Protocol of the Session on April 2, 2009

Fest steht auch, dass Brandenburger Landesregierungen seit 1992 dieses Verfahren politisch zu verantworten haben; denn sie haben - das ist nicht zuletzt historisch bedingt - die politische Brisanz dieses Themas der Abwicklung der Bodenreform völlig verkannt bzw. unterschätzt. Deshalb halte ich es nicht für ganz unwichtig, an dieser Stelle auch noch ein paar Worte zur Historie der betreffenden Vorschrift zu verlieren.

Das Eigentum an Bodenreformflächen war zu DDR-Zeiten zwar vererblich, ansonsten jedoch vielen Verfügungsbeschränkungen unterworfen, die erst im Mai 1990 durch das sogenannte Modrow-Gesetz aufgehoben wurden, indem Bodenreformeigentum als vollwertiges Eigentum anerkannt wurde. Durch das im Juli 1992 in Kraft getretene Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz wurde diese Regelung des Modrow-Gesetzes in gewisser Weise ausgehebelt; denn nunmehr sollten nur diejenigen eingetragenen Eigentümer das Land behalten, die es vor dem 15. März 1990 als Mitglied einer LPG bewirtschafteten oder die Hofstelle bewohnten. Anderenfalls hatte das Land als sogenannter Besserberechtigter einen Anspruch auf Auflassung des Grundstücks bzw. auf Herausgabe des Kaufpreises.

Für die ostdeutschen Länder und damit auch für Brandenburg ergab sich daraus die Notwendigkeit, sowohl die Bodenreformflächen als auch deren Eigentümer bzw. Erben zu ermitteln, um mögliche Übertragungsansprüche prüfen und gegebenenfalls bis zum 3. Oktober 2000 auch durchsetzen zu können.

Im Nachhinein erwies sich dieses Gesetz als eine der umstrittensten Errungenschaften deutscher Rechtseinheit. Apropos Rechtseinheit: Herr Kollege Klocksin, wir haben uns in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses über diesen Begriff ein wenig auseinandergesetzt. Gestatten sie mir hier noch einen kurzen Verweis auf eine Passage in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vom 27. Februar 2008 zu diesem Terminus. Er hat damals in diesem Hause hier erklärt:

„Diese Regelung,“

- gemeint ist das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz -

„die so kompliziert ist, wie es auch klingt, gehört im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Bodenreform zu den umstrittensten Regelungen im Zuge der Herstellung der deutschen Rechtseinheit.“

Die Umsetzung dieses Gesetzes führte in ganz Ostdeutschland zu anhaltenden Protesten und politischen Diskussionen durch alle Parteien; die höchsten deutschen Gerichte, zuletzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, haben sich damals mit diesem Thema befasst. Diese Diskussionen können auch in Brandenburg nicht zu überhören gewesen sein, sodass vor diesem Hintergrund ein besonders sorgfältiger Umgang mit dem Gesetz und seiner Umsetzung zwingend geboten war. Keine - ich wiederhole: keine - seit 1992 amtierende Landesregierung hat diese Brisanz aus unserer Sicht erkannt.

Die Tatsache, dass Brandenburg als größtes ostdeutsches Flächenland besonders viele Bodenreformgrundstücke hatte, wäre ein weiterer Grund gewesen zu sagen: Hier müssen wir als Land besondere Anstrengungen, Bemühungen unternehmen, um die Eigentümer zu finden.

Im Gegensatz zu dem Land Mecklenburg-Vorpommern, das bereits im Jahre 1994 mit der flächendeckenden Recherche angefangen hatte, wurde in Brandenburg erst Anfang 1997 mit der Erbenrecherche tatsächlich begonnen. Das war einfach zu spät. Von den acht Jahren, die im Land für die Suche nach Bodenreformflächen und die Erbenermittlung zur Verfügung standen, waren damit bereits fünf Jahre vertan.

Aber nicht nur der Zeitdruck war dafür ausschlaggebend, dass mehr als 10 000 Bodenreformeigentümer nicht gefunden wurden. Entscheidend war auch, dass die Erbenermittlung auf private Dienstleister übertragen wurde, ohne dass vorher abgewogen wurde, welche Vor- und Nachteile, welche Risiken sich damit verbinden. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen haben hierfür landeseigene Gesellschaften eingesetzt, wobei Sachsen auch erst im Jahre 1997 mit der flächendeckenden Recherche begonnen hatte. Im Ergebnis blieben dort in 85 000 Fällen von Bodenreformflächen nur in ca. 200 Fällen die Erben unbekannt.

