Protocol of the Session on December 15, 2010

Ich habe in den Unterlagen gelesen, dass zum Beispiel in Frankfurt (Oder) der offene Vollzug nicht mehr gewährleistet ist, weil ausreichendes Personal nicht zur Verfügung steht. Ihre Staatssekretärin, Frau Stachwitz, hat ausgeführt, dass die Personalsituation im Vollzug nicht zufriedenstellend ist. Das macht sich nicht alleine an der Stellenzahl fest, sondern daran, dass der Altersdurchschnitt der Justizvollzugsbediensteten bei 50 Jahren liegt. Wir haben deshalb hohe Personalausfallzahlen. Es gibt hohe Krankheits- und Abwesenheitsraten. Das ist ein Problem. Das lösen wir aber nicht dadurch, dass wir die Stellen streichen, sondern wir müssen zusehen, dass wir auch eine vernünftige Nachwuchspolitik betreiben.

Herr Minister, Sie haben kürzlich beklagt, dass der Strafvollzug keine politische Lobby hat. Sie haben das am 2. Dezember bei einem Vortrag an der Uni Potsdam gesagt. Sie haben ebenfalls beklagt, was ich richtig finde, dass die öffentliche Diskussion nicht resozialisierungsfreundlich ist. Wir brauchen uns nur die Diskussion zur Sicherungsverwahrung anzuschauen. Was passiert, wenn wieder einmal ein Straftäter auf Freigang eine erneute Straftat begangen hat, in der öffentlichen Diskussion? Das ist jedes Mal aufs Neue dasselbe. Dann wird immer „wegsperren“ als einfache Lösung propagiert. Ich finde es richtig, dass Sie dem widerstehen und sich auch öffentlich für Resozialisierungsmaßnahmen aussprechen. Es ist gut, dass auch Sie für Urlaub, Ausgang und offenen Vollzug eintreten.

Es ist ebenfalls erkennbar, dass insbesondere die ersten sechs Monate - nachdem jemand aus dem Strafvollzug ausgeschieden ist - darüber entscheiden, ob er rückfällig wird. Die Rückfallquoten liegen bei Strafgefangenen, die keine Berufsausbildung haben und die auch nach dem Ausscheiden aus der Haft keinen Beruf finden, bei 90 %. Sie liegen aber - die Zahlen liegen für Nordrhein-Westfalen vor - für Strafgefangene, die im Gefängnis einen Beruf erlernt und sich weiterqualifiziert haben, nur bei 32 %. Das heißt, dass eine gute Resozialisierung tatsächlich einen volkswirtschaftlichen Gewinn darstellt. Deshalb sollten wir hier nicht sparen.

Ich sage Ihnen: Wir sind und sehen uns als politische Lobby für einen modernen Strafvollzug. Wir sehen aber auch, dass es nicht primär darum geht, möglichst viele Leute ins Gefängnis zu bringen, sondern wir wollen Strafvollzugsvermeidung, wo immer das möglich ist. Wir sehen es deshalb als sehr problematisch an, dass Sie jetzt dort, wo Einrichtungen im Land existieren - ich nenne Frostenwalde, die Unterbringungsstelle des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks -, die Zuschüsse fast halbieren. Dort sollen jetzt nur noch acht Plätze zur Verfügung gestellt werden. Hier handelt es sich um eine vernünftige Maßnahme, um die Jugendlichen eben nicht in Haftanstalten, sondern außerhalb von Haftanstalten unterzubringen.

Sie beklagen - wenn ich das richtig sehe -, dass die Richter nicht genügend Jugendliche dieser Anstalt zuweisen. Ich denke, dann muss man dafür werben. Das ist nämlich die günstigste Möglichkeit für das Land.

