Protocol of the Session on July 2, 2009

(Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE] - Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Dritter Punkt. Die jungen Leute in Brandenburg haben nicht nur das Recht auf gute Bildung, sondern ein Recht auf jede geplante Unterrichtsstunde. Mir ist nicht ein Tag in Erinnerung, an dem uns als Landtag, als Bildungsausschuss nicht Briefe erreichen, in denen sich Eltern über Unterrichtsausfall beklagen. Man kann das als „gefühlt“ bezeichnen. Ich sage aber: „Gefühlt“ ist das, was die Menschen vor Ort jeden Tag erleben. Das ist die Realität: Wenn 8 % des Unterrichts laut Plan nicht erteilt werden können, müssen wir uns darüber

Trotz eines historisch einmaligen Rückgangs der Schülerzahlen ist es uns gelungen, ein stabiles Netz an erreichbaren Schulen zu schaffen und auch zu erhalten. Die Zeit der unvermeidlichen Schließung zahlreicher Schulen ist vorbei! Am Ende dieses Prozesses, der bitter und hart für viele war, verfügen wir über ein übersichtliches, durchlässiges und leistungsfähiges Schulsystem. Dazu gehören zunächst die über 400 sechsjährigen Grundschulen, die unser Prinzip „Kurze Wege für kurze Beine“ sichern.

Dazu gehören auch die neu eingeführten Oberschulen, die nach zugegebenermaßen schwierigen Anfangszeiten inzwischen überwiegend sehr erfolgreich arbeiten. Dazu gehören unsere Gesamtschulen und Gymnasien, die den bundesweiten Leistungsvergleich nicht zu scheuen brauchen. Dazu gehört natürlich auch ein Netz an Förderschulen, die ihre wichtige Aufgabe flächendeckend erfüllen. Dazu gehört aber ebenso ein Netz an beruflichen Schulen. Unsere Oberstufenzentren haben insbesondere mit ihrer modernen Ausstattung inzwischen bundesweit einen Vorzeugcharakter.

Dieses beschriebene Schulnetz so zu erhalten und zu strukturieren war mit zahlreichen Schwierigkeiten und Zumutungen verbunden. Viele Gemeinden haben ihre - unterstrichen - Schule verloren. Viele Lehrkräfte mussten um- oder versetzt werden. Viele Schulen hatten Schwierigkeiten in der kontinuierlichen Arbeit, weil in jedem Jahr das Kollegium neu zusammengesetzt wurde.

Trotzdem - und jetzt kommt ein ganz großes Dankeschön an alle Kolleginnen und Kollegen, die an unseren Schulen arbeiten - haben diese Schulen diese Veränderungen beherzt angepackt. Über das Ganztagsprogramm des Bundes wurden 245 Millionen Euro in Umbau und Ausstattung investiert. Mit Ganztagsangeboten an inzwischen 38 % aller Grundschulen und 60 % aller weiterführenden Schulen haben wir sogar unsere selbstgesteckten Ziele deutlich übertroffen. Alle diese Schulen haben für den Ganztag pädagogische Konzepte erarbeitet. Sie kooperieren mit zahlreichen externen Partnern beispielsweise aus der Jugendhilfe, aus der Kultur, aus dem Sport, und das ist ganz wichtig - sie alle haben an Qualität gewonnen.

Mit 25 Millionen Euro für die Initiative Oberschule konnte und kann sich diese Schulform profilieren und ihre beiden Ziele in der pädagogischen Arbeit erreichen, nämlich die Mädchen und Jungen in dieser Schulform besonders gut auf die berufliche Zukunft vorzubereiten und ihre sozialen Kompetenzen zu stärken.

An den Gymnasien haben wir, wie der bundesweite Trend vorgegeben hat, die Schulzeitverkürzung auf zwölf Jahre umgesetzt. Gleichzeitig erhalten wir - das ist ganz wichtig - an Gesamtschulen und Oberstufenzentren flächendeckend die Möglichkeit aufrecht, weiterhin auch nach 13 Jahren das Abitur zu machen. Damit bleibt das System durchlässig, und wir ermöglichen auch unseren leistungsstarken Oberschülern den Weg zum Abitur in Brandenburg.

Auch bei der ganz frühen Förderung haben wir einiges vorangebracht. Die Bildungsarbeit in den Kitas wurde verstärkt. Die Einführung der Sprachförderung in den Kindertagesstätten erleichtert den Übergang in die Grundschule und den Schulstart ebenso wie die pädagogische Kooperation zwischen den Kindergärten und den Grundschulen. Die erfolgreiche flexible

Eingangsstufe in den Grundschulen ist ein weiterer Baustein dieser Entwicklung.

