Protocol of the Session on October 7, 2010

(Frau Dr. Ludwig [CDU]: So ist es!)

„Vorgriffe und Vorverurteilungen schaffen das Geschehene übrigens nicht aus der Welt. Aus diesem Grunde kann man jetzt weder Missbilligungen aussprechen noch politische Verantwortung zuweisen.“

Recht hat er! Leider haben Sie gestern bei der sogenannten Aussprache zum Haushalt wie auch jetzt einen solchen Eindruck vermissen lassen. Scheinbar haben Sie es vergessen.

Meine Damen und Herren, es ist schon eine etwas komische Situation: Da wird ein Liegenschaftsverkauf aus dem Jahre 2007 öffentlich zu einem rot-roten Grundstücksdeal zu machen versucht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, sehr geehrte Frau Dr. Ludwig! Auch wenn Sie es gestern anders dargestellt haben: Wir waren es, die in den letzten vier Legislaturperioden oder besser: insbesondere in den Zeiten Ihrer Mitregierung die Finger in die Wunden gelegt haben. Wir waren es, die alle bisherigen Untersuchungsausschüsse einberufen haben. Auch heute stehen einige dieser Fragen wieder in Rede bzw. sollten geklärt werden.

Wir haben beim Untersuchungsausschuss zur sogenannten Bodenreform festgestellt, dass es in der Landesverwaltung eine Verselbstständigung von Entscheidungsstrukturen gegeben hat. Sie waren es, die als damalige Regierung keine Schlussfolgerungen gezogen haben. Ich sage ganz ehrlich: Meine Fraktion hat heute keinen Grund, anders zu agieren. Meine Fraktion will Transparenz. Wir wollen eine ordnungsgemäße Aufklärung aller im Raum stehenden Fragen und Vorwürfe.

Sollte sich erweisen, dass tatsächlich Fehler bei der Veräußerung von Landesvermögen begangen wurden, dass durch zweifelhafte Grundstücksgeschäfte Schaden entstanden ist, dann werden wir das nicht nur kritisieren, dann werden wir handeln auch in dieser Koalition.

Aber wir werden in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren von der Opposition, auch prüfen: Was sind die Ursachen dafür, dass Kontrollmechanismen der öffentlichen Hand offenbar nicht mehr ausgereicht haben? Vor allem werden wir uns nicht für eine Sache in Mithaftung nehmen lassen, die gerade als Regierungstätigkeit - ich sagte es schon: kein rot-roter Grundstücksdeal, sondern eher wohl eine schwarz geprägte,

teilweise mit Rot natürlich - zur Disposition stand. Wenn Sie, Frau Dr. Ludwig, wie gestern unterstellt, in dieser Legislaturperiode unter Verantwortung von Herrn Dr. Markov Sonderkonditionen zum Erwerb von Grundstücken ausgemacht haben, dann fordere ich Sie auf, diese Frage in den Untersuchungsausschuss-Einsetzungsbeschluss zu schreiben, damit die Sache klargestellt werden kann.

Wir werden im Gegensatz zu Ihrer Fraktion, die offensichtlich vergessen hat, wo und in welcher Verantwortung sie in den letzten zehn Jahren war, unserer bisherigen Position treu bleiben. Es war unter Ihrer Mitverantwortung, Ihrer Mitregierung, dass die BBG veräußert wurde zu einem Kaufpreis, den Sie jetzt selbst infrage stellen. Sie waren nach jüngsten Äußerungen überrascht über den Verkaufserlös, der teilweise aus Ausschüttungen realisiert wurde. Vielleicht noch einmal für Sie zur Erinnerung:

Am 07.11.2006 berichtete Mario Faßbender, stellvertretender Regierungssprecher, zu den Ergebnissen der Kabinettssitzung:

