Protocol of the Session on January 19, 2011

All diese Abgewanderten haben eine Beziehung zu ihrer alten Heimat. Sie sind hier geboren, aufgewachsen oder haben lange hier gelebt. Sie haben hier noch Familie und Freunde, haben vielleicht Kontakt zu alten Schulkameraden gehalten. Diese so

zialen Bindungen sind eine starke Motivation zur Rückkehr, wie umgekehrt Sozialkontakte, Familie, ein guter Arbeitsplatz und eigene Kinder die stärksten Haltefaktoren in der Region darstellen.

Bei einem sich wandelnden Arbeitsmarkt und großer Nachfrage nach Fachkräften wäre es töricht, diese besondere Motivationslage von Rückkehrwilligen nicht gezielt zu nutzen.

Da Rückkehrwillen bei Jüngeren häufig auch mit dem Wunsch nach Familiengründung vergesellschaftet ist, sollten wir ihn auch aus demografischen Erwägungen wertschätzen. Da kommen nicht nur Arbeitskräfte, da kommen auch Eltern.

Wir sehen in dem hier vorgeschlagenen Konzept für potenzielle Rückkehrer kein Allheilmittel und nicht den Königsweg zur Fachkräftesicherung, aber ein sinnvolles Instrument in einem ganzen Bündel von Maßnahmen. Natürlich ist es von überragender Bedeutung, dass in Brandenburg gute, existenzsichernde und ordentlich bezahlte Arbeit angeboten wird. Natürlich müssen wir auch weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, unsere Arbeitsuchenden und auch gerade Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ich hatte exemplarisch im Dezember auf die Potenziale hingewiesen, die sich im Bereich Altenpflege für die Umschulung und Qualifizierung Langzeitarbeitsloser bieten. Auch die aktuelle Debatte um die Besetzung der 900 zusätzlichen Stellen im Kitabereich - Stichwort: Qualifizierung von Quereinsteigern - zeigt Chancen für Arbeitslose auf.

Wir Grünen wollen nicht das Werben um Rückkehrer gegen andere Bevölkerungsgruppen ausspielen. Für uns geht es nicht um das Schüren von Ressentiments, hier „gute Landeskinder“ gegen die Invasion von Arbeitsimmigranten aus Osteuropa oder ein Ausspielen von Rückkehrern gegen Hiergebliebene. Eine moderne, pluralistische Gesellschaft sollte generell das Signal aussenden, dass Menschen, die in ihren Reihen leben und arbeiten wollen, willkommen sind. Wir haben Einwanderung immer als Chance und nicht als Bedrohung begriffen. Wir begrüßen die nun endlich anstehende Arbeitnehmerfreizügigkeit und erwarten davon auch positive Impulse für den Arbeitsmarkt.

Wenn wir im härter werdenden Wettbewerb um Fachkräfte sowohl unter den einzelnen Bundesländern als auch im internationalen Maßstab bestehen wollen, müssen wir in Sachen Willkommenskultur noch kräftig zulegen. Dieses Signal sollte sich im Abbau von Vorurteilen und bürokratischen Hemmnissen, in der Anerkennung ausländischer Diplome und Berufsabschlüsse und in besseren Informations- und Vermittlungstätigkeiten wiederfinden. In diesem umfassenden Sinn begrüßen wir den Antrag der CDU-Fraktion als einen sinnvollen Baustein einer Maßnahme unter anderen. Die hier vorgetragene Ablehnung können wir so nicht nachvollziehen, da sich Mindestlohn, gut bezahlte Arbeit, Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit und die Ansprache von Rückkehrwilligen nicht ausschließen, sondern komplementär sind. Jeder Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels sollte uns willkommen und nicht mit ideologischen Denkverboten behaftet sein.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Für die Landesregierung spricht Staatssekretär Schroeder.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema ist wichtig. Doch ich möchte damit beginnen, zwei Missverständnisse aufzuklären, die diesem Antrag der CDU-Fraktion zugrunde liegen.

Erstens: Das Thema Fachkräftesicherung und die Rückkehr von Landeskindern ist natürlich schon lange ein zentrales Thema dieser Regierung. So gehörte Brandenburg zu den ersten Ländern, die eine eigene Fachkräftestudie aufgelegt und hier nicht nur mit Daten, sondern auch mit Maßnahmen deutlich gemacht haben, was zu tun ist. Aus diesen Maßnahmen ist ein Bündnis für Fachkräftesicherung entstanden, an dem alle maßgeblichen Kräfte des Landes Brandenburg beteiligt sind. Dieses Bündnis für Fachkräftesicherung ist vom Arbeitsministerium angeschoben und verantwortet worden, läuft hervorragend und ist in der Lage, koordinierend Schritte aufzuzeigen.