Herr Schöneburg, wir unterstützen Sie bei Ihren Ansätzen. Wir haben allerdings das Gefühl, dass die Regierung - jedenfalls in Bezug auf den Haushalt - Sie nur unzureichend begleitet. Wir

schließen uns deswegen dem Votum von Herrn Eichelbaum ausdrücklich an, der vorhin gesagt hat: Ein bisschen Licht ist da, aber immer noch zu viel Schatten. Deswegen werden wir am Ende dem Haushalt leider nicht zustimmen können. - Danke.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Der Abgeordnete Kuhnert setzt für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Justiz hat die verfassungsmäßige Aufgabe, eine bürgernahe Rechtsprechung zu sichern. Das wird auch dieser Haushalt gewährleisten. Aus diesem Grunde ist aber auch im Justizhaushalt die finanzielle Sparmöglichkeit gering.

Die Idee, trotzdem zu sparen bzw. umzustrukturieren, stammt aus der vorigen Legislaturperiode. Frau Blechinger ist gerade zwar nicht da, aber sie wüsste Bescheid. Ich meine die Gerichtsreform - besonders eine Amtsgerichtsreform. Es geht darum, die Amtsgerichte zu konzentrieren und zusammenzulegen.

Auch Herr Eichelbaum hat das angesprochen. Hierzu gab es inzwischen eine Diskussion mit einem klaren Ergebnis. Es wird nämlich keine grundlegende Gerichtsreform geben, sondern wir werden dort, wo es notwendig ist, Reformen durchführen. Konkret heißt das, dass wir die Amtsgerichte mit Außenstellen weiterhin aufrechterhalten. Das Beispiel dafür ist Cottbus/Guben. Dass die Amtsgerichte erhalten bleiben, solange der PEBB§Y-Schlüssel das ermöglicht, hat verschiedene Gründe.

Ich habe in Vorbereitung auf diese Debatte und im Zusammenhang mit der Einarbeitung in mein neues Amt mit dem Richterbund gesprochen. Der hat im Übrigen von all dem, was Sie hier kritisch angemerkt haben, nichts gesagt. Die haben uns darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, dass die Richter in den Amtsgerichten möglichst nah vor Ort, also an der Basis, sind. Dort sollen sie pragmatische und bürgernahe Entscheidungen treffen.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist: Auch hier schlägt die demografische Entwicklung zu. Die Familiengerichtsbarkeit gewinnt mehr Gewicht. Auch im Bereich der Betreuung müssen die Richter vermehrt tätig werden. Dies geschieht in der Tat vor Ort, und zwar bei den zu Betreuenden bzw. deren Familien. Sie müssen vor Ort erscheinen und sich das anschauen. Insofern ergibt es einen guten Sinn, dass die Amtsgerichte - solange sie von den Zahlen her zu erhalten sind - auch wirklich erhalten bleiben. Wenn die Bevölkerungsentwicklung und der PEBB§YSchlüssel rückläufig sind, dann sollte individuell an den Standorten eine Lösung gefunden werden. Ich nannte das Beispiel des Amtsgerichts Cottbus mit der Außenstelle Guben. Das kann an anderen Orten ebenfalls ähnlich gehandhabt werden.

Gleichwohl sind auch im Bereich der Justiz Kostensenkungen möglich. Wir haben 30 % Leerstand in den JVAs. Herr Vogel hat gesagt, dass das positiv zu bewerten ist. Es klingt fast so, als müssten wir darüber traurig sein. Das ist aber nach meiner Auffassung ein Zeichen dafür, dass Prävention und Kriminalitätsbekämpfung gut funktionieren und vorangekommen sind. Aber hier gilt es nach wie vor, Lösungen zu finden.

Es gab dazu heute in der Zeitung eine Debatte. Auch ich halte es für naheliegend, dass eine JVA stillgelegt wird. Das spart nicht nur die Betriebskosten, sondern das betrifft auch das Thema der Resozialisierung. Es ist wichtig, dass die begrenzte Zahl der sozialpädagogischen und psychologischen Kräfte dort konzentriert arbeiten kann, wo die Gefangenen einsitzen.

