Fakt ist - objektiv gesehen -, dass sich die Zahl der Überflüge im Berliner Raum in Zukunft halbieren wird und dadurch natürlich auch die Betroffenheit im Berliner Raum extrem sinkt. Drei Flughäfen werden konzentriert. Das bedeutet natürlich, dass netto eine Entlastung erfolgt. Es bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass an dieser konzentrierten Stelle, nämlich genau im Umfeld Schönefelds bzw. des Flughafens Berlin Brandenburg International, in Zukunft eine konzentrierte Belastung unserer Bevölkerung erfolgt.
Klargestellt werden muss auch noch einmal, Herr Jungclaus, dass das Ganze mitnichten in Hinterzimmern ausgehandelt worden ist, sondern bereits im Planfeststellungsverfahren ganz eindeutig die Unwägbarkeiten der zukünftigen Flugroutenbestimmung festgeschrieben worden sind. Genau deshalb - ich zitiere aus dem Planfeststellungsbeschluss vom 13.08.2004 - wurde festgelegt:
„Die verbindliche Festlegung der An- und Abflugverfahren geschieht durch Rechtsverordnung... und wird erst kurz vor Betriebsbeginn der neuen Start- und Landebahn erfolgen. Zuständig sind das Luftfahrt-Bundesamt und bei Eilbedürftigkeit die Flugsicherung. Auf der Grundlage der §§ 29b Abs. 2 und 29 Abs. 1 LuftVG ist auch bei der Festlegung der An- und Abflugrouten dem Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm Rechnung zu tragen. Eine Regelungsmöglichkeit im Planfeststellungsbeschluss ist mangels Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde, aber auch unter sachlichen Gesichtspunkten wegen der Notwendigkeit der Integration der An- und Abflugwege in das überregionale Netz nicht gegeben.“
Damit stellte sich damals wie heute die Frage, wie die Bürger Lärmschutz auch bei veränderten Flugrouten - die vom ursprünglichen Planfeststellungsverfahren abweichen - erhalten können. Deshalb wurde ein Vorbehalt eingeführt. Er lautet:
„Die nachträgliche Festsetzung, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm bleibt vorbehalten. Insbesondere werden bei geänderten An- und Abflugverfahren am Flughafen die festge
legten Schutz- und Entschädigungsgebiete neu ausgewiesen werden, wenn sich der energieäquivalente Dauerschallpegel an der äußeren Grenze des Schutzgebietes an den Schnittpunkten mit den An- und Abflugstrecken um mehr als 2 dB(A) ändert.
Die Träger des Vorhabens haben auf Anforderung der Planfeststellungsbehörde die für die Überprüfungen notwendigen Unterlagen der Planfeststellungsbehörde vorzulegen und Messungen vorzunehmen.“
Ergänzend möchte ich anmerken, dass genau diese Lärmgrenzwerte für die Gewährung passiven Schallschutzes und die Außenlärmentschädigung so verfügt worden sind, dass sie immer und überall sowie für jedermann im Bereich des Flughafens gelten. Wir haben also bereits Vorsorge getroffen. Damit befinden sich eigentlich alle Altbetroffenen, alle Neubetroffenen und womöglich auch alle zukünftig Betroffenen zunächst in einer komfortablen Situation.
Was wir jetzt brauchen, ist erstens die Optimierung der Anund Abflugrouten. Dafür muss aber eines gelten: Ziel muss unter dem Aspekt der größtmöglichen Sicherheit für alle sein, so wenig Betroffenheit wie möglich und so wenig Betroffene wie irgend nötig zu erzeugen.
Keine Unterschiede - ich möchte unterstreichen, was auch Herr Jungclaus gesagt hat - darf es bei den Betroffenen geben: ob ich Berliner oder Brandenburger bin, ob ich schon immer betroffen war oder mich neu betroffen fühle.
Die wichtigste Herausforderung für einen jeden verantwortlich Handelnden ist jetzt allerdings das Knüpfen eines engen Kommunikationsnetzes. Dieses Kommunikationsnetz ist dringend nötig. Wir müssen den Eindruck der Intransparenz künftig vermeiden.
