Protocol of the Session on February 24, 2011

(Bischoff [SPD]: Noch nicht mal Mindestlöhne!)

Wir haben also ein strukturelles Problem, welches angegangen werden muss. Zum Beispiel waren die Vätermonate eine Möglichkeit dafür oder die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum Beispiel durch das audit berufundfamilie oder das Elterngeld insgesamt.

Lassen Sie mich schließlich noch etwas zur geforderten Frauenquote sagen. Wir können gleichstellungspolitische Ziele mit der Brechstange durchsetzen. Damit behandeln wir aber nur die Symptome und nicht die Ursachen.

(Beifall FDP und CDU)

Vernünftige und lösungsorientierte Politik konzentriert sich auf die Ursachen. Diese Ursachen müssen wir angehen und nicht die Frage, wie wir mit gesetzlichen Vorgaben Frauen in Führungspositionen bringen. Das wird im Übrigen auch dem Selbstbewusstsein der Frauen nicht gerecht.

Lassen Sie uns den Internationalen Frauentag zum Anlass nehmen, als Frauen selbstbewusst und eigenverantwortlich unsere Zukunft zu gestalten, und lassen Sie uns in der Politik für die notwendigen Rahmenbedingungen sorgen, ohne eine reine symptomorientierte Politik zu betreiben! - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP und CDU)

Wir setzen die Beratung mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Es spricht Minister Baaske.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein ausdrückliches Dankeschön an Frau Nonnemacher und die Fraktion der Grünen dafür, dass sie heute diesen Punkt als Thema der Aktuellen Stunde gewählt haben - in der Tat ein spannendes Thema am Vorabend des 8. März. Sich heute einmal darüber zu unterhalten halte ich für vollkommen richtig.

Anlass „100 Jahre engagierte Frauenbewegung“ - das finde ich gut. Es geht nach wie vor um das Ringen um eine solidarische Gesellschaft, um gleiche Bildungschancen, um gleiche Rechte auf dem Arbeitsmarkt, es geht um Equal Pay, also gute Entlohnung, um sexuelle Selbstbestimmung, es geht um die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder, es geht aber auch um Solidarität, es geht um Gerechtigkeit.

Liebe Frau Vogdt, in den Parteidokumenten von vier Parteien, die hier im Landtag vertreten sind - ich habe das gestern Nachmittag einmal gegoogelt -, ist Gerechtigkeit als ein Grundwert festgeschrieben. Bei Ihnen ist das nicht so, und das hat man auch eben wieder an Ihrer Rede angemerkt. Es geht auch um Solidarität. Dieses Wort haben drei von den hier im Landtag vertretenen Parteien in ihren Grundwerten verankert.

Deutschland hat seit 100 Jahren eine sehr engagierte Frauenbewegung. Ich bin Herrn Holzschuher sehr dankbar dafür, dass er darauf hingewiesen hat, dass die Frauenbewegung schon wesentlich älter ist und nicht unbedingt in Deutschland, sondern in ganz anderen Ecken Europas geboren ist. Zum Beispiel gab es in Frankreich und England eine sehr aktive Frauenbewegung.

Es geht darum, dass man sich anschaut, was in diesen letzten 100 Jahren passiert ist. Die Frauen wollten schon lange nicht mehr das „Heimchen am Herd“ sein. Das haben sie in den letzten 100 Jahren sehr eindrucksvoll gezeigt. Es ging und geht ihnen um mehr Bildungschancen und um mehr Gerechtigkeit in Schule, Beruf und all dem, was damit zu tun hat.

Ich möchte noch einmal kurz auf das eingehen, was Frau Schulz-Höpfner gesagt hat und was auch von den Linken ausgeführt wurde. Es betrifft das, was wir hier im Osten erlebt haben; denn dies ist auch sehr aufschlussreich im Hinblick auf die Zahlen zur Erwerbstätigkeit und zu Equal Pay, die wir heute im Osten haben. In der DDR war es zum einen politisch gewollt, dass Frauen arbeiten, es war zum anderen aber auch ein ökonomisches Muss, denn es war kaum möglich, die Familien materiell gut rumzubringen, wenn die Frauen nicht gearbeitet haben. Im Westen wurde oftmals auch belächelt und kritisiert, dass Frauen hier gearbeitet haben, und zwar belächelt und kritisiert von den Frauen, die zu Hause ihre Männer bekocht und die Kinder erzogen haben und, wenn sie Glück hatten, vielleicht noch einen „Käfer“ vor der Tür hatten, mit dem sie die Einkäufe erledigen konnten.