Probleme haben wir manchmal mit dem Bund; auch Sie haben darauf hingewiesen. Aber da haben wir kaum eine andere Chance. Wenn sich bei den Sozialgerichten die Anträge stapeln, müssen beispielsweise 15 Richter umgesetzt werden. Das ist durch Gesetze zur Reform am Arbeitsmarkt verursacht. Das fällt ein bisschen auf Rot-Grün im Bund zurück. Offensichtlich sind diese fragwürdigen Gesetze inhaltlich, zumindest teilweise, auch handwerklich so schlecht gemacht, dass wir diesen Stau haben. Das weist auf eine Sparmöglichkeit hin, die wir beachten müssen, dass nämlich Gesetze - ob im Bund oder in den Ländern - so gestrickt sind, dass sie nicht diese Klageflut nach sich ziehen.

Sie haben die Sicherungsverwahrung angesprochen: Das verstehe ich nun gar nicht. Wir hatten ja hier eine Aktuelle Stunde, wo wir das alles vorgetragen haben. Auch ich habe dazu gesprochen. Dabei wurde gesagt, dass wir uns mit Berlin einig sind, das gemeinsam zu machen. Hierbei wurde gesagt, dass im Dezember das Gespräch mit Berlin stattfindet - nun haben wir gerade Dezember und müssen sehen, wie wir es im Einzelnen durchführen -, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit in Brandenburg an der Havel stattfinden wird - also in meinem Wahlkreis, worauf ich damals schon hingewiesen habe -, und zwar in der JVA Görden im Haus 3. Ihren diesbezüglichen Einwurf verstehe ich daher nicht.

Dass die Richterstellen gekürzt oder eingespart worden sind, dazu hat Frau Mächtig schon gesagt, dass wir zehn Jahre lang ein CDU-geführtes Justizministerium hatten. Aber egal, wer das Justizministerium führt - diese Zahl richtet sich nach dem für mich immer noch gewöhnungsbedürftigen PEBB§Y-Schlüssel -, entsprechend dieser Zahl sind Richterstellen einzurichten. Der Leerstand in der JVA zieht dort zwangsläufig auch Personaleinsparungen nach sich, so bitter das auch sein mag.

Ziel der politischen Arbeit im Bereich der Justiz wird es weiterhin sein müssen, möglichst den rechtlichen bzw. gerichtlichen Streit zu vermeiden. Die sinkende Kriminalitätsrate und die zurückgehende Fallzahl bei den Verwaltungsgerichten sind vielleicht ein Anzeichen dafür, dass die Arbeit dort ganz gut gelungen ist. Das ist auch ein Kompliment an die Vorgänger-Ministerin; da braucht man gar keine parteipolitischen Eitelkeiten herauszukehren. In diese Richtung wird es weitergehen müssen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Die Abgeordnete Teuteberg spricht für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Haushaltsberatungen sind immer auch ein Gradmesser für Stimmungen. Deshalb ist die heutige Beratung auch eine gute Gelegenheit zu betonen, dass es durchaus eine Reihe von Bereichen

gibt, in denen wir mit dem Justizminister grundsätzlich in der Zielrichtung übereinstimmen. Ein Beispiel dafür ist das Thema Resozialisierung. Erstmalig werden im vorliegenden Justizetat rund 400 000 Euro für das Projektfeld Forensische Ambulanzen veranschlagt. Das ist ein wichtiges Signal, denn damit kann umgesetzt werden, wofür bereits im April mit dem 2007 verabschiedeten Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung Weichen gestellt wurden.

