Protocol of the Session on January 19, 2011

Nicht die globalen Handlungen sind wichtig, sondern wichtig ist das, was zwischen Brandenburg an der Havel und Potsdam sowie zwischen Wünsdorf und Berlin oder auch zwischen Cottbus und Berlin sowie den anderen Regionen passiert. Das interessiert die Bürger. Dafür ist die Bahn da. Setzen Sie sich dafür ein! Wir werden unseren Einfluss dafür geltend machen. Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Genilke setzt für die CDU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Situation bei der S-Bahn und dem Regionalverkehr war in den

letzten Wochen nichts anderes als grausig. Die Einschränkungen und Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste waren in jedem Fall eines hochtechnologisierten Industrielandes und vor allem auch eines traditionsreichen Bahnlandes wie der Bundesrepublik Deutschland schlichtweg unwürdig.

(Beifall CDU)

Herr Holzschuher, ich bewundere Sie, dass Sie trotzdem mit der Bahn fahren; auch ich bin ein begeisterter Bahnfahrer. Aber Sie müssen sich bei der Gelegenheit auch ein paar andere Dinge überlegen. Sie sprachen davon, dass das Geld - die Dividende - im Bundeshaushalt versickere. Dabei ist es doch gerade Ihre Fraktion, die bei der Kanzlerin - nun im Vermittlungsausschuss - darauf drängt, möglichst noch mehr Geld herauszuholen. Es geht bei Ihnen darum, Geld im Bundeshaushalt freizuschaufeln. Mit einem solchen Anspruchsdenken werden wir aber das Gesamtproblem - an welcher Stelle auch immer - nicht lösen.

(Bischoff [SPD]: Blödsinn! - Beifall CDU)

Sie sagten zudem etwas von Sonntagsreden.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Steuergeschenke!)

Sie dürfen aber nicht vergessen - Sie haben es sogar selbst gesagt -, dass die Entwicklung bei der Bahn nicht neu ist. Sie haben zwölf Jahre lang fünf Verkehrsminister gestellt. Wir kriegen die „Glorreichen“ eben noch zusammen. Bisher waren es Müntefering, Klimmt, Bodewig, Stolpe und Tiefensee. Sie aber stellen sich hier ans Rednerpult und tun so, als sei das alles vom Himmel gefallen. Sie tun so, als seien die Probleme erst zwölf Monate alt. Sie tun so, als seien die Probleme völlig neu. Das ist unglaubwürdig, Herr Holzschuher.

(Beifall CDU - Holzschuher [SPD]: Da haben Sie mir nicht zugehört!)

Die Kapitalmarktinteressen fingen unter Schröder an, nicht aber unter Ramsauer. So viel muss ich Ihnen mit auf den Weg geben.

(Beifall CDU - Holzschuher [SPD]: Das habe ich gesagt! - Widerspruch DIE LINKE)

- Ja, das wollen Sie nicht hören; das verstehe ich.

(Widerspruch SPD und DIE LINKE)

- Das steht nicht nur auf dem Zettel.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Hat er gesagt! Das hat er sel- ber gesagt!)

- Ich nehme aber durchaus wohlwollend zur Kenntnis, dass Sie Ihre eigene Verantwortung insoweit wahrnehmen, als Sie zumindest auf die eigentlichen Probleme hingewiesen haben.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Im Unterschied zu Ihnen!)

Die Fahrgäste warten nun zu Recht auf Entschädigung. Ich möchte in diesem Zusammenhang anmerken, dass es nicht nur um die Fahrgäste der S-Bahn geht, die entschädigt werden müs

sen, sondern dass es sehr wohl um alle Fahrgäste geht, die im ganzen Land unterwegs waren. Das gilt deshalb auch für die DB Regio. Auch diese Fahrgäste warten auf eine Entschädigung. Ich denke an die ausgefallenen Züge in der Lausitz. Ich denke auch an die großen Unpünktlichkeiten in Frankfurt (Oder) , in Cottbus oder in Brandenburg an der Havel. Hier kam es ebenfalls zu Verspätungen und Zugausfällen. Ich denke, auch hier sollten wir den Mut haben, das deutlich zu benennen und unsere Forderungen aufzumachen.

(Beifall CDU)

Wie konnte es zu dem Chaos kommen? - Neben dem tatsächlich harten Winter - da sind wir uns, denke ich, einig - haben wir zusätzliche Probleme, die die Folge einer unzureichend umgesetzten Bahnreform sind. Diese unzureichende Umsetzung hat es ermöglicht, dass übertriebene Renditeerwartungen bei den Bahnmanagern geradezu gefördert wurden. Deshalb haben sie bei der Bahn schon fast auf kriminelle Art und Weise das Unternehmen, zumindest aber die Funktionsfähigkeit, aufs Spiel gesetzt. Verlängerte Wartungsintervalle und Wartungstechnologien wurden faktisch außer Kraft gesetzt. Dieses Aneinanderreihen von Unzulänglichkeiten hat zu unseren Problemen geführt.