Zweitens: Der Antrag argumentiert:

„Eine der wichtigsten Aufgaben der Landesregierung ist die Absicherung des Fachkräftebedarfs.“

Dieser Satz stimmt so natürlich nicht; denn die Sicherung des Fachkräftebedarfs ist im Kern die wesentliche und zentrale Aufgabe der Wirtschaft. Die Unternehmen müssen hier selbst aktiv werden. Sie müssen um den Fachkräftenachwuchs kämpfen. Wir als Landesregierung können hierbei helfen, wir können dazu beitragen, dass die Rahmenbedingungen stimmen, wir können unterstützen und fördern, und das machen wir auch tatkräftig. Der eigentliche Knackpunkt ist: Solange immer noch deutliche Lohnunterschiede und bessere Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten im Westen gegenüber Brandenburg bestehen, fehlt für Rückkehrwillige, natürlich für Zuwanderer überhaupt, der entscheidende ökonomische Impuls, nach Brandenburg zu kommen.

Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben. Bei uns in Brandenburg liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen bei rund 23 000 Euro brutto. In Hessen - um ein westliches Bundesland herauszugreifen - liegt es bei 31 000 Euro, in Hamburg sogar bei 32 000 Euro. Das heißt, wir reden hier über eine Differenz von 8 000/9 000 Euro haben oder nicht haben, während sich die Lebenshaltungskosten immer schneller angleichen.

Ein anderes Beispiel: Wenn ein Auszubildender im Hotel- und Gaststättengewerbe durch eine 20-minütige S-Bahnfahrt in Berlin 20 % mehr verdienen kann, dann fällt die Entscheidung für einen Ausbildungsplatz in Brandenburg verständlicherweise ziemlich schwer, und der Wegzug nach Berlin lässt auch nicht lange auf sich warten. Da hilft die beste Kommunikationsstrategie nicht, die Leute können rechnen. Heimatliebe allein reicht bei knappen Löhnen kaum. Da müssten schon andere harte Fakten hinzukommen.

Da sind wir schon beim Thema Löhne. Ich möchte an dieser Stelle auch daran erinnern, dass es in der Vergangenheit manche Stimmen in Brandenburg gegeben hat, die mit dem Standortfaktor „niedrige Löhne“ geworben haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber sicher.

Bitte, Herr Senftleben.

Herr Staatssekretär, ich möchte gerne von Ihnen einen Widerspruch aufgeklärt wissen, der uns brennend interessiert. Wir haben nie bestritten, dass es einen Lohnunterschied zwischen Ost und West - in diesem Fall - gibt. Aber wir haben seit längerer Zeit von Ihrer Regierung gehört, dass 2010 das beste Jahr für Brandenburg war. Es gab Wirtschaftswachstum in Größenordnungen, mehr Arbeitsplätze - das hat Herr Platzeck am Montag gesagt - als jemals zuvor, also eine gute Entwicklung. Auf der anderen Seite sagen Sie aber, dass die Löhne zu gering sind. Deswegen unsere Frage, wie Sie diesen Widerspruch - auf der einen Seite ein Lob für die Wirtschaft, ein Lob für die Entwicklung im Wirtschaftsbereich, auf der anderen Seite sagen Sie, die Wirtschaft sei nicht in der Lage, einen gerechten Lohn zu zahlen - vermitteln wollen.

Vielen Dank für die Frage. Tatsache ist, dass wir eine erhebliche Differenz bei den Löhnen haben. Tatsache ist auch, dass diese Löhne nicht von heute auf morgen in dem Maße angeglichen werden können, wie wir es für wünschenswert erachten. Aber was wir für richtig erachten, ist, dass wir hier ein positives Klima organisieren, wo wir sagen: Bessere, attraktivere Löhne sind der Schlüssel dafür, dass wir das Fachkräfteproblem in den Griff bekommen.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE - Zurufe von der CDU)

Da ist die Haltung entscheidend. Es ist ganz entscheidend, wie wir da herangehen, ob wir weiterhin sagen, Niedriglöhne, moderate Löhne sind der Schlüssel für die Lösung wirtschaftlicher Probleme der Zukunft,

(Senftleben [CDU]: Wer sagt denn so etwas?)

oder ob wir sagen, wirtschaftliches Wachstum, gutgehende Unternehmen und gute Löhne,

(Zurufe von der CDU)

das muss zusammengehören.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Klar ist, dass Sie, wenn Sie weiter diesen Weg gehen, dass Sie sich gegen eine positive Lohnentwicklung aussprechen,

(Zurufe von der CDU)

dass Sie gegen Mindestlöhne sind, dann natürlich dazu beitragen, dass hier keine Willkommenskultur entsteht, dass es keine zusätzliche Motivation gibt, nach Brandenburg zu gehen.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Die Fehler der Vergangenheit machen sich heute ganz negativ bemerkbar. Sie haben einen maßgeblichen Anteil daran, dass wir dieses Image als Niedriglohnland Brandenburg in dieser Republik haben.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Staatssekretär, es gibt weitere Wünsche nach Zwischenfragen. Sind Sie geneigt, diese zu beantworten?