Erstmals wird die sozialtherapeutische Nachsorge auch entsprechend dem Gesetz umgesetzt. Mit der entsprechenden Mittelausstattung für das Pilotprojekt der nachsorgenden Betreuung durch forensische Ambulanzen hat Minister Schöneburg den Finger in die Wunde der Strafjustiz gelegt. Eine Resozialisierung der Strafgefangenen scheitert oft an der fehlenden Vernetzung der Stellen, die dem eigentlichen Strafvollzug nachfolgen. Wenn die Ambulanzen dann auch noch - wie angekündigt als mobile Einrichtung eingesetzt werden, um Strafgefangene auch dezentral betreuen zu können, dann wäre in einem Flächenland wie Brandenburg viel gewonnen. Dass nun erstmals Mittel im Haushalt dafür veranschlagt werden, ist also erst einmal eine gute Nachricht. In diesem Zusammenhang sind wir allerdings gespannt auf die Ergebnisse der von Minister Schöneburg ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe Resozialisierungsgesetz, die ihre Arbeit im Sommer aufgenommen hat. Den Ansatz, der hier verfolgt wird, nämlich Menschen, die aus der Haft entlassen werden, durch Resozialisierungsmaßnahmen auf das Leben in der Gemeinschaft vorzubereiten, halten wir für richtig. Wir haben dabei die Arbeit ganz konkret begonnen, und das von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gemeinsam geführte Fachgespräch zu diesem Thema von Anfang September hat uns dabei bestärkt.

Mehr Gegenwind werden Sie, sehr geehrter Herr Minister Schöneburg, jedoch von uns beim Thema Sicherungsverwahrung erfahren. Mit Ihrer Ankündigung, dass Brandenburg übermorgen im Bundesrat beantragen wird, zu den vom Bund eingeführten Neuerungen den Vermittlungsausschuss anzurufen, verkennen Sie bewusst die Anstrengungen, die die Bundesregierung unternimmt, um das Instrument der Sicherungsverwahrung gerade nicht auf einen größeren Personenkreis auszuweiten und wie Sie behaupten - inflationär zu nutzen. Ja, die Sicherungsverwahrung ist das schärfste Schwert der Kriminalpolitik und sie sollte immer die Ausnahme sein. Aber gerade deshalb ist es umso bedauerlicher, dass der vorliegende Haushaltsentwurf nicht die entsprechenden Mittel für die notwendigen Maßnahmen der Sicherungsverwahrung, die eben nicht in den Bereich des allgemeinen Strafvollzuges fallen, bereithält. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher nicht rückwirkend verlängern zu dürfen, ist fast auf den Tag genau vor einem Jahr, das heißt am 17. Dezember 2009, ergangen. Die Bundesregierung hat gehandelt und die erforderliche Reform der Sicherungsverwahrung auf den Weg gebracht.

Einzuräumen ist, dass die Umsetzung der Reform alle Bundesländer vor große Herausforderungen stellt. Es liegt deshalb auf der Hand, dass wir uns Partner suchen müssen, und wir dürfen dabei nicht nur nach Berlin schauen. Es genügt auch nicht, laufend Arbeitsgruppen für die Erarbeitung von Konzepten einzurichten und in der Sache bei der Lösung der anstehenden Probleme auf der Stelle zu treten. Wir müssen leider festhalten: Viel ist in Brandenburg in dem einen Jahr seit der Urteilsver

kündung des EGMR nicht geschehen. Aber wir brauchen menschenrechtskonforme Lösungen. Umso mehr hätten wir uns hier mehr Handeln der Landesregierung und weniger Blockade gewünscht, die uns in der Sache wenig weiterbringt.

Neben der Sicherungsverwahrung, die uns im vergangenen Jahr viel beschäftigt hat, sind nach wie vor die Überlastung der Gerichte und die Organisation sowie die sachliche und personelle Ausstattung der Justiz Dauerthemen der Rechtspolitik in Brandenburg. Im Hinblick auf die Amts- und Arbeitsgerichtsreform begrüßen wir, dass die Standorte Zossen und Eisenhüttenstadt bestehen bleiben. Die Standorte Guben und Senftenberg sollen als Zweigstellen der jeweiligen Gerichte in Cottbus weiterhin eine Präsenz in der Fläche garantieren. Die Betreuung in der Fläche ist und bleibt in Brandenburg ein wichtiger Punkt, damit die Dritte Gewalt ihrem Auftrag in Rechtsprechung und Strafvollzug auch gerecht werden kann. Dass mit der Ankündigung endlich Klarheit gegeben ist, was die Zukunft einzelner Standorte angeht, ist ein wichtiges Signal für eine bürger- und wohnortnahe Justiz.