Variantenvergleiche müssen zu einer optimalen Gestaltung der Flugrouten führen. Diese Flugrouten müssen a) sicher, b) immissions- und emissionsarm sein, und sie müssen natürlich auch wirtschaftlich sein, denn die Refinanzierung unseres Großprojekts darf uns allen nicht aus dem Blick geraten. Deshalb sollte die Entscheidung für die Flugrouten „as soon as possible“ - wie die Fluglotsen sagen würden - fallen, jedoch geht Sorgfalt im Zweifel immer vor Eile.
Wenn wir das erste Mal alle gemeinsam - oder jeder für sich nach der Eröffnung des Flughafens BBI von dort den ersten Flug unternehmen, werden wir an Reinhard Mey denken: Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Und über den Wolken, sagt man, erscheinen alle Sorgen und Ängste ganz klein.
In diesem Sinne wünsche ich uns ein geordnetes, sachlich geführtes Verfahren und hoffe auf die Kompromissbereitschaft aller: der Betreiber, der Planer, der Genehmiger und natürlich unserer Bürgerinnen und Bürger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wichtigste Aufgabe von Politik ist es, die Bürger bei strittigen Entscheidungen von Anfang an mitzunehmen und sie zu beteiligen.
Was wir gerade in den letzten Wochen erleben durften, war wohl eher das Gegenteil. Hier wurden Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben und Informationen viel zu spät in die Öffentlichkeit getragen. Als die Entscheidung getroffen wurde, den BBI am Standort Schönefeld zu errichten, war allen Beteiligten klar, dass dies auch Lärmbelästigungen für die Anrainer dieses Flughafens mit sich bringen wird. Von Anfang an war es notwendig, sensibel und transparent mit dem Thema Lärmbelästigung und Lärmschutz umzugehen, um die betroffenen Menschen vor Ort für das Projekt zu gewinnen. Die Verantwortlichen, vor allem in der zuständigen Planfeststellungsbehörde, also im Verkehrsministerium, haben jedoch wohl eine andere Strategie gewählt, die eher auf das Aussitzen der Problematik zielte, bis das Kind nun endgültig in den Brunnen gefallen ist.
Die Art und Weise, wie die nun betroffenen Bürger in den Gemeinden Teltow, Stahnsdorf, Kleinmachnow, Zeuthen und Wernsdorf über mögliche Überflüge informiert wurden - nämlich aus der Zeitung -, ist im höchsten Grade unsensibel und auch unprofessionell.
Angesichts dessen ist es nur nachvollziehbar und verständlich, dass sich die Bürger von der Politik getäuscht fühlen und derzeit auch eine beeindruckende Protestbewegung in Gang gesetzt haben. Dies alles hätte verhindert oder zumindest aufgefangen werden können, wenn diese Gemeinden an dem Planungs- und Beratungsprozess über die Flugrouten von Anfang an beteiligt gewesen wären. Seit mehreren Jahren wird in der Fluglärmkommission darüber diskutiert, und es ist die Aufgabe der Genehmigungsbehörde, also des Verkehrsministeriums, und nicht etwa der Bürger vor Ort, dass auch alle potenziell betroffenen Gemeinden in diese Kommission berufen werden.
Nur so ist eine ausgeglichene und alle Interessen wahrende Beteiligung in der Flugkommission möglich. Leider wurde dies bisher verpasst und muss jetzt im vorliegenden Fall schnellstens nachgeholt werden.
Die von der Landesregierung seit Bekanntwerden des nun vorliegenden Entwurfs der Flugrouten gewählte Strategie des Überraschtseins hat die Bürger vor Ort doch nur weiter verunsichert und das Vertrauen in die Politik weiter geschwächt. Wie kann es sein, dass das Verkehrsministerium des Landes Brandenburg, einerseits Genehmigungsbehörde, andererseits Teil des Gesellschafters Flughafen, über eine derart wichtige Entscheidung keine Kenntnis besitzt oder besitzen will? Das ist unglaubwürdig; und tatsächlich ist es auch nur die halbe Wahr
heit, das haben Sie später auch indirekt zugegeben, denn bereits 1998 - nicht etwa erst seit 2004 - wies die Deutsche Flugsicherung die Planfeststellungsbehörde in einem Schreiben darauf hin, dass bei unabhängigem Betrieb der Startbahnen ein Abknicken der Flugrouten notwendig sei. Wir haben das Schreiben mittlerweile alle vorliegen.
