Protocol of the Session on May 18, 2011

(Beifall DIE LINKE)

Der Abgeordnete Vogel spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! „Zu jung sein ist ein Fehler, der sich täglich bessert“ - dieser Sinnspruch gilt vermutlich für Unternehmen stärker als für Menschen, denn junge Unternehmen sehen sich unmittelbar nach Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit einem sehr hohen Risiko des Scheiterns ausgesetzt. Junge Unternehmen leiden an einer Diskrepanz zwischen den erforderlichen Ressourcen, um im Wettbewerb bestehen zu können, und dem tatsächlich verfügbaren Ressourcenfundament. Junge Unternehmen charakterisieren sich durch geringere materielle Ressourcen bei Immobilien, Ausrüstungen, Finanzen und Personal.

Gleichzeitig besitzen neue Firmen nicht die notwendige Vertrauensbasis und Zuverlässigkeit am Markt. Auch unternehmensinterne Verfahrensabläufe und Netzwerkverbindungen müssen noch etabliert werden. Ist die Gründungsgröße relativ gering, verstärken sich die Anforderungen noch mehr. Diese gro

ßen Risiken in der Vor- und Frühphase des Unternehmens erfordern intensive Begleitungs- und Beratungsangebote, denn mehr innovationsfreudige Unternehmerinnen und Unternehmer würden das wirtschaftliche Vorankommen Brandenburgs erleichtern.

Der Feststellung im vorliegenden CDU-Antrag: „Potenzielle Selbstständige müssen aktiv bei ihrem Prozess der Existenzgründung unterstützt werden“, ist deshalb vorbehaltlos zuzustimmen. Brandenburg braucht Gründungen von innovativen Unternehmen.

Der CDU-Antrag suggeriert allerdings, dass das Hauptversagen im zu langsamen Existenzgründungsprozess in Brandenburg liege. Diesen Ansatz teilen wir nicht. Die Risiken einer Unternehmensgründung bedürfen einer fundierten Kalkulation, Abwägung und Beratung. Deshalb ist allein die Beschleunigung des Existenzgründungsprozesses nicht das Patentrezept für eine starke Gründungsdynamik in Brandenburg.

Die Schlüssel zu einer neuen Existenzgründungsdynamik in Brandenburg sind andere. Ich konzentriere mich auf ein Beispiel. Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn stellte vor Kurzem zu den Gründungsaktivitäten in Deutschland fest, dass sich im Jahr 2010 die positive Entwicklung aus dem Vorjahr fortgesetzt und sich der Gründungssaldo zwischen Neugründungen und Abmeldungen für das gesamte Jahr positiv entwickelt hat.

Es stellt jedoch auch fest, dass der Anteil der Existenzgründungen durch Frauen im abgelaufenen Jahr leicht unter dem des Vorjahres liegt. Diese statistische Beobachtung ist gravierend, denn die Beteiligung von Frauen an der Existenzgründung ist insgesamt gering. Frauen standen im Jahr 2010 nur für rund 31 % der Gründungen in Deutschland. Das sei doch ein Problem der westlichen Bundesländer, werden manche vielleicht denken. Aber das stimmt nicht, weit gefehlt! Laut Statistischem Bundesamt hielten Frauen sowohl bei den Gewerbean- als auch bei den -abmeldungen mit 32 % der Gesamtmeldungen in Brandenburg etwa den bundesdeutschen Schnitt.

In der Wissenschaft ist die These „Frauen gründen anders“ schon lange belegt. Gründungen von Frauen finden größtenteils in Wettbewerbsmärkten mit geringen Markteintrittsbarrieren statt. Gründungen von Frauen sind geprägt durch geringere Verschuldung und weniger Fremdkapital. Der Gründungsanteil von Frauen im Hochtechnologiebereich ist marginal. Status quo ist bundesweit der geringe Anteil von Frauen; ich erwähnte es.

Gründungen von Frauen erfolgen eben nicht in innovativen und renditestarken Märkten, und die Risikoneigung von Frauen ist im Allgemeinen geringer. Aus diesem Grund müssen der Zugang zu Kapital und die Verteilung des unternehmerischen Risikos ins Zentrum einer Gründungsförderung für Frauen rücken. Gleichzeitig sind für Frauen Mindestfördervolumen und die Vergabe von Mikrokrediten ein wichtiges Kriterium bzw. ein Ausschlusskriterium bei der Förderung von Existenzgründungen.