Damit komme ich zum nächsten und letzten Punkt: Auch der Personalabbau ist ein Dauerthema. Zu wenig Personal und damit eine Überlastung der Gerichte führen in Brandenburg schon seit Jahren zu Lücken bei einer funktionierenden und zeitnahen Rechtsprechung. Für die Bürgerinnen und Bürger im Lande gilt: Rechtsgewährung bedeutet immer auch rechtzeitige Gewährung von Recht. Insofern begrüßen wir die Ernennung mehrerer Richter zu Vorsitzenden Richtern an den drei Verwaltungsgerichten des Landes. Eine überlange Verfahrensdauer muss bald der Vergangenheit angehören - und das in allen Bereichen der Gerichtsbarkeit. Die Organisationsprobleme der Justiz, auf die das Landesverfassungsgericht in seiner richtungsweisenden Entscheidung hingewiesen hat, sind nach wie vor offenkundig. Eine Dauer von 22 Monaten für die Festsetzung von Kosten, wie sie etwa von Anwälten in Petitionen moniert wurde, ist nicht tragbar. Sie als Landesregierung und wir als Haushaltsgesetzgeber sind in der Pflicht, eine angemessene Verfahrensdauer durch die personelle und sachliche Ausstattung zu ermöglichen.

(Beifall FDP und CDU)

Wir begrüßen daher das angekündigte flexible Übergangskonzept der vorübergehenden Einrichtung von Altfälle-Kammern an den Verwaltungsgerichten. Die Einsetzung von 15 Proberichtern für eine konzentrierte Aufarbeitung alter Verfahren ist sinnvoll und lässt hoffen, dass wir hier die Engpässe im Zeitraum bis 2015 überwinden können. Gleichzeitig macht es Sinn, dass diese Richter dann der ordentlichen Gerichtsbarkeit an Amts- oder Landgerichten zur Verfügung stehen, wenn dort der Personalbedarf steigen wird.

Wir brauchen dringend strukturelle und flexible Lösungen statt Flickschusterei an den Stellen, an denen die Probleme überzukochen drohen. Sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Justizetat weist eine Verringerung der Ausgaben in Höhe von 10 Millionen Euro auf. Angesichts der Fülle und der Bedeutung der Dritten Gewalt, der Justiz in Brandenburg, ist und bleibt das ein finanzpolitischer Spagat. Sparen und Konsolidierung ja - aber bitte immer mit Bedacht und nicht auf Kosten der Rechtssicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Die Haushaltskonsolidierung braucht den Blick für das Wesentliche, die Unterscheidung zwischen notwendigen Kernaufgaben des Staates

und dem Wünschenswerten, aber durchaus Verzichtbaren. Die Jusitz gehört nun einmal zur ersten Kategorie. Unser Rechtsstaat braucht einen intelligenten und soliden Umgang mit den vorhandenen Mitteln. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP, CDU und GRÜNE/B90)

Herr Minister Schöneburg schließt die Rednerliste zum Einzelplan 04 ab.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Teuteberg, ich bin richtig angetan von Ihrem Redebeitrag, denn er entsprach auch dem Klima, das wir bis jetzt im Rechtsausschuss hatten, nämlich dass man sich inhaltlich auseinandersetzt, dass man bestimmte Sachen anerkennt, dass man zeigt, wo man Differenzen hat, und dann in der Sache argumentiert.

Bei Ihnen, Herr Eichelbaum, hatte ich das Gefühl, dass Sie im Rechtsausschuss oder im Richterwahlausschuss immer nicht dabei waren. Sie haben irgendwie aus einer anderen Welt berichtet; ich werde es im Detail noch an verschiedenen Punkten deutlich machen.

