Einsetzung einer Enquete-Kommission „Kommunalund Landesverwaltung - bürgernah, effektiv und zukunftsfest - Brandenburg 2020“
Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE der Fraktion der CDU der Fraktion der FDP der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wahl des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden der Enquete-Kommission „Kommunal- und Landesverwaltung - bürgernah, effektiv und zukunftsfest - Brandenburg 2020“
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Demografiefaktor, Finanzen 2019 - das kann schon keiner mehr hören. Trotzdem werden wir uns damit beschäftigen müssen; denn dazu sind wir hier, dazu sind wir gewählt. Es wird unsere Entscheidung sein, was in Brandenburg passiert.
Frau Nonnemacher, Sie haben letztens, als es um Brand- und Katastrophenschutz ging, gesagt: „Das ist ja ein Demografiebericht!“ Richtig. Alles, was wir in Zukunft in Brandenburg tun, wird etwas mit Demografie zu tun haben, nichts bleibt davon unberührt.
Es herrscht Einigkeit in allen Fraktionen, unabhängig davon, ob Opposition oder Koalition, dass Handlungsbedarf besteht. Es ist aus meiner Sicht eine der wichtigsten Voraussetzungen, wenn man über dieses Thema spricht, auch mit den Bürgern, dass Politik gemeinsam sagt: Hier müssen wir etwas verändern. Diese Einigkeit, die wir hier, was den Veränderungsbedarf betrifft, haben, gibt es überwiegend im Land. Fragen Sie in der Prignitz, schauen Sie sich die Diskussionen um Luckau, um das Amt Sonnenwalde dort, an. Genau das sind die Punkte, wo die Menschen sagen: Es funktioniert so, wie es im Moment ist, nicht mehr.
Das war einmal anders. Wir hatten Wahlkämpfe zu Zeiten, als es um die Gemeindegebietsreform und Ähnliches ging, wo man den Dissens als Wahlkampfmittel gebraucht hat, um zu sagen, was man denn nicht tun möchte und wie schlimm die anderen seien Das ist, glaube ich, zumindest in diesem Bereich vom Tisch.
Wenn wir eine solche Enquetekommission bilden, sollten wir uns keinerlei Denkverbote auferlegen, etwa in Richtung künftige Aufgabenwahrnehmung - welche Ebene nimmt die Aufgaben wahr? -, und in Richtung künftiger Strukturen, das heißt, wie Strukturen im kommunalen Bereich und in der Landesverwaltung aussehen. Auch das wird davon berührt werden.
Was wir aber alle gemeinsam machen müssen, ist Folgendes: Wir müssen dafür sorgen, dass öffentliche Aufgaben in Zukunft effizient - mit „effizient“ meine ich kostengünstig - und bürgernah erfüllt werden. Wenn ich von Bürgernähe spreche,
dann geht es nicht um Verwaltungsstandorte, sondern darum, dass dort Beratung und Entscheidung stattfindet, die der Bürger nachvollziehen kann und die schnell erfolgt, damit er nicht ewig auf Bescheide warten muss.
Das verstehe ich unter Bürgernähe. Bürgernähe resultiert aus der Qualität von Verwaltung. Unter Bürgernähe verstehe ich nicht die Entfernung zu Verwaltungsstandorten. Um es an dieser Stelle einmal zu sagen: auch nicht zu Gerichtsstandorten.
Verwaltung wird nach wie vor Geld kosten. Das ist so. Deutschland wird sein Geld in Zukunft aber in hohem Maße brauchen, um seine Sozialsysteme zu sichern. Die Brandenburger werden daneben Geld für die Erfüllung der kommunalen Aufgaben brauchen. Deswegen muss Verwaltung so gering wie möglich gehalten werden. Anders wird es nicht funktionieren, für anderes werden wir das Geld nicht haben. Verwaltung hat Lohnkosten, Sachkosten, Gebäudekosten, Betriebskosten. Verwaltung verursacht Pensionskosten, wenn es Beamte sein müssen. Um diese Kosten geht es. Wenn wir dort nicht einsparen, werden wir kein Geld für Bildung und ähnliche Dinge haben.
Wenn man so etwas angehen will - Verlagerung von Aufgaben, Veränderung und gegebenenfalls Einsparung von Verwaltung -, dann muss man die Betroffenen mitnehmen. Betroffen ist der ganz normale Verwaltungsangestellte, der sagt: Oi! Dann kommen ja noch mehr Aufgaben auf mich zu. Wie soll ich das denn schaffen?
