Protocol of the Session on April 13, 2011

Netzausbau notwendig - verstärkt Möglichkeiten für Erdverkabelung schaffen

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/3015

Der Abgeordnete Domres beginnt die Debatte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kein Thema bestimmt seit Wochen die öffentliche Debatte so sehr wie die Frage, wie künftig die Energieversorgung gestaltet wird. Es geht dabei nicht nur um Brandenburg oder die Bundesrepublik, nein, es geht um die Energieversorgung in Europa und in der Welt.

Klar, im Vordergrund steht die Frage nach den künftigen Energieträgern und wie sich deren Mix gestaltet, also auch die Frage, welche Rolle künftig Atomkraft oder die fossilen Energieträger spielen werden. Eine ebenso intensiv diskutierte Frage ist jene nach dem Ausbau der erneuerbaren Energien und in diesem Zusammenhang natürlich auch nach dem Netzausbau und dem Aufbau von Speicherkapazitäten. Alles hängt eben mit allem auch in der Energiepolitik - zusammen.

In der heutigen Sitzung beraten wir nun wiederholt das Thema Erdverkabelung. Ich darf daran erinnern, dass es einen gemeinsamen Gesetzentwurf von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Landesgesetz gibt. Dazu fand eine sehr interessante Anhörung statt, die aus meiner Sicht nicht alle offenen Fragen klären konnte.

Eine wesentliche offene Frage ist die Frage nach der Regelungskompetenz eines Bundeslandes in puncto Erdverkabelung. Hier bestehen meiner Meinung nach die größten Dissenspunkte auch mit den Bürgerinitiativen. Auf die Frage der linken Bundestagsabgeordneten Dr. Kirsten Tackmann nach den Möglichkeiten der Landesgesetzgebung zum Erlass eines allgemeinen landesrechtlichen Gebots zur Erdverkabelung ant

wortete der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie:

„Nach derzeitiger Rechtslage bestimmen sich die Möglichkeiten der Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen und Hochspannungsleitungen nach § 2 des Energieleitungsausbaugesetzes, § 43 des Energiewirtschaftsgesetzes und § 23 der Anreizregulierungsverordnung. Insoweit sieht die Bundesregierung keinen Spielraum für landesrechtliche Regelungen.“

Der Parlamentarische Beratungsdienst des Bundesrates wiederum teilt in einem Gutachten mit, dass der Bund mit dem Energieleitungsausbaugesetz wohl zu sehr in die Hoheit der Bundesländer eingegriffen habe. Dies kann aber schlussendlich nur vom Bundesverfassungsgericht festgestellt werden. Das kostet Zeit, und die haben wir nicht.