Was muss ein Justizhaushalt letztlich absichern? Was muss er für die Justiz gewährleisten? Ich würde vier Punkte benennen, über die sicherlich Einigkeit besteht:

Punkt 1: Der Justizhaushalt muss die Unabhängigkeit der Justiz gewährleisten, also das, was wir unter Gewaltenteilung verstehen, drei unabhängige Staatsgewalten, die ausbalanciert sind, die sich gegenseitig kontrollieren. Die Unabhängigkeit der Justiz ist etwas, was insbesondere notwendig ist, um Konflikte zwischen den Bürgern zu klären, aber insbesondere natürlich, um unabhängig Konflikte zwischen dem Staat und dem Bürger zu lösen, ohne irgendeiner Einflussnahme zu unterliegen. Hier denke ich weniger an das, was wir heute Vormittag angesprochen haben. Ich denke aber daran, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Wir hatten Eingriffe in die Justiz in früheren Jahren, also vor 1989, und wissen genau, wie wichtig dieser Wert der Unabhängigkeit der Justiz und der Gewaltenteilung ist.

Aber auch die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz sind in der heutigen Zeit Gefährdungen ausgesetzt. Sie kommen indirekter zum Tragen, zum Beispiel dadurch, dass das Budget gekürzt wird, wenn man es so sieht, dass die Staatsanwaltschaft und die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht entsprechend ausgestattet sind. Zum Beispiel tendiert man dazu, die verfahrensrechtlich geschaffene Möglichkeit eines Deals zu sehr zu strapazieren, was durchaus ein Gerechtigkeits- und ein Unabhängigkeitsproblem mit sich bringen kann. Es ist wunderbar, dass die Justiz in unserem Staat eine wichtige Rolle spielt, wenn solche Leute wie Herr Ackermann oder Herr Zumwinkel vor Gericht gestellt werden. Aber wenn die Staatsanwaltschaft nicht entsprechend ausgestattet ist, tendiert man bei solchen komplizierten Verfahren mit einem großen Zeitbedarf, um sie zum Ziel zu führen, sehr schnell dazu, auf einen Deal einzugehen. Das nur als ein Beispiel, als eine Illustration, inwieweit die Unabhängigkeit der Justiz auch Gefährdungen ausgesetzt ist.

Der zweite Punkt, der durch einen Haushalt garantiert werden muss, ist der verfassungsrechtliche Anspruch des Bürgers auf

ein zügiges und faires Verfahren. Das ist schon mehrfach genannt worden und ist in unserer Landesverfassung expressis verbis formuliert. Das heißt, dass auch zügige und faire Verfahren, kurze Verfahrenslaufzeiten angestrebt und garantiert werden müssen. Dazu gab es scharfe Kritik von Herrn Eichelbaum und auch von anderen Rednern. Hier muss man die Kirche im Dorf lassen.

