Protocol of the Session on June 2, 2010

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erstes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Dolmetschergesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/1160

1. Lesung

Auch hier wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Insofern kommen wir zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs - Erstes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Dolmetschergesetzes -, der Ihnen in der Drucksache 5/1160 vorliegt, an den Rechtsausschuss. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dies ist nicht der Fall. Damit ist dieses Gesetz einstimmig überwiesen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetz zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 im Land Brandenburg (Brandenburgisches Zensusaus- führungsgesetz - ZensusAGBbg)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/1166

1. Lesung

Auch hier wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Wir kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs - Brandenburgisches Zensusausführungsgesetz -, der Ihnen in der Drucksache 5/1166 vorliegt, an den Ausschuss für Inneres. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Niemand; insofern ist auch dieses Gesetz einstimmig überwiesen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zudem liegt Ihnen der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/1292 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einbringenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Abgeordnete Nonnemacher erhält das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich möchte Ihnen jetzt unseren schönen Antrag „Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern“ vorstellen. Da ich aber möglicherweise auch zum Kreis der Verdächtigen gehöre - bourgeoise Lady aus den Nauener Vorstädten möchte ich mich hier erst einmal als eine Kleinbürgertochter outen, deren Eltern acht Jahre Dorfschule und acht Jahre Volksschule hinter sich haben, und dieses doch ein wenig unangenehme Klima, das während der vorangegangenen Debatte entstanden ist, wieder in Wohlgebaren gelenkt wissen.

Im letzten Monat erschien die alle zwei Jahre neu aufgelegte Bevölkerungsprognose für das Land Brandenburg - herausgegeben vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg - für die Jahre 2009 bis 2030. Diese Bevölkerungsprognose akzentuierte noch einmal, was uns eigentlich allen klar ist: Die Bevölkerung in Brandenburg wird bis zum Jahr 2030 um knapp 300 000 Menschen - das entspricht 12 % der Gesamtbevölkerung - auf 2,23 Millionen Menschen zurückgehen. Dieser Rückgang entspricht der gesamten Bevölkerung der Planungsregion Uckermark-Barnim.

Durch den dramatischen Geburteneinbruch in den Jahren 1991 bis 1996 infolge des sogenannten Transformationsschocks

(Frau Lieske [SPD] lacht.)

- ja, so heißt das; Transformationsschock ist ein Terminus technicus

fehlen uns in dieser und in der nächsten Dekade junge Eltern. Die fehlenden Kinder der Nachwendejahre sind die fehlenden Eltern der nächsten Generation. Diesen Effekt bezeichnet man als demografisches Echo. Zudem hat sich die Geburtenhäufigkeit bei 1,4 Geburten pro Frau eingependelt. Das heißt, der zum Ersatz der Elterngeneration erforderliche Wert von 2,1 wird seit Jahrzehnten nicht mehr erreicht.

Das Problem der schrumpfenden Bevölkerung wird in Brandenburg zusätzlich durch altersselektive Wanderungsverluste in der Gruppe der jungen Erwachsenen verschärft. Brandenburg hat in den letzten Jahren besonders viele junge, gut qualifizierte Frauen verloren, was sich auf die Zusammensetzung der Elterngeneration und die Zahl der Geburten weiter negativ auswirkt. Die niedrige Geburtenrate und die wanderungsbedingten Verluste von Frauen im fertilen Alter führen dazu, dass die Zahl der Frauen zwischen 15 und 45 Jahren stark sinken wird. Sie wird sich bis zum Jahr 2030 halbieren. Damit wird sich auch die Geburtenrate halbieren. Im Jahr 2030 werden in diesem Land jährlich knapp 10 000 Kinder geboren werden. Diesen Geburten werden 33 000 Sterbefälle gegenüberstehen. Das ist dramatisch.

Der Schrumpfungsprozess der Bevölkerung wird gegen Ende des Prognosezeitraumes stark akzelerieren. Das Einzige, was weiterhin kontinuierlich steigen wird, ist die Lebenserwartung. Dem beschriebenen Rückgang der Kinder der Generation der potenziellen Mütter und Väter und der Erwerbstätigen steht also eine starke Zunahme älterer Menschen gegenüber. Ich betone: Diese Daten sollten zu unserer Pflichtlektüre gehören; denn all das, was wir in diesem Landtag besprechen, fußt auf diesen Erkenntnissen und ist sehr wichtig.