„Das Ministerium der Finanzen hat die Brandenburgische Boden GmbH privatisiert. Dies teilte Finanzminister Rainer Speer heute im Anschluss an die Kabinettssitzung in Potsdam mit. Die Gesellschaft ist Anfang November 2006 nach einer europaweiten Ausschreibung an die TVF Thyssen Flächenrecycling GmbH veräußert worden. Verbunden ist die Veräußerung mit angemessenen Arbeitsplatzgarantien für die Beschäftigten der BBG. Dem Land fließen durch die Privatisierung - teilweise über eine Ausschüttung der Gesellschaft - rund 3,9 Millionen Euro zu.“

Meine Damen und Herren! Wir, die Fraktion DIE LINKE, haben uns seinerzeit explizit gegen die Veräußerung der Brandenburgischen Boden GmbH ausgesprochen. Wir haben damals gesehen, dass dem Land die Kontrolle über derartige Verkäufe damit entzogen werden kann. Im Übrigen finde ich, dass diese Unterstellungen, die Landesregierung hätte keinerlei Aufklärungswillen, wirklich fehl am Platze sind. Sie wissen ganz genau - und mein Kollege Bischoff hat es belegt -:

(Bischoff [SPD]: Vier Stunden!)

All diese Fragen - sowohl Kleine Anfragen als auch Anfragen, die extra für den Haushaltskontrollausschuss sowie zur Vorbereitung des Haushaltsausschusses vorgelegt wurden - haben diesem Ansinnen entsprochen, für Transparenz zu sorgen. Sollte noch etwas offengeblieben sein, werden wir dies jetzt klären. Deshalb unterstützten wir dieses Begehren formal, indem wir uns heute, wie es sich gehört, bei der Abstimmung zur Einsetzung enthalten. Wir werden alles dafür tun, dass diesem Land auch durch die Diskussion, und es war teilweise eine sehr unschöne Diskussion, nicht noch politischer Schaden entsteht.

(Bischoff [SPD]: Richtig!)

In diesem Sinne bitte ich darum, dass wir endlich mit der Arbeit beginnen können, die Einsetzung vornehmen und damit die entsprechenden Fragen klären. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich hatte bereits angekündigt, keine weiteren Zwischenfragen zuzulassen, weil wir die Arbeit im Ausschuss verrichten wollen. Was ich aber zulasse, ist die Kurzintervention von Herrn Homeyer; das steht so in der Geschäftsordnung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Da Sie mich zitiert haben, Herr Görke: Zu dem, was Sie zitiert haben, stehe ich auch heute. Ich denke, es ist ein ganz normaler parlamentarischer Vorgang, dass man, wenn eine Sache in die Öffentlichkeit gerät, wie damals die Bodenreformaffäre, einen Untersuchungsausschuss einsetzt. Sie haben ihn damals beantragt, daran kann ich mich noch gut erinnern, Herr Görke, und ich habe dazu meine Meinung gesagt - auch hier in dieser Rede -: dass wir aufklären werden und zu einem Ergebnis kommen. Das haben wir dann auch getan. Nur der Unterschied ist, Herr Görke, dass die Bodenreformaffäre öffentlich überhaupt nicht so wahrgenommen wurde bzw. nicht in dem Umfang und nicht über die Wochen, die wir derzeit erleben - und das bundesweit. Das ist der Unterschied.

(Widerspruch bei SPD und DIE LINKE - Zuruf des Ab- geordneten Bischoff [SPD])

Da Sie mich jetzt zitiert haben, Herr Görke, möchte ich mir erlauben, Sie ebenfalls zu zitieren. Sie sagten damals bei der Einsetzung des Bodenreform-Untersuchungsausschusses:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mit einem Zitat beginnen, das Sie sicherlich kennen: ,Es ist etwas faul im Staate Dänemark.‘“

Dann zitierten Sie den Wachoffizier Marcellus aus dem Drama „Hamlet“,

(Heiterkeit bei der CDU)

und Sie sagten:

„Ja, es ist etwas faul im Staate Dänemark, nämlich in Brandenburg.“

Weiter sagten Sie, Herr Görke:

„Einen tatsächlichen Aufklärungswillen und die notwendige Transparenz bei diesem Aufklärungsversuch einer in Brandenburg bisher beispiellosen Verwaltungspraxis haben wir bis heute nur bedingt feststellen können. Insbesondere Ihr wenig überzeugender Auftritt, Herr Finanzminister Speer, in der Sondersitzung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen hat die Entscheidung, diesen Untersuchungsausschuss einzusetzen, bei uns deutlich reifen lassen.“

(Beifall CDU und FDP - Bischoff [SPD]: Das ist doch Quatsch!)

Wissen Sie, Herr Görke, ich hatte damals Verständnis dafür. Deshalb erwarte ich von Ihnen, dass Sie dafür jetzt auch Verständnis haben, dass wir das genauso sehen. Nun gibt es aller

dings ein Déjà-vu, und wir erleben zum dritten Mal in Folge, dass wir uns mit dem LEG-Untersuchungsausschuss, danach mit der Bodenreform und jetzt wieder mit der Fachabteilung IV des Finanzministeriums beschäftigen müssen. Ich habe dem Kollegen Speer bereits mehrfach gesagt, er möge sich bitte um seinen Laden kümmern. Wir müssen nun zum dritten Mal, mit einem weiteren Untersuchungsausschuss unsere parlamentarischen Pflichten erfüllen, was auch Kosten verursacht. Das hätten wir uns dann ersparen können. Denn nach dem Bodenreform-Untersuchungsausschuss war doch klar, und es steht im Abschlussbericht, dass in dem Laden wirklich etwas faul ist. Danke schön.

(Beifall CDU und FDP)

Herr Görke, verspüren Sie das Bedürfnis zu reagieren?

Sehr geehrter Herr Homeyer! Ich verstehe Sie nicht. Es war ein Lob, was ich mit dieser Darstellung ausdrücken wollte.

(Heiterkeit bei der CDU)

Sie haben versucht, durch die Hintertür ein Ressentiment zu schüren. Herr Kollege Homeyer, nicht nur die Bodenreformaffäre hat eine gewisse Verselbstständigung einer Arbeitsebene sichtbar werden lassen. Auch der LEG-Ausschuss hat dies, und er kam zu der Einschätzung, dass bei der LEG zumindest alles thematisiert worden ist. Aufgeklärt worden ist es damals eigentlich nicht. Es wurde dann gesagt, man müsse diese Grundstücke nicht mehr entwickeln, sondern verwerten. Genau das war das Primat, nach dem diese Grundstücke in den letzten Jahren verwertet wurden und nicht entwickelt worden sind, denn das sind keine Immobilienhändler in dem Sinne, die warten, bis die Preise steigen, um eine Entwicklung vorzunehmen.

Sie haben damals - ich glaube, die Ergebnisse dieses LEGUntersuchungsausschusses kennen Sie auch noch - genau dies in der Regierung mit weiterbefördert, als Sie als Schwarz-Rot regiert haben. Das wollte ich in diesem Zusammenhang nur noch einmal sagen.

Der Abgeordnete Vogel spricht für Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit sechs Wochen lesen wir fast täglich neue Sachverhalte, die den Eindruck nahelegen, dass Landesvermögen unter Wert veräußert worden ist.

Eigentlich sollte man erwarten, dass sich der linke Finanzminister, der mit der ganzen Angelegenheit ursprünglich nichts zu schaffen hatte, an die Spitze der Aufklärung stellt. Aber ganz im Gegenteil! So erzählte uns der Finanzminister in der Sondersitzung des Haushaltskontrollausschusses am 02.09.2010 noch die Story von der „besonderen Seriosität und Bonität“ des Krampnitz-Erwerbers TG Potsdam. In seiner Mappe hatte er

aber zugleich Unterlagen liegen, nach denen sein eigenes Haus erst im März dieses Jahres der Rückzahlung von 740 000 Euro an den von Insolvenz bedrohten Erwerber zugestimmt hatte.

