Protocol of the Session on February 24, 2010

Da wir heute den Einzelhaushaltsplan 2010 debattieren, gleichzeitig auch die mittelfristige Finanzplanung, muss man nicht nur die politischen Schwerpunkte benennen, weil das deutlich macht, warum der Haushalt so und nicht anders aufgestellt worden ist, sondern man muss diesen Haushalt selbstverständlich auch in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung stellen, und man muss ihn auch mit anderen Ländern, mit anderen Gegebenheiten vergleichen. Dann kann man sich in etwa ein Bild machen.

(Petke [CDU]: Wo ist denn die SPD? - Görke [Die LIN- KE]: Das fragt der Richtige!)

In der Koalitionsvereinbarung steht als Hauptschwerpunkt das möchte ich gerne wiederholen -: Wir wollen vorsorgend gesellschaftlich aktiv sein, damit nachsorgende Sozialpolitik minimiert werden kann. Das bedeutet, dass die Hauptaufgabe darin besteht, keine Klientelpolitik zu machen. Politik für alle Brandenburgerinnen und Brandenburger, das bedeutet, dass man sich eine Schwerpunktsetzung gibt, die das Soziale, das Ökonomische und das Ökologische in einem ausgewogenen Verhältnis betrachtet, und dass man denjenigen, die in einer Gesellschaft benachteiligt sind, das Gefühl gibt, dass die Koalition, die diese Regierung trägt, ihre Sorgen und Nöte erkannt hat und sich diesen widmet und durch die finanzielle Untersetzung nachweist, dass das die Schwerpunktaufgaben sind.

Die Schwerpunktsetzung dieser Landesregierung kann man in drei Prioritäten zusammenfassen: Gute Bildung, gute Arbeit und gute Ökologie. Ich glaube, dass zwischen den unterschiedlichen politischen Parteien unterschiedliche Vorstellungen existieren, wie man dies realisiert. Deswegen ist mir vollkommen klar - weil Rot-Rot ein anderes gesellschaftspolitisches Grundverständnis hat -, dass ich mich bemühen kann, wie immer ich will, ich werde zu diesem Haushalt nicht die Zustimmung der SPD,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

nein, Quatsch - oh Mann - der CDU und der FDP bekommen. Das leuchtet mir sogar ein.

(Zuruf von der CDU)

- Ja, das war ein freudscher Versprecher, ich glaube, die passieren jedem irgendwann einmal.

(Zuruf von der CDU: Das zeigt, was in euch steckt!)

- Ich weiß nicht, ob das das Innere zeigt. Wir werden es sehen.

Es ist ja immer schön, wenn zu Beginn solch eine Auflockerung kommt, selbst wenn man der Verursacher war - aber egal.

(Bischoff [SPD]: Das hast du gut gemacht!)

Das bedeutet - darum bitte ich sozusagen auch die Opposition -: Wenn Sie sich mit diesem Haushalt auseinandersetzen, dann setzen Sie sich bitte schön mit den politischen Inhalten auseinander! Die politischen Inhalte sind durch die Prioritäten gesetzt, die ich genannt habe: gute Bildung, gute Arbeit und gute Ökologie. Man sieht auch, dass in dieser Koalitionsvereinbarung Werte gesetzt worden sind, die sich in diesem Haushalt finanziell widerspiegeln. „Gemeinsinn und Erneuerung“, das stand geschrieben. Dies interpretieren wir so, dass wir, weil wir gute Bildung haben wollen, frühzeitig damit anfangen müssen. Wir haben den Betreuungsschlüssel in den Krippen und Kindergärten verbessert, damit Kinder in ihrem jüngsten Alter eine bessere Möglichkeit haben, ausgebildet zu werden, sich gemeinsam zu beschäftigen. Wir haben gesagt, dass wir in der gesamten Legislaturperiode einen öffentlichen Beschäftigungssektor aufbauen wollen. Dafür sind 40 Millionen Euro vorgesehen. Das ist eine Menge Geld.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben gesagt, dass wir Netzwerke „Gesunde Kinder“ fördern wollen. Wir haben gesagt, dass wir zukünftig für öffentliche Aufträge Mindestlohn zahlen wollen. Das hat etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, das hat aber auch etwas damit zu tun, dass Arbeit sich lohnen muss. Das ist heute früh schon einmal debattiert worden. Es geht nicht darum, Arbeit zu haben, sondern darum, Arbeit zu haben, von der man leben, von der man seine Familie ernähren kann,

(Starker Beifall DIE LINKE und SPD)

die einem Teilhabe an gesellschaftlichen Aktivitäten ermöglicht.