Betroffen ist eventuell ein gewählter Bürgermeister, der seine Lebensplanung darauf abgestellt hat, aber in der künftigen kommunalen Struktur mit seiner bisherigen Funktion vielleicht nicht mehr vorkommt.
Diese Menschen müssen wir mitnehmen. Wir werden auch jene mitnehmen müssen, die Ängste haben, etwa davor, dass vor Ort gar nichts mehr stattfindet, wenn der nächste Verwaltungsstandort nicht in 10 oder 20 km Entfernung zu erreichen ist.
Ich könnte noch viel sagen, aber die Redezeit ist zu Ende. Ich denke, mit der Gemeinsamkeit, die wir herstellen konnten, sind wir auf einem guten Weg. Ich freue mich auf die Arbeit der Kommission.
Als Letztes noch ein Wort zur Begründung, warum das Jahr 2020 ausdrücklich festgeschrieben worden ist. Herr Petke, ich gebe Ihnen Recht: Die Menschen müssen wissen, woran sie sind. Spätestens 2020 werden wir Strukturveränderungen vollzogen haben müssen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schippel, auch für den Respekt vor der roten Lampe, wenngleich er spät kam.
Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Petke, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich möchte mich zuerst für die Zusammenar
beit in den vergangenen Wochen, die zu dem vorliegenden Antrag geführt hat, bedanken. Es ist im politischen Leben keine Selbstverständlichkeit, dass wir - wie heute - einen Antrag verabschieden, den die Vorsitzenden aller im Landtag vertretenen Fraktionen unterzeichnet haben.
Wir nehmen hier als Abgeordnete eine Aufgabe wahr, für die wir von den Menschen in Brandenburg gewählt worden sind. Auch ohne die demografische Entwicklung und ohne die veränderten finanziellen Grundlagen für den Haushalt in Brandenburg wären wir in den nächsten Jahren gefordert gewesen, die Strukturen im Land zu verändern.
Kollege Schippel hat es vollkommen zu Recht angesprochen: Die Menschen erwarten einen leistungsfähigen Staat. Die Menschen erwarten einen bezahlbaren Staat. Sie erwarten einen Staat, der ihnen, den Menschen in Brandenburg, auch die Chance gibt, eine Karriere im öffentlichen Dienst anzustreben.
Ich will hier nicht zuvörderst auf die Defizite eingehen. Ich weiß nur, dass wir im Gegensatz zur letzten Gemeindegebietsreform, die wir gemeinsam gestaltet haben - darüber ist hier im Landtag sehr strittig diskutiert und abgestimmt worden -, heute vor Ort eine andere Situation haben. Die Veränderungsnotwendigkeit wird nicht mehr infrage gestellt, sondern die Beteiligten auf der kommunalen Ebene diskutieren untereinander, wie man gemeinsam Verantwortung für den jeweiligen Bereich und das Land Brandenburg insgesamt wahrnehmen kann.
Wir wollen auch nicht - das sage ich ausdrücklich für unsere Fraktion -, dass eine Partei Vorschläge macht und die anderen Parteien sich danach zu richten haben. Wir wollen, dass dieses wichtige Thema, dieses Zukunftsthema für Brandenburg, in der Enquetekommission offen diskutiert wird und dass man nach der Diskussion zu gemeinsamen Beschlüssen kommt.
Ich lade die Menschen in Brandenburg ausdrücklich dazu ein, sich an der Diskussion zu beteiligen. Diese Einladung richte ich ausdrücklich auch an die kommunale Ebene, die Landkreise, die Städte, die Gemeinden und Ämter. Wir brauchen diese Gemeinsamkeit in der Diskussion, um für die notwendige Akzeptanz zu sorgen, wenn es darum geht, die Vorschläge der Enquetekommission bis zum Jahr 2020 umzusetzen.
Besonderes Augenmerk werden wir darauf legen, wie es denn um die Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen steht. Darüber ist schon unter Tagesordnungspunkt 5 von den Kollegen diskutiert worden. Wir sind der Meinung, dass wir den Kommunen durchaus mehr zutrauen können, wenn es darum geht, dass die Dinge vor Ort erledigt werden, nah am Menschen, nah am Brandenburger, nicht aber von einer fernen Verwaltung. Das entspricht einer Kernbotschaft der Union, dem Subsidiaritätsprinzip. Auch dieses werden wir in die Beratungen der Enquetekommission einbringen.