(Beifall der Abgeordneten Prof. Dr. Heppener [SPD])

Nach diesem kleinen Ausflug in die Demografie wollen wir uns einer Konsequenz aus den geschilderten Problemen widmen. Die Arbeits- und Lebensverhältnisse müssen erheblich familienfreundlicher gestaltet werden. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss in allen Bereichen massiv gefördert werden. Wir können es uns aus den geschilderten demografischen Entwicklungen heraus nicht leisten, junge Menschen und insbesondere junge Frauen durch Abwanderung zu verlieren. Wir müssen sie angesichts des sich verschärfenden Arbeitskräfte

und Fachkräftemangels an unser Land binden und ihnen optimale Bedingungen zur Familiengründung und zur Kinderbetreuung bieten. Die Zeiten, in denen sich Personalchefs von oben herab genervt nach der Familienplanung erkundigen oder eine Schwangerschaft zum Einstellungshindernis wird, müssen endgültig der Vergangenheit angehören. Im Gegenteil: Wir müssten jungen Eltern in diesem Land den roten Teppich ausrollen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Weiterhin wird das Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ immer wichtiger. Die demografische Entwicklung bringt es mit sich, dass wir immer mehr alte und hochbetagte Menschen zu versorgen haben, deren dringlichster Wunsch es ist, zu Hause und nicht im Heim gepflegt zu werden. Auch dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Wir müssen Arbeitsplätze so gestalten, dass auch die Pflege älterer Angehöriger möglich wird.

Die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird für immer mehr junge Männer und Frauen zum hochrangigen Kriterium bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes. Höhere Arbeitszufriedenheit, wenn die Kinderbetreuung gut organisiert ist, geringere Fehlzeiten durch unversorgte Kinder oder familiäre Überbelastung, schnellere Wiederkehr aus der Elternzeit und die Reintegration am Arbeitsplatz binden qualifizierte Menschen an ihren Betrieb bzw. ihre Arbeitsstelle. Sie werden somit zum Standortund Wirtschaftlichkeitsfaktor, zum Wettbewerbsvorteil für ein Unternehmen. Familienbewusste Personalpolitik hat erwiesenermaßen positive Auswirkungen auf die Unternehmensleistungen. Beschäftigte mit familiären Interessen sind für den Arbeitgeber keine Belastung, sondern ein Gewinn.

Politisch von Bedeutung ist außerdem, dass Familienfreundlichkeit im Beruf und am Wohnort ein nachhaltiger Haltefaktor, ein Anker für den Verbleib in unserem Land ist. An dieser Stelle leistet das audit „berufundfamilie“ Entscheidendes. Es wurde bereits 1995 von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung als strategisches Managementinstrument zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf entwickelt.

In acht Handlungsfeldern wie beispielsweise Arbeitszeit, Arbeitsorganisation und Arbeitsort wird der Status quo analysiert und werden passgenau unternehmensspezifische Lösungen für mehr Familienfreundlichkeit erarbeitet. In der Regel nach zwei Monaten ist der erste Schritt der Auditierung abgeschlossen und das Unternehmen erhält ein Grundzertifikat. Der Prozess wird durch jährliche Überprüfungen begleitet, und nach drei Jahren erfolgt die Auditierung. Das Audit ist erwiesenermaßen wirtschaftlich, die vergleichsweise sehr geringen Kosten der Zertifizierung amortisieren sich schnell. Das Audit ist außerdem nachhaltig, da es keine Momentaufnahme ist, sondern einen kontinuierlichen Prozess mit Zielvorgaben für die nächsten Jahre darstellt.

In Brandenburg, meine Damen und Herren, wird zurzeit ein gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm unter der Federführung der Gleichstellungsbeauftragten erarbeitet. Dieses Programm wird auch in allen Ministerien und Behörden durchzuführen sein. Das Audit wäre die ideale Ergänzung, ja förmlich die Grundlage des Maßnahmenpakets für Geschlechtergerechtigkeit. Hier muss die Welt nicht neu erfunden werden, hier kann auf ein ausgereiftes, bewährtes Management zurückgegriffen werden.

Das audit „berufundfamilie“ steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. In Brandenburg ist das damalige MASGF schon im Jahr 2006 mit gutem Beispiel vorangegangen und hat sich zertifizieren lassen. Die Auditierung erfolgte 2009. Außerdem gehört das audit „berufundfamilie“ in Brandenburg zum familienpolitischen Maßnahmenpaket der Landesregierung. Das Land fördert die Auditierung von Unternehmen mit bis zu 70 % der Kosten aus ESF-Mitteln. Erst dieser Tage hat Herr Minister Baaske den REWE-Markt in Wildau wegen Erlangung des Zertifikats besucht und ausgezeichnet. Wir halten es deshalb für geradezu selbstverständlich, dass nach diesem Auftakt jetzt endlich die gesamte Landesverwaltung nachzieht und sich dem Prozess zur Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterzieht. Nach dem MASF schlagen wir in Analogie zur Bundesebene und wegen der Signalwirkung auf die Unternehmen im Lande vor, mit dem Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten fortzufahren.