Die Investitionen sinken nicht, sie steigen. Sie müssen sich einfach die Zahlen anschauen. Die nenne ich Ihnen später. Noch bin ich bei den politischen Voraussetzungen.

(Zuruf von der CDU)

Das heißt, dass wir in den Bildungsbereich mehr Geld investiert haben, dass wir in den Bereich Wissenschaft und Forschung und dass wir für Wirtschaft mehr investiert haben. Wenn man die Mehrausgaben in diesen drei Bereichen zusammenzählt, kommt man auf ungefähr 120 Millionen Euro. Das ist eine klare Prämissensetzung. Dafür, dass wir solche politischen Prämissen setzen, haben die Bürger in Brandenburg der Großen Koalition ihre Stimme gegeben. Die SPD und die Linke waren nun einmal die beiden stärksten Parteien bei den Wahlen. Deswegen ist es auch logisch, dass wir den Haushalt so aufbauen.

Jetzt will ich gern versuchen, diesen Haushalt einzuordnen, weil ich immer höre oder lese: Da wird alles verfrühstückt, wirtschaften können sie auch nicht, sie geben wahnsinnig viel Geld aus für nichts und wieder nichts. - Ich sage Ihnen jetzt erst einmal, weil 2009 in irgendeiner Form dazugehört: Im Jahr 2009 sind die Einnahmen aus Steuern, Länderfinanzausgleich, Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisung um 595 Millionen

Euro hinter dem Vorjahres-Ist von 2008 zurückgeblieben. Gegenüber der Planung waren das Mindereinnahmen von 587 Millionen Euro. Deswegen ist der Haushalt 2009 auch mit einem Defizit von 460 Millionen Euro abgeschlossen worden. Um dieses Defizit zu decken, sind die Nettokreditermächtigungen von 2008 und 2009 eingesetzt worden - rund 315 Millionen Euro. Der Rest von 147 Millionen Euro ist als Fehlbetrag vorgetragen worden. Das hat wiederum Auswirkungen auf 2010.

In der politischen Debatte war häufig zu hören, der Haushalt, der 2009 ein Volumen von 10,05 Milliarden Euro gehabt habe das stimmt -, sei 2010 auf einmal stark nach oben gegangen und habe eine Größenordnung von 10,5 Milliarden Euro erreicht. Das wird mit dem Vorwurf verbunden: Die geben wahnsinnig mehr Geld aus! - Die Ursachen für diesen Aufwuchs benennt man aber nicht.

Erstens: Der Fehlbetrag von 145 Millionen Euro wird vom Haushaltsjahr 2009 auf 2010 übertragen; damit wird der Fehlbetrag 2009 gedeckt. Ich gebe also nicht mehr Geld aus, sondern dieser Vorgang ist Teil der haushalterischen Buchungsmaschinerie.

Zweite Ursache ist der Versorgungsfonds. Wir alle wissen, dass im Land Brandenburg die zu erbringenden Versorgungsleistungen ansteigen. Schon die Mitglieder der vorherigen Landtage hatten festgelegt, dass ab 2010 in den Versorgungsfonds einzuzahlen ist. Diese Koalition hat sich entschieden, aus den Rücklagen, die 550 Millionen Euro betrugen, 200 Millionen Euro in den Versorgungsfonds einzustellen. Das heißt, das kommt obendrauf.

Ich gebe Ihnen zu: Das ist eine politische Entscheidung. Wir hätten auch davon absehen können, diese 200 Millionen Euro als Vorsorge für die Pensionen einzustellen, und stattdessen die Nettokreditaufnahme minimieren können. Wir haben uns aber anders entschieden.

(Burkardt [CDU]: Man könnte auch sparen!)

Ich glaube, das entspricht auch dem, was vorher Konsens in diesem Hause gewesen ist.

Drittens: Wir haben die Ausgaben auf der Grundlage des Zukunftsinvestitionsgesetzes in Höhe von 165 Millionen Euro eingestellt. Ich stelle fest, dass dieses Programm im Land Brandenburg gut funktioniert. Die genannten 165 Millionen Euro kommen auch noch obendrauf.

Viertens: Im Jahr 2010 sind im öffentlichen Dienst auch in den oberen Bereichen die Osteinkommen an das Westniveau angeglichen worden. Auch wird die zweite Stufe der Tarifangleichung wirksam. Das ist positiv zu bewerten, macht aber noch einmal 130 Millionen Euro aus.

Wenn Sie das alles zusammenzählen, stellen Sie fest: Wir haben nicht etwa aus Verschwendungssucht auch nur einen einzigen Euro mehr ausgegeben, sondern wir sind einer gesellschaftspolitischen und einer steuerpolitischen Aufgabe nachgekommen.