Allen, insbesondere dem Ministerium, war damit klar, dass der Flughafen mit voller Kapazität arbeiten soll. Somit stand fest, dass die beiden Start- und Landebahnen entsprechend dem Schreiben der DFS von 1998 unabhängig voneinander betrieben werden müssen.
Die derzeitige Argumentation des Ministeriums, man hätte damals nicht genau wissen können, wie abgeknickt wird und welche Gemeinden endgültig überflogen werden, ist zwar dem Sinne nach richtig. Nicht nachvollziehbar aber ist, dass man das Planfeststellungsverfahren und die sich daraus ergebenden Schallschutzmaßnahmen genau mit der Variante geplant hat, die bei einem unabhängigen Betrieb der Startbahnen definitiv gar nicht möglich ist, nämlich der Parallelabflug; denn das Schreiben der DFS von 1998 sagt eindeutig:
Die Versäumnisse des Ministeriums von 1998 bis heute führen zu einer denkbar ungünstigen Konstellation. Es besteht nämlich die Gefahr, dass es zu einer Spaltung der Fluglärmkommission kommt, denn die - ich sage einmal flapsig - alteingesessenen - Gemeinden stehen dort den neu hinzugekommenen Gemeinden gegenüber. Erste gegenseitige Vorwurfsbekundungen und Schuldzuweisungen wurden hier schon ausgetauscht. Das ist eine sehr unerfreuliche Entwicklung, denn dadurch rückt das eigentliche Ziel einer gemeinsamen Lösungsfindung zur Verbesserung des Lärmschutzes in den Hintergrund. Die Interessen der verschiedenen betroffenen Gemeinden drohen nun gegeneinander ausgespielt zu werden, und das Ministerium wäscht seine Hände in Unschuld. Das geht so nicht weiter!
Wichtigste Frage bleibt nun: Wie können die divergierenden Interessen der betroffenen Gemeinden in Einklang gebracht werden? Wichtig ist, dass die betroffenen Bürger bestmöglich vor Lärm geschützt werden und eine faire Lastenverteilung erfolgt, ohne dass der Flughafen generell infrage gestellt wird. Es ist müßig, darüber zu diskutieren, inwiefern der Flughafen nicht in Schönefeld hätte gebaut werden sollen. Fakt ist, dass er das wichtigste und größte Infrastrukturvorhaben des Landes Brandenburg ist und zahlreiche Hoffnungen und Erwartungen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen mit ihm verbunden sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die faire Lastenverteilung zwischen den beiden Ländern Berlin und Brandenburg eingehen; Frau Gregor-Ness hat es bereits gesagt. Fest steht, dass sich die Überflugbelastung in Berlin durch die Eröffnung des BBI halbieren wird, sodass ich hier klar sage:
Wenn es dem Lärmschutz dient, muss auch ein Überflug Berlins möglich sein. Das Ausspielen des einen Landes gegen das andere - ich erinnere: beide sind zu gleichen Teilen Gesellschafter dieses Flughafens - finde ich anmaßend und nicht akzeptabel. Brandenburger sind keine Bürger zweiter Klasse!
Diesbezüglich erwarte ich von der Landesregierung, dass sie schnellstmöglich Auskunft über die tatsächliche Lärmbetroffenheit der jeweiligen Gemeinden gibt. Es ist nicht vertrauensbildend, wenn selbst die Planfeststellungsbehörde und die Gesellschafter des Flughafens keine genaue Auskunft darüber geben können, welche Auswirkungen die unterschiedlichen Flugrouten für die jeweiligen Gemeinden haben. Das muss schnellstmöglich im Sinne der Transparenz nachgeholt werden. In diesem Sinne unterstützen wir die Forderung, alle potenziellen Flugvarianten und deren jeweilige Lärmbetroffenheit für die Gemeinden zeitnah zu veröffentlichen. Wir denken, die Landesregierung sollte darüber zeitnah im zuständigen Verkehrsausschuss Bericht erstatten.