Hauptursache für das schlechte Rechercheergebnis war jedoch die Vertragsgestaltung mit den Dienstleistern. Wir behaupten bis heute: Bei einer Recherche vor Ort wäre die Zahl unbe

kannter Erben um ein Vielfaches kleiner gewesen. Spätestens als im Sommer 1999 sichtbar wurde, dass es in einer Vielzahl von Fällen nicht gelingen würde, vor Ablauf des 2. Oktober 2000 die Eigentümer ausfindig zu machen, hätte die Landesregierung wach werden und erkennen müssen: Hier haben wir ein Problem. Wie gehen wir damit um?

Stattdessen wurde nach Möglichkeiten gesucht, dem Landesfiskus trotz drohender Verjährung die Grundstücke zu sichern. Die dann gewählte Verfahrenspraxis, Vertreter für unbekannte Eigentümer einzusetzen, war nach den rechtlichen Vorschriften - das sagen auch wir - grundsätzlich möglich. Während jedoch in den anderen ostdeutschen Ländern Dritte, zum Beispiel Notare, Rechtsanwälte oder Kommunen, zum Vertreter bestellt wurden, waren dies in Brandenburg die Grundstücks- und Vermögensämter. Das bedeutete, dass die gleichen Ämter die Ansprüche des Fiskus prüfen und geltend machen mussten, die eigentlich auch die Interessen der unbekannten Erben bzw. Eigentümer zu vertreten hatten. Diese Form des sogenannten Insichgeschäfts war, wie ich gerade schon gesagt habe, rechtlich durchaus möglich. Gesetz- und sittenwidrig wurde es dann, wenn ohne sorgfältige Erbenermittlung die Grundstücke an den Landesfiskus übertragen wurden. Genau diese Ermittlungen wurden eben nicht angestellt, und wir sagen bewusst: dann nicht mehr angestellt. - Ich erinnere nur an die Wortwahl der Haftungsfreistellung für die Kommunen. Darin heißt es:

„Eine umfassende Überprüfung des Vorliegens der Berechtigung des Landes sowie der Richtigkeit der im Auftrag des Landes ermittelten und dem Landkreis vorgelegten Erkenntnisse zur Person oder zum Aufenthalt des Eigentümers durch den Landkreis ist ebenso entbehrlich wie weitgehende eigene Recherchen.“

Das war de facto die Aufforderung durch das Finanzministerium, das Gesetz vor Ablauf der Frist nicht mehr anzuwenden. Mehrere Tausend Grundstücke wurden auf diese Art und Weise allein im Sommer des Jahres 2000 im Eilverfahren erfasst und übertragen. Oftmals wurden sogar noch am letzten Tag vor dem 3. Oktober die gesetzlichen Vertreter veranlasst - es gibt Unterlagen, die belegen, dass mehrere Hundert an einem Tag durch einen Notar veranlasst wurden -, die Auflassung zugunsten des Landesfiskus zu erklären.

Diese schwerwiegenden Entscheidungen wurden allein auf der Fachebene des Finanzministeriums getroffen, obwohl man sich der rechtlichen Bedenken bewusst war; denn eine juristisch haltbare Alternative ist intern vom Abteilungsleiter und seinem Referatsleiter im Frühjahr des Jahres 2000 diskutiert, jedoch aufgrund des damit verbundenen Aufwands bewusst verworfen worden. Erst nach mehrmaligen Nachfragen und unter Eid räumte der Zeuge B. dies vor dem Untersuchungsausschuss ein. Dass damit der Straftatbestand der Untreue durchaus auch in subjektiver Hinsicht erfüllt sein könnte, sollte - nach dem Leserbrief, den ich gelesen habe - den Generalstaatsanwalt heute eigentlich noch einmal zum Nachdenken anhalten.

Die zahlreichen Warnsignale, die es in den letzten Jahren auch von den Gerichten und Notaren gab, will niemand gehört haben, obwohl diese Vorgehensweise selbst im Justizministerium für juristisch und politisch bedenklich gehalten wurde.

