Protocol of the Session on December 17, 2010

Dabei steht die Frage im Raum: Was dient eigentlich nicht den Interessen des Landes Brandenburg? - Es dient mit Sicherheit nicht den Interessen des Landes Brandenburg, einen Antrag zur Lärmkartierung zu stellen, den wir, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, mit unterstützt haben, und dann dem Ergebnis vorgreifen zu wollen. Es dient mit Sicherheit auch nicht den Interessen des Landes Brandenburg, wenn wir als Legislative ausstehenden Entscheidungen der Judikative vorgreifen.

(Beifall FDP, CDU sowie GRÜNE/B90)

An einem Tag, an dem wir einen Verfassungsrichter vereidigt haben, sage ich Ihnen auch ganz deutlich: Das ist auch nicht anständig. Es dient übrigens auch nicht den Interessen des Landes Brandenburg, mit öffentlich unverantwortlichem und oftmals populistischem Theater Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Lärmschutz gegeneinander auszuspielen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Abwägung der unterschiedlichen Interessen, die ich genannt habe, haben wir ein Instrument. Dieses Instrument heißt Lärmschutzkommission. Diese Kommission muss nun arbeiten.

Herr Minister, ich sage es Ihnen hier ganz deutlich und offen: Solange wir den Eindruck haben - wir haben momentan den Eindruck -, dass Sie diesen Prozess ehrlich und offen begleiten, von mir aus moderieren, haben Sie dafür unsere Unterstützung.

(Beifall FDP sowie vereinzelt CDU und GRÜNE/B90)

Denn das ist das Gremium, mit dem wir nunmehr zu Interessensausgleichen kommen müssen.

Zum Abschluss, meine Damen und Herren, noch eine Bemerkung. Ich habe gestern gesagt, dass wir einen Antrag hätten, der viel geeigneter gewesen wäre, der letzte vor Weihnachten zu sein. Ich bin mir nicht ganz sicher. Eigentlich ist das Thema, über das wir uns hier unterhalten, auch ein geeignetes Thema kurz vor Weihnachten. Es ist deshalb kurz vor Weihnachten geeignet, weil es ein Thema tiefer Ernsthaftigkeit sein sollte.

Ich würde mir sehr wünschen, dass wir mit dieser Ernsthaftigkeit in den Ausschuss gehen. Es kann gar keine andere Lösung geben, als diesen hier zur Debatte stehenden Antrag mit großer Mehrheit der Fraktionen in den Ausschuss zu überweisen und dort in aller Ernsthaftigkeit darüber zu reden. Wenn der eine oder andere die Weihnachtszeit nutzt, um das vorzubereiten, wäre das sehr schön.

In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich allen schöne und frohe Weihnachten. - Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Beyer. - Das Wort erhält nunmehr die Landesregierung. Herr Minister Vogelsänger, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe meine erste Rede hier im Brandenburger Landtag zu einer Aktuellen Stunde gehalten. Es ging dabei um den Standort des künftigen Großflughafens. Ich habe mich damals für Sperenberg ausgesprochen. Was nützt mir das jetzt? Ich habe mich gleichzeitig dafür ausgesprochen - ich spreche mich auch weiterhin dafür aus -, dass unsere Hauptstadtregion einen leistungsfähigen internationalen Flughafen braucht. Das ist eine große Chance für Berlin und Brandenburg. Diese Chance müssen wir ergreifen.

(Beifall SPD und CDU)

Deshalb bringt es gar nichts, jetzt irgendeine Vergangenheitsbewältigung zu machen. Herr Genilke, ich kann schon gratulieren: Sogar bis zu Honecker geht es jetzt. - Jeder Flughafen hat eine entsprechende Geschichte.

(Zuruf des Abgeordneten Holzschuher [SPD])

Wir müssen dafür sorgen, dass die Konflikte, die im Zusammenhang mit dem Bau eines solchen Flughafens vorhanden sind, möglichst ein Stück weit entschärft werden. Sie werden nicht vollständig entschärft werden können. Ein Flughafen wird immer mit Lärm verbunden sein.

Ich habe gestern - Frau Melior war dabei - mit einer Bürgerinitiative „Fluglärmfreie Havelseen“ gesprochen. Ich habe der Bürgerinitiative gesagt, dass es das nicht geben wird, weder bei Havelseen noch bei Gemeinden.

Ich habe bei einer Fahrt von einem Termin - es war relativ spät die Flugzeuge gezählt. Es war ganz klarer Himmel. Ich habe sechs Flugzeuge über Berlin und Brandenburg gezählt, die gleichzeitig Tegel oder Schönefeld anflogen. Wir haben jetzt schon Flugbewegungen. Wir werden sie weiterhin haben. Wir werden es nicht erreichen, fluglärmfreie Gemeinden zu haben.

