Protocol of the Session on April 14, 2011

(Beifall CDU und FDP - Frau Alter [SPD]: Die Schüler sind uns wichtig, nicht die Schulen!)

Was die Förderschulen angeht, will ich nur auf zwei Punkte hinweisen: Im Gegensatz zu dem, was im Bildungsbericht behauptet wird, kann dort natürlich ein allgemeinbildender Abschluss erreicht werden; das besagt schon das Brandenburgische Schulgesetz. Nicht zuletzt deshalb wurde die Sonderpädagogik-Verordnung entsprechend angepasst.

Herr Günther, ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass Brandenburg nach Sachsen das Bundesland mit der geringsten Quote der 25- bis 34-Jährigen ohne Schul- oder Ausbildungsabschluss ist. Brandenburg liegt laut Statistik 6 % unter dem Bundesdurchschnitt; „unter“ heißt in diesem Fall „besser“. Bremen als Musterland der Inklusion, das Sie immer wie eine Monstranz vor sich hertragen und hochjubeln, liegt 9 % über dem Bundesdurchschnitt, das heißt, die Situation dort ist schlechter als anderswo. In Bremen haben 25 % der Menschen in der genannten Altersgruppe keinen Schul- oder Ausbildungsabschluss. Daran wird deutlich, dass Ihre Absicht, die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Regel

schulen zu stecken, ohne die Voraussetzungen dafür zu schaffen, in eine Sackgasse führt.

(Beifall CDU und FDP)

Angesichts der Vielzahl von Fakten will ich meine Ausführungen auf drei Brandenburg betreffende Punkte konzentrieren. In dem Bericht wird deutlich, dass es immer noch großen Bedarf an Sprachförderung zum Zeitpunkt der Einschulungsuntersuchung gibt. Im Jahr 2010 wurde bei 23 % aller Kinder Bedarf an Sprachförderung festgestellt; das sind 3 % mehr als 2009. Dieser Befund des Bildungsberichts bestätigt uns in unserer Forderung, dass die Landesregierung endlich reagieren und mehr in die Sprachförderung investieren muss. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum Sie ausgerechnet an dieser Stelle die Möglichkeit zum Gestalten, die Sie als Regierung nun einmal haben, nicht nutzen.

(Frau Große [DIE LINKE]: Die hatten Sie zehn Jahre lang!)

- Frau Große, ich kann Ihnen einmal auflisten, wo ich in den vergangenen zehn Jahren war. Da war ich überall, aber nicht hier.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE - Frau Lehmann [SPD]: Da war Herr Senftleben Ihr Bildungsexperte!)

Fakt ist: Es gibt den Konsens, dass wir auf diesem Gebiet mehr tun müssen. Sie haben die Möglichkeit dazu, machen aber wie immer - nichts. Aus unserer Sicht nimmt die Förderung der deutschen Sprache eine herausragende Stellung ein, denn der sichere Umgang mit der Sprache ist Voraussetzung für das spätere Erlernen des Lesens und Schreibens in der Grundschule. Auch in dieser Hinsicht schneidet Brandenburg im Ländervergleich besonders schlecht ab. Wir liegen insoweit in allen Bereichen unter dem Bundesdurchschnitt. Der Bildungsbericht hat dies unterstrichen.

Darüber hinaus brauchen wir - auch das ist eine Forderung, die wir mit Nachdruck vertreten - eine Erhöhung der Wochenstundenzahl, insbesondere im Fach Deutsch in der Grundschule. Grundschüler in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen haben viel mehr Zeit, ihre Fähigkeiten im Lesen und Schreiben zu entwickeln. In diesen drei Ländern sind es in den Klassen 1 bis 4 zwei Wochenstunden mehr für den Deutschunterricht. Insgesamt haben die Grundschüler in diesen Ländern 70 Stunden mehr Deutschunterricht. Das betrifft aber, wie gesagt, nur den Deutschunterricht. So haben die Kinder in Bayern 455 Stunden mehr zur Verfügung - in Baden-Württemberg sind es sogar knapp 600 Stunden -, um all ihre Begabungen zu entfalten. Der Bildungsbericht bestätigt an dieser Stelle den Handlungsbedarf. Wir fordern Sie deshalb nochmals nachdrücklich auf, endlich mehr für die Sprachförderung zu tun.

Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft den Anteil junger Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen. Dieser ist in Brandenburg deutlich zu gering. Nur 4 % unserer Lehrer sind unter 35 Jahre alt; der Bundesdurchschnitt liegt bei 15 %. Wenn wir, was das angeht, nicht großen Nachholbedarf haben, dann weiß ich auch nicht mehr. Die Landesregierung hatte geprahlt, dass sie für dieses Schuljahr 450 Lehrkräfte neu eingestellt habe. Angesichts dessen ist es für mich erstaunlich, wenn wir in der vergangenen Woche im Bildungsausschuss vom Vertreter des Ministeriums hören mussten, dass der Einstellungskorridor für das nächste Jahre nur bei etwa 150 Lehr

kräften liege. Von kontinuierlicher Nachwuchsgewinnung im Bereich der Lehrkräfte kann hier also nicht gesprochen werden,

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

und das, obwohl wir auf einen großen Lehrermangel zusteuern. Ich kann mir das nur so erklären, dass die Landesregierung an dieser Stelle die Einsparungen vollziehen will, die Markov der neuen Ministerin schon ins Buch geschrieben hat und die sie auch klaglos akzeptiert hat. Wenn man 28 Millionen Euro einsparen will, dann muss man irgendwo anfangen. Ich glaube, Sie fangen hier an. Das ist aus unserer Sicht genau die falsche Stelle.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90 - Bischoff [SPD]: Sagen Sie mal bitte, wo!)

Daraus folgt natürlich, dass sich der Unterrichtsausfall weiter erhöht. Das ist mit dem Anspruch, hochwertige Bildung sicherzustellen, nicht vereinbar.

Das Schulressourcenkonzept ist die wichtigste Planungsgröße für den Umfang der Lehrerstellen. Es sollte bis zum Beginn dieses Jahres überarbeitet vorgelegt werden; das hat der Landtag so beschlossen.

Moment, bitte. - Herr Petke, ich muss Sie sehr bitten, Ihre Fanfotos außerhalb des Plenarsaals zu machen.

Ich habe nichts dagegen,

(Heiterkeit und Beifall SPD)

füge mich aber der Weisungsgewalt. - Aber wie das beim Schulressourcenkonzept - ähnlich wie bei anderen Anträgen, die der Landtag mit Ihrer Mehrheit hier beschlossen hat - so ist: Man fühlt sich vonseiten der Landesregierung nicht daran gebunden. Mittlerweile haben wir April, und das Schulressourcenkonzept lässt weiterhin auf sich warten.

Als letzten Punkt aus dem Bildungsbericht möchte ich den Ausbau von Ganztagsangeboten anführen. Der Bildungsbericht macht deutlich - das haben Sie, Herr Günther, angesprochen -, dass zwar etwas mehr als die Hälfte der Schulen in Brandenburg ein Ganztagsangebot vorhält. Er macht aber auch deutlich, dass dieses Angebot nur von 37 % der brandenburgischen Schüler wahrgenommen wird. Das ist schon eine ziemlich große Diskrepanz zwischen Angebot und Nutzung. Gepaart mit den Ergebnissen der bundesweiten StEG-Qualitätsanalyse sehe ich großen Nachsteuerungsbedarf auch bei diesem Instrument. Die StEG-Analyse weist nämlich nach, dass es insbesondere in den Grundschulen mit Ganztagsangeboten bislang nicht gelungen ist, dass Kinder aus einkommensschwachen bzw. sozial schwächeren Familien dieses Angebot in gleichem Maße wahrnehmen wie Kinder aus ökonomisch bessergestellten Familien. Außerdem verliert die Teilnahme am Ganztag mit zunehmendem Alter an Bedeutung. Das heißt also, die Teilnahme am Ganztag ist in der Sek I deutlich geringer.

Der Bildungsbericht zeigt ganz deutlich, wie unzureichend der Ganztag bislang in Brandenburg angenommen wird. Vieles ist

dabei auf die Rahmenbedingungen zurückzuführen. Ich muss vermuten, dass der Bericht des Bildungsministeriums zum Ganztag vom Januar 2011 mit Absicht - genauso wie Sie eben die Nutzungsquoten des Ganztages verschwiegen hat, weil diese eindeutig zu niedrig sind. In Hamburg gibt es an 97 % der Gymnasien Ganztagsangebote, und diese werden von 96 % der Schüler genutzt. Das ist eine ordentliche Auslastung. In Brandenburg hängen wir dabei eindeutig hinterher.

