Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehrenamtliches Engagement gehört zum Rückgrat unserer Gesellschaft. Ja, es sorgt für Zusammenhalt und Heimatbewusstsein. Ja, es ermöglicht breite Vereins-, Verbands- und Innungsstrukturen. Dadurch werden viele Bürgerinnen und Bürger erreicht, angesprochen und eingebunden sowie, was ganz wichtig ist, zu Eigeninitiative und Eigenverantwortung angeregt.
Die Ehrenamtlichen beweisen immer wieder: Nicht die Ellenbogen sind unser wichtigster Körperteil, sondern Herz und Verstand. Sie alle wissen, dass es eine große Freude ist, wenn man den Erfolg seiner Bemühungen sieht, das Wissen, etwas Gutes, etwas Wichtiges geleistet zu haben. Das ist die Hauptmotivation für freiwilliges Tun. Das kann man, wie wir gesehen haben, nicht mit Geld aufwiegen. Ehrenamtlich Tätige ziehen ihren Lohn aus der Aufgabe selbst und dem gemeinschaftlichen Engagement für andere.
Was wollen wir? Wir wollen, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mit ihren Ideen, ihrer Kreativität und ihrem Können in unser Gemeinwesen einbringen. Viele Bereiche in dieser Gesellschaft sind ohne dieses Ehrenamt überhaupt nicht denkbar. Aber - und das dürfen wir nicht vergessen - dazu bedarf es der Pflege, des Aufbaus und des Ausbaus von Netzwerken, die es ermöglichen, gerade diese ehrenamtliche Arbeit gut abzustimmen und sich gegenseitig befruchtend und ergänzend zu organisieren.
Von der Reaktion auf die gesellschaftlichen Veränderungen ausgehend, muss man sich Gedanken über die Aufgabenverteilung selbst machen. Der Staat soll die Rahmenbedingungen schaffen und das Potenzial aktivieren. Ideen und Initiativen müssen aber von den Menschen selbst kommen.
Ein Problem ist, wenn der Nachwuchs für das Ehrenamt ausbleibt. Dann müssen wir uns Gedanken machen, welche Angebote wir eigentlich unterbreiten, um sie zu aktivieren und zu motivieren. Denn wir wissen, freiwilliges Engagement baut Brücken innerhalb einer Gesellschaft und zwischen Gesellschaften, zwischen reicheren und ärmeren Menschen, aber vor allen Dingen auch zwischen Älteren und Jüngeren. In ihr und mit ihr spiegeln sich die Fähigkeiten und der Mut der Bürgerinnen und Bürger, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, wider.
Gelegentlich war zu hören, die ehrenamtlich und freiwillig Engagierten seien Lückenbüßer für Aufgaben, die sonst der Staat zu lösen hat. Das macht mir Sorge, und die Diskussion zeigt, dass das Gegeneinandersetzen von Erwerbsarbeit, von bezahlten Arbeitsplätzen und Ehrenamt oftmals verwischt wird, sich gegenseitig infrage stellt. Ich halte das für falsch.
Der Staat kann und soll doch nicht alle Aufgaben selbst übernehmen und zu seinen eigenen machen. Wie wir wissen, darf sich der Staat nicht aus seiner Verantwortung für gleiche Lebenschancen und soziale Gerechtigkeit zurückziehen. Aber es gibt Dienste und Dienstleistungen, die man weder kaufen noch bezahlen kann, die aber geleistet werden müssen, wenn unsere Gesellschaft nicht erfrieren soll.
Die Anfrage der CDU bot die Chance einer Analyse der Arbeit der Landesregierung in den vergangenen Jahren, insofern auch der Arbeit der SPD/CDU-Regierung. Dafür herzlichen Dank.
Aber Fragestellungen zeigen, dass der Fragesteller nicht immer Verantwortlichkeiten für einzelne Aufgaben erkennen ließ oder erkennen wollte. Ich darf auch daran erinnern, dass die Kollegen der CDU bereits im Januar 2009 Konsequenzen aus der letzten Prognos-Studie mit einer Kleinen Anfrage abgefragt hatten und beantwortet bekamen. Damals schienen sie zumindest noch etwas zufriedener.