Allerdings ist die Nutzung und Umsetzung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse in praktische Wirtschaftspolitik bisher nicht die Stärke unserer Landesregierung, hält doch das Ministerium für Arbeit noch vor einem halben Jahr in der Publikation „Selbstständig ist die Frau“, Redaktionsschluss: September 2010, fest:

„Es gibt... keine Beratungsangebote, die sich ausschließlich an Gründerinnen wenden.“

Die bisherige Praxis in Brandenburg, keine Beratungsangebote ausschließlich für Gründerinnen vorzuhalten, ist durch die frauenspezifischen Momente in der Existenzgründung längst überholt. Allein aus diesem Grund halte ich die Forderung der CDU-Fraktion nach einem Aktionsplan 2011 für sinnvoll, auch wenn die Frauen an sich in Ihrem Antrag noch nicht vorkommen. Aber die Konzentration des Lotsendienstes und anderer Beratungs- und Betreuungsangebote für Existenzgründungen auf Frauen hat allein schon durch die Verbesserung der Frauenpartizipation bei Existenzgründungen ein großes inhärentes Potenzial für ein dynamischeres Gründungsgeschehen in Brandenburg.

In der Hoffnung, dass unsere Botschaft angekommen ist und die Regierung die Anregung zur Frauenförderung aufgreift, stimmt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Antrag der CDU-Fraktion zu. - Herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Minister Baaske spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Bommert und Herr Büttner, was denken Sie wohl, warum Brandenburg die „Europäische Unternehmerregion 2011“ geworden ist?

Eben genau weil wir uns für eine strategische Stärkung und Entwicklung des Mittelstands, insbesondere der KMU, stark gemacht haben; insbesondere weil wir Unternehmensgeist und Existenzförderung in hervorragender Art und Weise in diesem Lande absichern und unterstützen. Wir sind damit gegen Baden-Württemberg, gegen Mailand, gegen Madrid angetreten und haben gewonnen - das muss man doch mal in dieser Deutlichkeit sagen dürfen -, eben weil wir genau das, was Sie von uns erwarten, jetzt schon in hervorragender Art und Weise tun um den Begriff aus dem Koalitionsvertrag noch einmal zu nennen. Wir tun das alles. Trotzdem werden wir uns auf den Lorbeeren nicht ausruhen. Churchill hat einmal gesagt: Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, der trägt sie an der falschen Stelle. - Das haben wir nicht vor - ganz im Gegenteil: Wir werden all das, was wir in den letzten Jahren an guten Erfahrungen gesammelt haben, auch weitertragen.

Die Existenzgründungsförderung gibt es in unserem Land seit den 90er Jahren; seit 2001 gibt es die Lotsendienste, Herr Vogel. Wir haben die Lotsendienste von Jahr zu Jahr evaluiert, verfeinert, nachjustiert und immer wieder verbessert, lieber Frank Bommel. Wenn man sagt, bei den Lotsendiensten habe sich nichts verbessert, würde ich raten, einfach bei den Lotsendiensten nachzufragen, was da in den letzten Jahren passiert ist.

Und natürlich haben wir festgestellt, dass wir gesonderte Lotsen - zum Beispiel an den Hochschulen - brauchen. Wir haben mit zwei, drei Hochschulen angefangen; inzwischen gibt es an allen Hochschulen und Universitäten Lotsendienste. Es gibt in

zwischen Lotsendienste für Migranten. Und es gibt auch Lotsendienste, die sich insbesondere im Hochtechnologiebereich auskennen; das macht ja auch Sinn. Wenn eine arbeitslose junge Migrantin dorthin kommt, wird sie natürlich eine ganz andere Beratung erfordern als ein Team von Ingenieuren, die einige Jahre an einer Hochschule oder in einem Unternehmen waren und dann plötzlich eine Idee haben und sagen: Das machen wir jetzt mal! - Klar braucht man da andere Grundlagen.