(Frau Große [DIE LINKE]: Hamburg ist Stadtstaat, wir sind ein Flächenland. Das ist ein Unterschied!)

Der Ganztag wird auch nur dann positive Effekte auf die Lernmotivation und die Entwicklung der Sozialkompetenzen der Schüler haben, wenn die pädagogischen Ganztagskonzepte eine qualitative Steigerung erfahren. Dabei sind gebundene Angebote natürlich effektvoller als offene; allerdings sind sie auch teurer.

Ich sehe, die rote Lampe leuchtet. - Gemessen an diesen Punkten wird schon deutlich, dass die Landesregierung die falschen Prämissen in der Bildungspolitik setzt. Wir brauchen mehr Mittel in der Sprachförderung, und unsere Schüler brauchen mehr Zeit, um ihre Fähigkeiten beim Lesen und Schreiben zu entwickeln. Wir brauchen eine kontinuierliche Nachwuchsgewinnung in der Lehrerschaft und ein qualitativ besseres Angebot im Ganztagsbereich.

All das wären wichtige Hausaufgaben, die durch die Landesregierung angegangen werden müssten. Allerdings ist bisher nicht ersichtlich, wie das geschehen soll. Ich denke, Sie sollten mit dem anfangen, was Sie uns schon lange versprochen haben: mit dem Bericht, der immer noch nicht vorliegt. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ich kann es nur begrüßen, wenn die Abgeordneten die rote Lampe sehen; noch schöner wäre es, sie würden sich nach ihr richten. - Wir setzen mit dem Beitrag der Abgeordneten Große von der Linksfraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie haben in Ihrem Eifer als selbsternannte Bildungspartei diesen Antrag zur Aktuellen Stunde schreiben müssen, bevor der Bericht vorlag und die Ergebnisse bekannt waren. Ich war natürlich guter Hoffnung, dass Sie ihn dann auch lesen. Hätten Sie das getan, dann hätten Sie Ihre Begründung ändern müssen, Herr Kollege Büttner; denn von „Bildungsnotstand“, wie es in Ihrer Begründung heißt, ist in dem Bericht nun wirklich keine Rede. Also: Textanalyse, Textanalyse, Textanalyse. Das ist das erste, bevor man zu guten Ergebnissen kommt.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Zumindest ist das in der Schule so, und hier sollte das auch so sein.

Trotzdem sind wir Ihnen dankbar für das Aufgreifen dieses Themas im Rahmen der Aktuellen Stunde. Das gibt uns Gele

genheit, ein erstes Resümee zu ziehen, auch aus dem, was wir geleistet haben. Der Bericht selbst erhebt den Anspruch - ich zitiere aus dem Vorwort -, „kritische Entwicklungen im Bildungswesen für Politik und Öffentlichkeit erkennbar zu machen und möglichen Handlungsbedarf aufzuzeigen“. Das schreit geradezu nach einer Aktuellen Stunde, und Sie haben diese Möglichkeit genutzt. Mit inzwischen über 400 Seiten hat sich der Umfang des Berichtes im Vergleich zum 1. Bericht, der 2008 erschien, verdoppelt. Er ist eine Fundgrube für uns Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker, und wir sollten ihn auch nach dieser heutigen Aktuellen Stunde nicht weglegen.

Seit der ersten PISA-Untersuchung 2000 und den alle drei Jahre wiederkehrenden jährlichen Ländervergleichen, den Berichten „Bildung in Deutschland“ und den Länderberichten hangeln wir uns quasi von Bericht zu Bericht, immer verbunden mit mehr oder weniger großer medialer Aufmerksamkeit, darauffolgenden Maßnahmenpaketen, ritualisierten Statements „Bildungsnotstand“ usw. -, aber leider mit wirklich zu wenig Bewegung, das möchte ich hier auch sagen.

Seit elf Jahren gibt es ähnliche Befunde: mäßige Qualität, zu viele Schüler ohne Abschluss, zu wenige junge Lehrkräfte, zu niedrige Studierendenquoten, zu wenige Lehrstellen, zu wenige Quoten in der Weiterbildung usw. Mich treibt die Sorge um, inwiefern die auch für mich spannenden Erhebungen geeignet sind, Grundlage für die Verbesserung der Qualität zu sein. Schließlich liegt ein Teil der von den Lehrkräften beklagten erhöhten Arbeitsbelastungen auch in einem überbordenden Berichtssystem begründet. Das, was Lehrkräfte in den Lehreruntersuchungen an Befunden eingeben müssen, ist schon ganz schön heftig.

