Protocol of the Session on February 24, 2010

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Genau! - Beifall DIE LINKE)

Ich habe absolut kein Verständnis dafür, dass man Menschen, die ihre Arbeit unverschuldet verloren haben, mit einer absolut despektierlichen und herabwürdigenden Wortwahl überzieht. Was hier betrieben wird, ist gesellschaftliche Spaltung und Ausgrenzung.

Wir wollen für Brandenburg und für ganz Deutschland eine Gesellschaft, die den Menschen akzeptiert und ihm eine faire Chance auf Teilhabe bietet. Wir halten gar nichts davon, Arbeitslosen mit populistischer Selbstdarstellerei ihre menschliche Würde de facto abzuerkennen. Wer so redet, spaltet dieses Land. Ich kann Ihnen, Herr Goetz, nur empfehlen: Gehen Sie beispielsweise nach Elsterwerda und reden Sie mit den Beschäftigten von Campina über ihre Ängste und Befürchtungen! Sie können Arbeitslosen nicht pauschal unterstellen, dass sie nicht arbeiten wollen.

Die Wirklichkeit sieht auch hier in Brandenburg ganz anders aus. Die meisten haben ihren Job unverschuldet verloren, etwa weil gerade in derselben Region, in der Elsterwerda liegt - am Beispiel Grohe durchzuexerzieren -, gute Unternehmen übertriebene Renditeerwartungen ihrer Eigentümer nicht erfüllen konnten und damit geschlossen wurden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Kontrast dazu haben wir uns hier im Land für eine Politik entschieden, die gezielt in Menschen investiert und niemanden bei Wachstum und Beschäftigung auf der Straße stehen lässt. Der Haushalt setzt daher ganz bewusst gezielt Schwerpunkte bei Bildung, Wissenschaft und Beschäftigung. Wir halten das für den besseren und vor allem für den gerechteren Weg, für einen Weg, um die Folgen der Weltwirtschaftskrise in Brandenburg langfristig zu minimieren. Wir legen heute einen soliden Haushalt der sozialen Gerechtigkeit vor.

(Lachen bei der CDU)

Mehr Gerechtigkeit und mehr sozialer Aufstieg - das ist der rote Faden der Politik dieser Koalition und dieses Haushalts. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich verstehe nicht, warum Sie darüber lächeln; wahrscheinlich geht Ihnen das Thema wirklich am Hintern vorbei.

Wenn Sie, Frau Wanka... - Sie ist leider nicht da.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

- Ach, da hinten; so schnell geht es bei der CDU in die dritte Reihe.

(Lachen der Abgeordneten Lehmann [SPD] - Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wenn Sie meinen, es ginge über Ankündigungen und Beteuerungen hinaus, dann ist gerade dieser Haushalt der Beleg dafür, dass den Aussagen, die im Koalitionsvertrag gemacht werden, finanzielle Taten folgen werden und das Haushaltsgesetz diese Vorhaben untermauert.

Dazu gehört zunächst, dass wir die Jüngsten und Schwächsten in den Mittelpunkt der Politik stellen. Brandenburg hat bereits heute bundesweit eine der höchsten Kinderbetreuungsquoten. Während andere Bundesländer immer noch dabei sind, überhaupt eine flächendeckende Kindergartenversorgung aufzubauen, verbessern wir die Qualität in den Kitas erheblich. Wir senken mit zusätzlichen 13,5 Millionen Euro den Betreuungsschlüssel bei den unter Dreijährigen auf 1 : 6 und bei den Dreibis Sechsjährigen auf 1 : 12. Die Zuweisungen zur Förderung der Kitas steigen damit jährlich auf insgesamt 160 Millionen Euro. Damit werden wir die Landesausgaben für unsere Kitas um gut ein Drittel steigern, und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist sehr gut angelegtes Geld.

