Protocol of the Session on September 8, 2010

Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt die einbringende Fraktion. Herr Prof. Schierack, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Liebes Parlament! Liebe Frau Ministerin! Wir diskutieren heute - ich hoffe - einen einmaligen Vorgang. Der Antrag unserer Fraktion liegt Ihnen vor. Wenn wir heute die Einhaltung eines Vertrages fordern, also eine „Gemeinsame Erklärung“ der Landesregierung auf der einen Seite und den Hochschulen auf der anderen - dieser Vertrag ist mit der Unterschrift des Ministerpräsidenten besiegelt -, dann geht es dabei um nicht mehr und nicht weniger als um Grundfeste unseres menschlichen Zusammenlebens, nämlich um Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit und darum, auch in schwierigen Zeiten zu seinem Wort zu stehen. Das sind Tugenden, die eine Landesregierung auch in schwierigen Zeiten nicht verlassen darf. Deshalb, meine Damen und Herren, erwarte ich von Ihnen als Parlament, dass Sie sich von diesen Leitbildern, diesen Maßstäben leiten lassen, und ich bitte Sie eindringlich und fordere Sie auf, unserem Antrag zu folgen.

Deshalb freue ich mich auf Ihre Unterstützung und den Mut und höre nun gern Ihren Argumentationen zu.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Prof. Schierack. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Melior erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schierack, wir sind heute noch nicht in den Haushaltsdebatten. Diesen Satz möchte ich Ihnen schon vorweg zurufen; denn an dieser Stelle hätten wir natürlich über die 10 Millionen Euro diskutieren können. Aber wir diskutieren heute quasi noch ein wenig im Nebel und berufen uns darauf, was wir gehört bzw. in Zeitungen gelesen haben. Dies beweist, dass es eine Kommunikation gab. Das war ja der härteste Vorwurf gegen die Ministerin.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

- Herr Senftleben, hören Sie mir doch erst einmal zu. Dies ist passiert. Die Ministerin hat mit den Hochschulen gesprochen, und genau deshalb wissen wir von den Plänen. Das belegt, dass die viel zitierte nicht vorhandene Kommunikation doch stattgefunden hat.

Es gab Gespräche im Juni dieses Jahres. Auch Herr Minister Markov hat gestern noch einmal bestätigt, dass er mit jedem einzelnen Rektor -

(Minister Dr. Markov [DIE LINKE]: Mit vielen!)

- okay, mit vielen Rektoren unserer Hochschulen gesprochen hat. Von daher ist miteinander gesprochen worden.

Was sind aber die Fakten? Der Hochschulpakt I ist von 2004 bis 2006 verabredet worden. Dort ist geprüft worden: Wie weit

kann man überjährige Finanzierung hinbekommen? Wie weit kann man Wissenschaft und Forschung, einschließlich Lehre, befördern helfen? Er war sehr erfolgreich, deshalb gab es im Hochschulpakt die Verlängerung von 2007 bis 2010.

Der Hochschulpakt - dies noch einmal für alle Kolleginnen und Kollegen, die nicht jeden Tag darüber nachdenken - ist eine Erklärung der Landesregierung gegenüber der brandenburgischen Landesrektorenkonferenz. Das heißt, es ist eine Erklärung zwischen zwei Verwaltungsebenen. Für die Landesregierung unterzeichnet in diesem Fall auch der Ministerpräsident, und die brandenburgische Landesrektorenkonferenz wird von ihren jeweiligen Leitungen vertreten.

(Senftleben [CDU]: Sie reden um den heißen Brei herum!)

- Es ist eine Erklärung, Herr Senftleben, es würde Ihnen guttun, zuzuhören. Es ist eine Erklärung, kein Gesetz, und darauf ziele ich ab. Die Zuweisungen für die Hochschulen regeln wir über ein Haushaltsgesetz. Das hat Gesetzesrang, dagegen kann man dann auch rechtlich vorgehen und klagen, gegen einen Hochschulpakt nicht.

Nun möchte ich hier keine falschen Hoffnungen schüren und die Opposition ermuntern, weiter Anträge zu stellen, die ihr Ziel nicht erreichen werden. Auch ich bin nicht erfreut darüber, dass hier eine Verabredung der Verwaltung - ich betone nochmals: eine Verabredung der Verwaltung - nicht eingehalten wird.

(Senftleben [CDU]: Aha!)