(Bischoff [SPD]: Finanzkrise!)

Verraten hat er dem Ausschuss nichts davon - das musste die Presse übernehmen -, nach seiner Aussage, weil ja nicht danach gefragt wurde.

Die erste Lektion, die wir daraus lernen: Von diesem Minister erhält man vielleicht Antworten, aber keine Auskünfte. Auskünfte geben würde bedeuten, dass der Minister dem Landtag Informationen zu wichtigen Sachverhalten gibt, auch wenn er nicht danach gefragt wurde.

Wer nun aber meint, dass man auf eindeutige und gezielte Fragen von diesem Ministerium eindeutige Antworten bekommt, der sieht sich getäuscht. Auf die eindeutige Frage: „Wer steckt hinter dem Erwerber?“, war bis heute keine eindeutige Antwort zu bekommen; Frau Ludwig hat es ausgeführt. Am 2. September hieß es noch, es sei die „seriöse und gut bonitierte Thylander-Gruppe“. Am 7. September dagegen bestätigte das MdF gegenüber den „PNN“, dass die Thylander-Gruppe nichts mit dem Käufer zu tun habe. Dies wurde von Thylander am 9. September bestätigt. Am 16. September hieß es aber von der Referatsleiterin im Haushaltsausschuss, es sei doch Thylander, was inzwischen von Thylander wohl wieder dementiert wurde, und so weiter.

Das Ministerium weiß nichts von einem Weiterverkauf der noch im Landesbesitz stehenden Teilflächen an andere Erwerber, die zwischenzeitlich bereits Journalisten über das Gelände geführt und mit der Vermarktung begonnen haben. Einsichtnahmen in Gutachten werden verweigert, weil es sich um Unterlagen privater Firmen handelt, und so weiter; Herr Bischoff hat es ausgeführt.

Daraus folgt die zweite Lektion, die wir eigentlich nicht lernen wollten: Wir Abgeordnete lesen besser in der Zeitung als die Landesregierung zu befragen, denn aus Zeitungslektüre wird man klüger. Wenn man etwas wissen will, findet man in der Presse bessere Antworten als im unwissenden Ministerium. Die Presse weiß nicht nur meistens eine Antwort - das ist das Erstaunliche -, sondern sie hat auch die passenden Unterlagen und Dokumente vorliegen.

Inzwischen ist eine Fülle von weiteren dubiosen Sachverhalten aufgetaucht - sei es die Veräußerung der BBG an die von Herrn Marczinek übernommene TVF Altwert, der für einen angeblichen Verkaufspreis von rund 3,9 Millionen Euro durch Rücklagenauflösung und Stammkapitalabsenkung nur rund 140 000 Euro aufbringen musste, seien es Veräußerungen von Landesliegenschaften durch die BBG an eigene Tochtergesellschaften usw. Die Beispiele des Verkaufs der BBG und der Kasernenanlage in Krampnitz lassen erkennen, dass Namen, die bei anscheinend besonders günstigen Schnäppchen fallen, auch dann auftauchen, wenn es um die Besetzung von Führungspositionen beim SV Babelsberg, um Spenden oder um Sponsoring geht. Das kann Zufall sein. Mit den normalen Rechten der Parlamentarier kann aber nicht geklärt werden, ob es sich um Zufall handelt oder nicht.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Minister Speer - es wurde bereits mehrfach angesprochen - war nicht bereit, Auskünfte zu den Sponsoringbeziehungen zwischen dem BBG-Erwerber und seinem Verein SV Babelsberg 03 zu geben. Dritte Lektion also: Mit unseren normalen Fragerechten als Abgeordnete kommen wir hier nicht weiter.