Gestatten Sie mir bei aller Analysefreundlichkeit auch einen Hinweis. Ich selbst bin ehrenamtliche Vorsitzende eines Sportvereins mit 200 Mitgliedern. Wenn ich mir vorstelle, dass so eine Anfrage meinen Verein erreicht, der 69 Fragen zum Vereinsleben beantworten soll, wäre die Entscheidung, wie sich mein Vorstand dazu verhalten würde, sehr eindeutig: Das Papier würden wir nehmen, um unseren Mädchen und Jungen die Möglichkeit zu geben, die nächsten Spielergebnisse aufzuschreiben.
Deshalb müssen wir darüber nachdenken: Was brauchen wir und was wollen wir tatsächlich analysiert haben? Dann greift man eben auf solche bundesweiten Prognosen zurück. Ich halte das für möglich.
Allerdings - und das muss ich auch sagen - mag die Unzufriedenheit der CDU zum Teil auch daran liegen, da stimme ich Ihnen zu, Herr Kollege Schierack, dass einige Fragen nur oberflächlich beantwortet wurden. So hätte man zum Engagement bei der Wasserrettung in Brandenburg - zur Erinnerung: Bran
Probleme werden wir bei den freiwilligen Feuerwehren und ihren Mitgliedern, vor allem aber bei deren Arbeitgebern in Zukunft haben. Wir werden gemeinsam darüber nachdenken müssen, wie das Ehrenamt auch auf diesem Gebiet stärker unterstützt werden kann. Das schließt insbesondere die Unterstützung der Arbeitgeber bei Kleinst- und Kleinunternehmen ein.
Es ist doch kein Wunder, dass der eine oder andere bei der Bewerbung verheimlicht, dass er Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr ist, weil er Angst hat, dass er im Vergleich zu anderen möglicherweise diesen Arbeitsplatz nicht erhalten kann, weil er eventuell zu oft fehlt.
Über all dies müssen wir nachdenken. Dazu gehört mit Sicherheit auch die Führerscheinproblematik. Ich weite die auf die Mitarbeit bei der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft aus. Denn auch hier, darauf wurden wir aufmerksam gemacht, gibt es großen Nachholbedarf.
Großes ehrenamtliches Engagement erleben wir auch in Bereichen der Justiz. Ich darf an das Engagement ehrenamtlicher Richterinnen und Richter erinnern, an Betreuerinnen und Betreuer sowie Schiedsleute. Allein im Strafvollzug sind 85 Menschen freiwillig und ehrenamtlich engagiert.
Natürlich gilt es bei der Förderung des Ehrenamtes darauf zu achten, dass Aufgaben der Gesellschaft - der Kommunen und des Staates - nicht ausschließlich in ehrenamtliche Hände gelegt werden. Gesellschaftlicher und politischer Anspruch bei den öffentlich geförderten Beschäftigungen ist es, dass diese nicht in Konkurrenz zu ehrenamtlicher Arbeit stehen, sondern sich dies ergänzt und so ehrenamtliche Strukturen tatsächlich gestärkt und vor allen Dingen dauerhaft oder - wie man heute so gern sagt - nachhaltig, Herr Kollege Vogel, gefördert werden.
Die CDU hat übrigens in der Vergangenheit unter dem Stichwort „Bürokratieabbau“ immer wieder versucht, Mitwirkungsrechte Ehrenamtlicher im Naturschutz zu beschneiden, etwa bei der Verbandsbeteiligung oder bei den Kompetenzen von Beiräten. Ehrenamtliche sind bei der CDU offenbar gern gesehen, wenn sie kostenlos staatliche Aufgaben übernehmen. Ihre Mitwirkungsrechte dagegen wurden beschnitten.