Das ist nicht schön. Vertrauen ist ein scheues Reh, und wir sollten es nicht ohne Not in Bedrängnis bringen.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Wahr ist aber auch, dass die Möglichkeit der Rücklagenbildung der Hochschulen nicht um ihrer selbst willen passiert, sondern sie geschieht, weil die Hochschulen damit Freiheiten für Lehre, Wissenschaft und Forschung haben sollen. Wir alle erinnern uns an die Proteste der Studierenden im Sommer vergangenen Jahres, und ich frage mich dann schon: Wenn es Rücklagen in dieser Größenordnung gab, warum ist dann von den Hochschulen nicht mehr investiert worden für die Verbesserung des Verhältnisses von Lehrenden und Lernenden? Warum ist nicht mehr investiert worden, um bessere Bedingungen für die Lehre zu schaffen, und warum ist nicht mehr in die Hand genommen worden, um auch unsere Forschungsbemühungen im Land weiter zu verstärken?

Hochschulen sind keine Sparkassen. Sie sind es umso weniger, als mit der Rücklage überhaupt keine Zinsbildung möglich ist. Deswegen sollten sie das Geld, das wir ihnen zur Verfügung stellen und das nicht vom Himmel fällt, sondern das wir hier mühsam zusammentragen - angesichts der Finanzzwänge und der Sparerfordernisse ist es einmal mehr mühsam -, für die Ziele einsetzen, die es zu bewältigen gilt.

Ich möchte noch ganz kurz darauf eingehen: Die Universität Potsdam ist am härtesten betroffen mit ca. 5 Millionen Euro Rücklage, die dann nicht mehr zur Verfügung steht. Trotzdem hat Frau Prof. Kunst in einer Rundmail geschrieben:

„Ungeachtet dessen hält die Hochschulleitung an ihren Bemühungen fest, mit der Landesregierung in einen konstruktiven Dialog und in Verhandlungen einzutreten. Auch damit sollen alle Möglichkeiten für eine weitere erfolgreiche Entwicklung aller Fakultäten und aller Bereiche der Universität Potsdam genutzt werden.“

Ich wünsche mir sehr, dass es uns gelingt, dieses Vertrauen wieder ein Stück wachsen zu lassen, berechenbar miteinander umzugehen. Ich hoffe, dass dies ein einmaliger Vorgang bleibt und wir gemeinsam die Herausforderungen der Universitäten im Land zusammen mit der Landesregierung bewältigen und stemmen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir setzen die Aussprache mit der FDP-Fraktion fort. Der Abgeordnete Lipsdorf wird zu uns sprechen.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat ist bezüglich dieses Themas in den letzten Wochen vieles über die Medien verbreitet worden, es gab sehr viele Interviews, die natürlich unterschiedliche Ansprüche hatten; das muss man ganz deutlich sagen.

Worum geht es? Es geht zuerst einmal um die Erfüllung des Hochschulpakts II. Was besagt er? Es geht hier so gut wie ausschließlich um Hochschulautonomie, um Planungssicherheit, um leistungsbezogene Mittelvergabe und eine bewährte Rücklagenbildung. Es ist also schon fast ein liberaler Pakt, der dort geschlossen wurde. Ich bin auch sehr froh, dass er existiert, und auch die Hochschulen sind sehr froh darüber. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist aber in der Tat das Vertrauen.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen etwas mitgebracht. Es ist die neue Ausgabe der Benedikt-Bibel. So manch einer schwört ja auf die Bibel. Darin steht: „Am Anfang war das Wort.“ Im Nachsatz steht: „Das Wort war bei Gott.“ Ministerpräsident Platzeck ist garantiert kein Gott, aber ein Wort muss ein Wort bleiben. In vielen Kulturkreisen, auch in dem Kulturkreis, den Sie favorisieren, ist ein Wort ein Wort. Wenn das Wort von einem Ministerpräsidenten, einem Landesoberhaupt, gebrochen wird, wo soll dann noch Vertrauen herkommen? Wie geht das dann weiter?

(Beifall FDP und CDU)

Welcher Ministerpräsident kann sich das überhaupt leisten? Und ist es bloß der Schaden für Herrn Platzeck persönlich, oder ist es Schaden für das Land? Das ist die primäre Frage. Wie viel Zinsen zahlt man für 10 Millionen, die wir hier wegnehmen? Der Finanzminister wird es uns bestimmt sagen, ich kann es nicht sagen. Aber ich kann Ihnen sagen: Die Zinsen, die wir für diesen Vertrauensverlust zahlen, sind weitaus höher.

