Protocol of the Session on October 6, 2010

(Oh! bei der CDU - Beifall DIE LINKE)

Ich freue mich auf die Vorschläge der Oppositionsparteien in den nächsten zwei Monaten Haushaltsdebatte. Wir werden sie diskutieren. Es gibt, anders als bei Ihnen, bei uns keinen grundsätzlichen Vorratsbeschluss, alle Anträge der Opposition abzulehnen. Das dürften Sie übrigens in der Zwischenzeit schon bemerkt haben. Auch das ist neu an der Regierungs- bzw. Koalitionspolitik hier in Brandenburg.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ihre Vorstellung von Oppositionsarbeit war, ist und wird niemals die Vorstellung der Linken sein. Das haben wir 20 Jahre unter Beweis gestellt, und zwar konstruktiv.

(Zurufe von CDU und FDP)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben nun innerhalb kürzester Zeit den zweiten Haushaltsentwurf dieser Regierung. Wir hatten für all diese Arbeit nur zehn bis elf Monate Zeit. Hier liegt etwas auf dem Tisch; das kann man zur Kenntnis nehmen, das kann einem auch in der politischen Ausrichtung nicht gefallen, bitte schön. Aber hier Zahlen durcheinanderzuwirbeln, Tatsachenbehauptungen aufzustellen, Verleumdungen zu äußern und so zu tun, als hätten der Ministerpräsident und der Finanzminister den Laden nicht im Griff, was die Haushaltsplanung betrifft, entschuldigen Sie bitte, das ist einfach Unsinn.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Ich sage Ihnen: Das können Sie hier auch immer aussprechen, aber mit der Lebenswirklichkeit der Brandenburgerinnen und Brandenburger, die uns gewählt haben, hat das nicht viel zu tun. Die Zustimmung zum Regierungshandeln in den letzten Monaten hat uns die Umfrage vor zehn Tagen bescheinigt. Die Zufriedenheit ist nicht maximal, aber sie wächst. Die Unzufriedenheit ist nicht bei null, aber sie sinkt. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich weiß, Umfragen sind nur Momentaufnahmen - die FDP tröstet sich damit im Augenblick auch gerade.

(Buhrufe von der FDP - Beifall DIE LINKE und verein- zelt bei der SPD)

Die Umfrage hat ja noch etwas anderes unter Beweis gestellt, und da sollten Sie, Herr Büttner, der Sie Ehrlichkeit eingefordert haben, auch selbst ehrlich bleiben. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger finden die Prioritätensetzung dieser Landesregierung zu zwei Dritteln richtig, nämlich - und das ist Inhalt dieses Landeshaushalts - die Bereiche Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft und Arbeit von übergroßen Einschnitten auszunehmen. Das dokumentiert dieser Landeshaushalt; das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wenn Sie sagen, diese Landesregierung lege nichts vor, was die Zukunft des Landes sichere, dann sprechen Sie deutlich gegen die Ziele, nämlich Vorrang für Bildung, Vorrang für Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Wir wissen, dass Sie das nicht interessiert, aber dann sagen Sie es bitte auch.

Mit diesem Haushalt sind die finanziellen Grundlagen für die Entwicklung des Landes in den nächsten Jahren gelegt, Wei

chen sind gestellt, Schwerpunkte gesetzt. Ich gehe davon aus, dass wir diesen Haushalt auch vernünftig diskutieren und dann realisieren. Brandenburg ist - und deshalb ist es schwierig mit den Sozialkürzungen - ein Land mit hoher Sockelarbeitslosigkeit, mit demografischen Problemen und regionalen Disparitäten. Diese sind aber nicht vom Himmel gefallen, die haben wir seit 20 Jahren miteinander zu diskutieren. Der Versuch des früheren CDU-Wirtschaftsministers, aus der Not eine Tugend zu machen und das Land Brandenburg als Billiglohnland zu vermarkten, ist auch gescheitert. Die Folgen sehen wir jetzt.