Deshalb hat sich die Koalition entschieden, mit dem vorgelegten Antrag aktiv zu werden und die Landesregierung zu bitten, sich unter anderem im Rahmen der anstehenden Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes dafür einzusetzen, erstens, Hindernisse für die Erdverkabelung im 110-kV-Hochspannungsleitungsbereich abzubauen und Kriterien für die Ermöglichung der Erdverkabelung zu formulieren; zweitens, auf Bundesebene weiter zu versuchen, zusätzlich zu den vier Pilotprojekten weitere volkswirtschaftlich sinnvolle Teilerdverkabelungen auf der 380-kV-Höchstspannungsebene zu ermöglichen; drittens, die Mehrkosten - das ist das Hauptproblem - der Erdverkabelung bundesweit umzulegen und, viertens, dass mehr als die gegenwärtig geltenden 60 % Mehrkosten von Erdkabeln gegenüber Freileitungen von der Bundesnetzagentur anerkannt werden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag bedeutet nicht, wie uns von Vertretern der Bürgerinitiativen vorgehalten wird, „eine klare Absage an ein Brandenburgisches Erdkabelgesetz“. Mit diesem Antrag fällt die Linke auch nicht hinter den Entwurf unserer Fraktion für ein Erdkabelgesetz aus dem Jahr 2008 zurück. Als wir über den damaligen Entwurf diskutierten, gab es das Energieleitungsausbaugesetz noch gar nicht. Es muss ja Gründe geben, aus denen laut dem Schreiben der Niedersächsischen Staatskanzlei vom 03.02.2011 an den Ausschuss für Wirtschaft das Niedersächsische Erdkabelgesetz derzeit keine Anwendung findet. Ebenso weise ich die Unterstellung zurück, dass die Koalition mit diesem Antrag den Bemühungen der Bundestagsfraktionen der SPD und der Linken sowie dem Bundesumweltministerium in den Rücken falle. Wenn der Bundesgesetzgeber eine grundsätzliche Erdverkabelung von 110-kV-Leitungen ermöglichen sollte, indem die anfallenden Mehrkosten im Vergleich zu einer Freileitung bundesweit umgelegt werden, wird dies mit Sicherheit nicht an Brandenburg scheitern, gerade weil das Land in besonders hohem Maße vom Bau von neuen 110-kV-Leitungen betroffen ist.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Föderalismus der Bundesrepublik ist ein hohes Gut. Er kann aber in bestimmten Bereichen durchaus zur Bremse oder zum Hindernis werden. Beim Netzausbau ist dies der Fall. Die Konsequenzen von 16 Landeserdkabelgesetzen mag ich mir nicht wirklich vorstellen. Zudem ist es den Menschen nicht zu erklären, dass sämtliche Lasten für den Ausbau der erneuerbaren Energien durch die Regionen zu tragen sind, in denen dieser Ausbau stattfindet. Ein paar Zahlen zum Vergleich: Während in Brandenburg im vergangenen Jahr 124 Windkraftanlagen installiert worden sind, waren es im Atomstromland Baden-Württemberg

ganze acht. Der Anteil des potenziellen Jahresenergieertrags aus Windkraftanlagen am Nettostromverbrauch beträgt in Brandenburg 42,8 %, in Baden-Württemberg 0,9 %, in Bayern 1 % und in Hessen immerhin schon 2,5 %. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist gesellschaftlicher Konsens und nur eine Frage des Zeitpunktes.

Wie soll also die Stromversorgung der Atomländer aussehen? Vor allem: Wie soll der Strom dorthin kommen? Anstelle von schwarz-gelber Klientelpolitik - wie im Fall Niedersachsen bedarf es gerechter und solidarischer Lösungen bundesweit. Jetzt ist es so, dass die Netzbetreiber die entstehenden Mehrkosten auf die Versorgungsregion umlegen müssen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Kosten für die Endverbraucher. Deshalb ist die Forderung, dass die Mehrkosten der Erdverkabelung bundesweit umgelegt werden, nur berechtigt und im Übrigen ein Beitrag zur Steigerung der Akzeptanz der erneuerbaren Energien. Das hat auch die Anhörung im Wirtschaftsausschuss am 9. Februar 2011 zur Erdverkabelung von Stromleitungen deutlich gemacht. Erdkabel im 110-kV-Hochspannungsbereich entsprechen technologisch dem Stand der Technik, erhöhen die Akzeptanz von erneuerbaren Energien und sind auch ökologisch sinnvoll.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 04.04.2011 fand in Potsdam das Forum „Brandenburg mit Weitblick - Hochspannung unter die Erde!“ statt. Gegenstand der Beratung waren die in Brandenburg neu zu bauenden oder - bei bestehenden Trassen - völlig zu erneuernden Hochspannungsleitungen im 110-kV-Bereich. Die beteiligten Bürgerinitiativen haben eine Resolution verabschiedet, die Ihnen auch zugegangen ist. Darin heißt es:

„Der Landtag möge alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, in Brandenburg die Voll-Erdverkabelung von neuen Hochspannungsleitungen und bereits bestehenden, aber völlig zu erneuernden Hochspannungsleitungen zum Regelfall zu machen.“

Dazu ist zu sagen, dass die Grundlage dafür in einem Bundesgesetz gelegt werden muss und dass aus der Sicht der Koalition die Kriterien für Erdverkabelungen klar benannt werden müssen. Im Moment kann ich mir sehr gut auch eine Bürgerinitiative gegen Erdverkabelung vorstellen - was machen wir dann? Wichtig werden transparente und verlässliche Planungsverfahren sein.