Zur Ermunterung möchte ich Frau Ministerin Ziegler a. D. zitieren, die bereits im April 2007 sagte - damals auf eine Anfrage von Frau Lehmann -:

„Deshalb gehe ich fest davon aus, dass wir“

- in ihrem Ministerium

„zwar die Ersten, aber nicht die Letzten sein werden, sondern dass sich viele nach uns diesem Prozess auch unterziehen werden.“

Ein Wort noch zu Ihrem Entschließungsantrag. Ich weiß nicht so recht, ob ich darüber lachen oder weinen soll. Sie stimmen doch offensichtlich mit der Intention unseres Antrags weitgehend überein, alles andere würde mich von der politischen Positionierung her auch sehr verwundern. Warum dann alles wieder in einem halbherzigen Prüfauftrag enden muss, statt ein extrem preisgünstiges, evaluiertes und bewährtes Verfahren auf den Weg zu bringen, erschließt sich mir nicht. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90, FDP und vereinzelt CDU)

Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Prof. Dr. Heppener, bitte.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Nonnemacher, zu unserem Entschließungsantrag: lch kann eigentlich jedes Wort Ihrer Rede unterstreichen, auch, wie Sie ausgeholt haben, als Sie etwas zur Demografie sagten, zur Tatsache, wie brennend das Problem der Familienpolitik ist und aus welchem Grunde Sie sich gerade dem Verhältnis von Beruf und Familie zuwenden. Dann hatte ich aber Ihren Antrag vor Augen und konnte das nicht mehr in Übereinstimmung bringen. Sie stellen mit dem Antrag die Aufgabe, dass wir uns stärker der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zuwenden sollen, aber Sie wollen, dass wir, um diesen Prozess ingesamt in Bewegung zu bringen, mit der Landesregierung, mit einzelnen Ministerien - speziell mit dem Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten - und eventuell auch den ihnen zugeordneten Landesbehörden, beginnen.

Warum so hasenfüßig? Ich stimme dem Anliegen Ihres Antrags zu. Aber ich kann Ihnen nicht zustimmen, dass wir uns bei diesem gewichtigen Problem selbst beschränken, indem wir uns einen bestimmten Adressaten vornehmen, nämlich die Landesregierung, insbesondere das Wirtschaftsministerium, und es an das audit „berufundfamilie“ knüpfen. Dieses Audit - das zeigen die Erfahrungen des MASF - hat Wirkung. Dadurch wurde viel in Bewegung gebracht, was eine familienfreundliche Personalpolitik angeht. Sie haben selbst davon gesprochen, was dort in Bewegung gesetzt worden ist: Die Gespräche mit den Beschäftigten, ein Eltern-Kind-Zimmer im Ministerium, flexible Arbeitszeiten usw. usf. Das Beispiel, das Sie mit dem Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten schaffen wollen, gibt es mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie schon. Insofern greift Ihr Antrag zu kurz. Wir haben Ihrem Antrag unseren Entschließungsantrag entgegengestellt, weil wir meinen, wir können und müssen jetzt einen Schritt weitergehen.

Um es noch einmal zu sagen: Ich stimme Ihnen zu, dass wir aus dem Riesenprogramm Familienpolitik in Brandenburg eine Frage herausnehmen, nämlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich stimme Ihnen auch zu, dass wir uns, was die Untersuchung dieser Vereinbarkeit angeht, mithilfe der Auditierung „berufundfamilie“ die Landesregierung vornehmen. Aber ich stimme Ihnen nicht zu, dass wir nur ein Ministerium im Blick haben sollen. Ich stimme Ihnen nicht zu, dass wir nur nach dem Zertifikat Audit „berufundfamilie“ fragen; denn wir wissen: In anderen Ministerien sind andere Formen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie außerhalb dieser Auditierung und möglich. Und ich stimme Ihnen nicht zu, was die Begrenzung nur auf Beruf und Familie angeht. Darüber haben Sie selbst schon gesprochen. Wir sind uns darin einig, dass wir, wenn wir über Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie sprechen, auch die Pflege von Familienangehörigen einbeziehen müssen.

Sie haben vorhin Daten genannt. Ich möchte auch auf eine Zahl zurückgreifen. Es gibt 21 000 Berufstätige in Brandenburg, die Angehörige pflegen. Es gibt eine Studie über den Stand der Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Pflege. Dort wird klargemacht, dass die Probleme bei der Betreuung von Kindern und die Probleme bei der Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen in der Familie gleich sind und dass gerade bei Letzterem ein enormer Nachholbedarf besteht.

Wir haben das alles in unserem Entschließungsantrag formuliert und korrigieren damit einen kleinen Fehler in unserem vorhergehenden Antrag zur Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Pflege. In diesem Antrag - das ist ein Prüfungsantrag an die Landesregierung -...

Frau Abgeordnete, es blinkt seit geraumer Zeit sehr rot.

… nennen wir den Termin: 1. November dieses Jahres. - Schönen Dank für Ihre Geduld, Herr Präsident, und Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Es geht nicht nur um meine Zeit, die dabei draufgeht, sondern um die aller Abgeordneten. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Frau Schulz-Höpfner spricht.