Ich möchte allerdings gleichzeitig betonen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Flughafens nicht infrage gestellt werden darf. Es ist nicht vertretbar, den Flughafen so, wie der Antrag der Grünen es suggeriert, absichtlich wirtschaftlich zu schwächen. Das entspricht in keiner Weise den an ihn gestellten Anforderungen. Ein unabhängiger Betrieb der Startbahnen ist für die Abfertigung der jährlich prognostizierten 27 Millionen Passagiere notwendig. Dies ist auch eine Sicherheitsfrage. Ansonsten würde die Mobilität für die Bürger weiter verteuert werden, und wir würden die Mobilität generell einschränken - was die Grünen in ihrem Antrag allzugern verschweigen.
Wichtig ist unserer Auffassung nach, die wachsenden Mobilitätsbedürfnisse der Bürger mit dem Schutz derselben vor zunehmendem Verkehrslärm zu vereinbaren. Dazu bedarf es einer ausgewogenen und vor allem sachlichen Analyse, die nur mit Transparenz gewährleistet werden kann. Darüber hinaus ist eine vollständige Beteiligung der betroffenen Gemeinden unverzichtbar. Unser Antrag soll dazu einen Beitrag leisten, und wir haben heute Morgen auch Ihren Antrag zu lesen bekommen; er liegt ja in Ihren Unterlagen. Frau Gregor-Ness, ich kann mit diesem Antrag sehr gut leben. Er ist im Grunde in der Stoßrichtung derselbe wie der unsrige. Wir werden unserem Antrag natürlich genauso zustimmen, wie wir das mit Ihrem tun werden. Ich würde mich freuen, wenn Sie in die gleiche Richtung denken und handeln könnten.
Wir haben die Aufgabe, in den nächsten Wochen ganz schnell, also zeitnah, einen Lärmschutz, Mobilität und Wirtschaftlichkeit zu ermöglichen. Dabei muss es darum gehen, weitestgehend über dünn besiedeltes Gebiet zu fliegen mit der Maßgabe der Sicherheit, die diesem Flughafen durch die divergierenden 15-Grad-Abfluglinien zum Erfolg verhelfen können.
Ich wünsche uns und dem Ministerium eine schnellere und progressive Herangehensweise an die Problematik. Setzen Sie in den vorliegenden Fällen nicht auf Zeit, sondern auf Vertrauen! Das wird uns allen guttun, denke ich. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir vorab drei Anmerkungen. Herr Jungclaus, um Ihre Frage zu beantworten: Der Draht von den Koalitionsfraktionen zur Landesregierung ist kurz. Das mag Sie beruhigen, und das ist auch gut so.
Vielleicht noch zur Divergenz, die Sie versucht haben aufzumalen, die aber eigentlich gar keine ist: Bezüglich Ihrer Hinterfragung, inwieweit wir uns anmaßen können, die Daten auf den Tisch zu fordern, möchte ich Sie auf Ihren Antrag zur Aktuellen Stunde sowie Ihren Entschließungsantrag hinweisen, in dem in mindestens drei Abschnitten genau diese Forderung der fehlenden Varianten und der fehlenden Kenntnis von Daten aufgemacht wird. Insofern muss man keinen Gegensatz formulieren, wo es keinen gibt, nur um hier polemisch etwas zu thematisieren;
und unterm Strich die Diskussion so zu gestalten, dass man ein wenig besser dasteht. Das kann an dieser Stelle schwer gelingen.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle auch gleich eine Anmerkung zu dem Redebeitrag von Herrn Genilke: Es ist für mich immer frappierend, wenn Sie hier wie Kai aus der Kiste kommen und die Bürgerproteste thematisieren. Herr Jungclaus hat die politischen Zusammenhänge der in den vergangenen Jahren zum Flughafen und seinem Standort getroffenen Entscheidungen schon erläutert. Es ist für mich inakzeptabel, wenn man in Berlin ein Volksbegehren für den Erhalt des Flugverkehrs in Tempelhof unterstützt, von dessen Auswirkungen nun wirklich viele Bürger betroffen waren, sich aber hier in Brandenburg den Bürgerprotesten zuwendet.