Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Sommer 2010 ging bekanntermaßen ein Schrecken durch die Wissenschaftslandschaft Brandenburg, ausgelöst durch einen Vertrauensbruch zwischen Politik und Wissenschaft. Ich sage
absichtlich „Politik und Wissenschaft“, nicht „Landesregierung“, weil Sie als Parlamentarier hier ordentlich mitgezogen haben zumindest die Mehrheit. Ja, wir haben schon mehrfach hier darüber diskutiert, und ja, wir haben es noch einmal auf der Tagesordnung, weil das Problem nicht gelöst ist.
Vor allem machte sich damals an der Universität Potsdam laute Kritik breit, als sich die rot-rote Landesregierung dazu entschied, ihren Haushalt auf Kosten der Hochschulen des Landes Brandenburg zu sanieren, indem sie sich aus den Rücklagen bediente. In den Medien konnte man beispielsweise lesen: „Die Uni Potsdam ist finanziell stehend k. o.“ und „Dass die Regierung diese Vereinbarung getroffen hat, verstößt gegen ein zentrales Element der Hochschulautonomie.“ Quelle beider Zitate: „ZEIT ONLINE“. Die „Zeit“ ist ein SPD-nahes Blatt.
Sehr geehrte Frau Prof. Kunst, auch Sie haben am 19. Januar 2011 in Ihrer Neujahrsansprache darauf hingewiesen, dass die Abgeordneten des Landtages und die Mitglieder der Landesregierung dafür zu sorgen hätten, dass die Rahmenbedingungen für einen möglichst reibungslosen Betrieb der Hochschulen im Land gesichert sind. Diese Sicherung der Rahmenbedingungen bedeutet, dass die Autonomie der Hochschulen gewahrt werden muss. Das betrifft besonders die Wahrung der Finanzautonomie, das wichtigste Instrument der erfolgsorientierten Hochschule.
Im Jahr 2007 war sich die Landesregierung dessen noch sehr bewusst: Als der Hochschulpakt II unterschrieben wurde, sicherte man Brandenburgs Hochschulen mehr Autonomie für eine bessere Leistung und Wettbewerbsfähigkeit zu. Die Hochschulen legten ihre eigene Strategie fest, wie Investitionen getätigt werden sollten, und dies nach den Erfordernissen der Zeit und nicht nach den Erfordernissen eines temporären politischen Willens oder eines Landeshaushalts. Nun sind die erfolgreichen Drittmitteleinwerbungen, wichtige Forschungsprojekte und die Qualität der Lehre in vielen Bereichen gefährdet. Damit legen Sie, meine Damen und Herren von SPD und die Linke, offen, dass die Priorität Bildung wohl doch nicht so prioritär ist, wie es im Koalitionsvertrag steht - ebenso wie übrigens auch der plakative Antrag im Februar-Plenum, der gut gemeint war, aber die finanzielle Untersetzung nicht berücksichtigt hatte.
Sie selbst schreiben, dass in die Wissenschaft investiert werden muss. Aber, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, wenn man jemandem die Mittel wegstreicht, ist das ganz bestimmt keine Investition - im Gegenteil, es demotiviert vor allem Wissenschaftler. Der Streit um die Rechtsverbindlichkeit des Hochschulpaktes zeigt auch, dass Ihre eigene politische Erklärung das Papier nicht wert ist, auf dem es steht. Wir fordern daher, dass der Hochschulpakt in Form eines rechtsverbindlichen Vertrages neu gestaltet wird und dies umgehend und mit oberster Priorität geschieht.
Brandenburg erlebt eine kritische demografische Entwicklung. Wir sind auf jeden Menschen mit Ideen angewiesen; ich betone: auf jeden - nicht nur auf jeden jungen, sondern auf jeden Menschen jeden Alters mit Ideen. Wir brauchen Fachkräfte in Brandenburg, und die Hochschulen des Landes stellen dabei einen wichtigen Standortfaktor dar. Studenten, Doktoranden, Wissenschaftler werden aber nur nach Brandenburg kommen, wenn sie eine gute Qualität der Lehre sowie Möglichkeiten der Forschung erwarten und sich selbst verwirklichen können. Wenn ein Wissenschaftler nicht die notwendigen Voraussetzungen in Brandenburg vorfindet, wird er sich verständlicherweise für ei
nen anderen Standort entscheiden, genauso wie sich Studenten dann für andere Standorte entscheiden; denn Studenten und Professoren können sich den Standort weitestgehend selbst aussuchen. Entscheiden sie sich nicht für Brandenburg, ist hier der Wettbewerb um die besten Köpfe gefährdet.