Und wir haben - dazu habe ich Ihrer Kollegin Nonnemacher einen langen Brief geschrieben - auch lange darüber nachgedacht, ob wir spezielle Lotsendienste, zum Beispiel für Frauen, einrichten. Da fragen wir uns: Wie soll man das machen? Wollt ihr flächendeckend sein wie mit den Lotsendiensten? Wollen wir Beratungsstellen - zum Beispiel Existenzgründung Frauen nur an ein, zwei oder drei Stellen im Land - und wenn, wo? Ist es zumutbar, dass man deswegen eine Entfernung von bis zu 100 Kilometern zurücklegt, um sich dort beraten zu lassen? Da sagen wir: Es wird immer vorkommen, dass Frauen bei den regionalen Lotsendiensten auflaufen und dort eine Beratung haben wollen. Dann lasst uns doch lieber die Lotsen so schulen, dass sie in der Lage sind, das Problem, den gezielten Beratungsbedarf von Frauen, mit aufzunehmen. Genau das machen wir auch. Ich halte das für ein besseres Konzept, als ein oder vielleicht zwei Beratungsstellen im Land zu haben, die sich der speziellen Systematik „Beratung von Frauen bei der Existenzgründung“ zuwenden. Das wäre nicht zielführend - im Gegenteil. Wir brauchen eine flächendeckende Beratung, auch von Frauen im Land. Mit den Spezifika kann man die Leute vor Ort fit und damit vertraut machen, sodass sie das hinkriegen.

Wir machen viel bei den Lotsendiensten. Das MWE macht zusammen mit dem ESF - vieles mit EFRE- und Landesmitteln bei den Kammern, bei den Institutionen, die es ansonsten noch im Lande gibt. Insbesondere sorgt das MWE in hervorragender Art und Weise für ein besseres Gründungsklima an den Hochschulen. Es gibt die jährliche Beteiligung an den Deutschen Gründerinnen- und Unternehmertagen - “deGUT“ -, und es gibt auch - abgesichert durch den EFRE und das MWE - den Businessplan-Wettbewerb, der jedes Jahr immer besser angenommen wird, wo Leute ihre Pläne miteinander vergleichen können, die dann dort bewertet werden.

Seit 2007 - ich glaube, Sie, Herr Vogel, waren es, der die Spezifika der Vor- und Nachbereitung der Gründung ansprach - gibt es einen Beschluss der Wirtschaftsminister von Bund und Ländern, in dem man sich klar darauf verständigt hat - was ich auch richtig finde -, dass die Länder für die Vorgründungphase zuständig sind und der Bund die Nachgründungsphase übernimmt und man das vielleicht miteinander koppelt, damit das, wenn es zum Beispiel Unternehmensberater sind, die gleichen sind, sodass man das dann fortführen kann, aber es finanziell zumindest einmal trennt und Zuständigkeiten geregelt hat: der Bund in der Nachgründungsphase, das Land in der Vorgründungsphase. Das ist ein Kompromiss, den die Wirtschaftsminister gefunden haben, der durchaus trägt und derzeit Früchte trägt. Ich denke, dass diese Strukturierung eine Hilfe war und dass insbesondere auch die Trennung im Lande - wir machen die Lotsendienste, das MWE macht die Handwerkskammer und die Verbände - eine gute Sache ist.

Jetzt kann man natürlich vermuten, dass das alles etwas „kuddelmuddelig“ ist, dass das etwas durcheinandergerät, weil das Arbeitsministerium eine Förderung macht und das Wirtschafts

ministerium eine Förderung macht. Genau das kann nicht passieren, weil nämlich all das, was wir miteinander tun, im Gründungsnetz Brandenburg abgesprochen wird; das findet unter Federführung des MWE statt. Es wird regelmäßig eingeladen, da sind auch die Aktionspartner vor Ort immer mit dabei. Da kann man gucken: Was geht gut, was geht weniger gut, was müssen wir umsteuern? Dann wird auch umgesteuert, und dann wird nachjustiert, Herr Bommel. Dann haben wir auch immer wieder die Anpassung an all das, was auch Sie mit Ihrem Antrag fordern und wollen.

Gewerbeanmeldung ist ein weiteres Thema. Ich schließe mich diesbezüglich den Ausführungen von Herrn Domres an. Das kann man machen, das muss man sich gut überlegen. Da gibt es einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand, insbesondere für die Abstimmung zwischen den Kammern und den Ordnungsämtern, weil die nachverfolgen müssen, was mit den Steuern und all dem Kram passiert. Aber im Großen und Ganzen, glaube ich, ist das wegen einer Gewerbeanmeldung nicht zu viel verlangt. Es ist heutzutage ein Akt von Minuten, zum Ordnungsamt zu gehen, um den Akt dort zu vollziehen. So oft gründet man im Leben kein Unternehmen, dass es eine so riesengroße Belastung wäre, zum Ordnungsamt zu gehen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Re- gierungsbank)

Der Abgeordnete Bommert hat das Schlusswort in dieser Debatte.