Unsere Maßnahmen der Qualitätsentwicklung haben sich aber nicht nur auf schulorganisatorische oder pädagogische Fragen beschränkt. Mit der Schulvisitation haben wir ein wirksames Instrument der Evaluation schulischer Bildung eingeführt. Wir haben Vergleichsarbeiten in verschiedenen Jahrgangsstufen und zentrale Abschlussprüfungen nach der 10. Klasse und beim Abitur. Alles das sind wichtige Schritte bei der Stabilisierung der Qualität der Arbeit in unseren Schulen.

Die Ergebnisse dieser Bemühungen, die natürlich schon in der letzten Legislaturperiode eingesetzt haben - das will ich an dieser Stelle auch sagen -, sind auch am Abschneiden bei PISA abzulesen. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mit PISA meine Probleme habe, vor allem mit der Darstellung der Ergebnisse. Ich werde die PISA-Ergebnisse definitiv nicht überbewerten. Aber es ist schon schön zu konstatieren: Wir sind besser geworden, und zwar alle Schüler sind besser geworden; die Gymnasiasten stärker als die Schüler an den anderen weiterführenden Schulformen. Aber alle sind besser geworden. Im Vergleich mit anderen Ländern haben wir wirklich den größten Sprung gemacht.

Dass wir uns diesmal auch im Ranking verbessert haben und jetzt im Mittelfeld angekommen sind, hat nicht nur mir die Arbeit erleichtert, sondern war auch ein schönes Kompliment an die Kolleginnen und Kollegen, die in den Schulen dafür gesorgt haben, dass unsere Schülerinnen und Schüler solche Leistungen vollbracht haben. Dafür noch einmal ein herzliches Dankeschön in Richtung Schulen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wenn Sie ehrlich sind, Frau Große und meine Damen und Herren von der Linken: Sie haben uns dieses PISA-Ergebnis nicht zugetraut. Für mich war der Tag der Verkündung der Ergebnisse ein schöner, ich glaube, für Sie nicht.

(Beifall bei der SPD - Zurufe und Widerspruch bei der Fraktion DIE LINKE)

Ich beziehe mich nur auf das, was ich heute gehört habe.

Meine Damen und Herren! Wir haben natürlich - jetzt kommt der selbstkritische Punkt - keinen Grund, uns zufrieden zurückzulehnen. Im Gegenteil, und ich habe das eingangs schon einmal erwähnt. Unsere Bildungspolitik kann nur dauerhaft erfolgreich sein, wenn wir auch in der nächsten Legislaturperiode dafür arbeiten, unser Bildungssystem weiter zu verbessern, und den Mut haben, da, wo es nötig ist, umzusteuern.

(Beifall der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

Das ist also ein Bekenntnis in Richtung Schule als ein dynamisches System. Ruhe wird dort nicht einkehren, was sich so manch einer wünscht. Wir müssen weiter vorankommen. Die Rahmenbedingungen verändern sich, und das bedeutet, wir müssen flexibel bleiben. Deshalb wird es auch in der nächsten Legislaturperiode Veränderungen geben.

Ich bin froh, meine Damen und Herren, dass es in vielen bildungspolitischen Fragen unabhängig von der Parteizugehörig

keit offensichtlich eine große Übereinstimmung gibt. Wenn ich mir die Wahlprogramme der demokratischen Parteien ansehe, wird das deutlich; übrigens deutlicher als in der Debatte heute hier.

(Bischoff [SPD]: Ja!)

Wir sind uns zum Beispiel alle einig, dass in puncto Qualität der Kindertagesbetreuung etwas geschehen muss. Das ist von allen Seiten erkannt worden. Ich gehe davon aus - das habe ich auch den Betroffenen überall im Land gesagt -, dass es in der nächsten Legislaturperiode zu Verbesserungen kommen wird.

Das übrigens, Frau Große, hat genau so unser Ministerpräsident im Lustgarten gesagt. Er hat dort die Leute nicht kalt abgewiesen, weil ihre Probleme ihn nicht interessierten oder er ihre Bedürfnisse nicht zur Kenntnis nimmt. Das will ich an dieser Stelle klarstellen.

Gleiches gilt für die Senkung der Quote der Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Das ist wahrscheinlich unsere schwierigste und eine der wichtigsten Aufgaben. Ich hoffe, dass bei der Verwirklichung dieses Ziels der weitere Ausbau der Ganztagsbetreuung sehr hilfreich sein wird. Wir können mit dem Ganztagsschulprogramm weitermachen, auch wenn das Bundesprogramm beendet ist. Ich freue mich sehr darüber. Die Bereitschaft, in die Familie der Ganztagsschulen aufgenommen zu werden, ist bei unseren Schulen groß.