Nach meiner Erfahrung gewinnen bürokratische Hemmnisse bei der Förderung von Vereinen nicht nur im Umweltbereich zunehmend an Bedeutung. Das betrifft sowohl den Antragsund Abrechnungsaufwand als auch das Problem, Daueraufgaben in zeitlich abgegrenzte Projekte pressen zu müssen. Die Linke tritt für eine umfassende Förderung des bürgerlichen Engagements ein. Freiwillige, ehrenamtliche Arbeit wird bei uns nicht als Lückenbüßer für den Abbau des Sozialstaates missbraucht werden; darauf können Sie Gift nehmen. Sie wird nicht nur eine Sache derer sein, die sie sich leisten können.
Aber, meine Damen und Herren, wir brauchen nicht nur Sonntagsreden; da sind wir uns doch einig, es redet sich hier heute gut. Wichtiger als das ist doch tatsächlich eine wirksame Anerkennungskultur des Ehrenamtes. Dazu gehören eben rechtliche, finanzielle, vor allen Dingen, meine Damen und Herren, aber auch versicherungstechnische Rahmenbedingungen für die ehrenamtlich Tätigen. Dazu gehört, Aufwendungen für bürgerschaftliches Engagement bzw. pauschale Aufwandsentschädigungen als direkte Zuwendung zu erstatten und nicht auf staatliche Leistung anzurechnen. Dazu gehören Möglichkeiten zum Erproben zur kostenlosen Fortführung der Freiwilligen in unterschiedlichen Engagementfeldern.
Es ist sowohl politisch als auch im Rahmen eines gesellschaftlichen Konsenses erforderlich und möglich, dass wir dafür sorgen, dass die Menschen, die sich für die Allgemeinheit engagieren, zumindest keine finanziellen Nachteile haben.
Besonders wichtig ist die ehrenamtliche Tätigkeit der gewählten Kommunalvertreterinnen und -vertreter. - Weil jetzt das rote Licht leuchtet, werde ich dazu einen nächsten Vortrag halten. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Freiwilliges Engagement ist eine Bereicherung für die Gesellschaft insgesamt, aber auch für jedes Individuum. Es ist eine Bereicherung, neben der Erwerbstätigkeit etwas tun zu können, bei dem man andere Menschen kennen lernt, ganz andere Dinge macht und sich vielleicht auch Fähigkeiten aneignen kann, die einem im Beruflichen nicht begegnen. Deshalb freue ich mich über diese Große Anfrage, und ich freue mich auch über diese Debatte heute.
Die Antwort der Landesregierung - Herr Prof. Schierack hat es ähnlich formuliert - ist sehr umfangreich, aber ich finde sie in Teilen auch etwas mau. Die Landesregierung hat sich mehrere Entwicklungsfelder herausgesucht - Jugend, Frauen, ländliche Räume, Arbeitslosigkeit. Zwei Entwicklungsfelder möchte ich hier exemplarisch herausgreifen, weil sie aus meiner Sicht für den demokratischen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft besonders wichtig sind:
Einmal sind es die Jugendlichen. Wer als Jugendlicher lernt, sich demokratisch in verschiedenen Kontexten zu engagieren, wird auch später - auf eine andere Art und Weise - Verantwortung in dieser Gesellschaft übernehmen. Gerade für Jugendliche ist es besonders wichtig, neben Schule und Familie andere Bereiche im Leben kennen zu lernen. Ich möchte aus der Antwort zitieren. Da heißt es im Hinblick darauf, was denn anders werden, welche Dinge man sich anders vorstellen könnte:
„Das große Potenzial engagementbereiter junger Leute kann nur abgerufen werden, wenn Freiräume für eigen
ständige Arbeit und persönliche, teils auch beruflich verwertbare Entwicklungsmöglichkeiten angeboten werden.“
„Hauptamtlich Tätige bzw. erfahrene Engagierte sollten sich dafür strukturierend und unterstützend einsetzen.“
Auf die Frage, was man besser machen könnte, heißt es: Die Ansatzpunkte für eine Verbesserung lauten:
„Entwicklung neuer Beteiligungsformen für Kinder und Jugendliche, da Partizipation junger Menschen ein besonders nachhaltiger Teil der Bürgerbeteiligung ist und die Innovationskraft dieser Bevölkerungsgruppe für die gesellschaftliche Entwicklung sichert.“
Aber wir fragen uns natürlich: Was tun wir denn dazu? Was tut die Landesregierung? Was tun wir alle auf kommunaler Ebene? Was wird da getan? Was kann zum Beispiel auch in Schulen getan werden? Dafür finde ich hier leider keine Anregung.
