Protocol of the Session on May 13, 2009

Nutzen Sie die Gelegenheit, Europa mitzugestalten, und gehen Sie zur Wahl! - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Staatssekretär Appel spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zum Thema Europa, das sonst nicht unbedingt immer im Zentrum des Interesses steht, eine Bemerkung zu machen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Bei uns immer!)

- Eben nicht. Das ist ja das Problem. Der Abgeordnete Dr. Klocksin hat mir so aus dem Herzen und aus der Seele gesprochen und das sehr schön pointiert gesagt, dass man dazu eigentlich nicht mehr viel sagen kann. Ich wundere mich aber

werden, dass sie von irgendwelchen Listen gestrichen und nicht etwa gefördert werden, was die Konsequenz sein müsste.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

- Na ja, ich sage ja nur: Nach dem Motto „Links denken und rechts leben!

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Oh, oh!)

- Nein, ich finde es nicht in Ordnung, auf der einen Seite die Europäische Union herunterzureden, zu einem undemokratischen Instrument zu machen und auf der anderen Seite von all dem zu profitieren, was die EU bei uns bewirkt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Insofern kann ich nur sagen: Ich bitte um Konsequenz und bitte auch diejenigen, die dahinten im Saal sind: Nutzen Sie die Möglichkeit, am 7. Juni ihre Partizipationsrechte an dieser Europäischen Union tatsächlich auszuüben, und gehen Sie wählen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort erhält noch einmal die SPD-Fraktion. Herr Abgeordneter Dr. Klocksin, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre natürlich viel schöner gewesen, Frau Stobrawa hätte vor mir gesprochen. Dann hätten wir gehört, was Sie vorschlagen. Dann hätte ich das nur noch kommentieren können und wir hätten gemeinsam gesungen: Geht wählen! Und die Veranstaltung wäre zu Ende. Aber ich glaube, das kriegen wir auch so.

Ich bin Ihnen, werte Frau Kaiser, noch etwas schuldig. Wir haben über Sozialpolitik gesprochen. Ich möchte dazu etwas zitieren:

„Wir wollen daher eine Erklärung des Europäischen Rates und nachfolgend eine gemeinsame Vereinbarung von Europäischem Parlament, Kommission und Rat, mit der sich diese auf den sozialen Fortschritt verpflichten. Diese sollten klarstellen, dass wirtschaftliche Grundfreiheiten keinen Vorrang vor sozialen Grundrechten haben und dass soziale Grundrechte im Konfliktfall vorgehen. Insbesondere Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, das Streikrecht der Gewerkschaften und das Recht der Mitgliedstaaten zum Erlass von Tariftreuegesetzen sind zwingend anzuerkennen und müssen in ihrer praktischen Anwendung verlässlich gesichert werden.“

Das interessiert sicherlich auch die Unionsfraktion. Das ist das Papier von SPD und Gewerkschaften vom 4./5. Mai dieses Jahres. Damit dokumentieren wir als Sozialdemokraten, wohin es in Europa gehen muss. Dazu wollen wir entsprechende Mehrheiten haben. Insofern geht es in der Tat darum, liebe Frau Richstein, die gegenwärtige Mehrheitssituation zu verändern.

(Vereinzelt Beifall)

schon ein wenig über die Überschrift dieser Aktuellen Stunde. Ich wusste gar nicht, dass so etwas zulässig ist, aber es scheint zu gehen. „Konsequent sozial“ ist eigentlich eher eine Überschrift für ein Wahlprogramm und nicht für eine Aktuelle Stunde. Aber ich bin Ihnen - wie die anderen Vorredner - dankbar, dass Sie das Thema zum Thema einer Aktuellen Stunde gemacht haben.

(Unruhe)

- Es wäre schön, wenn Sie einfach ein bisschen zuhören würden.

(Beifall bei der SPD)

Was mich ein wenig traurig macht, ist Folgendes. Wir haben am 7. Juni Europawahl. Wir waren bei den letzten Europawahlen der Letzte, der Schlechteste, was die Wahlbeteiligung angeht. Es müsste doch unser aller Ziel sein, die Wahlbeteiligung in Brandenburg zu erhöhen.

(Zuruf: Richtig!)

Es müsste unser aller Ziel sein, die positiven Aspekte, die die Europäische Union für das Land Brandenburg ausmacht, hervorzuheben und zu nennen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Ich kann nur sagen: Wir haben am vergangenen Samstag in Potsdam eine Radtour organisiert, bei der man sich die europäisch geförderten Projekte in Potsdam ansehen konnte. Ich weiß, es ist ein Problem für den deutschen Wähler, dass Brüssel sehr weit weg ist. Das ist so. Aber lassen Sie uns doch zusammen den Weg gehen und darauf hinweisen, was alles in diesem Land gefördert wird. Wir sind ein besonders gefördertes Land - wie alle neuen Länder. Wir sind Ziel-1-Gebiet, das heißt, wir sind innerhalb der Europäischen Union privilegiert.