Die Gemeinden sind auch in einem Konflikt. Man will fluglärmfreie Gemeinden haben, aber möglichst einen Autobahnanschluss und eine direkte Bahnverbindung - siehe Michendorf in Richtung BBI. Man will davon profitieren.

(Bischoff [SPD]: Aber nichts hören!)

Ich habe mit Erstaunen in der Lokalpresse gelesen, dass in der Gemeinde Gosen - Neu Zittau ein Investor einige 100 Wohnungen bauen will, und zwar unabhängig davon, welche Festlegungen getroffen werden. Gosen-Neu Zittau wird von Flugbewegungen vom Flughafen BBI betroffen sein. Trotzdem baut dort ein Investor einige 100 Wohnungen. Die Erwartung ist, dass die Region von dem Flughafen profitiert.

Es gibt Konflikte; das ist klar. Die müssen möglichst minimiert werden. Deshalb hat die Planfeststellungsbehörde am 20. Oktober 2009 den Planergänzungsbeschluss zum Lärmschutzkonzept BBI erlassen. Dabei spielt der Bereich Gesundheit eine besondere Rolle.

Mit dem Planergänzungsbeschluss wurden von der Landesregierung die in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts enthaltenen Vorgaben umfassend und vollständig umgesetzt. Der Planergänzungsbeschluss berücksichtigt den aktuellen Erkenntnisstand der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung. Das war ein klarer Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts.

Wir haben dies verantwortlich abgearbeitet und wahrgenommen, obwohl der eine oder andere sicherlich andere Erwartungen hat. Wir haben ein Nachtflugverbot von 00.00 bis 05.00 Uhr. Dazu kommen dann zahlreiche Detailvorschriften; Frau Gregor-Ness hat es dargestellt, Herr Genilke hat es dargestellt. Ich denke, die Ausschussberatung ist eine gute Gelegenheit, über diese Details zu debattieren.

Herr Abgeordneter Beyer hat etwas ganz Richtiges gesagt. Diese Diskussion wird nicht zu Ende sein. Die Festlegung der Flugrouten wird nicht endgültig sein. Sie werden sich verändern. Man hätte allerdings früher darauf hinweisen können, auch in Kenntnis der Verfahren zu den anderen Flughäfen, etwa des Verfahrens im Jahr 2008 zum Flughafen Leipzig.

Ich glaube, dass die Ausschussberatung eine gute Chance ist, die sachorientierte Diskussion weiterzuführen. Dazu kann ich aufrufen. Wir sind, gerade was den BBI, aber auch was die Menschen in der Region betrifft, die Chancen und die Belastung betrifft, in einer besonderen Verantwortung. Ich bin mir sicher, dass der brandenburgische Landtag dieser Verantwortung nachkommt. - Herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Minister Vogelsänger. - Das Wort erhält noch einmal die einbringende Fraktion. Herr Abgeordneter Jungclaus, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es ja interessant, wer jetzt als der Hauptverursacher und eigentlich Schuldige ausgemacht wurde: der Kollege Genosse Honecker. Ich hoffe nur, dass nachher bei der Namensgebung nicht noch einmal umgedacht wird.

(Beifall GRÜNE/B90)

Ich gehe auf das Argument ein, das Kollege Genilke vorgebracht hat...

- Wo ist er?

(Genilke [CDU]: Hier!)

... dass man das Verbot der Nachtflüge erst dann verhängen kann, wenn die Flugrouten feststehen, und Sie uns vorwerfen, nicht abzuwarten, bis die Daten auf den Tisch kommen, die wir mit unserem Antrag eingefordert haben, den wir damals eingebracht haben. Das ist bei uns auch ein gewisser Lernprozess

gewesen. Wir sind damals davon ausgegangen, dass die Sache nicht so kompliziert ist. Wir sind auch davon ausgegangen, dass, wenn man fordert, dass die Daten auf den Tisch kommen, sie dann auch auf den Tisch kommen. Dass jetzt so ein Gewirbel und Theater ist und sich Affären und Skandale abzeichnen, dass vermutlich bis zum Tag der Eröffnung des Flughafens die Flugrouten nicht feststehen werden, konnten wir bei unserer damaligen Antragstellung nun wirklich nicht wissen. Gerade deshalb finden wir es wichtig, dass wir jetzt möglichst schnell eine Entscheidung treffen, nicht erst einen Tag, bevor der Flughafen eröffnet wird, sondern so schnell wie möglich, um dadurch alle Betroffenen zu entlasten.