Gleichzeitig verzeichnen wir 2010 Mindereinnahmen. Diese belaufen sich im steuerlichen Bereich auf ungefähr 470 Millionen Euro, inklusive Kfz-Kompensation. Aus dem Länderfi

nanzausgleich erhalten wir 204 Millionen Euro weniger. Die Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen reduzieren sich um 64 Millionen Euro. Die planmäßige Rückführung des Solidarpaktes II wirkt sich mit 110 Millionen Euro aus. Wenn Sie das zusammenzählen, kommen Sie auf 851 Millionen Euro.

Die Nettokreditaufnahme, die sich diese Landesregierung vorgenommen hatte, hat sie eingehalten. Wir haben von vornherein 700 Millionen Euro als oberste Grenze festgelegt. Damit liegen wir weit unter der möglichen Nettokreditaufnahme. Deren Höhe liegt jetzt für 2010 bei 650 Millionen Euro.

Wir haben uns vorgenommen, die Nettokreditaufnahme in den nächsten Jahren in Schritten von ungefähr 150 Millionen Euro zu senken. Das zeigt die mittelfristige Finanzplanung. Bezogen auf die gesamte Legislaturperiode ergibt sich eine Nettokreditaufnahme von 1,7 Milliarden Euro. Das ist wahnsinnig viel Geld in einer Zeit, in der die Weltwirtschaft vor gravierenden Problemen steht. Das sage ich nicht, um jemanden zu kritisieren, sondern ich sage es als Vergleich, auch wenn man unterschiedliche Zeiten nicht immer eins zu eins vergleichen kann. Zwischen 1990 und 1994 - in vier Jahren! - wurde eine Nettokreditaufnahme von 7,7 Milliarden Euro getätigt. Das war nicht Rot-Rot; das war Grün-Gelb-Rot. In der 1. Legislaturperiode der Koalition von CDU und SPD wurde eine Nettokreditaufnahme von 4,263 Milliarden Euro getätigt. Ich gebe zu: 2002 und 2003 waren wirtschaftlich schwere Jahre. Aber waren sie so schwer wie diese Weltwirtschaftskrise?

Sie von CDU und FDP sagen, die Nettokreditaufnahme von 1,7 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode sei exorbitant hoch. Ich sage: Sie ist notwendig. Ich nehme Ihnen ab - das füge ich hinzu -, dass auch damals eine hohe Nettokreditaufnahme notwendig war.

Man kann sich andere Zahlen anschauen. Ich greife die wirtschaftlich schwierigen Jahre 2002 und 2003 heraus. Die Kreditfinanzierungsquote - das Verhältnis der Kreditaufnahme zu den bereinigten Gesamtausgaben - lag bei 13 % bzw. bei 12 %. In den Jahren 2010 und 2011 liegt die entsprechende Quote bei 6,4 % bzw. 5 %.

Die Zinsausgabenquote - der Anteil der Zinsausgaben an den bereinigten Gesamtausgaben - ist adäquat zu den Zahlen der Jahre 2002 und 2003.

Die Zins-Steuer-Quote dagegen - der Anteil der Steuereinnahmen, der allein zur Zahlung der Zinsverpflichtungen notwendig ist - lag 2002 und 2003 höher als heute.

Ich finde, es gehört einfach zur politischen Ehrlichkeit, auch solche Zahlen zu vergleichen.

Natürlich hat jeder das Recht - die Opposition wahrscheinlich auch die Pflicht -, auf andere Länder hinzuweisen; das ist vollkommen klar. Deshalb habe ich mir die Finanzierungssalden die Differenz zwischen den bereinigten Einnahmen und den bereinigten Ausgaben - angeschaut. Man verwendet die bereinigten Zahlen, damit es nicht zu einer Verzerrung durch Nettokreditaufnahmen, Rücklagen und Sonstiges kommt. Damit man die Zahlen vergleichen kann, muss man sie auf die Einwohnerzahl beziehen. Während sich für Brandenburg 204 Euro pro Einwohner ergeben - das ist eine Menge -, liegt der Durchschnitt aller Länder der Bundesrepublik Deutschland bei

311 Euro, der Durchschnitt der Flächenländer bei 291 Euro. Das heißt, Brandenburg liegt unter dem Durchschnitt.

Ich könnte Ihnen auch noch die Einzelzahlen nennen: Bayern 639 Euro, Schleswig-Holstein 968 Euro; die Zahlen in den Stadtstaaten liegen sowieso weit höher, weil sie sich in einer anderen Situation befinden.

Was ich allerdings auch zugebe: Brandenburg liegt, was diese Zahl angeht, unter den Ostländern hinten, also am schlechtesten.