Lassen Sie mich vielleicht erst einmal meinen Argumentationsgang zu Ende bringen,

(Frau Lehmann [SPD]: Das klären wir dann im Aus- schuss! - Zurufe von der CDU)

dann gehen wir auf die Fragen ein.

(Zurufe von der CDU)

Ich bitte um etwas Disziplin. Der Staatssekretär hat das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben die Rückkehrerinitiativen ins Gespräch gebracht. Wir haben uns die natürlich angeschaut, und wir müssen leider mitteilen, dass diese Rückkehrerinitiativen bisher nicht evaluiert worden sind, sodass wir auch gar keine stichhaltigen Ergebnisse haben, ob das Geld, das in diese Initiativen hineingesteckt wird, wirklich sinnvoll eingesetzt ist.

Insofern können wir nur feststellen, dass es sehr teure Initiativen sind. Dennoch - das ist der entscheidende Punkt - wollen wir nichts unversucht lassen, Rückkehrinteressierte, Rückkehrwillige gut zu informieren und zu motivieren, nach Brandenburg zu kommen. Insofern sind wir dankbar für diese Debatten, weil wir jede Situation nutzen wollen, um deutlich zu machen: Wir haben Zukunftsorientierung und wollen alles tun, damit die Menschen in Brandenburg zufrieden sind, und über die Landesgrenzen hinaus den Eindruck erwecken, dass es lohnend ist, nach Brandenburg zu kommen.

Ich will zusammenfassen, was wir über Ihren Antrag denken und wie das Ganze weitergehen könnte, ohne der Prüfung durch die Ausschüsse vorgreifen zu wollen. Erstens: Wir sollten keine kostenintensiven neuen Strukturen schaffen. Zweitens: Es ist vorstellbar, dass wir die bereits existierenden Angebote - davon gibt es ja sehr viele - im Internet verknüpfen und damit ein höheres Maß an Transparenz herstellen. Die LASA ist ja mit ihrem Fachkräfteinformationssystem schon seit vielen Jahren sehr engagiert. Damit ist bundesweit eine Transparenz hinsichtlich Beschäftigungsverhältnissen, Arbeitsmöglichkeiten und Rückkehrmöglichkeiten gegeben. Wir haben uns Gedanken gemacht. Es gibt ja in den Regionen, in der Uckermark und anderen Landkreisen, viele Initiativen, die wir bündeln wollen. Wir müssen allerdings auch Folgendes feststellen: Wenn jemand nach Brandenburg kommen will, dann in der Regel in die Uckermark, in

die Prignitz oder nach Potsdam. Insofern ist es, glaube ich, weniger sinnvoll, das Ganze zu zentralisieren. Vielmehr wollen wir die Aktivitäten in diesen Landkreisen weiter fördern und für den Austausch zu den Aktivitäten einen Runden Tisch bereitstellen.

Zusammengefasst kann man sagen, dass es darum geht, die Stärken dieses Landes weiter zu stärken. Das ist erstens die hohe Lebensqualität und zweitens die gute soziale und materielle Infrastruktur. Woran wir weiter arbeiten müssen, sind die Arbeitsbedingungen und die Lohnverhältnisse. Denn wenn es nicht gelingt, die Lücke weiter zu schließen, werden wir große Schwierigkeiten haben, attraktiv zu sein. Dazu gehören nicht nur Löhne für die High Potentials, sondern dazu gehört auch ein Mindestlohn, denn er schließt das Ganze und macht deutlich, dass man eine attraktive Basis für alle Arbeitsverhältnisse anstrebt. Wenn wir gemeinsam auf diese Strategie setzen, hat unser Werben um Fachkräfte eine reale Basis, und wir erreichen gemeinsam ein gutes Ziel. Attraktive Bezahlung gehört zu den Themen, die wir in den Ausschüssen gerne miteinander debattieren können. Das sind die Punkte, die in einen solchen Antrag gehören. Durch sie würde Ihr Antrag überhaupt erst die Glaubwürdigkeit erhalten, die er verdient. Ich freue mich auf die weitere Debatte.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Bevor die CDU-Fraktion noch einmal das Wort erhält, begrüße ich unsere Gäste vom Paul-Fahlisch-Gymnasium in Lübbenau. Herzlich willkommen und einen spannenden Nachmittag für euch!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Lakenmacher, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Baer, ich kann nicht nachvollziehen, wie Sie vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels von Aktionismus seitens der CDU reden können.