(Bischoff [SPD]: Ändern Sie es doch!)

Dabei ist die Bahnreform im Prinzip sogar ein Erfolg.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Für wen?)

- Dazu komme ich gleich. Ziel war es, den Bahnverkehr nicht mehr als ineffizientes Zuschussgeschäft mit Milliarden Schulden zu betreiben. Ziel war es vielmehr, ein modernes Unternehmen zu schaffen, das im Wettbewerb mit dem Flugzeug und mit dem Auto bestehen kann.

(Holzschuher [SPD]: Jetzt ist es nur noch ineffizient!)

- Dazu komme ich. Wenn Sie sich mit Herrn Schröder so geirrt haben, dann können Sie das hier vorne gerne noch einmal sagen. Zum damaligen Zeitpunkt war die Bahn in keinster Weise konkurrenzfähig. Sie hatte mehr Personalkosten, als sie Einnahmen verzeichnen konnte. Sie hatte einen Schuldenberg von 36 Milliarden Euro. Die Bürger hatten also schon vorher auf die miserable Situation bei der Bahn reagiert und sind auf das Auto umgestiegen.

Mit der Bahnreform wurden nunmehr auch wettbewerbliche Strukturen im Bahnsektor eingeführt. Die Logik lautet: Wir haben ein Netz, welches frei zugänglich ist. Auf diesem Netz können verschiedene Eisenbahnverkehrsunternehmen Leistungen anbieten. Der Fernverkehr soll sich selbst tragen und somit eigenwirtschaftlich betrieben werden. Der Nahverkehr hingegen wird weiterhin als Aufgabe der Daseinsvorsorge anerkannt und von den Bundesländern bestellt. Dafür überweist der Bund den Ländern knapp 7 Milliarden Euro jährlich. Allein Brandenburg erhält davon 400 Millionen Euro. Tatsächlich sind die Fahrgastzahlen auch gestiegen. Allein im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg sind die Fahrgastzahlen im Jahr 2009 mit 1,26 Milliarden Personen so hoch wie noch nie zuvor gewesen.

Was ist also das Problem? Das Problem ist, dass der Wettbewerbsdruck dem Unternehmen ein effizientes Agieren am Markt

auferlegt. Das betrifft die Kosten für Organisation und Verwaltung, aber auch die Personalkosten und die Kosten für Technik, Instandhaltung und Investitionen. Das ist aber in jedem anderen wirtschaftlichen Bereich, beispielsweise - wie vorhin angesprochen - im Luftverkehr, nicht anders.

Um zu kontrollieren, dass die Sicherheitsstandards im Wettbewerb nicht unterschritten werden, hat der Gesetzgeber eine Zulassungsbehörde - das Eisenbahn-Bundesamt - geschaffen. Sie soll kontrollieren, dass die Sicherheitsstandards tatsächlich eingehalten werden.

Als 1999 Hartmut Mehdorn durch Bundeskanzler Gerhard Schröder zum neuen Bahnchef ernannt wurde, wurde dem Bahnkonzern dieser Druck aber offensichtlich zum Verhängnis. Seitdem war es seine Aufgabe, unterstützt durch die rot-grüne Bundesregierung, den Bahnkonzern für den Wettbewerb fit zu machen. Offensichtlich - wir alle sehen heute die Folgen - wurde hier maßlos und ohne Rücksicht auf die Nachhaltigkeit von Entscheidungen übertrieben. Es wurde keineswegs nachhaltig gewirtschaftet. Die Bahn agierte wie ein unseriöser Finanzinvestor im eigenen Kerngeschäft. Man muss ganz klar sagen: Das war auch reines Missmanagement - nichts anderes! Jedes private Unternehmen im Wettbewerb ohne die Auffangfunktion des Steuerzahlers im Rücken hätte wahrscheinlich längst aufgeben müssen.

(Beifall CDU)

Dem Spuk wurde erst 2008 durch den vorläufigen Stopp des Börsengangs und dann, 2009, durch den Wechsel des Bahnvorstandes, damals noch durch die Große Koalition, ein Ende bereitet.