Als ich das Amt angetreten habe, hatten wir Laufzeiten von über 30 Monaten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dieses Problem sind wir angegangen. Wir haben 15 Proberichterstellen dafür eingerichtet. Ab 1. Januar arbeiten drei Kammern bei den Verwaltungsgerichten Potsdam und Frankfurt (Oder), die nur die Altverfahren bearbeiten werden. Wir hatten eine Kammer für Altverfahren bereits in Cottbus installiert. Das wird partiell dazu führen, dass sich die Verfahrenslaufzeiten innerhalb der nächsten zwölf bis 24 Monate gravierend verändern werden. Aber das braucht eine gewisse Zeit. Richter können nicht einfach gebacken und in das Amt gesetzt werden. Sie, Herr Eichelbaum, saßen im Richterwahlausschuss und wissen, dass man sich bewirbt, dass man das prüft, es zum Richterwahlausschuss bringt und dass man ab Januar 2011 arbeiten wird. Dann können Sie von mir aus in zwölf Monaten die Karten auf den Tisch legen und mir vorwerfen, dass das Konzept nicht gegriffen habe. Aber das, was Sie jetzt gemacht haben, ist einfach unredlich.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das gleiche Problem haben wir natürlich bei den Laufzeiten der Verfahren vor den Sozialgerichten. Das hängt damit zusammen, dass seit 2005 ungerechte und handwerklich schlechte Sozialgesetze unter der Überschrift Hartz-IV-Gesetze unsere Gerichte umtreiben. Das hat zu einer entsprechenden Verfahrensflut geführt. Wir haben das Problem angepackt. Das ist auch keine Klientelpolitik, das ist völliger Unsinn, sondern hier ging es darum, dass Verfahrenszeiten von durchschnittlich 15 Monaten viel zu lang waren bzw. sind. Wir haben eben 27 Richterplanstellen geschaffen, von denen ab Januar 22 besetzt werden. Fragen Sie im nächsten Jahr wieder nach, ob sich die Verfahrenslaufzeiten verkürzt oder verlängert haben oder ob sie so geblieben sind. Natürlich haben wir hier das bundespolitische Problem, dass wir nach dem Vermittlungsausschuss wiederum schlechte Gesetze auf den Tisch bekommen werden, dass die Klageflut noch einmal zunehmen wird und dass wahrscheinlich die 22 bzw. 27 Richterstellen gar nicht genügen. Aber dann argumentieren Sie redlich, argumentieren Sie an der Sachlage und versuchen Sie nicht, hier einfach nur zu diskreditieren.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Verfahrenslaufzeiten bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit liegen bei uns im Bundesdurchschnitt. Wir können auch nicht alles über einen Kamm scheren. Die Strafverfahren an den ordentlichen Gerichten laufen im entsprechenden Rahmen ab. Da sind die Verfahrenszeiten konkurrenzfähig. Das gilt auch für Familien- und Zivilsachen. Gehen Sie zu den Amtsgerichten, lassen Sie sich die Statistiken vorlegen. Dann werden Sie sehen, dass alle diese Verfahrenszeiten vertretbar sind, weil unsere Gerichtsbarkeit nach dem PEBB§Y-Schlüssel, der hier mehrfach genannt worden ist, zwar nicht üppig, aber gut ausgestattet ist. Wir sparen in dem Haushalt zwar auf der Personalseite 118 Stellen insgesamt für das nächste Jahr ein - sowohl im

Strafvollzug als auch in der Gerichtsbarkeit. Aber das ist nicht unseriös, sondern richtet sich nach den Eingangszahlen. Wir sparen nur dort, wo wir es auch vertreten können, um die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der Justiz zu gewährleisten.

Der dritte Punkt, der durch den Haushalt garantiert werden muss, ist der Zugang zum Recht für alle Bürgerinnen und Bürger. Der Zugang zum Recht für alle Bürgerinnen und Bürger tangiert auch den Anspruch auf ein faires und zügiges Verfahren. Das heißt natürlich, dass wir uns auch auf der politischen Ebene dafür einsetzen, dass Prozesskostenhilfe nicht gestrichen wird, dass Beratungshilfensätze nicht herab- oder heraufgesetzt werden. Wir sorgen dafür, dass wir im Flächenland Brandenburg mit der Justiz vor Ort sind, dass eine Konfliktregulierung vor Ort garantiert wird, eben durch Amtsgerichte. Das Amtsgerichtskonzept bzw. die Standortfrage wird Sie im neuen Jahr im Entwurf eines Gerichtsneuordnungsgesetzes erreichen. Insofern haben wir nicht nur etwas erzählt, nicht nur irgendwelche Versprechungen gemacht, wir haben es im Rechtsausschuss diskutiert. Das Konzept ist vorgelegt worden und wird jetzt in einen Gesetzentwurf gegossen, es steht jetzt zur Diskussion, und dann können Sie sich parlamentarisch dazu verhalten, ich hoffe in dem Sinne, wie Sie hier auch argumentiert haben.

Vierter Punkt: Was kann ein Justizminister noch machen, was muss er durch den Haushalt absichern? Er hat seit der Föderalismusreform den Strafvollzug ausschließlich in seiner Verantwortung. Wir haben heute in der „Märkischen Oderzeitung“ gelesen, dass der Justizminister zaghaft ist oder zaudert. Vielleicht haben meine Vorgänger nicht so zaghaft, sondern eher konzeptionslos agiert.