Protocol of the Session on July 2, 2010

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst einmal ein herzliches Dankeschön an die Kollegen der CDU. Ich fand die Idee in Ordnung, im zwanzigsten Jahr des Bestehens unseres Landes über Berlin und Brandenburg zu reden. Es ist nicht hochaktuell, aber man kann einmal darüber reden. Ich ahne ja Sie waren ein bisschen verschämt, Frau Richstein -, was Sie sagen wollten. Sie wollten sagen: Es ist wirklich eine tolle Sache, dass diese beiden Länder nach zwanzig Jahren Kooperation die beiden am engsten verbundenen Länder in der ganzen Bundes

republik sind. Es gibt keine anderen Länder, die so eng zusammenarbeiten wie Berlin und Brandenburg.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Dass Sie das hier würdigen, finde ich in Ordnung. Das ist gut, das macht Freude.

(Frau Richstein [CDU]: Aber es reicht noch nicht!)

Es gibt keine anderen zwei Bundesländer, auch nicht das CDUregierte Hamburg, auch nicht Niedersachsen und Bremen oder andere, die auch nur annähernd diese Dichte an Kooperation und Zusammenarbeit aufweisen wie Berlin und Brandenburg. Ich danke allen, die in den zwanzig Jahren - es gab ja unterschiedliche politische Färbungen - daran beteiligt waren; denn das nutzt den Bürgern wirklich, das merken die Menschen, darauf können wir auch aufbauen.

Wenn es um Defizite geht - ich komme gleich darauf -: Mir ist neulich ein Defizit aufgefallen. Frau Richstein, vielleicht sollte in Ihrer eigenen Partei auch zwischen Berlin und Brandenburg ein bisschen mehr miteinander geredet werden, und vielleicht sollten Sie Ihrem Berliner Parteivorsitzenden Herrn Henkel einmal sagen, dass Frau Funck jetzt Frau Ludwig heißt, damit er sie auf dem Parteitag nicht mehrfach mit Frau Funck anredet. So ein bisschen Kommunikation zwischen Berlin und Brandenburg, auch zwischen den Parteien, wäre ja angebracht, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir haben - es ist gesagt worden, und ich will es nicht wiederholen - einen guten Stand der Zusammenarbeit. Guter Stand heißt nie, dass etwas nicht auch besser gemacht werden kann. Wir haben seit vielen Jahren einen Härtetest im Wesentlichen positiv bestanden, nämlich wir stemmen im Moment als einzige zwei Bundesländer das größte Infrastrukturprojekt Deutschlands. Es wird im Jahr 2012 ans Netz gehen. Das wird die Dichte und die Qualität der Zusammenarbeit weiter verbessern; denn es ist eine große Herausforderung, ein Objekt in der Größenordnung von zweieinhalb bis drei Milliarden gemeinsam, zwei Bundesländer und dazu der Bund, zu organisieren.

Es ist über Defizite geredet worden. Ich will überhaupt nicht in Abrede stellen, dass es die gibt. Der Strafvollzug ist eines. Unser Justizminister ist im engen Gespräch mit der Berliner Justizverwaltung, damit Haftplätze künftig gemeinsam genutzt werden können. Wie auch sonst? Alles andere wäre doch auf Dauer wirklich gaga. Da müssen wir und da werden wir Wege finden. Wenn in dem einen Land Haftplätze frei sind und sie im anderen Land gebraucht werden und es entfernungsmäßig usw. zumutbar ist, dann muss man sie gemeinsam nutzen; da muss es eine Lösung geben. Ich bin auch optimistisch, dass es eine Lösung geben wird.

Hier ist schon die Zusammenarbeit bei Innovationen, Wirtschaftsentwicklung und Clusterbildung angesprochen worden. Ich kann nur sagen: Wir sind da auf gutem Wege. Der Wirtschaftsminister hat mir heute noch einmal bestätigt: Die Innovationsstrategie wird gemeinsam ausgearbeitet. Da sollen am Ende Cluster sichtbar werden. Noch in diesem Monat werden wir die Arbeit am Gesundheitscluster im Wesentlichen abschließen. Die Führung wird Berlin übernehmen. Wir stehen

kurz vor dem Abschluss beim Energiecluster. Die Führung wird Brandenburg übernehmen. Das sind genau die Punkte, die nötig sind, die in der Wirtschaft erwartet werden und die wir brauchen.