Aber im Großen und Ganzen hat das, was die Frauen hier „durchmachen“ mussten, dazu beigetragen, dass die Frauen im Osten heute wirtschaftlich wesentlich selbstständiger dastehen und dass der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen im Osten nicht so groß ist wie im Westen. Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern liegt europaweit bei 17 %, in Deutschland bei 23 %. In Westdeutschland sind es 25 % und in Ostdeutschland nur 5 %.

(Zuruf von der SPD: Weil die Männer hier so wenig ver- dienen!)

Das hat damit zu tun, dass Frauen in Ostdeutschland im Grunde selbstständiger sind, dass sie mehr und selbstverständlicher darauf drängen, in Führungspositionen zu kommen. Das hat aber auch damit zu tun, dass hier relativ gute Möglichkeiten der Kinderbetreuung bestehen. Es hat leider auch damit zu tun, dass die Löhne im Osten generell niedriger sind. Das hängt aber auch mit dem zusammen, was traditionell hier vererbt wurde: Frauen gehen arbeiten, Frauen machen die gleichen Jobs und haben auch einen Anspruch auf Führungspositionen. Das ist hier viel stärker in den Köpfen verankert als in Westdeutschland oder in weiten Teilen des „restlichen Europas“.

Machen wir uns nichts vor: So mancher Anachronismus liegt gar nicht mal, zumindest für Westdeutschland, so lange zurück. Seit 1958 sind im Familien- und Eherecht die Frauen den Männern zwar gleichgestellt, aber in einem Punkt galt bis 1977 in Westdeutschland, dass Frauen, wenn sie arbeiten gehen wollten, dazu die Genehmigung ihrer Männer einholen mussten. Bis 1977! Alle hier im Raum hätten das, wenn sie im Westen groß geworden wären, noch aktiv erlebt. Das war ein Anachronismus, den es noch relativ lange gab.

Wir werden an dieser Stelle in den nächsten Wochen und Monaten noch einiges bewegen können, insbesondere in der Frauenwoche um den 8. März herum. Wir haben vor, am 8. März das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm im Kabinett zu beschließen. Der 8. März, ein Dienstag, ist in diesem Jahr auch Fastnacht. Wir müssen zugleich das Signal aussenden, dass am Aschermittwoch nicht alles vorbei ist, sondern dass

wir ganz im Gegenteil dafür sorgen wollen, dass alles, was im gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm enthalten ist, auch in die Zukunft getragen wird, dass es langfristig hier im Lande wirken soll. Es geht in diesem Rahmenprogramm um Gleichstellung, um Geschlechtergerechtigkeit, und es geht natürlich auch darum, dass wir mit diesem Programm in den Köpfen ankommen wollen. Sie wissen, dass man mit Gesetzen und Verordnungen eine ganze Menge erreichen kann, wenn es um strukturelle Benachteiligung geht. Aber wenn man in den Köpfen ankommen, wenn man zu den Personalentscheidern vordringen will, muss man auch langfristig wirken. Dann ist es ein ganz dickes Brett, das man dazu bohren muss.

Ich habe neulich an einer Diskussion teilgenommen, in der jemand Zsa Zsa Gabor zitiert hat. Sie sagte:

„Als Gott den Mann erschuf, übte sie nur.“

Wir hatten ein Problem mit diesem Satz, und dann begann die Diskussion darüber. Ich fand das sehr aufschlussreich. Man kann eine Diskussion darüber entfachen, ob dies eine Beleidigung für die Männer ist - man hätte also etwas besser machen müssen - oder ob es vielleicht Blasphemie ist, weil man sich darum sorgt, dass Gott sogar weiblich sein könnte. Aber das ist eine Diskussion, die man wirklich einmal führen sollte. Wir reden permanent von einem männlichen Gott, aber niemand von uns hat ihn jemals gesehen.