In der Resolution heißt es weiter:

„Die Voll-Erdverkabelung muss schnellstmöglich durch ein Brandenburgisches Erdkabelgesetz geregelt werden. Erst eine bundesweite gesetzliche Regelung zur Voll-Erdverkabelung von 110-kV-Hochspannungsleitungen kann das Landesgesetz ablösen.“

Diesen Konflikt habe ich eingangs schon benannt. Ich verweise ausdrücklich auf die Aktivitäten des Wirtschaftsministers im Rahmen der Wirtschaftsministerkonferenz und im Rahmen der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes.

Der letzte Punkt, den ich aus dieser Resolution anführen möchte, lautet:

„Das Land Brandenburg möge, in Kooperation mit anderen Bundesländern, beim Bund darauf dringen, dass die

Netzkosten für diese Leitungen - wie auf der Höchstspannungsebene - bundesweit umgelegt werden.“

Insoweit herrscht volle Übereinstimmung zwischen der Koalition und den Bürgerinitiativen. Die Mehrkosten einer Erdverkabelung müssen bundesweit umgelegt werden, was nach Schätzungen, die in der Anhörung präsentiert wurden, zu Mehrkosten von lediglich 1 Euro jährlich je Haushalt führen würde. Dazu gehört auch, dass die Bundesnetzagentur von der starren Regelung der Anerkennung von bis zu 60 % Mehrkosten der Erdverkabelung gegenüber Freileitungen abweichen und beispielsweise soziale oder ökologische Gesichtspunkte stärker berücksichtigen können muss.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Sicherheit ist die heutige Debatte zur Erdverkabelung und zum Netzausbau nicht die letzte. Themen wie das Eckpunktepapier für ein Netzausbau-Beschleunigungsgesetz oder auch die Veränderung der Energiestrategien der EU und der Bundesrepublik - morgen steht ein entsprechender Punkt auf der Tagesordnung - werden auch hier weiter diskutiert werden. Der heutige Antrag ist ein Beitrag, der Landesregierung in den Verhandlungen mit dem Bund den Rücken zu stärken. In diesem Sinne werbe ich um Ihre Zustimmung. - Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Domres. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Bretz hat die Möglichkeit.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Zu fortgeschrittener Stunde noch ein Antrag zum Thema Netzausbau. Vorbemerkung von meiner Seite: Wir sind uns einig, dass der Ausbau alternativer bzw. erneuerbarer Energien nur möglich ist, wenn der Netzausbau synchron läuft. Wir als Fraktion haben gestern einen Netzbetreiber besucht. Dort konnten wir uns darüber informieren, wie etwa der Zustand der jetzigen Netze in Brandenburg ist. Ich will das Ergebnis vorwegnehmen, indem ich Ihnen sage, dass ein Großteil der Energie aus alternativen oder erneuerbaren Formen nicht eingespeist werden kann, weil die gegenwärtigen Netze das gar nicht zulassen.

(Görke [DIE LINKE]: Weil dort Atomstrom drin ist!)