Meine Damen und Herren, aber eines muss man der Ehrlichkeit halber auch sagen. Bei Frau Teuteberg waren - sie sieht es mir nach, wenn ich das sage - herzchenförmige Pupillen zu sehen, als über die Fusion von Berlin und Brandenburg geredet worden ist. Es klang so, als würden nach der Fusion unsere Sorgen verschwinden und alles würde sich in Wohlgefallen und Schönheit auflösen. Ich glaube, dass wir da einem Irrglauben folgen. Eine Stadt mit dreieinhalb Millionen Einwohnern wird auch in einem gemeinsamen Bundesland ihre ureigenen Interessen ganz klar als Stadt weiter verfolgen. Den Streit oder die Auseinandersetzung um die Zugverbindung RE 3 zum Flughafen, auf der Brandenburger aus dem Süden auf ihrem Weg nach Berlin einer wesentlich längeren Fahrtzeit ausgesetzt wären, wenn der Zug zum Flughafen abbiegen und nicht direkt durchfahren würde, hätten wir auch in einem gemeinsamen Bundesland. Denn die meisten Elsterwerdaer fahren mit dem Zug nicht zum Flughafen, sondern zur Arbeit nach Berlin und wollen möglichst schnell dorthin kommen. Das ist doch kein Streit, der sich auflöst!

Ich habe, als ich Oberbürgermeister Potsdams wurde, als erste Amtshandlung die Umlandgemeinden verklagt, weil sie Einkaufszentren bauen wollten. Potsdam-Nord, manche werden sich erinnern. Wir wollten das als Stadt Potsdam nicht. Potsdam und die Umlandgemeinden befinden sich in einem Bundesland. Wir haben über Jahre heftigen Rechtsstreit miteinander geführt. Das wird auch nicht ausbleiben; wir werden nach der Fusion in einem gemeinsamen Bundesland weiterhin genau diese Auseinandersetzungen haben. Man sollte deshalb nicht so tun, als würde sich am Ende alles in Wohlgefallen auflösen.

Wir haben 1996 ein ganz klares Papier auf der Tagesordnung gehabt, mit dem in der Tiefe des Landes begründet worden ist, warum eine Fusion gut ist. Darauf standen Kernforderungen: 100 % im öffentlichen Dienst, aber gleichzeitig Abbau öffentlicher Dienststellen. Was damals darin stand, das haben wir längst übererfüllt. Der gemeinsame Verkehrsverbund, der gemeinsame Fernsehsender und die gemeinsame Gerichtsbarkeit standen darin. Alles das ist erfüllt worden. Das waren alles Hauptpunkte in den Papieren. Ich habe die Flyer noch. Alles das ist inzwischen Realität des Lebens geworden.

(Zuruf von der CDU: Jetzt können wir stehen bleiben?)

Geblieben sind aber Dinge, die damals schon kritisch gesehen wurden. Dafür müssen auch erst einmal Argumente gefunden werden, wenn man so verliebt über diese Fusionsidee spricht. Es bleibt die Schuldenlast Berlins. Sie ist seit 1996 nicht kleiner, sondern sie ist größer geworden. Aber die finanziellen Verhältnisse Deutschlands sind enger geworden. Ich sehe heute niemanden mehr in dieser Bundesrepublik, der ein gemeinsames Bundesland entschulden und sagen würde: Diese 60/70 Milliarden Euro übernehmen wir. - Das ist ein Problem, das geblieben ist.

Geblieben ist das Problem, dass in einem gemeinsamen Parlament natürlich mehr Berliner als Brandenburger Abgeordnete sitzen würden. Sie wissen, dass 1995/96 spannende Verfassungskonstruktionen überlegt worden sind, wie man das auf

heben könnte. Es geht nicht aufzuheben. Dieses Problem ist geblieben. Deshalb muss man den Brandenburgern ganz klare, gut abrechenbare, gut sichtbare Vorteile liefern, die sie haben, wie es Dietmar Woidke gesagt hat. Ansonsten werden Sie noch so viele Umfragen zitieren können. Sie werden die Mehrheit dafür nicht bekommen, wenn diese Vorteile nicht ganz klar sichtbar sind.

Deshalb bleibe ich dabei: Hören wir auf, die Menschen mit neuen Fusionsterminen zu verschrecken. Wer die Fusion will, sollte darauf setzen, dass sinnvoll kooperiert wird und die Menschen irgendwann Vorteile in dem Miteinander sehen. Mit dem Ansetzen von Aktuellen Stunden können Sie so etwas nicht transportieren, Frau Richstein. Da bin ich ganz sicher.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Teuteberg, Herr Ministerpräsident?

Ja klar, immer.

Herr Ministerpräsident, kurze Vorbemerkung: Man sollte nicht von sich auf andere schließen. Man muss nicht verliebt sein, um die Fusion gut zu finden.

(Beifall FDP, CDU und GRÜNE/B90)

Man kann es aber durchaus, Frau Teuteberg.

Ich glaube nicht, dass ich gesagt habe, es würde sich alles in Wohlgefallen auflösen, wohl aber, dass es Potenziale gibt, die man gemeinsam besser heben könnte. Finden Sie, dass Sie da als Regierungschef und als Landesregierung für das Machbare, Realistische wirklich schon genug werben?