(Beifall DIE LINKE)

Ich bitte Sie: Wie wollen wir denn ausgewogen Finanzpolitik machen, wenn nicht auch mit sozial zu verantwortenden Kürzungen? Das geht nicht anders. Den Weg des Bundeshaushalts wollen wir nicht gehen. Dort wird ein Drittel der Konsolidierungsleistungen auf dem Rücken der sozial Schwachen, nämlich im Sozialhaushalt, ausgetragen. Ich kann mich jedoch nicht erinnern, dass die Hartz-IV-Empfänger für die Finanzkrise verantwortlich sind. Die, die für die Finanzkrise verantwortlich sind, nämlich die Banken, werden bei den Kürzungen gerade einmal zu 7 % bedacht. Das halten Sie für gerecht? Ich nicht.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Deshalb sagen wir: Dieses Sparpaket ist unausgewogen, unsozial und für die östlichen Bundesländer insgesamt vollständig ungerecht; es verschärft die Probleme sogar noch. Statt hier die fröhliche Opposition zu spielen, bitte ich Sie von ganzem Herzen, ich fordere Sie auf - denn es ist die Verantwortung für Ihre Wählerinnen und Wähler -: Machen Sie sich bei Ihrer Bundesregierung stark gegen diese Art von Politik! Denn sonst werden Sie, egal, wann Sie hier jemals vielleicht wieder Regierungsverantwortung übernehmen - in der Demokratie ist ja bekanntlich nichts ausgeschlossen -, noch schlechtere Rahmenbedingungen vorfinden als wir jetzt.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Deswegen sagen wir, wir bleiben dabei: Es geht uns in diesen Zeiten auch weiterhin um solche Entscheidungen, die eine verlässliche und erträgliche Basis für Veränderungen bieten. Diese haben wir getroffen, sie liegen auf dem Tisch, und wir werden sie weiter treffen. Wir werden sie in den nächsten zwei Monaten und auch darüber hinaus transparent machen und erläutern; wir werden um Zustimmung ringen und um Kompromisse, die uns zwar auch selbst schwerfallen, die aber notwendig sind, und wir werden dabei auch selbst lernen.

Der Minister der Finanzen hat bereits deutlich gemacht - daher sage ich, das gilt auch für die Haushalte 2011 ff. -, dass die Bereiche Bildung, Soziales und Wissenschaft, die Markenzeichen von Rot-Rot, weiterhin deutlich als Prioritäten erkennbar sein werden. Jeder Euro, der hierfür fließt, ist eine wichtige Investition in Gegenwart und Zukunft; das ist unsere feste Überzeugung. In der Priorität Bildung steigen die Kosten für Investitionen um 48,3 Millionen Euro, vor allen Dingen wegen der Kita-Zuweisungen.

Erstens: Wir streichen nicht bei den sozialen Leistungsgesetzen, wir streichen nicht - im Gegensatz zu anderslautenden Gerüchten, wie von Frau Wöllert vorhin schon erwähnt - bei

Leistungen wie Blindengeld, sondern wir setzen bei der vergleichsweise hohen Investitionsquote unseres Landes an. Diese liegt derzeit bei 18,2 %.

Zweitens: Es bleibt unser Vorsatz - und wir werden darum kämpfen -, nicht auf Kosten der Substanz und der Zukunft zu sparen. Werterhaltung soll und muss gewährleistet werden. Brandenburgs derzeit moderne Infrastruktur erlaubt es, hier vielleicht eine gewisse Zeit verminderter Investitionen in Beton - also Investitionen im klassischen Sinn - zu verkraften.

Bei der Kofinanzierung von Bundes- und EU-Mitteln - das ist unsere dritte Verlässlichkeit - haben jene Programme Priorität, die die höchste Hebelwirkung und Effizienz haben. Je mehr Mittel wir mit einem Euro Landesgeld mobilisieren können, desto sinnvoller ist es auch, daran festzuhalten.

Viertens: Bei der Wirtschaftsförderung setzen wir verstärkt auf revolvierende Fonds; die Zuschussförderung wird dabei auf eine Darlehensförderung für Unternehmen umgestellt.

Fünftens: Für die Kommunen sorgen wir durch die Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes für so viel Stabilität wie möglich.

Sechstens: Strenge Haushaltsdisziplin und die mittelfristig deutliche Absenkung der Nettoneuverschuldung prägen die rot-rote Politik in Brandenburg - eine Politik, die sich mit der hohen Überschuldung des Landes nicht abfindet.