- Herr Kollege Görke, sparen Sie sich die Energie für Zwischenrufe auf; es kommt noch besser. - Nun leben wir in sonderbaren Zeiten. Wir hatten eine Anhörung zum Thema Erdverkabelung. Bevor die Ausschüsse überhaupt eine Stellungnahme zu diesem Thema erarbeiten konnten, hatte die Koalition schon einen Antrag vorgelegt. Der Vorsitzende der Fraktion der SPD, Herr Holzschuher, wird mit den Worten zitiert:

„Wir“

- also Ihre Koalition

„tun etwas für Erdverkabelung. Wir tun etwas, um den Netzausbau voranzubringen.“

Was haben Sie erreicht, meine Damen und Herren von der Koalition? Sie haben erreicht, dass diejenigen, die sich vor Ort mit dem Thema Erdkabel befassen, nämlich die Bürgerinitiativen, uns Abgeordneten ein Schreiben geschickt haben, in dem sie feststellen, dass der Antrag der Koalition aus SPD und Linken Fehler enthalte - so die Stellungnahme der Bürgerinitiativen - und noch dazu Widersprüche. Das, was Sie von der Koalition mit Ihrem Antrag eigentlich beabsichtigt haben, ist komplett in das Gegenteil umgekippt.

(Beifall CDU)

Kommen wir zum Punkt! Ich finde es schade, dass Sie den Antrag so, wie Sie ihn formuliert haben, heute vorlegen; denn ich kann Ihnen sagen, dass die CDU-Fraktion viel mehr an vernünftigen Regelungen - die möglich sind! - interessiert ist, als Sie es uns vielleicht unterstellen. Auch die CDU-Fraktion ist nicht gegen Erdkabel. Wir sind aber nicht für Erdkabel im Sinne von Ausschließlichkeit. Das hielten wir für falsch.

Nächster Punkt: Wir wissen seit der Anhörung, dass das Land Brandenburg im 110-kV-Hochspannungsbereich sehr wohl eigene Mechanismen und Grundlagen nutzen kann, um den entsprechenden Ausbau eigenständig voranzutreiben. Wie aber sieht der große Wurf der Koalition aus SPD und Linken aus? Ich darf dazu aus Ihrem Antrag vorlesen:

„Die Landesregierung wird gebeten, sich... im Rahmen der anstehenden Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes... dafür einzusetzen, dass: Hindernisse für eine Erdverkabelung... abgebaut und Kriterien für die Ermöglichung der Erdverkabelung formuliert werden...“

Herr Abgeordneter Bretz, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Domres zu?

Bitte, Herr Domres.

Herr Kollege Bretz, Sie haben zu Recht gesagt, Brandenburg habe schon heute Möglichkeiten, Teilerdverkabelungen durchzuführen. Können Sie mir bitte erläutern, wie mit den dadurch entstehenden Mehrkosten verfahren werden soll?

Dazu komme ich noch, Herr Kollege Domres. Das werde ich Ihnen ausreichend erläutern, wenn ich zum zweiten Punkt Ihres Antrags spreche.

Ich will Folgendes sagen: Bevor wir uns über die Kostenfrage unterhalten, wäre es doch wohl das Mindeste gewesen, wenn diese Koalition, wenn diese Regierung einmal gesagt hätte, nach welchen Kriterien sie Erdkabel will. Sie sagen: Andere sollen diese Kriterien entwickeln. Wie glaubwürdig ist denn das, was Sie uns hier vorlegen,

(Beifall CDU)

wenn Sie dort, wo Sie Verantwortung tragen, wo Sie etwas Konkretes vorlegen können, sagen, die Kriterien dafür sollen andere erstellen?

Meine Damen, meine Herren! Das ist ein Beispiel für Überflüssiges, das ist ein Beispiel für die Galerie. Das ist jedenfalls nichts Konkretes und schon gar kein Beitrag zur Lösung.

Jetzt sind wir bei den Kosten. Ich finde es bemerkenswert: Sie wollen - wie ich Ihren Antrag verstanden habe -, dass die Verlegung von Erdkabeln kostenseitig anders durchdacht wird. Wenn die rot-rote Landesregierung und die Koalitionsfraktionen sagen, dass sie Erdkabel wollen, dann müssen sie auch erklären, wie sie es bezahlen wollen, denn der, der bestellt, muss auch überlegen, wie er es bezahlt.

(Beifall CDU)