(Beifall FDP, CDU und GRÜNE/B90)

Wissen Sie, Frau Teuteberg, Klaus Töpfer hat einmal so schön gesagt, es sei eine alte deutsche Krankheit, dass man mit dem Hinweis auf das Beste von morgen das Gute von heute nicht tut und das Schlechte von gestern behält. Ich will mich auf das konzentrieren, was den Menschen jetzt in dieser Zeit in dieser Region nutzt, und nicht irgendwelche Bilder an die Wand malen, die in der Tiefe des Herzens im Moment keinen Brandenburger wirklich interessieren.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich habe Frau Richstein gehört und heute in der Zeitung gelesen, was Herr Petke gesagt hat. Deshalb muss ich noch einen Punkt erwähnen dürfen, der mir zu

nehmend etwas Sorge bereitet. Sie verkleiden Dinge in ganz große Worte, in sehr harte Worte teilweise und - wie ich finde auch in unpassende Worte. Sie müssen in Bezug auf Ihr Wording - wie es neudeutsch heißt - wirklich einmal ein bisschen in sich gehen und fragen, ob das alles den Anlässen, die Sie besprechen, wirklich gerecht wird. Ich habe heute gelesen, dass Herr Petke meint, die anstehende Polizeireform sei ein Anschlag auf die innere Sicherheit des Landes.

(Holzschuher [SPD]: Pfui! - Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, es als Anschlag auf die innere Sicherheit zu bezeichnen, dass das Land Brandenburg im Jahr 2019 die Polizeiausstattung haben soll, die Niedersachsen heute längst hat, ist einfach unerhört und mindestens unangemessen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Damit wird auf typische Sven-Petke-Art den Menschen Angst gemacht, werden Bilder an die Wand gemalt, dass sie sich fürchten müssen. Das ist eine Art Politik, von der der Bundespräsident - ich werde nachher zur Vereidigung fahren - sagen wird - ich habe schon solche Zeichen gehört -: Genau die Art Politik wollen wir nicht machen, sondern eine Politik, die realistisch ist und den Menschen keine Angst einjagt, sondern die ihnen Mut macht. Sie haben wieder genau das Gegenteil erreicht, Herr Petke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Mittlerweile kennen wir auch Herrn Burkardts verbale Entgleisungen, die ihm bereits einen Namen gemacht haben. In der letzten Landtagssitzung durfte ich persönlich eine solche Entgleisung miterleben. Hätte er noch Trümmer bürgerlicher Erziehung seiner Kindheit in sich, hätte er sich dafür entschuldigt. Dies hat er nicht getan. Ich kann damit leben; denn ich weiß, aus welcher Richtung es kommt.

Nun hat Herr Burkardt es noch weiter verschärft. Sicherlich war dieser Wettspielvorgang im Innenministerium, bei dem Steuergeld falsch eingesetzt wurde, völlig töricht und unmöglich; das ist keine Frage. Dieser Fehler wurde mittlerweile behoben und reguliert. Dabei ging es um 400 oder 500 Euro, was zunächst als kleine Summe erscheint, aber dennoch zu viel ist; denn so etwas sollte man nicht tun.

Aber diesen Vorgang als einen ungeheuerlichen Skandal im Lande zu klassifizieren, wie es Herr Burkardt getan hat, ist vor allem dann ungeheuerlich, wenn man aus einer Partei kommt, deren Ehrenvorsitzender bis heute keine Spender nennt und in der ein Ministerpräsident jüdische Vermächtnisse angeführt hat, die es nicht gab.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Insofern ist es ungeheuerlich, wenn man bei dem Wettspielvorgang, bei dem es um 400 oder 500 Euro ging, von einem ungeheuerlichen Skandal spricht. Dies scheint jedoch, Herr Burkardt, Art des Hauses zu sein, woran wir uns bei Ihnen wohl gewöhnen müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Bei dem gestern von Günther Baaske angeführten Beispiel mit der Friseurin, der nach der Geburt ihres Kindes die 300 Euro

Elterngeld gestrichen werden sollen, obwohl sie ohnehin schon nicht viel hat, würde „ungeheuerlicher Skandal“ besser passen. Herr Burkardt, diese Worte hätten Sie bei dem gestrigen Thema verwenden sollen; denn dort sind sie passender.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Möglicherweise hilft die anstehende Sommerpause, dass Sie ein wenig in sich gehen, den Boden unter den Füßen zurückgewinnen und wieder im Land Brandenburg mit seinen Problemen ankommen. - Danke schön.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält noch einmal Frau Kaiser für die Linksfraktion.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Ich verzichte!)

Da Sie verzichtet, erhält nun noch einmal die Abgeordnete Richstein für die CDU-Fraktion das Wort.