Darum, Frau Ministerin Kunst: Lassen Sie sich nicht verbiegen, bleiben Sie bei Ihrer Meinung, wie Sie sie vorher geäußert haben! Bleiben Sie dabei - auch wie es Ihr ehemaliger Kollege, der Präsident der Potsdamer Filmhochschule, Dieter Wiedemann, gewünscht hat! Kämpfen Sie dafür, dass Brandenburg in Forschung und Wissenschaft investiert! Wir sind da bei Ihnen, wir unterstützen Sie dabei. Lassen Sie uns an einer neuen Partnerschaft von Politik und Wissenschaft - auch in diesem Ausschuss - gemeinsam arbeiten! - Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lipsdorf. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Melior hat das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe Ihnen beim letzten Mal, als wir hier über die Entnahme aus der Rücklage der Hochschulen debattierten, versprochen, dass ich die Anträge der Opposition mitzähle, Herr Schierack. Wir sind jetzt bei Nummer 4. Ich habe einmal ausgerechnet, wie viele Quadratmeter Papier Sie damit beschrieben haben: Es sind 22! Ich habe Ihnen auch gesagt, dass ich damit einmal ein Zimmer tapezieren werde; zwei Wände habe ich damit bereits voll.
Um jetzt nicht nur polemisch über diesen Antrag herzufallen, sondern auch in der Sache noch einiges beizutragen, möchte ich sagen: Wir haben alle Argumente hinreichend ausgetauscht. Es gibt lediglich zwei neue. Das eine heißt: Sie wollten unsere neue Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur mit diesem Antrag hier so richtig vorführen. Das finde ich uncharmant, primitiv und an der Sache vorbei.
Das ist einer Opposition unwürdig. Da fragt man sich als Abgeordnete, welche Rolle eine Opposition überhaupt im Landtag Brandenburg hat.
Die Opposition hat durchaus eine wichtige Rolle im politischen System. Ich bin fündig geworden - nicht genau im Grundgesetz, aber immerhin im „Bürgerkommentar“ zum Grundgesetz, nämlich von Christof Gramm und Stefan Pieper. Wir wissen alle: Es ist ganz wichtig, korrekt zu zitieren; dies will ich jetzt hier tun:
Kritik haben Sie jetzt hinreichend geübt. Kontrollieren können Sie weiterhin gerne. Aber die politischen Alternativen, meine Damen und Herren von der Opposition, die vermissen wir. Auf die sind wir gespannt und auf die freuen wir uns. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Melior. - Die Aussprache wird nunmehr fortgesetzt mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Prof. Dr. Schierack hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Abgeordnete! Die Intention des FDP-Antrages teilt die CDU-Fraktion, weil der Antrag den Kern der Stimmung in der Hochschullandschaft trifft. Diese Stimmung spiegelt sich in einer Enttäuschung über den damaligen Eingriff in die Hochschulrücklagen, den Bruch des Hochschulpaktes II, wider. Es besteht nach wie vor ein Vertrauensverlust zwischen der Regierung und der Hochschulrektorenkonferenz; das ist unbenommen. Weil Sie gerade vom Vorführen sprachen, Frau Melior, bitte ich Sie, einmal auf die Seite der ['solid] zu schauen, wie die Präsidentin, als sie designiert worden war, als neue Wissenschaftsministerin begrüßt wurde.
Die Rektoren haben schon ein Recht, zu erfahren und zu wissen, welche Auffassung die neue Ministerin zu diesem Thema hat. Sie hat sich immerhin sehr protegiert in der Auseinandersetzung mit der damaligen Hochschulministerin verhalten. Immerhin war sie diejenige, die die juristische Auseinandersetzung zwischen der Landesregierung und den Hochschulen in diesem Land besonders forciert geführt hat.
Dennoch, meine Damen und Herren, werden wir dem Antrag nicht zustimmen. Das machen wir aus rein formalen Gründen. Wir werden uns enthalten; das werde ich auch kurz begründen. Ich gebe Ihnen Recht: Wir haben dieses Thema schon mehrfach hier behandelt. Es gab einen Antrag im Sommer 2010, als wir das bereits hoch- und runterdiskutiert haben. Wir haben damals den Antrag gestellt, die Einhaltung des Hochschulpaktes II zu gewährleisten - dieser ist mit Ihrer Mehrheit abgelehnt worden. Außerdem hatten wir eine Haushaltsdiskussion im Herbst des letzten Jahres. Dabei ist dieser Haushalt, wo diese Eingriffe in die Rücklagen manifestiert sind, angenommen worden. Es besteht ein Gesetz, und es macht meines Erachtens wenig Sinn, der Hochschullandschaft Hoffnung zu machen, dass man solch ein Gesetz hier einfach verändern könne. So einfach ist es nicht, meine Damen und Herren.