(Beifall der Abgeordneten Frau Lehmann [SPD] und Gör- ke [DIE LINKE])

Daneben stellen wir über 1 Million Euro für die Unterstützung der Netzwerke „Gesunde Kinder“ bereit. Die Netzwerke sind ein gelebtes Beispiel für bürgerschaftliches Engagement. Sie sind ein Beispiel dafür, wie Brandenburger für Brandenburger

Verantwortung übernehmen, wie für Familien und Kinder eine Kultur des Miteinanders entsteht. Unser Ziel ist, dass die Netzwerke „Gesunde Kinder“ in Brandenburg flächendeckend entstehen; die Anschubfinanzierung wird über diesen Landeshaushalt sichergestellt.

Ebenfalls im Haushalt verankern wir das Schüler-BAföG. Die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat uns für dieses Vorhaben volle Rückendeckung gegeben und uns darin weiter bestärkt. Mit dem Schüler-BAföG werden wir dafür sorgen, dass Kinder aus einkommensschwachen Familien es leichter haben, das Abitur zu machen. Dafür stellen wir im Haushalt im ersten Jahr 1 Million Euro zusätzlich bereit.

Wir investieren bewusst in die schulische Bildung. Dieser Haushalt ermöglicht 450 Neueinstellungen junger Lehrerinnen und Lehrer - doppelt so viele wie ursprünglich geplant. Gleichzeitig sichern wir mit 150 zusätzlichen Referendarplätzen den Lehrernachwuchs. Mit diesen Bildungsinvestitionen halten wir die Schüler-Lehrer-Quote von 1 : 15,4 dauerhaft auf einem der bundesweit besten Werte. Das sichert die individuelle Förderung eines jeden unserer Landeskinder. Zudem treiben wir die Ganztagsbetreuung in den Schulen flächendeckend voran. Im kommenden Schuljahr werden 30 zusätzliche Ganztagsschulen eingerichtet. Auch das sind Investitionen in Menschen, die unsere Zukunft sind. Angesichts der demografischen Entwicklung können wir es uns schlichtweg nicht leisten, auch nur ein einziges Kind in der individuellen Entwicklung zurückzulassen. Jeder soll in dieser Gesellschaft die gleichen Chancen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierung steht auch weiterhin - Frau Wanka ist darauf eingegangen und hat es gelobt; das finde ich sehr gut - für einen bewussten Ausbau von Wissenschaft und Forschung. Derzeit studieren an den brandenburgischen Hochschulen über 45 000 junge Menschen - so viele wie noch nie in der Geschichte unseres Landes. Wir konnten in den vergangenen Jahren den Neu- und Ausbau unserer Universitäten und Hochschulen vorantreiben. Brandenburg gehört gemeinsam mit Berlin zu den Regionen in Europa mit der höchsten Forschungsdichte. Trotzdem investieren wir in diesem Jahr zusätzlich 57 Millionen Euro in den Hochschulbereich. Auch das sind bewusste Investitionen in die Fähigkeiten der Menschen unseres Landes. Wir sind sicher, dass dies die beste Anlagemöglichkeit ist, die man finden kann. Wir werden daher trotz sinkender Bevölkerungszahl die Zahl der Studienplätze auf einem hohen Niveau halten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal muss man in einer Haushaltsdebatte auch Dinge erwähnen, die nicht explizit im Haushalt stehen. Diese Koalition setzt bewusst auf das gebührenfreie Erststudium. Wir brauchen mehr und nicht weniger Studenten. Studiengebühren sind kein Mittel zur Verbesserung der Hochschulen, sondern ein Mittel zur Ausgrenzung von Begabten. Unsere Haltung gegen Studiengebühren beginnt sich auszuzahlen. Die Hochschulen in Brandenburg haben sich zu Existenzgründungszentren und Clustern entwickelt, die vieles in diesem Land schon heute vorantreiben.

Brandenburg ist damit bundesweit Spitzenreiter bei den Investitionen in die Jugend unseres Landes und der Entwicklung ihrer individuellen Fähigkeiten. Gute Bildung - das ist eine Binsenweisheit - ist die beste Vorsorge gegen Armut und Arbeitslosigkeit und die beste Investition in Wachstum und Beschäfti

gung. Damit ist gute Bildung auch die beste Investition gegen zukünftige Sozialkosten.