(Bischoff [SPD]: Ja!)

Lassen Sie uns die Chancen, die hier geboten sind, gemeinsam hervorheben, um das Ziel zu erreichen, dass mehr Menschen zur Wahl gehen. Denn dieses Europäische Parlament wird auch darüber mitbestimmen, wofür die Mittel in den nächsten Dekaden eingesetzt werden. Die Rolle des Parlaments wird zunehmen. Der Lissabon-Vertrag ist bereits angesprochen worden. Im Übrigen, weil Sie sagen „konsequent sozial“, sage ich auch: Natürlich gibt es eine soziale Dimension in der Europäischen Gemeinschaft - Herr Dr. Klocksin hat es schon gesagt -, die durch den Lissabon-Vertrag erst einmal nach vorn transportiert wird.

In der Tat war es so: Gestartet ist die EU als Europäische Wirtschaftsunion. Sie hieß EWG, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Die oberste Maxime war zunächst einmal die wirtschaftliche Entwicklung, weil man gesagt hat: Daraus ergibt sich dann die soziale Entwicklung. Inzwischen ist aber erkannt worden, dass es auch eine soziale Dimension dieser EU gibt. Der Lissabon-Vertrag schreibt gewerkschaftliche Rechte fest. Wenn wir gemeinsam für die europäische Idee werben würden, müssten Sie eigentlich sagen, dass dieser Lissabon-Vertrag ein gutes Instrument und ein guter Anfang ist, um ein soziales Europa zu entwickeln. Leider hat man das Gefühl, dass diejenigen, die in Ihrer Partei in diese Richtung gehen, eher abgestraft

Ich bin im guten Wettstreit mit Ihnen; nur eine Bemerkung gestatten Sie mir: Die europäische Einigung ist ein Prozess, der über die Parteigrenzen hinweg stattgefunden hat bzw. stattfindet. Die Reduktion auf die konservative Ahnengalerie von Adenauer bis Erhard ist das Ausblenden von zwei Dritteln der Bevölkerung, zumindest derer, die damals beteiligt waren, als der Prozess der europäischen Einigung startete. Wenn Sie diese Form der Geschichtsdarstellung noch heute betreiben, ist das nicht nur eine Reduktion, sondern vielmehr eine Klitterung. Denn es blendet Freidemokraten, Kommunisten, die es in den westdeutschen Zonen auch gegeben hat, und Sozialdemokraten allemal, aus. Das alles waren Leute, die aus der geschichtlichen Erfahrung Deutschlands heraus gesagt haben: Wir brauchen ein europäisches Land, eine europäische Größe.

Ich sage es noch einmal: 1939 haben Ihre geistigen Vorväter Herr Nonninger, nehmen Sie das mit - den Krieg mit dem Überfall auf Polen begonnen. In dieser Traditionslinie stehen Sie und kein anderer in diesem Hause!

(Beifall bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE - Non- ninger [DVU]: Es waren die Sozialdemokraten, die die Nationalsozialisten an die Macht gehievt haben!)

Ich freue mich darüber, dass meine Tochter Clara, die in die Europaschule Eigenherd-Schule in Kleinmachnow geht, ihre Freundin Marta aus Barlinek zu Gast hatte. In diesem Sinne findet europäischer Austausch statt: Nachbarschaften von Leuten, die vor 70 Jahren aufeinander geschossen haben. Friedenspolitik, soziale Stabilität in Europa und Freizügigkeit sind Werte, die über die materielle Dimension hinausgehen; bei aller Wichtigkeit in der ökonomischen Ausstattung, die überhaupt nicht infrage steht. Ich freue mich, dass meine Tochter so aufwachsen kann. In Ihren Familien wird vielleicht von ganz ähnlichen Erlebnissen erzählt. Das ist ein Wert, den wir nicht zu gering schätzen sollten. Deshalb freue ich mich, dass der Bildungsminister des Landes in seinem Bestreben, Polnisch in unseren Schulen zu verankern, nicht müde wird. Ich freue mich, wenn es uns gelingt, bilinguale Schulen im weiterführenden Grundschulbereich zu etablieren. Das sind Prozesse, die wir aus anderen Teilen Deutschlands, zum Beispiel im Nachbarraum zu Frankreich, kennen. Das gehört zum Thema Integration.