(Zuruf von der SPD: Da sind wir jetzt gespannt!)

Kollege Baaske, Bommert bitte, nicht Bommel. Das war mein Spitzname, aber das liegt lange zurück.

(Heiterkeit bei der SPD - Zuruf: Nur unter Freunden!)

Aber er hat mir auch den Hugo angeboten - also okay.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, der Kollege Kosanke hat bei mir den Eindruck erweckt, als wenn er unseren Antrag nicht richtig gelesen und mehr auf die Rechtschreibung geachtet hätte. Das kann ich verstehen, aber wir haben es extra kurz gefasst, damit auch du es verstehst. Das nächste Mal also etwas besser lesen!

(Heiterkeit bei der SPD - Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Und dann sind trotzdem noch Fehler drin!)

Noch einmal zur Gewerbeanmeldung bei der IHK: Das ist wirklich so eine Geschichte, und wir haben es auch mit den Kammern abgesprochen: Es wäre für Gründer, für die IHKs und für die Handwerkskammern ein Vorteil - das schaltet ja die Ordnungsämter nicht aus. Aber auch da ist oft das Problem, dass das, was von den Ordnungsämtern weggeht, nicht an der richtigen Stelle ankommt. Es wäre, wie gesagt, eine Erleichterung für den Existenzgründer.

Kollege Domres, zu dem EU-Bericht muss man nur sagen: Das sind Gelder ohne Finanzierungsvorbehalte, die Gelder sind al

so nicht sicher. Die stehen zwar drin, jedoch ist es nicht geklärt.

Noch einmal zu den Existenzgründern: Ich habe eine Zahl aus Oberhavel mitgebracht: Bei den dortigen Existenzgründern gab es zwischen 2008 und 2011 350 bis 400 Aufstocker. Da muss man sagen: Die Firmen bzw. die Existenzgründer sind nicht so vorbereitet, dass sie davon leben können. Die Zahl aus Oberhavel ist nur ein Schnitt; ich denke, dass das im Land nicht anders aussieht. Deshalb ist unser Wunsch, dass wir da etwas weiterkommen und die Leute fitter machen, damit das besser läuft.

Kollege Baaske: Wir sagen ja nicht, dass es schlecht ist, jedoch halten wir es für verbesserungswürdig. Wenn man im Internet surft, ist es schwierig für jemanden, der darin nicht firm ist. Man fährt von Rom nach Frankreich, nach sonstwohin, man irrt herum, endet letztendlich wieder an derselben Stelle und findet dann Broschüren, die noch von Frau Ziegler und von Ulrich Junghanns herausgegeben wurden. Letzteres finden wir natürlich toll, aber ich denke mal, eine Überarbeitung wäre sinnvoll, weil darin noch viele alte Sachen enthalten sind.

Ansonsten ist in Ihrer Regierungszeit für die Mittelständler und Handwerker noch nicht so viel passiert. Ich hatte letzte Woche ein Gespräch mit einem Kammerpräsidenten; er sah da eher Mängel. Es wurden den Handwerksbetrieben und Mittelstandsunternehmen mehr Steine in den Weg gelegt: Ladenöffnungszeiten, Grunderwerbssteuer, Vergabegesetz, kommunale Daseinsvorsorge. Bis jetzt ist noch nichts Positives für die Mittelständler, für die Handwerker gekommen. Deswegen drängen wir darauf, dass da jetzt einmal etwas Positives passiert. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 5/3177. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt. Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 13.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Forschungsdrang in Kindertagesstätten stärken - Vermittlung von naturwissenschaftlichem und mathematischem Wissen fördern

Antrag der Fraktion der FDP der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/3184

Der Abgeordnete Büttner beginnt die Debatte für die FDPFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute Morgen haben wir bei der Beantwortung einer mündlichen Frage zu den offenen Stellen von Herrn Minister Baaske gehört, dass insbesondere im Elektrobereich vor allem Ingenieure im Land Brandenburg fehlen. Wir wissen das natürlich alle,

weil wir über den Fachkräftebedarf und den Fachkräftemangel hier im Land oft genug diskutieren. Wir brauchen also mehr Absolventen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Berufen. Das bedeutet aber auch, dass wir schon früh anfangen, Kinder und Jugendliche für diesen Beruf zu sensibilisieren.