Nun jedoch den Schluss zu ziehen, die Liberalisierung des Bahnsektors sei falsch und müsse unter Umständen sogar rückgängig gemacht werden, geht unserer Auffassung nach in die falsche Richtung. Ich habe das Beispiel Flugverkehr genannt. Dort hat die Liberalisierung zu einem Boom geführt, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Es gilt nun, dies auch für den Schienenverkehr umzusetzen.

Was müssen wir tun? Als Erstes ist es wichtig, die Frage der Eigentümerschaft zu klären und dabei endlich die Infrastruktur und den Betrieb wirklich zu trennen. Ein großes Problem ist, dass die Bahn gleichzeitig Infrastrukturbetreiber und Verkehrsdienstleister ist. Hier gibt es zahlreiche Diskriminierungspotenziale gegenüber anderen Verkehrsunternehmen, aber auch gegenüber den Ländern als den Bestellern im Nahverkehr, die diese leidvolle Erfahrung haben wir schon machen dürfen - sogar genutzt werden.

Bezüglich einer künftigen Privatisierung ist zu sagen, dass die Infrastruktur ganz klar in der öffentlichen Hand zu verbleiben hat. Schon heute zahlt der Bund knapp 4 Milliarden Euro jährlich an die Bahn - für eben diese Infrastruktur. Anders ist das auch gar nicht darstellbar, wenn die Trassenpreise und damit die Fahrpreise sich nicht weiter verteuern sollen.

Für die Verkehrsunternehmen der Bahn sollten hingegen in Zukunft private Modelle geprüft werden. So könnte man verhindern, dass Steuergelder oder Gelder, die eigentlich der Infrastruktur zugute kommen müssten, für die auch hier immer wieder beklagten Auslandsgeschäfte der Bahn genutzt werden. Auch

die derzeitige Dividendenforderung des Bundes von 500 Millionen Euro wäre so nicht möglich. Der Bund und die öffentliche Hand hätten allerdings weiterhin vollen Zugriff auf alle Leistungen und auch die Einnahmen aus der Infrastruktur.

Zum Schluss möchte ich auf das eingehen, was wir als Land tun können. In Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde fragen Sie ja auch nach den Konsequenzen und Handlungsempfehlungen für die Landespolitik. Wir haben dazu einen Entschließungsantrag eingereicht. Das unterscheidet uns, Herr Holzschuher: Wir denken nicht aus Sicht des Bundes - dann müssten wir im Bundestag sitzen -, sondern wir stellen uns die Frage, was wir als Parlament vor Ort in unserem Land tun können.

(Beifall CDU und FDP)

Wie gesagt, wir als Land haben mit der Bahnreform die ausschließliche Verantwortung für die Organisation des Schienenpersonennahverkehrs übernommen. Als Erstes sollte uns das Winterchaos bei der Bahn zeigen, dass die Bahn nicht der unumstößliche Partner für das Land Brandenburg im SPNV ist und wir den Weg der Ausschreibung im SPNV klar weitergehen sollten. In Brandenburg gibt es kaum noch Fernverkehrsangebote durch die Bahn. Der Druck, den das Unternehmen möglicherweise über die Ankündigung der Nichtbedienung von Fernverkehrslinien auf das Land ausüben könnte, ist also eher sehr gering. Das gilt im Übrigen auch für die S-Bahn.

Als Zweites zeigt das Winterchaos, dass wir auch in unseren Breitengraden noch harte Winter erleben können. Wir müssen uns also die Frage stellen, wie wir in Zukunft damit umgehen. Über die Ausschreibung können wir klare Vorgaben und Vorstellungen der Politik an die Eisenbahnverkehrsunternehmen formulieren. Daher fragen wir die Landesregierung, welchen politischen Spielraum sie bisher in Bezug auf die Wintertauglichkeit der Verkehrsangebote und mögliche Anreizmechanismen genutzt hat und ob die derzeitigen Erfahrungen insoweit in Zukunft Änderungen erforderlich machen.

Ich komme gleich zum Schluss, Herr Präsident. - Ich denke, ein solcher Bericht wäre sehr aufschlussreich. Keiner von uns kennt die Verträge genau. Aber genau hier hat das Land einen Ansatzpunkt, um politisch gestaltend eingreifen zu können.

Als dritte Handlungskonsequenz schließlich fordern wir, dass die einbehaltenen Sanktionsgelder unverzüglich und vollständig für die Verbesserung des Verkehrsangebots verwendet werden. Laut Auskunft des Ministers haben wir im Jahr 2010 zwischen 3 und 3,5 Millionen Euro einbehalten.

Wir fordern also mehr Transparenz. Das sollte mit unserem Entschließungsantrag gegenüber der Landesregierung deutlich werden. Ich bitte Sie daher um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Die Abgeordnete Wehlan spricht für die Linksfraktion.