Lassen Sie mich an dieser Stelle abschließend sagen: Wenn es bundesweit in einem Bundesland vergleichbarer Struktur eine Möglichkeit gegeben hätte, hier eine ganz andere Politik zu machen und gar keine Neuverschuldung einzugehen, dann hätten wir dies geprüft und auch so gemacht. Dann wäre es uns auch egal, wer dort regiert. Ich sage Ihnen aber auch, dass Ihr CDU-regiertes Thüringen mit einer vergleichbaren Struktur und einem vergleichbaren Haushaltsvolumen sowie einer vergleichbaren Verschuldung für 2011 mit 619 Millionen Euro in die Verschuldung geht. Das sind 9,48 %; bei uns sind es knapp 5 %. Diese Zahlen sind ausdrücklich vergleichbar.

(Büttner [FDP]: Schauen Sie doch einmal nach Sachsen!)

- Nach Sachsen schaue ich gerne: Das habe ich mir angesehen; darüber können wir nachher noch einmal reden. Sachsen hat in der Zeit, als die Verschuldungskurve in Brandenburg unter CDU-Beteiligung entstand...

(Senftleben [CDU]: Und SPD-Beteiligung!)

- Ja, Herr Kollege, aber die SPD ist jetzt in einer anderen Koalition, und zwar aus guten Gründen: weil sie nämlich eine andere Politik machen will, unter anderen Bedingungen. Das ist eine Konsequenz, die Sie erst einmal unter Beweis stellen müssten!

(Weitere Zurufe des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Insofern hat die SPD meinen großen Respekt; wir diskutieren darüber ja auch. Aber wir sind uns einig darüber, dass wir das, was Sie uns hier immer vorhalten, eben nicht machen wollen, und das bedeutet Verschuldung ohne Verantwortung.

Zurück zu Sachsen: In Sachsen hat man in dieser Zeit Rücklagen gebildet, in Sachsen hat man in dieser Zeit offensichtlich anders investiert, und ich sage Ihnen ganz klar: Dennoch geht Sachsen damit herunter, was ich nicht erwartet habe. Sachsen senkt seine Investitionsquote, Sachsen kürzt bei Privatschulen.

(Senftleben [CDU]: Bei den freien Schulen!)

Da sind noch allerlei Überraschungen, die sich die Kollegen in Sachsen ausgedacht haben. Fakt ist eins: Bei den sozial unausgewogenen Kürzungsfolgen der Bundesregierung sind die östlichen Bundesländer derzeit nicht in der Lage, völlig ohne Nettoneuverschuldung auszukommen. Wir sind der Auffassung, das ist sozial gerecht und haushaltspolitisch ausgewogen.

Über all die anderen Fragen werden wir in den folgenden zwei Monaten miteinander diskutieren können, aber bitte auf der Basis von Fakten.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Last, but not least der Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Abgeordnete Vogel erhält das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das erhoffte Feuerwerk der Ideen ist heute ausgeblieben. Ich hätte eigentlich gedacht, dass der Finanzminister neue frische Ideen zur Konsolidierung des Landeshaushalts, zum Abbau der Staatsverschuldung bei gleichzeitiger finanzieller Absicherung der Schwerpunktaufgaben Bildung, Anpassung an den Klimawandel und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen einbringt, aber - ehrlich gesagt - außer der Erhöhung der Grunderwerbsteuer habe ich relativ wenig gehört. Aber wie denn auch, wenn die Regierungsvertreter der Meinung sind, dass die Ideen von der Opposition geliefert werden sollen, und beklagen, dass dies bislang noch nicht geschehen sei?

(Beifall CDU)

Ich will nicht ungerecht sein, die Haushaltslage des Landes lässt einfache Antworten auf zentrale Fragen staatlicher Haushaltspolitik nicht zu. Die Gesamtverschuldung des Landes wird Ende 2010 19 Milliarden Euro betragen. Die Pro-KopfVerschuldung des Landes lag Ende 2009 mit 7 282 Euro pro Einwohner um 1 000 Euro deutlich höher als der Bundesdurchschnitt und liegt inzwischen auch höher als die Pro-Kopf-Verschuldung der finanzschwachen westdeutschen Bundesländer, die 30 Jahre länger Zeit hatten, ihren Schuldenberg anzuhäufen. Besonders bedrückend - Frau Kaiser hat es angedeutet - ist der Vergleich mit Sachsen. Die dortige Pro-Kopf-Verschuldung ist mit 2 850 Euro halb so hoch wie die von Brandenburg. Die Frage sei erlaubt: Wie ist das möglich? Was haben die Sachsen anders und richtig gemacht? Auf Kosten der Bildungsqualität scheint es in Sachsen jedenfalls nicht gegangen zu sein.