Ein zweites Engagementfeld sind Arbeitslose; auch sie werden hier extra beleuchtet. Für Arbeitslose ist ehrenamtliches Engagement von ganz besonderer Bedeutung, weil es Verantwortungsbewusstsein und auch Teilhabe an dieser Gesellschaft noch einmal auf eine andere Art und Weise gewährleisten kann, als es Erwerbsarbeit tut.
Die Beteiligung von Arbeitslosen am ehrenamtlichen Engagement stagniert in Brandenburg auf einem niedrigen Niveau, liegt unter dem Bundestrend und ist auch niedriger als in anderen neuen Bundesländern. Dazu ist in der Antwort zu lesen:
„Dabei ist das Interesse an einer freiwilligen Tätigkeit bei Brandenburger Arbeitslosen sehr weit verbreitet. Diese Bereitschaft sollte besser als bisher abgerufen werden, um eine verstärkte Einbindung in den Freiwilligensektor zu erreichen.“
Auch das finde ich ein bisschen schade. Es gibt noch wenig Anhaltspunkte dafür, was wir denn wirklich besser machen können. Darüber hinaus möchte ich noch einmal deutlich sagen: Diese Antwort enthält eine Vielzahl - eine lange Auflistung - von Dingen, die die Landesregierung bereits tut, den IstStand. Ich möchte deutlich sagen: Das ist nicht schlecht. Aber es gibt wenig Visionen. Es gibt wenig selbstkritische Überlegungen, keinen Blick über den Tellerrand, sehr viel selbstreferentiell Brandenburg.
Exemplarisch für dieses „Feuerwerk der Geistesblitze“ möchte ich ein letztes Zitat vorlesen. Seien Sie beruhigt, es ist eine kurze Frage und eine kurze Antwort:
„Welche weiteren Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung zu ergreifen, um Bürger zu aktivieren, die sich bisher noch nicht engagieren, um somit das Ehrenamt zu stärken und zu fördern?“
„Die Landesregierung beabsichtigt, zu den in der Antwort zu Frage 25 aufgeführten wichtigen Entwicklungsfeldern
des Freiwilligensektors in Brandenburg weitere Maßnahmen zur Aktivierung von bisher noch nicht engagierten Bürgern zu ergreifen.“
Das, denke ich, reicht noch nicht. Aber zur Ehrenrettung der Landesregierung möchte ich sagen: Freiwilliges Engagement ist keine Top-down-Angelegenheit. Top-down bedeutet, Herr Schippel: Es ist nichts, was den Bürgerinnen und Bürgern von der Landesregierung verordnet werden könnte, sondern freiwilliges Engagement ist in erster Linie eine Sache der Freiwilligen.
An dieser Stelle möchte ich mich dem Dank anschließen und gleichzeitig anregen, einmal in andere Länder, zum Beispiel in die Niederlande, zu gucken, wo freiwilliges Engagement mit einer Selbstverständlichkeit und ganz anderen Intensität stattfindet, wo Freiwilligenagenturen nahezu ohne öffentliche Unterstützung auskommen. Der Vordenker der niederländischen Freiwilligenagenturen, Henk Kinds, hat einmal gesagt: Es gibt genügend Menschen, die sich freiwillig engagieren wollen. Wir müssen sie nur richtig einladen. - Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unser aller Sache. - Danke.