Das Argument, wir würden den Flughafen an sich infrage stellen, kann ich nicht nachvollziehen. Wir stellen nicht den Flughafen infrage. Wir stellen sein Betriebskonzept infrage, und das zu Recht.

Dass wir das ausstehende Urteil des laufenden Prozesses abwarten sollen, kann ich verstehen. Da wird etwas hinausgeschoben. Das kommt Ihnen natürlich entgegen. Wir haben hier durchaus die Möglichkeit, entweder heute oder, wenn das Ganze in die Ausschüsse überwiesen wird, vor dem Urteil ein klares Zeichen zu setzen. Ich denke, man muss nicht das eine lassen, wenn man das andere tut. Wir können heute hier und nach den Ausschusssitzungen das Signal setzen und damit den Klägerinnen und Klägern die Klagegrundlage entziehen. Damit würde Rot-Rot vermeiden, sich vorführen und sich durch ein Gerichtsurteil zur Nachbesserung zwingen zu lassen.

Ich komme auf den Vorwurf zu sprechen, wir würden uns dagegenstellen, die Frage im Ausschuss zu behandeln. Wir stellen uns nicht dagegen. Wir werden heute der Ausschussüberweisung zustimmen. Wir freuen uns, dass das Ganze im Ausschuss diskutiert wird. Wir werden sicherlich eine Anhörung dazu beantragen. Das schließt aber nicht aus, dass man heute auf eine Abstimmung bestanden hätte und es besser fände, wenn der Landtag heute ein klares Signal nach draußen an die Bürgerinnen und Bürger gäbe, sich hier für den Lärmschutz einsetzen zu wollen. Nichtsdestotrotz werden wir der Überweisung zustimmen.

(Beifall GRÜNE/B90 - Zurufe)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt. Wir kommen zur Abstimmung. Die SPD-Fraktion, die Fraktion DIE LINKE und die FDP-Fraktion beantragen die Überweisung des Antrags in der Drucksache 5/2394, Neudruck, Schutz der menschlichen Gesundheit: Umfassendes Nachtflugverbot am BBI von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr sichern, an den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft - federführend -, an den Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz sowie an den Ausschuss für Wirtschaft.

Wer diesem Überweisungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? Damit ist dieser Antrag einstimmig überwiesen worden. Ich schließe Tagesordnungspunkt 8.

Mir wird hier mitgeteilt, dass es eine persönliche Erklärung gibt. Der Abgeordnete Goetz von der FDP-Fraktion möchte sie uns mitteilen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben vorhin viel darüber gehört, dass die Brandenburger Landesregierung eine hohe Verantwortung dafür hat, nämlich mit dem Geld der Brandenburger verantwortlich umzugehen. Das ist unzweifelhaft so. Die Brandenburger haben einen Anspruch darauf, dass die Regierung mit ihrem Geld sorgfältig umgeht.

Die Brandenburger haben aber auch einen Anspruch darauf, von der Landesregierung oder von Landesbehörden nicht getäuscht und ausgetrickst zu werden. Die Brandenburger haben einen Anspruch darauf, dass Planungsbehörden des Landes Brandenburg Betroffene von Amts wegen selbst ermitteln und diese Ermittelten von selbst in das Verfahren einbeziehen. Die Brandenburger haben einen Anspruch auf Wahrheit und Glaubwürdigkeit der Landesregierung.

Weil genau diese Ansprüche verletzt worden sind, haben Sie jetzt mit den Protesten zu tun, mit denen wir uns hier zu befassen haben. Wenn Vergleiche gezogen werden zu Stuttgart 21 oder zu anderem, was wir gelegentlich hören:

(Frau Gregor-Ness [SPD]: Das hat niemand gemacht!)

Der wesentliche Unterschied zwischen Schönefeld und Stuttgart 21 ist eben nicht der Baufortschritt. Der wesentliche Unterschied ist der Gehalt der Wahrheit, der in diesen Verfahren irgendwo hinterher einbezogen wird. Wenn gesagt wird, dass Menschen ihren Wohnsitz genommen haben, sich erkundigt haben, ob man dort, wohin sie ziehen, in Ruhe leben kann...

Herr Abgeordneter Goetz, Sie dürfen nicht zur Sache sprechen, sondern Sie können sich in einer persönlichen Erklärung...

- Ich erkläre mein Verhalten, Frau Präsidentin.

Ich bitte darum, dass Sie sich daran halten. Es geht nicht mehr um die inhaltliche Debatte.

(Unruhe)