Ein Brandenburg für alle bedeutet jedoch auch, dass wir den Menschen in Brandenburg dauerhaft gute berufliche Perspektiven bieten müssen. Wir möchten allen Brandenburgerinnen und Brandenburgern und allen Menschen, die zu uns kommen, die Möglichkeit zur beruflichen Selbstverwirklichung bieten.

Dazu müssen wir hier in Brandenburg die richtigen Anreize setzen. Brandenburg gehört daher auch in einem schwierigen Umfeld mit 18,2 % weiterhin bundesweit zu den Spitzenreitern bei den öffentlichen Investitionen. Das ist gut für Arbeitsplätze, und das ist gut für den Ausbau der Infrastruktur in den Kommunen und im ganzen Land.

Die Koalition setzt mit der Investitionsquote in den nächsten Jahren bewusst auf die Fortentwicklung der landesweiten Infrastruktur. Das sind direkte Investitionen in den Standort Brandenburg. Der Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld ist schon bald das neue Tor zur Welt. Er wird dafür sorgen, dass im Süden von Berlin ein Standort der Luft- und Raumfahrt und der Logistik mit mehreren Tausend neuen Arbeitsplätzen entsteht.

Arbeit für Brandenburg bedeutet aber auch die Ermöglichung von Existenzgründungen. Das ist ein nachhaltiger Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen. Deshalb werden wir auch das Mikrokreditprogramm weiterführen, denn es gibt gute Starthilfen an kleine und kleinste Unternehmen, die schon längst vom Schirm so mancher Bank verschwunden sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den unbestreitbaren Erfolgen der letzten Jahre gehört, dass sich die Wirtschaft sehr gut entwickelt und sich der Export in den vergangenen Jahren fast verdoppelt hat, während die Arbeitslosigkeit stark gesunken ist. Auch das sind Erfolge, die die Große Koalition in den letzten Jahren für Brandenburg erreichen konnte. Ich möchte das hier ganz bewusst ansprechen.

(Ministerpräsident Platzeck: Das war aber nicht diese Große Koalition! Das war Schwarz-Rot!)

- Es war die schwarz-rote Koalition.

(Minister Dr. Markov: Das war aber nicht eine Große Ko- alition! Groß ist Rot-Rot!)

- Okay, ich werde an meiner Semantik arbeiten. - Aber noch immer sind in diesem Land zu viele Menschen ohne Arbeit, und noch immer sind vor allem zu viele ältere Menschen ohne Arbeit. Vor allen Dingen haben wir noch immer zu viele Langzeitarbeitslose.

Deshalb gibt es seit einigen Jahren den Kommunal-Kombi, um vor allem älteren Langzeitarbeitslosen sozialversicherungspflichtige Jobs über einen längeren Zeitraum zu bieten. Ein Brandenburg für alle bedeutet, dass wir insgesamt Arbeit statt Arbeitslosigkeit subventionieren. Der Kommunal-Kombi hat dazu beigetragen, den Menschen in ihrer Heimat eine sinnstiftende Arbeit zu ermöglichen. Wir setzen jetzt mit dem Einstieg in öffentlich geförderte Beschäftigung ein zentrales Wahlversprechen um. Damit bieten wir langfristig 8 000 Menschen eine konkrete Perspektive. Im Haushalt stellen wir dazu in einem ersten Schritt 1,4 Millionen Euro bereit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

- Danke, der Beifall war berechtigt.

(Heiterkeit)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die größte politische Herausforderung und die größte Herausforderung für diese Koalition besteht darin, den Landeshaushalt zu konsolidieren. Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich der CDU-Fraktion für die Arbeit in den vergangenen Jahren danken, die mitgeholfen hat, die Verschuldung des Landes in den Jahren, in denen wir es uns leisten konnten, zu reduzieren.

