Protocol of the Session on May 18, 2011

Die CDU-FDP-Aufforderung an die Landesregierung, die Arbeitsmarktpolitik Brandenburgs zu durchforsten, Qualität und Effizienz zu verbessern sowie Prioritäten zu setzen, statt Arbeitslose prestigeträchtig in Sackgassen zu parken, finden wir prinzipiell richtig. Anpassungen müssen logischerweise vorgenommen werden, wenn sich Bundeshaushaltsmittel für die Arbeitsmarktpolitik verringern, und die Überprüfung der Landesprogramme auf ihre Wirksamkeit in angemessenen Abständen ist eine Selbstverständlichkeit. Das hat auch Herr Baer so gesehen; ich denke, da sind wir uns einig. So weit, so gut.

Aber der CDU-FDP-Antrag fordert die Landesregierung zur Umsetzung schwarz-gelber Bundesstreichkonzerte auf, obwohl der Bund notwendige Reformen der Arbeitsmarktinstrumente nicht in Angriff genommen hat und sogar Maßnahmen gestrichen werden, die der Integration in den ersten Arbeitsmarkt dienlich wären. 2011 gibt es beispielsweise ein Drittel weniger Mittel für Qualifizierung und Weiterbildung. Trotz der erfreulichen Arbeitsmarktentwicklung ist die Arbeitslosigkeit auch nicht in einem Umfang zurückgegangen, der die Kürzungen im Bundesetat als annähernd angemessen erscheinen lässt.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht bis 2015 Einsparungen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro vor. Weitere Einspa

rungen werden durch die Festlegung des Eingliederungstitels vorgegeben; Kollege Büchel ist darauf schon eingegangen. Auch da gibt es Kürzungen bis zum Anschlag.

Die Gewerkschaft ver.di schätzt in diesem Part für die Zeit von 2012 bis 2014 die Einsparungen auf ca. 16 Milliarden Euro, die für aktive Arbeitsmarktpolitik im SGB II und SGB III gestrichen werden sollen.

Was schlägt Frau von der Leyen im Einzelnen noch vor? Jobcenter und Arbeitsagenturen sollen nur noch bezahlen, was wirkt. Der Ermessensspielraum der Vermittler in Jobcentern wird ausgeweitet. Sie entscheiden, welche Integrationsmaßnahmen sie den Arbeitslosen gewähren. Das könnte bei gut qualifizierten Arbeitsvermittlern durchaus sinnvoll sein, birgt aber die Gefahr einer weiteren Prozesslawine in sich.

Die Zuschüsse an die Träger zu den 1-Euro-Jobs werden auf 150 Euro pro Monat reduziert. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen fallen ganz weg. Beides ist nicht zu bedauern, wohl aber die Einsparungen beim Gründungszuschuss von 1 Milliarde Euro.

Besonders negativ fallen uns bei der beruflichen Weiterbildung die Einschränkungen der Fördermöglichkeiten für die Ausbildung bzw. Umschulung zur Alten- und Krankenpflegerin auf. Hier entfällt die Sicherstellung des letzten Ausbildungsjahres. Gering qualifizierten Arbeitslosen müssen die Angebote der beruflichen Weiterbildung ebenso offenstehen wie den Arbeitslosen nach SGB II. Migrantinnen und Migranten müssen ebenso berücksichtigt werden wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das Verfahren zur Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse durchlaufen haben und die Ausgleichsmaßnahmen zur Berufsqualifizierung erbringen wollen. Auch hier fehlen Anpassungen.

Besonders kritisch sind die starken finanziellen Eingriffe bei Maßnahmen der Qualifizierung und Förderung der beruflichen Weiter- und Ausbildung zu bewerten, zumal das Augenmerk gerade hierauf wegen des Fachkräftemangels hätte liegen müssen.

Der Gesetzentwurf erschwert individuell abgestimmte Angebote und dezentrale Hilfestellungen.

Ich frage mich, wie sich die CDU- und die FDP-Fraktion vorstellen, mit diesem Gesetzentwurf die Integration der Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt in Brandenburg zu bewirken, wenn gerade umfängliche Maßnahmen gestrichen werden, die dieser Integration dienen. Wegen der finanziellen Kürzungen und Sparmaßnahmen bei Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen ist diese Instrumentenreform misslungen. Sie dient der Mitteleinsparung, nicht der Integration arbeitsmarktferner Menschen. Wir können deshalb dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Minister Baaske spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht das wiederholen, was die Vertreter der Koalition

teilweise auch Frau Nonnemacher - hier schon gesagt haben, insbesondere zum zeitlichen Ablauf. Es ist sonnenklar, dass das so nicht übereinanderpasst. Wenn das Gesetz im April nächsten Jahres in Kraft treten soll, dann müssen wir hier jetzt nicht Aktivitäten entfalten. Ich kann Ihnen übrigens versprechen, dass der Entwurf mit Sicherheit nicht so bleiben wird, wie sich das BMAS das gegenwärtig vorstellt, sondern es wird noch erhebliche Veränderungen geben.