(Beifall des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Es braucht in der Bildung alles Zeit, das wissen wir; aber genau diese haben wir nicht mehr. Dabei geht es mir, lieber Kollege Büttner, nicht so sehr um den Wettbewerb der Köpfe, sondern um die Lebenschancen der Menschen; aber ich unterstelle Ihnen einmal, dass es Ihnen irgendwo auch darum geht.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich versuche nun, die Befunde herauszupicken, den für uns als Linke daraus resultierenden Handlungsbedarf zu entwickeln und Optionen aufzuzeigen. Neu ist in dem Bericht - Thomas Günther hat bereits darauf verwiesen - , dass er Zusammenhänge zwischen der sozioökonomischen Situation der Eltern, Risikolagen in Familien und dem, was den Kindern im Schulsystem widerfährt, herstellt. Das lassen wir uns als Linke auch nicht wegnehmen. Das muss unser Hauptfokus bleiben. Wenn inzwischen in Brandenburg 46 %, also fast die Hälfte aller Kinder, von Armut betroffen sind, dann ist es eine riesige Herausforderung, die Potenziale dieser Kinder zu heben und damit deren Armutsrisiko für künftige Zeiten zu dezimieren.

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Wir haben gute Betreuungsangebote. Die Betreuungsquote im U3-Bereich, also bei den unter Dreijährigen, liegt bei 51 %, bei den Drei- bis Sechsjährigen bei 95 %. Die Verbesserung des Betreuungsschlüssels war also eine richtige Entscheidung. Im Übrigen gibt es inzwischen bundesweit kein Land, das mehr

für die Kitas ausgibt als Brandenburg. Wir haben zwar immer noch einen schlechten Personalschlüssel, geben aber das meiste Geld aus, weil wir inzwischen mit die beste Betreuungsquote haben.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Besorgniserregend ist dennoch, dass trotz fast fehlender Migrationshintergründe - wir haben hier leider kaum Kinder mit Migrationshintergrund - und inzwischen etablierter Sprachförderung bei den Einschulungsuntersuchungen im Jahr 2010 Herr Hoffmann, Sie verwiesen bereits darauf - immer noch 23 % der Kinder sprachliche Defizite hatten. In Potsdam hat sich dieser Förderbedarf im Berichtszeitraum übrigens erstaunlicherweise verdoppelt. Man muss also noch einmal genau schauen: Was ist hier eigentlich passiert? Natürlich müssen wir auch an die frühkindliche Förderung heran.

Ebenso besorgniserregend ist, dass inzwischen auch in Brandenburg eine sehr ausgeprägte soziale Differenzierung nach Schularten vorhanden ist. Kinder aus Familien mit Risikolagen sind größtenteils an Förderschulen sowie Oberschulen und nur zu 20 % an Gymnasien. Das ist besorgniserregend. Wenn man den Faden weiterspinnt, hin zu den Abschlüssen, stellt man fest, dass inzwischen 97 % der Schüler an Gymnasien das Abitur schaffen, obwohl wir fast 50 % eines Jahrgangs aufnehmen. Das ist doch toll, eine tolle Quote. Es zeigt, dass an den Gymnasien sehr gut gefördert und gearbeitet wird. Es zeigt aber auch, dass die Kinder, die keinen Abschluss schaffen, in anderen Schulen sitzen. Darauf möchte ich hinweisen. Ich blicke zu den Grünen. Einigkeit herrscht zumindest in der Einschätzung, dass dies auch ein strukturelles Problem ist.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir müssen auch über die Strukturen in diesem Land sprechen.

Gesicherte Ergebnisse gibt es diesmal hinsichtlich der Schulvisitation. Immerhin fühlen sich 80 % der Schüler an unseren Schulen wohl. Atmosphärisch ist das alles in Ordnung, jedoch noch nicht so sehr hinsichtlich des Unterrichts. Dort gibt es Probleme bei aktivierenden Arbeitsformen, beim Erklärverhalten der Lehrerinnen und Lehrer usw. Wir sind zumindest hinsichtlich der Evaluation an dem Problem richtig dran.