Der aktuelle Verschuldungsstand des Landes und die Nettokreditaufnahme von 500 Millionen Euro im Jahr 2011 sind umso bemerkenswerter, als unsere Einnahmen gegenüber den westdeutschen Ländern seit Jahren durch SonderbedarfsBundesergänzungszuweisungen in Milliardenhöhe und Zuwei

sungen aus dem Länderfinanzausgleich verzerrt sind. Diese Sondermittel - Herr Holzschuher hat es angesprochen - laufen bis 2020 sukzessive aus, und niemand macht sich Illusionen, dass es eine Anschlussfinanzierung geben könnte. Unwahrscheinlich ist auch, dass der Länderfinanzausgleich in ähnlicher Größenordnung wie bisher erhalten werden kann. Grund ist nicht nur, dass die Bereitschaft der finanzstarken westdeutschen Bundesländer, für die arme Verwandschaft zu zahlen, spürbar abgenommen hat, sondern auch, dass der Länderfinanzausgleich an die Einwohnerzahlen gekoppelt ist und somit das Land Brandenburg aufgrund sinkender Einwohnerzahlen bis 2020 auch ohne eine Neuregelung des Länderfinanzausgleichs über 300 Millionen Euro LFA-Mittel einbüßt.

Die Steuergesetzgebung, auch für die Steuern und Steueranteile, die auf das Land entfallen, liegt mit Ausnahme der Grunderwerbsteuer in alleiniger Zuständigkeit des Bundes, sodass uns dieser Weg der Einnahmeerzielung weitestgehend versperrt ist.

Der Weg in eine dauerhafte Ausweitung der Staatsverschuldung ist dem Land nicht zuletzt durch die grundgesetzliche Schuldenbremse - ich sage: Gott sei Dank - versperrt. Zur Ausgestaltung der Schuldenbremse in Brandenburg haben die Oppositionsfraktionen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der morgen im Plenum beraten werden wird. Ich denke, wir haben einen konstruktiven Vorschlag eingebracht. Wir sind gespannt, wie Sie mit dem Gesetzentwurf umgehen werden. Die heutigen etwas abfälligen Äußerungen lassen allerdings Schlimmes befürchten.

Allen Unkenrufen zum Trotz: Bei einem Einnahmevolumen von 9,5 Milliarden Euro - 9 500 Millionen Euro - ohne Kreditaufnahme leiden wir in Brandenburg nicht unter leeren Kassen, sondern haben die Aufgabe, knappe Haushaltsmittel möglichst sinnvoll einzusetzen. Unverändert gilt: Das Land Brandenburg hat verglichen mit dem übrigen Deutschland kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Wir müssen mit den Ausgaben runter. Ausgaben in Höhe von 10 Milliarden Euro sind, gemessen an den wegfallenden EU- und Bundeszuschüssen, rund 2 Milliarden Euro zu viel. Mittelfristig werden wir uns - Herr Holzschuher hat es angesprochen - dem Niveau des Landes Schleswig-Holstein mit rund 8 Millionen Euro Einnahmen und Ausgaben annähern müssen.

Was so selbstverständlich und einfach klingt, ist in Wirklichkeit unendlich schwer. Der Landeshaushalt hat sich über 20 Jahre zu seiner jetzigen Struktur und Ausgabenhöhe entwickelt. Eine abrupte Vollbremsung ist nicht möglich - das wissen wir auch -, wohl aber ein entschiedenes Umsteuern. Dabei haben wir in Brandenburg allerdings mit besonderen Erschwernissen zu kämpfen. Wie in der mittelfristigen Finanzplanung des Landes zu Recht dargestellt, sind wir dabei, in eine Demografiefalle zu laufen. Mit jedem Einwohner und jeder Einwohnerin verliert Brandenburg Steuereinnahmen und Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich von rund 2 600 Euro pro Person und Jahr.

Jedoch sinken die Ausgaben nicht parallel zu den Bevölkerungsverlusten. Dies ergibt sich aus den Bevölkerungsgewinnen im berlinnahen Raum und den Bevölkerungsverlusten in der Peripherie. Die Einwohnerzuwächse rund um Berlin erfordern zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur wie auch vermehrte Ausgaben für Bildung und Verwaltung. Die landesweit zu verzeichnende Alterung der Gesellschaft erfordert neue