Aber in einem Punkt, Frau Wanka, sind wir nicht einig. Der Haushalt 2010 ist - und das ist das Gegenteil von dem, was Sie vorhin gesagt haben - ein erster Schritt hin zu einer weiteren Konsolidierung des Landeshaushalts. Der Haushalt 2010 konnte schon aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen nicht der letzte Schritt sein; das ist vollkommen klar. Ich werde Ihnen nachher noch einige Beispiele nennen, wie es in anderen Regionen oder beim Bund aussieht.

(Heiterkeit bei der CDU - Petke [CDU]: Höhere Ausga- ben!)

Es werden auf dem Weg der Konsolidierung weitere Schritte folgen müssen.

(Petke [CDU]: Noch mehr Schulden!)

Die Diskussionen im Lande, darauf möchte ich an dieser Stelle hinweisen, werden in den kommenden Monaten nicht einfach sein. Aber wir müssen auch die kommenden Jahre haushalterisch solide vorbereiten und die entsprechende Konsolidierung vornehmen.

Der Haushaltsentwurf sieht für 2010 eine Neuverschuldung in Höhe von 650 Millionen Euro vor. Das ist sehr viel Geld. Das ist viel Geld. Aber es ist verantwortbar, weil wir unser Land nicht zusätzlich in die Krise hineinsparen dürfen. Es ist verantwortbar, weil wir mit rund 750 Millionen Euro Steuermindereinnahmen zurechtkommen müssen. Und es ist verantwortbar, weil wir das Konjunkturpaket II mitfinanzieren und so für Arbeitsplätze in der Krise sorgen.

Die SPD steht dafür, dass wir die Neuverschuldung so schnell wie möglich zurückführen. Wir wollen bis zum Ende der Wahlperiode wieder bei einer Neuverschuldung von null landen - je früher, desto besser. Das ist sozial, denn jeder Euro, der in Zinsen geht, fehlt uns am Ende für gestaltende Politik in diesem Land Brandenburg.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir müssen den Haushalt konsolidieren, aber wir müssen ihn mit Augenmaß konsolidieren. Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft sind weiterhin Schwerpunkte des Haushalts. Hingegen muss die Personalausstattung des Landes Schritt für Schritt sozialverträglich zurückgeführt werden. Dieser Haushalt formuliert das klare Ziel, bis 2014 die Anzahl der Landesbediensteten auf 45 500 zurückzuführen. Bis 2019 müssen wir mit rund 40 000 Stellen eine der Bevölkerungsentwicklung angepasste Größe der Landesverwaltung erreicht haben.

Sich ständig verändernde Rahmenbedingungen erfordern stän

diges Nachdenken über effiziente Verwaltungsstrukturen. Wir haben dazu die Polizeistrukturreform konkret in Angriff genommen; das ist der Bereich des Innenministeriums. Alle anderen Landesverwaltungen stehen aber ebenfalls vor der Aufgabe, ihre Effizienz zu überprüfen und entsprechend anzupassen. Jeder Euro, der in ineffiziente Strukturen geht, fehlt uns an anderer Stelle.

Strukturelle Veränderungen können nicht schnell am grünen Tisch überlegt und durchgesetzt werden. Strukturelle Veränderungen müssen vorgenommen werden. Frau Wanka, Sie sitzen ja neben dem richtigen Herrn, denn er hat sich in den letzten Tagen zum Polizeibereich geäußert. Es hilft uns nicht weiter, bei jeder Reform „Land unter!“ zu rufen und gleichzeitig in der Haushaltsdebatte große Reformen zu fordern, ohne Adressaten zu nennen. Das ist nicht redlich.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Effiziente Verwaltungsstrukturen sind wir den Bürgern dieses Landes schuldig.

(Frau Prof. Dr. Wanka [CDU]: Das ist nicht redlich, aber das ist auch nicht so gemacht worden! - Zuruf von der SPD: Das steht so im Protokoll!)