Ich habe soeben im Umlaufverfahren einem ASMK-Papier zugestimmt, in dem die Länder nochmals deutlich ihren Unwillen darüber kundtun - auch CDU-geführte Länder werden dem zumindest zum Teil zustimmen -, dass der Entwurf nicht, wie es mit der ASMK verabredet worden war, gemeinsam mit den Ländern erarbeitet worden ist, sondern allein vom BMAS bzw. der BA. Ich wiederhole: Der endgültige Text wird mit Sicherheit an einigen Stellen anders aussehen, als es vorhin von Kollegin Nonnemacher dargestellt wurde.

Ich kann aber zur Beruhigung beitragen; denn wir können durchaus konstatieren, dass wir das Programm seit Jahren evaluieren. Wir müssen das auch tun, weil die EU es von uns erwartet. Wenn wir ESF-Geld verwenden, wird immer genau hingeschaut, wofür wir es verwenden und ob die operationellen Ziele eingehalten werden. Wir haben uns mit der EU nach einer bestimmten Zielstellung vereinbart. Dem muss sich der Bund unterordnen, aber auch wir müssen in diese Zielstellung hineinpassen. Insoweit kann man gar nicht allzu weit von dem, was miteinander vereinbart worden ist, abweichen.

Ferner wissen Sie genau, dass wir das allermeiste Geld für die Arbeitsmarktpolitik im Rahmen und entsprechend der Handlungsrichtlinie des ESF ausgeben. Dem liegt eine Vereinbarung zwischen Bund und EU zugrunde; wir können also nicht in Größenordnungen davon abweichen.

Es kam schon von dem einen oder anderen Abgeordneten der Hinweis, dass die Bündelung der Programme im Gange ist. Ich schlage vor, dass wir darüber eingehend im Ausschuss diskutieren. Im Jahr 2009 umfasste unser Landesprogramm 56 Maßnahmen, gegenwärtig sind es noch 50; in Zukunft sollen es noch weniger werden. Wir haben das zentrale Ziel, das Landesprogramm mit seinen Maßnahmen einfacher, handhabbarer zu machen. Gleichzeitig unterstützen wir das Agieren des Bundes, wenn es vernünftig und richtig ist. Aber vieles von dem, was der Bund vorhat, zum Beispiel im SGB II und im SGB III, werden wir mit ESF-Mitteln nicht unterstützen. In Ihrem Antrag heißt es dazu konkret:

„Mit dem Gesetz sollen die künftigen Maßnahmen eindeutig geregelt werden, denn laut Bundesrechnungshofbericht zählen beispielsweise die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung zu den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, die die angestrebten Ziele nicht erreichen oder missbräuchlich angewandt werden.“

Das kann man sehen, wie man will. Ich sage es immer wieder: Mit MAE-Maßnahmen wird man niemals einen großen Effekt bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt erzielen. Das kann auch gar nicht sein. Wir erwarten doch gerade, dass die Leute so weit weg wie möglich vom ersten Arbeitsmarkt tätig sind. Wie sollen sie auf diese Art und Weise in diesen Markt kommen?

Zur Ehrlichkeit gehört auch der Hinweis darauf, dass wir damit nichts zu tun haben, das heißt, wir sind in keiner Weise an der

Kofinanzierung beteiligt, weder mit ESF-Mitteln noch mit Landesmitteln. Allein die Jobcenter bzw. die Kommunen sind für die konkrete Ausgestaltung zuständig.

Ich verspreche Ihnen - damit komme ich auf Ihren letzten Satz zurück, liebe Frau Schier -: Neue Ansätze des Bundes hindern uns nicht daran, ständig auf Veränderungen hinzuwirken. Genau das werden wir weiterhin tun, davon können Sie ausgehen. Ob wir diesen Antrag hier beschließen oder nicht - wir werden nach der Evaluation unserer Programme genau schauen, was Erfolg gezeitigt hat und was nicht. Dann werden wir uns gegebenenfalls anders aufstellen. - Schönen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Frau Schier hat das Schlusswort in dieser Debatte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Baer, ich wollte eigentlich freundlich sein. Sie sagten, die Evaluation erfolge bereits, deswegen brauchten wir den Antrag nicht. Ich schildere Ihnen ein Erlebnis, das ich beim Empfang einer Besuchergruppe während der letzten Plenarsitzung hatte. Es saßen sechs junge Leute vor mir, die einen Abschluss über den zweiten Bildungsweg anstrebten. Die Lehrerin sagte mir, die Prüfung stehe kurz bevor. Ich fragte die jungen Leute, ob sie sich schon beworben oder eine Anstellung gefunden hätten. Daraufhin sagte mir die Lehrerin - vor diesen jungen Leuten! -: Ich will den jungen Leuten ja nicht den Optimismus nehmen, aber sie haben keine Chance, eine Anstellung zu finden.