Lassen Sie mich noch zwei Bemerkungen machen: Wir brauchen die aktive Oderpartnerschaft. Wir sind gut beraten, dieses Projekt fortzusetzen; es funktioniert. Wir hatten zu diesem Thema auch schon einmal eine Aktuelle Stunde. Das Projekt ist über lange Zeit zu betrachten.

Was das Weimarer Dreieck angeht, so unterstütze ich ausdrücklich die Initiative der Landesregierung, mit Polen und Frankreich im Zuge der Zusammenarbeit der Hauptstadtregionen Masowien, Brandenburg, Île-de-France die Kombination dreier zentraler Bereiche auf dieser Ost-West-Achse herzustellen. Der gegenseitige Erfahrungsaustausch ist bei weitem noch nicht ermessen. Deshalb begreifen wir Europa nicht unter Wahlbeteiligungskriterien, sondern die Frage ist, ob Europa die Menschen durchdringt als ein inneres Ziel, ob es eine Identität damit gibt und ob wir es positiv für uns besetzen. Dazu sollten wir Demokraten in diesem Hause gemeinsam beitragen und uns nicht in Kleinteiligkeiten der politischen Konkurrenz verlieren. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Karney [CDU])

Das Wort erhält die Abgeordnete Stobrawa von der Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Dr. Klocksin, glücklicherweise ist es so, dass die einbringende Fraktion immer das letzte Wort hat. Ich möchte das letzte Wort dazu nutzen, Ihnen zu sagen: Wir haben die Aktuelle Stunde bewusst mit „Konsequent sozial“ betitelt. Ich gehe davon aus, dass Sie zuhörten, als meine Kollegin Kerstin Kaiser gesprochen hat. Wir haben die Forderungen benannt, die unter dieser Überschrift nachzulesen sind: Wir wollen ein erweitertes Konjunkturprogramm, eine strengere Regulierung der Finanzmärkte und eine gerechtere Verteilung des Reichtums. Wir wollen höhere Löhne und sichere Renten, und wir wollen vor allen Dingen, dass die sozialen Grundrechte in Europa den Vorrang haben. Das ist für uns konsequent sozial.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Ich merke immer wieder, sehr verehrte Kollegen hauptsächlich der SPD, dass unsere Lieblingsthemen inzwischen auch zu Ihren Lieblingsthemen geworden sind. Insofern gibt es hier und da Übereinstimmungen. Aber es gibt natürlich auch Differenzen, zum Beispiel bei der Bewertung der Euroregion. Lieber Herr Dr. Klocksin, es ist nicht so, dass wir den Finger in die falsche Richtung strecken und sagen, die Schuld liege hinter unserer Grenze, sondern wir wollen die Verantwortung der Landesregierung hier in Potsdam nachgewiesen haben. Wir wollen wissen, was falsch gelaufen ist, dass in der Euroregion Spree-Neiße-Bober und Pro Europa Viadrina bis heute kein einziger Cent geflossen ist, obwohl es vonseiten der EU vor 14 Monaten ein Ja zum Operationellen Programm gab. Das muss einer Oppositionsfraktion erlaubt sein.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Bürgerbeteiligung ist für uns ein hohes Gut. Lieber Dr. Klocksin, liebe Frau Richstein, das wissen sicherlich auch Sie: Wir sind diejenigen, die von Anfang an Folgendes gefordert haben: Wenn es einen EU-Verfassungsvertrag geben wird, dann sollte er mit den Menschen in der EU besprochen werden.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Deshalb war von Anfang an ein Referendum unsere eindeutige Forderung. Das haben die Herrschenden in der EU und auch in den Nationalstaaten nicht gewollt. Wir sind generell gegen einen EU-Vertrag, der neben vielen positiven Dingen eben auch Dinge beinhaltet, mit denen auch ich mich nicht identifizieren kann. Ich bin dafür, dass es ein friedliches Europa wird.

(Frau Richstein [CDU]: Es ist ein friedliches Europa!)

Für mich ist unklar, warum von einer „Aufrüstungsmaschinerie“ gesprochen wird. Ich bin dafür, dass es ein soziales Europa wird. Deshalb kann ich nicht verstehen, dass im Vertrag der Neoliberalismus festgeschrieben ist usw.

(Frau Funck [CDU]: Das ist doch Quatsch, Frau Stobrawa!)

Sie, Herr Dr. Klocksin und Frau Richstein, haben positive Seiten aufgezeigt. Ich sehe eben auch negative Seiten. Deshalb muss es mir erlaubt sein, diesbezüglich eine andere Meinung zu haben.