(Heiterkeit bei der SPD - Frau Melior [SPD]: Das ist ein schwieriges Thema!)

Wenn jetzt selbst Frau Heppener die Hände hebt, lasse ich es sein.

Es gibt aber auch ganz aktuelle Anachronismen, zum Beispiel dass Frauen - das wurde noch nicht gesagt, ich versuche einmal, diese Lücke zu füllen - in der Regel wesentlich besser ausgebildet aus der Schule kommen, wesentlich bessere Studienergebnisse erzielen, aber danach wesentlich schlechtere Karrierechancen haben, die schlechteren Jobs bekommen und nach wie vor auch schlechter bezahlt werden.

(Zuruf von der SPD: Eure Ellbogen!)

- Nicht „eure“!

Gut geschulte und gut ausgebildete junge Frauen wandern zum großen Teil nach wie vor aus Ostdeutschland ab. Das können wir uns nicht leisten, im Hinblick auf die Fachkräftesituation nicht, aber auch aus humanistischen Gründen nicht. Ich meine, „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist ein ganz wichtiger Punkt.

Frau Schulz-Höpfner, ich habe zwei dieser Regionalkonferenzen besucht. Ich kann nur sagen: Es ging dabei auch um Mindestlohn, aber keineswegs nur darum. Im Übrigen: Wenn Sie dafür sind, dass wir beim Thema Mindestlohn stärker vorankommen, aber sagen, Sie wollen branchentypische Mindestlöhne haben, dann müssen Sie bitte in Ihre Partei hineinwirken, damit wir das auch umsetzen können.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Frau Schulz-Höpfner [CDU]: Dann müssen Sie die Gewerkschaften dazu moti- vieren!)

Frau Schulz-Höpfner, ich muss wirklich sagen, ich kenne keinen Tarifvertrag - falls es einen gibt, dann zeigen Sie ihn mir -, in dem steht, dass bei einer bestimmten Beschäftigung eine Frau schlechter bezahlt wird als ein Mann. Diesen gibt es nicht. Das ist Unsinn. Aber genau weil es das nicht gibt, sondern gerade außerhalb von Tarifbereichen Frauen schlechter bezahlt werden als Männer, genau deshalb brauchen wir die Mindestlöhne in diesen Bereichen,

(Beifall SPD und DIE LINKE)

weil sie dann nämlich auch in anderen Bereichen gelten.

Ja, es ist richtig, wir haben jetzt in Berlin wieder drei Bereiche dazubekommen. Aber es gibt so viele Bereiche, insbesondere die traditionellen, zum Beispiel das Friseurgewerbe, zum Beispiel Handel und Gastronomie, in denen Frauen schlechter bezahlt werden, in denen wir keine Mindestlöhne haben. All das sind Bereiche, in denen wir noch Mindestlöhne brauchen, weil gerade das Bereiche sind, in denen viele Frauen arbeiten. Ich kann Sie nur ermuntern, sich stärker dafür einzusetzen, vor allen Dingen in Ihrer Partei, dann kommen wir da vielleicht ein Stück voran.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Zu Frau Nonnemacher: Frau Nonnemacher hat viel genannt, wo Ungerechtigkeit und Ungleichheit bestehen; vollkommen richtig. Ich will aber auch ein paar Punkte nennen, an denen man sehen kann, dass wir in Brandenburg ganz gut aufgestellt sind. Vorhin hat jemand gesagt, dass wir hier in diesem Landtag 40 % Frauen haben; vollkommen richtig. Übrigens, Frau Vogdt, das hat auch etwas damit zu tun, dass es Parteien gibt, in denen es klare Quotenregelungen zur Aufstellung der Listen gibt, anders als zum Beispiel bei Ihnen. Darum haben wir zum Beispiel hier auch eine ganze Menge Frauen, wesentlich mehr als auf der rechten Seite. Ich denke, das ist ein deutliches Indiz dafür, dass Quoten durchaus etwas bringen können. Also nehmen Sie bitte mit: Wenn Sie sich diesen Saal anschauen, erkennen Sie, Quoten sind eine gute Sache.

Aber - ich komme noch einmal auf Frau Nonnemacher zurück ich vergleiche einmal Brandenburg mit dem Bundesdurchschnitt.