Als besonders sensibel und vielleicht auch schmerzhaft wird sich die Beantwortung der Frage nach den Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen erweisen. Ich bin dem Kollegen Schippel dankbar, dass auch er dazu aufgerufen hat, tabulos zu diskutieren. Das betrifft nicht nur die Strukturen, sondern auch weitergehende Fragen. Neben der Aufgabenkritik geht es etwa darum, ob die Ausgestaltung der Finanzbeziehungen in Brandenburg gerecht ist, aus Landessicht und aus kommunaler Sicht. Auch diesem Thema werden wir uns nähern.
Meine Damen und Herren! Wir wollen eine offene und faire Diskussion. Vor allen Dingen wollen wir nicht eine Diskussion hinter verschlossenen Türen. Das Thema wird uns im Landtag lange beschäftigen. Dafür braucht man ein Stück weit Ausdauer. Am wichtigsten wird es sein, dass ein gemeinsames Ergebnis - so es möglich ist - vorgelegt wird und dass die Verantwortung, was die Umsetzung bis zum Jahr 2020 betrifft, auch wahrgenommen wird.
Brandenburg wird sich verändern. Frau Dr. Ludwig und ich sind in der Pressekonferenz gefragt worden, ob wir die neuen Strukturen denn schon kennen. Wir haben geantwortet: Die kennen wir freilich nicht. Aber wir sind uns sicher, dass das Land so, wie es heute verfasst ist, in den nächsten Jahren nicht mehr verfasst sein wird. Es wird Veränderungen geben.
Dieser Landtag hat den Mut, die Herausforderung anzunehmen und gemeinsam mit den Menschen im Land Neues umzusetzen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Petke. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wird die dritte Enquetekommission in der 20-jährigen Geschichte dieses Landtages auf den Weg gebracht. 1997 war auf Antrag von SPD und PDS die erste Enquetekommission zu dem Thema „Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg“ gebildet worden, die im Ergebnis ihrer Arbeit das Modell der brandenburgischen Amtsgemeinde entwickelte. Das Vorhaben ist allerdings nicht umgesetzt worden, da die rotschwarze Koalition schnurstracks auf eine Gemeindegebietsreform zusteuerte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass es heute einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen gibt, denn die Kommission wird nur erfolgreich sein, wenn alle dazu beitragen. Die gemeinsam formulierten Arbeitsschwerpunkte sind nicht nur umfangreich, sondern auch sehr anspruchsvoll. Insofern ist der Kompromiss auch unbefriedigend. Mir erschließt sich nach wie vor nicht, warum die anderen Fraktionen nicht willens waren, eine große Enquete einzurichten, also - wie bei der ersten Enquete 1997 oder in den Ausschüssen des Landtages - mit zehn Abgeordneten, und dementsprechend mit bis zu zehn Experten zu arbeiten.
Es lohnt sich aber nicht, weiter Motivforschung zu betreiben. Ich freue mich, dass es wenigstens gelungen ist, für die kommunalen Spitzenverbände - Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund - den Status als stimmberechtigte Mitglieder der Kommission zu sichern; das war nicht selbstverständlich.
Mit dieser ersten Kontroverse verbindet sich die prinzipielle Frage, mit welchem Selbstverständnis die Enquetekommission
indem von Anfang an kompetente Vertreter der kommunalen Ebene mit am Tisch sitzen, gleichberechtigt mitreden und ihre Erfahrungen und Vorstellungen unmittelbar in die Diskussion einbringen. Das gebietet der Respekt gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung.
Wir lassen uns vom Grundsatz des Vertrauens in die Kraft der kommunalen Selbstverwaltung leiten. Wenn jetzt schon wieder darüber geredet wird, wie lang denn eine Freiwilligkeitsphase für die nächste Gemeindegebietsreform sein soll und wann die gesetzliche Phase des zwangsweisen Zusammenschlusses beginnen soll, halten wir das für völlig verfehlt. Wir gehen davon aus, dass die Organe der kommunalen Selbstverwaltung ihre Verantwortung wahrnehmen und sich auf die Herausforderungen des demografischen Wandels und die Zuspitzung der finanziellen Situation einstellen. Sie müssen darin bestärkt und unterstützt werden, Ihrer Eigenverantwortung gerecht zu werden. Dafür hat das Land die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sichern. Die Enquetekommission soll Voraussetzungen für künftige Strukturen, Aufgabenverteilungen und Arbeitsweisen von Verwaltungen im Land Brandenburg schaffen.