen anzustreben. Es ist uns im Norden nicht gelungen, weil aus polizeilichen Erwägungen heraus, die ich nicht zu bewerten habe, die Polizeidirektion Ost so groß geworden ist, dass damit der Standort Neuruppin gefährdet worden wäre. Strafverfahren machen nur ein Drittel der Justiz aus, Strafjustiz ist nicht alles, was ich vorhin schon angedeutet habe. Im südlichen Teil können wir diese Deckungsgleichheit herstellen; damit können wir die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei effektiver gestalten. Das ist nach meiner Ansicht ein Vorteil.
Lassen Sie mich zum Ende kommen: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb vor 14 Tagen: „Ausdrücklich keine Justizreform“, womit sie sich auf eine Äußerung von mir bezog. Stimmt! Es ist keine Reform in dem Sinne, ich will diesen hochtrabenden Begriff dafür nicht verwenden, sondern mit diesem Gesetzgebungsvorhaben ist eine schädliche Reform gestoppt worden. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede über vieles gesprochen, auf einen Punkt aber sind Sie nicht eingegangen. Der Landtag hatte Sie nämlich bereits im Dezember 2010 aufgefordert, bis zum Ende des I. Quartals 2011 einen Gesetzentwurf zur Neustrukturierung der Gerichtsbezirke in den Landtag einzubringen. Auf eine Erklärung, weshalb Sie diesen Parlamentsbeschluss negiert haben, warten wir bis heute.
Tatsache ist: Um Ihren Gesetzentwurf gab es in der Landesregierung zwischen dem Innen- und dem Justizminister, aber auch in den entsprechenden Regionen viel Streit. Wir sind froh, dass sich die Landesregierung nun endlich durchringen konnte, zumindest alle Amts- und Arbeitsgerichtsstandorte in Brandenburg zu erhalten
Man muss sich aber wundern, dass die Landesregierung erst nach zwei Jahren eine Standortgarantie für die Gerichte abgeben
konnte. Sie hätten doch gleich nach der Amtsübergabe feststellen können, dass Brandenburg über leistungsfähige und wohnortnahe Gerichte verfügt,
Stattdessen mussten Sie erst einmal einen Prüfauftrag in Ihren Koalitionsvertrag aufnehmen, und der Innen- sowie der Justizminister lieferten sich einen öffentlichen Streit über die Anzahl der zu erhaltenden Gerichte, den Zeitpunkt der Umsetzung der Gerichtsneugliederung und über die Strukturen der Polizei und der Gerichte im Land.
(Zuruf der Abgeordneten Wehlan [DIE LINKE] sowie Zurufe der Fraktion der SPD - Beifall der Abgeordneten Dr. Ludwig [CDU])
Das alles war völlig unnötig und hat zur Verunsicherung der Mitarbeiter in den Justizbehörden und den Kommunen beigetragen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen: Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wolf Kahl hat das letzte Woche im Rechtsausschuss bestätigt.
Durch Ihr Zögern konnten wichtige Investitionen an den Gerichten nicht realisiert werden. Im Übrigen werden diese auch nicht vor 2013 vorgenommen. Sie tragen also auch die Verantwortung dafür, dass viele Gerichte in Brandenburg in den nächsten Jahren baufällig bleiben und nicht den sicherheitstechnischen Anforderungen genügen.
Würden Sie mir zustimmen, dass seit 2005 der Umbau in der brandenburgischen Justiz stattfindet und die Unklarheiten sozusagen im Umlauf sind und dass das Datum 2005 deutlich
vor dem Zeitpunkt der Verabschiedung des brandenburgischen Koalitionsvertrags von Rot-Rot im Herbst 2009 liegt?
Zählen Sie doch mal eins und eins zusammen: Sie regieren seit 2009, ich befürchte, dass Sie auch bis 2013 regieren, also tragen Sie Verantwortung für vier Jahre Sanierungsstau an den Brandenburger Gerichten. Das können Sie hier doch nicht leugnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Gerichte müssen aber auch angesichts der demografischen Entwicklung im Land wissen, ob sie in den nächsten zehn Jahren noch eine Daseinsberechtigung haben. Welche Eingangszahlen sind denn notwendig, damit ein Amtsgericht auch noch im Jahre 2020 bestehen bleiben kann? Auf all dies geben Sie mit Ihrem Gesetzentwurf keine Antworten. Stattdessen sorgen Sie mit Ihrer Minireform der Landgerichtsbezirke für neue Irritationen. Anfangs sollte sogar noch der Innenminister und nicht der Justizminister mit der Neustrukturierung der Gerichte im Land Brandenburg beauftragt werden. Daran kann man schon die Wertschätzung der Justiz und die Realität der Gewaltenteilung in diesem Land ablesen. Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut, und sie darf eben nicht das fünfte Rad am Wagen des Innenministers sein.
Außer beim Generalstaatsanwalt hat der Vorschlag zur Neugliederung der Landgerichtsbezirke in der Justiz nicht gerade Begeisterungsstürme ausgelöst. Im Gegenteil: Der Streit zwischen dem Innen- und dem Justizminister über die Polizeiund die Gerichtsstruktur im Land hatte vor Ort großen öffentlichen Ärger eingebracht. So sprach beispielsweise der Präsident des Landgerichts Neuruppin, Egbert Simons, von einer Strukturkatastrophe, wie sie die Region seit 15 Jahren nicht erlebt habe. Der Landrat des Landkreises Oberhavel, Karl-Heinz Schröter, sprach von einem „Tod auf Raten“ für Brandenburgs Norden.
Man hat den Eindruck: In dieser Landesregierung weiß die rechte Hand nicht, was die linke macht. Dieses Hü und Hott hat die Bürger und auch die Justizbediensteten verunsichert.
Sie schaffen mit diesem Gesetz völlig neue Probleme in der Justiz und in den Landkreisen. Sie versetzen ohne Not mindestens 63 Justizbeschäftigte, Sie verursachen dem Land Mehrkosten von mindestens 1,2 Millionen Euro, Sie spielen die Regionen Neuruppin und Frankfurt (Oder) gegeneinander aus, Sie haben Unruhe und Unfrieden in den Regionen hervorgerufen und können noch nicht einmal einen nachvollziehbaren Grund für diese Minireform der Landgerichtsbezirke benennen.
Sie sind mit dem Ziel des Gesetzes, nämlich die Grenzen der Gerichte denen der Polizei anzugleichen, kläglich gescheitert.
Schon lange geht es nicht mehr um funktionsfähige Strukturen, sondern nur noch darum, dass weder der Innen- noch der Justizminister einen Gesichtsverlust erleidet. Wenn Sie schon etwas für eine bessere Zusammenarbeit mit der Polizei und zwischen der Polizei und der Staatsanwaltschaft machen wollen, dann können Sie das billiger und effektiver haben! Sorgen Sie doch nicht nur auf den Regionalkonferenzen der Linken, sondern auch im Kabinett dafür, dass nicht 400 Beamtenstellen bei der Kriminalpolizei abgebaut werden. Da können Sie doch etwas für die Verbesserung Qualität der Strafverfahren tun. Unsere Staatsanwälte...