Einigkeit gibt es schließlich auch bei einem sehr heiklen Punkt, der in der Öffentlichkeit in der letzten Zeit besonders brisant diskutiert worden ist, nämlich der notwendigen Sicherung der Unterrichtsversorgung und der Bekämpfung des Unterrichtsausfalls, wobei unsere konkreten Vorstellungen hier schon deutlich voneinander abweichen. Ich sage, scheinbare Patentrezepte wie die Formulierung von Unterrichtsgarantien oder Ähnliches helfen uns garantiert nicht weiter.

Eine beispielsweise zum neuen Schuljahr einzurichtende „kleine Lehrerfeuerwehr“ wird, denke ich, schon Erfolge zeigen, wo Schulen Probleme bekommen, wenn mehrere Lehrer gleichzeitig und dann auch noch langzeitkrank werden.

(von Arnim [CDU]: Eine gute Idee!)

Ich komme zum Ende meiner Rede, meine Damen und Herren, und damit zu einem Punkt, bei dem wir überhaupt nicht einig sind und ich schon sehr überrascht war, was die Linke, aber auch die CDU so alles ankündigen bzw. in ihre Wahlprogramme schreiben.

Während die SPD versucht hat, maßvolle, aber finanzierbare Verbesserungen anzukündigen - die übrigens neben der Qualitätsverbesserung vor allem soziale und Gerechtigkeitsaspekte berücksichtigen -, tauchen bei Ihnen, meine Damen und Herren, teilweise Forderungen auf, die bei realistischer Betrachtung nie realisiert werden können, schon gar nicht, wenn man - wie die CDU - auch noch sparen will, bis es knirscht. Wie das gehen soll, entzieht sich meiner Vorstellung.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD] - Zurufe bei CDU)

Auch wenn sich durch den Umgang mit der Bankenkrise - und diese Vergleiche hört man ja immer wieder - die Maßstäbe etwas verschoben haben, die dreistelligen Millionensummen, die gebraucht würden, um Ihre Vorstellungen von niedrigen Klassenfrequenzen oder von der Absenkung der Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte zu realisieren, können definitiv nur über erheblich höhere Schulden finanziert werden. Da Sie das nicht zugeben, verschweigen Sie, dass unsere Kinder und Enkel für die versprochenen Wohltaten selbst zahlen werden.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Im Interesse unserer jungen Generation fordere ich Sie deshalb auf: Halten Sie etwas Maß, nehmen Sie Ihre politische Verantwortung wahr, indem Sie keine Erwartungen wecken, die unerfüllbar sind!

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Ehrlich währt am längsten, auch in der Politik. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Frau Lehmann [SPD]: Hoch soll er leben!)

Das Wort erhält noch einmal die Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Jürgens spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin Große hat sich vorhin auf den Bildungsstreik von vor zwei Wochen bezogen. Dort haben rund 5 000 Studierende, Schülerinnen und Schüler gemeinsam gegen die aktuelle Bildungspolitik protestiert und ein Umsteuern gefordert. Dieser Forderung kann sich die Linke nur anschließen. Ich bin enttäuscht, Herr Rupprecht, dass Sie das anders sehen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Eines muss ich gleich zu Beginn klarstellen: Die Wissenschaftsministerin Prof. Wanka hat gestern hier in der Aktuellen Stunde die Forderungen des Bildungsstreiks kommentiert. Liebe Frau Ministerin, ich habe die Forderungen - zwei Seiten sind das - mitgebracht. Niemand hat einen generellen Verzicht auf Bewertung gefordert, aber die Zwangsexmatrikulation gehört abgeschafft.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Es sind berechtigte Forderungen von politisch engagierten jungen Menschen, und es steht Ihnen nicht zu, das zu diskreditieren. Was Sie hier gestern gemacht haben, war einfach unredlich.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Eine Aktion während des Bildungsstreiks war die Blockade des Wissenschaftsministeriums durch rund 100 Protestierer. Besonders ist mir dabei ein Transparent in Erinnerung geblieben,

das Heraklit zitiert. Darauf stand: „Bildung ist nicht das Befüllen von Fässern, sondern das Entzünden von Flammen.“

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Funck [CDU])

Dahinter steckt eine Vorstellung von Bildung, die wir Linke teilen. Es geht darum, junge Menschen zum kritischen und selbstständigen Denken anzuregen, für Wissenschaft und Debatte zu begeistern, Neugier zu wecken.

(Bischoff [SPD]: Das hätten Sie vor 20 Jahren machen müssen!)

Es geht eben nicht darum, standardisiertes Wissen mit Multiple Choice dicht gedrängt abzufragen, Schmalspurbildung zu fördern, den Blick über den Tellerrand zu behindern und gleichzeitig den Zeit- und Leistungsdruck immer weiter zu steigern. Was wir nicht wollen und nicht brauchen, sind Lernfabriken und Bildungsdummys.