(Beifall FDP sowie vereinzelt CDU)

Welcher Wissenschaftler kann noch ruhigen Gewissens herkommen, welcher Unternehmer soll denn noch herkommen,

wenn er weiß, Ministerpräsident Platzeck hält sein Wort nicht? Darum geht es hier, um nichts weiter. Das ist die primäre Frage: Ist die Unterschrift eines Ministerpräsidenten noch etwas wert?

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Da ist es völlig irrelevant, ob dieser Vertrag Rechtsbestand hat oder welchen Wert er in dieser Hinsicht hat. Die Universitäten haben sich darauf verlassen, und darum geht es. Sie haben Planungssicherheit bekommen.

(Bischoff [SPD]: Wenn Sie auf Bundesebene nicht dau- ernd Steuern senken würden! - Zurufe von CDU und FDP)

Ach, wissen Sie, wir können jetzt gern auch über den Mann im Mond reden, bitte schön, und das alles verquicken. Aber ich muss Ihnen auch sagen: Herr Platzeck hat in dem „Spiegel“ Interview, wozu er morgen noch einmal Stellung nehmen wird, am Ende auch gesagt, er sei ein Preuße. Meine Damen und Herren, wenn er hier auf preußische Tugenden anspielt, muss man entgegnen: Zu den preußischen Tugenden gehört nicht der Wortbruch. Dazu empfehle ich der SPD Marion Gräfin Dönhoffs „Preußen - Maß und Maßlosigkeit“ zu lesen.

Werte Abgeordnete der SPD, lassen Sie es nicht zu, dass der Name Platzeck, das Amt des Ministerpräsidenten und das Land in einer Art und Weise beschädigt werden, die internationalen Charakter hat.

Herr Abgeordneter Lipsdorf, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Melior zu?

Bitte schön.

Verehrter Herr Kollege Lipsdorf, sind Sie wirklich der Meinung, dass wir Vertrauen dermaßen aufs Spiel gesetzt haben, dass wir unser Wort dermaßen gebrochen haben, wenn 15 Millionen Euro Rücklagen den Hochschulen tatsächlich bleiben, auch über den Jahreswechsel 2010/11 hinaus, und wenn sie jederzeit vorher die Möglichkeit gehabt hätten, dieses Geld sinnvoll einzusetzen? Ich würde also mit diesen Worten sehr vorsichtig sein, aber die Frage geht an Sie.

Gegenfrage:

(Lachen und Zurufe von der SPD)

Wissen Sie, wofür die Mittel eingeplant sind? Mittel zu planen, das ist nun wiederum Hochschulautonomie. Ich kann Ihnen nicht sagen, wofür diese Mittel geplant sind. Wenn Projekte geplant werden, muss man bedenken, dass unsere Universitäten im internationalen Bereich arbeiten. Es gibt nicht nur Industriespionage, sondern auch Ideenklau. Deswegen müssen solche Projekte vorsichtig vorbereitet werden. Dafür werden

Mittel zurückgelegt. Das ist nun einmal so, das müssten Sie auch wissen. Wie gesagt, Gegenfrage: Wissen Sie das? Ich weiß es nicht hundertprozentig. Ich sage auch: Das ist Sache der Universitäten. Frau Ministerin Münch kann diese Frage sicher von den Universitäten beantwortet bekommen. Ich möchte es an dieser Stelle nicht wissen, sage ich Ihnen ganz ehrlich, denn das ist Hochschulautonomie; genau das verstehe ich unter Hochschulautonomie. - Ich bedanke mich.

(Beifall FDP)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Der Abgeordnete Jürgens hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Lassen Sie mich ganz unorthodox anfangen. Heute Abend beginnt Rosch ha-Schana, das jüdische Neujahrsfest. In diesem Sinne lassen Sie mich Ihnen allen „Schana Towa“, ein frohes neues Jahr, wünschen.

Zum Antrag: Ich bin etwas verwundert, Herr Prof. Schierack und Herr Lipsdorf. Sie beide kommen hier vor und reden zum Antrag. Der eine kann gar nichts dazu sagen und geht nach einer Minute wieder, und der andere muss viele Bücher mitschleppen, damit er überhaupt etwas sagen kann.