Kinderbetreuung: Nehmen wir einmal nur die ganz Kleinen. Wir haben 51 % unserer Jüngsten in der Krippe, in Westdeutschland sind es gerade einmal 14,2 %.

Professoren: 20 % unserer Professoren sind Professorinnen. Das macht auch gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 17,4 % deutlich, dass wir da gar nicht schlecht sind. - Wie echt die Promotionen auch immer sind.

(Oh! bei SPD und DIE LINKE)

In den ersten Chefetagen der Wirtschaft sind 30 % bei uns Frauen, im Westen 24 %, in den zweiten Chefetagen bei uns 50 %, im Westen 34 %.

Dass im Übrigen die großen DAX-Unternehmen in den Vorständen nicht einmal 1 % Frauen haben, liegt wahrscheinlich auch daran, dass die großen DAX-Unternehmen ihren Sitz nicht in Ostdeutschland haben. Dann wäre das vielleicht auch etwas

anders. Vielleicht würden sie uns aber auch die Quote verhageln. Das wäre natürlich auch denkbar.

Wir haben in diesem Landtag - wie gesagt - 40 % Frauen, sonst sind es 32 %. Übrigens sind auch 53 % der brandenburgischen Bundestagsabgeordneten Frauen. Im Schnitt sind das im Deutschen Bundestag auch nur ein Drittel. Auch das ist ein deutliches Indiz dafür, dass mit einer Quote eine ganze Menge erreicht werden kann.

Wenn man sich das ansieht, könnte man auf den Gedanken kommen, dass es auch ohne Quote geht. Aber da sage ich wiederum: Schauen wir einmal nach Norwegen. Norwegen hat ja nun seit einer Weile diese 40%-Quote. Da sind auch nicht alle Blütenträume in Erfüllung gegangen; das ist richtig. Die Unternehmen tun sich da auch sehr schwer. Aber die Unternehmen, die es umgesetzt haben, haben keinen Crash am Börsenmarkt erlebt, sondern - ganz im Gegenteil - sie schreiben, dass sie in ihren Betrieben jetzt eine wesentlich bessere Unternehmenskultur haben, dass sie vor allen Dingen auch im Umgang mit den Beschäftigten ein besseres soziales Engagement aufzeigen und dass die Diskussionskultur auch wesentlich besser geworden ist.

Natürlich soll eine Quote, liebe Frau Vogdt, nicht dazu verhelfen, dass wir Frauen sozusagen mit Macht und Gewalt auf der Karriereleiter nach oben helfen, dass wir sozusagen den Equality-Grundsatz außer Kraft setzen, sondern wir wollen, dass Gerechtigkeit einzieht, dass also eine Frau nur dann den Job bekommt, wenn sie tatsächlich so gut ist wie der Mann. Das Problem ist nur, wenn ich das jetzt sage, sage ich das zu einem Zeitpunkt, wo ich genau weiß, dass bei Männern genau andersrum gehandelt wird, dass es dort Ungerechtigkeiten gibt, dass Männer den Job bekommen, obwohl sie nur so gut sind wie die Frau, die den Job auch bekommen könnte, eben deshalb, weil sie ein Mann sind. Das kann es nicht sein. Genau deshalb ist eine Quote wichtig; denn sie könnte das regelrecht einfordern und einklagen.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Ich möchte Sie alle ermuntern, mit Mut, Wärme, Kraft und von mir aus auch - viel Zeitaufwand in diese 21. Frauenwoche zu gehen. Diese Frauenwoche ist quasi ein Stück weit auch eine Erfindung einer brandenburgischen Frau. Regine Hildebrandt hat sie hier in Brandenburg eingeführt. Ich würde mich freuen, wenn Regine Hildebrandt jetzt hier zuschaute und sähe, wie Frauen um mehr Gerechtigkeit und mehr Gleichheit kämpfen. Sie wäre, glaube ich, stolz auf all diejenigen, die hier Flagge zeigen für Solidarität und Gleichheit.

Wie gesagt, in ein paar Tagen ist es so weit. Ich freue mich auf die Debatte, die wir dann auch in den Landkreisen und in den Gemeinden haben werden. - Schönen Dank für das Zuhören.

(Beifall SPD und DIE LINKE)