(Frau Lehmann [SPD]: Ich habe andere Erfahrungen ge- macht!)

- Kollegin Lehmann, Herr Kuhnert und Herr Dr. Bernig waren dabei.

Auch angesichts dieser Erfahrung sage ich Ihnen: Das ist falsch eingesetztes Geld.

(Beifall CDU und FDP)

So kann man auch mit den jungen Leuten nicht umgehen. Es kann nicht sein, dass sie für einen bestimmten Beruf ausgebildet werden, wenn von vornherein klar ist, dass sie keine Anstellung finden. Lieber Kollege Baer, dann machen wir eine schlechte Evaluation. Das kann es nicht sein.

Herr Büchel, Sie sprachen vom öffentlichen Beschäftigungssektor. Ich sagte es schon: Wir haben 22,4 % im öffentlichen Beschäftigungssektor und eine Integrationsquote von 14 %. Jetzt erklären Sie mir mal die Sinnhaftigkeit!

Ich erinnere mich genau, wie die Vorsitzende des Arbeitslosenverbandes im rbb ein Statement abgab, als der öffentliche Beschäftigungssektor eingeführt werden sollte. Sie sagte deutlich: Wir haben keine Zeit für Qualifizierung. - Das ist nicht gut. Also kann der öffentliche Beschäftigungssektor die Lösung nicht sein.

Frau Nonnemacher, ich muss mich schon wundern, was Sie zur Novelle auf Bundesebene gesagt haben. Wörtlich hieß es von

Ihnen, die Jobcenter sollten nur fördern, was wirke. Na klar doch! Was sollen sie auch sonst fördern? Wir wollen doch die Leute in Arbeit bringen. Dann müssen die Jobcenter wirklich Geld in die Hand nehmen, um die Leute in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern. Ich weiß gar nicht, wozu die Jobcenter sonst da sind. Sie sind doch nicht zum Verwalten da, sondern dazu, Menschen Arbeit zu vermitteln.

Herr Minister Baaske, Ihr letzter Satz lautete sinngemäß, ob wir den Antrag hier beschließen oder nicht - wir evaluieren sowieso. Ich finde, das ist Ausdruck der Missachtung unserer Arbeit. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag „Neuausrichtung des Arbeitsmarktprogrammes des Landes“ in der Drucksache 5/3181. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Der Antrag ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Aktionsplan für den Mittelstand

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/3177

Der Abgeordnete Bommert eröffnet für die CDU-Fraktion die Debatte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich hätten beim Lesen unseres Antrags bei den Parteien der Regierungskoalition die Herzen etwas höher schlagen müssen; denn sowohl in den Wahlprogrammen der Regierungsparteien als auch im Koalitionsvertrag wird den Handwerks- und Mittelstandsunternehmen besondere Bedeutung zugesprochen. Da sind wir als CDU-Fraktion ganz bei Ihnen; denn Mittelstand und Handwerk sind für uns die Grundpfeiler der Brandenburger Wirtschaft. Wir sind der Überzeugung, dass an dieser Stelle mehr getan werden muss.

(Beifall CDU und FDP)

Im Koalitionsvertrag steht:

„Die Existenzgründung ist nicht mit der Anmeldung eines Gewerbes getan, sondern ein Prozess. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Lotsendienste gestärkt werden, aber auch die Bürgschaftsbank Akzente setzt.“

Leider konnten wir bisher noch keine Änderung oder Stärkung der Lotsendienste feststellen. Wir halten aber den Lotsendienst und die sonstige Unterstützung der Existenzgründer für äußerst wichtig, damit sich feste Firmenstrukturen bilden können und die Betriebe nicht nach kurzer Zeit wieder schließen müssen

bzw. deren Inhaber als Aufstocker enden. Deshalb setzen wir auf die Stärkung des Lotsendienstes.

In einem weiteren Punkt unseres Antrags fordern wir, der Industrie- und Handelskammer und den Handwerkskammern die Möglichkeit zur Durchführung einer rechtsgültigen Gewerbeanzeige zu geben. So könnte den Existenzgründern alles aus einer Hand angeboten werden. Sie müssten nicht von Pontius zu Pilatus laufen. Dies wäre sowohl für die Kammern als auch für die Gründer eine sinnvolle Maßnahme, die den Gründungsvorgang beschleunigen und den bürokratischen Aufwand mindern würde. Damit greifen wir übrigens wieder einen Punkt Ihres Koalitionsvertrages auf: Minderung des bürokratischen Aufwandes.