In den Medien werden uns immer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen als Musterbeispiele dargestellt. Das stimmt wirklich. Dazu muss man aber feststellen, dass die Voraussetzungen für diese Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern auch unter Rot-Rot gefällt worden sind. Es gab in Mecklenburg Vorpommern, was die Nettokreditaufnahme angeht, eine unterschiedliche Herangehensweise, die auch objektive Ursachen hatte; die darf man nicht vergessen. Man kann nicht einfach eins zu eins vergleichen. Im Übrigen stellt man, wenn man die Nettokreditaufnahme pro Einwohner berechnet, fest, dass Brandenburg mit 259 Euro weit unter dem Durchschnitt aller Länder von 316 Euro - Flächenländer: 266 Euro - liegt.

Ich könnte noch einen anderen Vergleich anführen, einfach nur, um es irgendwo einzuordnen. Thüringen hat ungefähr so viele Einwohner wie Brandenburg. Dort ist eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 880 Millionen Euro und ein Rücklageneinsatz in Höhe von 100 Millionen Euro vorgesehen. In Brandenburg beträgt die Nettokreditaufnahme 650 Millionen Euro und der Einsatz von Rücklagen ebenfalls 100 Millionen Euro.

Rücklagen sind dazu da, dass man sie in schwierigen Zeiten einsetzt. Das ist der Zweck von Rücklagen, deswegen bildet man sie. Der oft angenommene Irrtum besteht darin, zu glauben, dass Rücklagen Geld in einem Safe, einem Koffer oder sonstwo seien. Rücklagen gibt es nur auf Papier. Sie sind kein real vorhandenes Geld, das in die Hand genommen und eingesetzt werden kann. Also sage ich: 145 Millionen Euro werden zur Deckung der Verbindlichkeiten aus dem Jahr 2009 „verfrühstückt“, 200 Millionen Euro fließen in den Pensionsfonds davon 100 Millionen Euro im Jahr 2010 -, und 100 Millionen Euro sind noch übrig, sie sind für den Haushalt 2011 vorgesehen.

Wenn Sie sich vor Augen führen, wie sich aus heutiger Sicht, nach heutigem Wissen und aktueller Steuerschätzung die Einnahmen und Ausgaben des Landes Brandenburg in den Jahren 2011, 2012 und 2013 entwickeln werden, stellen Sie fest, dass die Gesamtausgaben - ohne Nettokreditaufnahme - im Jahr 2011 9,5 Milliarden und im Jahr 2012 9,4 Millionen Euro betragen werden. Im Jahr 2013 werden die Einnahmen aufgrund prognostizierter stärkerer Wirtschaftskraft hoffentlich wieder steigen. Die Gesamtausgaben sinken. Die Salden sind enorm. Sie betragen im Jahr 2011 minus 833 Millionen Euro, im Jahr 2012 minus 897 Millionen Euro und im Jahr 2013 minus 734 Millionen Euro. Dem steht das Ziel der Landesregierung gegenüber, die Höhe der Nettokreditaufnahme zu minimieren. Das heißt, für das Jahr 2011 ergibt sich ein enormer Handlungsbedarf, der sich mit 333 Millionen Euro beziffern lässt. Diese Summe müssen wir einsparen. Im Jahr 2012 müssen wir 547 Millionen Euro und im Jahr 2013 534 Millionen Euro einsparen. Noch nie zuvor hat sich eine Landesregierung - zumal

unter solch schwierigen Bedingungen - eine solch hohe Konsolidierungssumme auferlegt. Wir hoffen, dass Schwarz-Gelb in Berlin nicht noch weitere aberwitzige Steuersenkungspläne vertritt.

(Genilke [CDU]: Oh, ja! - Beifall DIE LINKE und SPD)

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz kostet uns im Jahr 2010 55 Millionen Euro und im Jahr 2011 ungefähr 80 Millionen Euro an Steuermindereinnahmen. Diese Berechnungen sind im Übrigen von Wirtschaftsinstituten und Banken angestellt worden und nicht nur von den Linken, denen Sie immer unterstellen, sie könnten nicht rechnen. Von deren Seite wurde ermittelt, dass eine Umsetzung der noch in der Pipeline befindlichen Steuersenkungspläne das Land Brandenburg jährlich 300 Millionen Euro an Mindereinnahmen kostete. Diese Summe käme also noch hinzu. Wenn Sie also vorsorgende Haushaltspolitik in Brandenburg gestalten und unterstützen wollen, dann sorgen Sie dafür, dass Ihre Parteigenossen in Berlin nicht auf solch aberwitzige Ideen kommen!