Das würden wir nur tun, wenn es tatsächlich einen Nachtragshaushalt geben würde; dann würden wir dies vielleicht noch einmal aufs Tableau setzen. Fakt bleibt aber, meine Damen und Herren: Rot-Rot hat den Hochschulpakt gebrochen, Rot-Rot hat den Rücklagen der Hochschulen 10 Millionen Euro entnommen, hat damit in der Hochschullandschaft das Vertrauen erschüttert und die Planungssicherheit für unsere Hochschulen aufgegeben.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass wir das in dieser Aussprache auch klären. Ich frage die Ministerin: Wie steht sie denn heute zur Rechtsverbindlichkeit des Hochschulpaktes II? Das dürfen wir doch fragen. Wir können auch fragen: Wie sieht sie aus heutiger Sicht die Entnahme der Hochschulmittel, und wie bewertet sie heute das Gutachten, das damals die Hochschulrektorenkonferenz in Auftrag gegeben hat? Das würden wir gerne wissen. Das sind interessante Fragen, und diese möchte ich gern heute beantwortet haben. - Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Prof. Dr. Schierack. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Jürgens.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorhin hat der Kollege Vogel hier gestanden und beim vorherigen Tagesordnungspunkt anfangs gesagt, er habe das Gefühl, er sei in einer Zeitschleife, und er hat den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ zitiert. Genau dasselbe Gefühl habe ich bei diesem Antrag auch.
Herr Lipsdorf, ich finde, Sie haben mit diesem Antrag insofern ein kleines Problem, als Sie - meine Kollegin Melior ist schon darauf eingegangen - angesichts dessen, was die FDP wissenschaftspolitisch bundesweit tut und an Vorschlägen bringt, der FDP keinen großen Gefallen tun, weil Sie hier im Landtag ständig nur ein einziges Thema vorantreiben, und das ist dieses, über das wir mit diesem Antrag reden. Seien Sie doch einmal etwas offener und schauen Sie sich an, was die FDP sonst so an wissenschaftspolitischen Vorschlägen macht. Dann können wir hier einmal über ein paar andere Sachen diskutieren als ständig über das gleiche Thema.
Die inhaltliche Debatte zu diesem Punkt hat stattgefunden; das hat auch Herr Prof. Schierack gesagt. Der Rückgriff hat durchaus dem Vertrauen geschadet. Auch die Kommunikation mit den Hochschulen war bei diesem Thema nicht optimal. Aber hier zu behaupten, dass das ein Angriff auf die Autonomie wäre oder dass davon gar eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen ausgehen würde, ist doch an den Haaren herbeigezogen.
Die Hochschulen in Deutschland, meine Damen und Herren, sind deutlich besser für den Wettbewerb aufgestellt, als dass sie in Gefahr wären, wenn man ihnen die 10 Millionen Euro wegnimmt. Trotzdem hat dieser Griff in die Rücklagen natürlich dem Vertrauen zwischen Politik und Hochschulen geschadet; das steht außer Zweifel.
Weil hier von fehlender Planungssicherheit gesprochen wurde, möchte ich noch einmal auf einen Punkt eingehen. Im Januar dieses Jahres, Herr Lipsdorf, hat die damalige Ministerin Münch den Hochschulpakt III verabschiedet. In diesem Hochschulpakt III stehen folgende zwei Sätze:
„Mit dem Abschluss dieser Vereinbarung streben Hochschulen und MWFK eine hohe Verbindlichkeit der vereinbarten Handlungsfelder und Maßnahmen an.“
„Zugleich besteht Einigkeit darüber, dass die Vereinbarung nicht dem Zweck einer Detailsteuerung des Mitteleinsatzes dient, sondern dass den Hochschulen ein hohes Maß an Flexibilität und Planungssicherheit bei der Erreichung der angestrebten Ziele zur Verfügung steht.“
Dieser Pakt ist im Januar unterschrieben worden. Es stehen die Namen aller Rektoren darunter, abgesehen von der FH Wildau, da hat „nur“ der Vizepräsident unterschrieben. Sonst sind alle Präsidenten und Rektoren hinter diesem Hochschulpakt vereinigt. In diesem Sinne, glaube ich, sind die Hochschulen sehr wohl mit dem einverstanden, was es an Maßnahmen und Vorschlägen gibt, um für sie Planungssicherheit herzustellen.
Insofern widerspreche ich Ihrer Behauptung, dies würde der Planungssicherheit widersprechen, ganz bewusst. Es gibt Planungssicherheit für die Hochschulen. Das beweist allein der Hochschulpakt III, den wir aktuell haben. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jürgens. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält die Abgeordnete von Halem.
Verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stehaufmännchen sind Figuren mit abgerundeter Unterseite, deren Schwerpunkt extrem tief liegt. Verabreicht man einem Stehaufmännchen eine Ohrfeige, richtet es sich sofort mit unveränderter Geisteshaltung wieder auf. Der vorliegende Antrag scheint ebenso wie der vorhin zum Ladenöffnungsgesetz diskutierte von einer solchen Figur verfasst zu sein.