Auch die Haftungsfreistellungen der Kommunen belegen, dass diese den Kopf für das bedenkliche Verfahren eben nicht hin

halten wollten. Der Landkreis Teltow-Fläming machte dieses Verfahren erst gar nicht mit. Wenn ich mich an die Vernehmung des Justiziars aus diesem Landkreis als Zeugen richtig erinnere, waren seine bereits im Frühjahr des Jahres 2000 gegenüber seinem Landrat schriftlich geäußerten Bedenken dann 1 : 1 im späteren Urteil des BGH nachzulesen.

Doch spätestens mit dem Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts im August 2004 hätten Sie, Herr Minister Speer, sich Ihre bis dahin so frei schwebend agierende Arbeitsebene einmal ernsthaft zur Brust nehmen und fragen müssen: Ist das alles richtig, was wir hier tun? - Eine verantwortungsvoll handelnde Verwaltung hätte sich ihrerseits spätestens da an die Hausspitze wenden müssen. Dies alles ist nicht geschehen und zeigt, dass sich über Jahre hinweg ein System innerhalb der Landesregierung entwickeln konnte, dem jegliches Politikverständnis und -gespür abhanden gekommen ist.

Meine Damen und Herren! Jetzt, wo wir wissen, welche Fehler und Versäumnisse begangen wurden, müssen auch die notwendigen Schlussfolgerungen und Konsequenzen gezogen werden, auch wenn dies vielen Betroffenen im Land nicht mehr helfen wird. Weder mit dem Fünfpunkteplan des Finanzministeriums noch mit dem von uns vorgelegten Entschließungsantrag kann Gerechtigkeit hergestellt werden, weil durch das rechtswidrige Verhalten dieser Landesregierung nun einige Menschen ihre Grundstücke behalten, obwohl es ihnen bei ordnungsgemäßer Anwendung der gesetzlichen Vorschriften gar nicht zugestanden hätte. Viele andere Bürgerinnen und Bürger hingegen, die im Vertrauen auf die gesetzlichen Regelungen mit den Behörden zusammengewirkt haben, mussten aufgrund fehlender Zuteilungsfähigkeit, oder weil sie selbst den Rechtsweg scheuten, ihre Grundstücke zugunsten des Landes abgeben.

Herr Ministerpräsident! Meine Damen und Herren! Sie alle haben vor etwas mehr als einem Jahr Aufklärung, aber auch Schlussfolgerungen und Konsequenzen gefordert. Im vorliegenden Untersuchungsbericht vermissen wir dazu jegliche Aussagen. Ich frage Sie allen Ernstes: Welche Konsequenzen ziehen Sie als Landesregierung? Welche Konsequenzen ziehen wir als Parlament? Meine Fraktion hat daher einen Entschließungsantrag eingebracht, mit dem wir Sie auffordern, die sich aus dem Urteil ergebenden Schlussfolgerungen zu ziehen und mit aller Transparenz umzusetzen.

Meine Damen und Herren, es waren verschiedene Landesregierungen, die ihren Anteil an dieser Affäre, die nicht zu Unrecht als „Eigentumsaffäre“ bezeichnet wird, hatten und haben. Es war nicht nur die Regierung Stolpe, die zwar den Grundstein- und Basisfehler gemacht hat, es waren auch zwei Regierungen unter Ihrer Leitung, Herr Ministerpräsident. In jedem Fall waren es sozialdemokratische Finanzministerinnen und Finanzminister, die in ihrer Regierungsverantwortung dem Thema nicht die gebotene Aufmerksamkeit gewidmet haben. Deshalb sehen wir uns veranlasst, den zuständigen Landesregierungen in aller Deutlichkeit unsere Missbilligung auszusprechen. Zu gern reden Sie, meine Damen und Herren von den Landesregierungen, und sind stolz auf Ihre Häuser. Nur wenn es dann einmal gründlich daneben geht, dann will es keiner gewesen sein.

Das führt uns zu einer wesentlichen ersten Schlussfolgerung: Gerade weil verschiedene Landesregierungen und verschiedene Minister ihren Teil zur Affäre beigetragen und zu verantwor

ten haben, deutet vieles auf das grundsätzliche strukturelle und organisatorische Problem; es war eben nicht nur ein versehentlicher Betriebsunfall oder individuelles Management. Um Ähnliches in Zukunft auszuschließen, muss nach strukturellen Ursachen gesucht werden und müssen organisatorische und eventuell personalrechtliche bzw. disziplinarische Maßnahmen ergriffen werden. Denn es ist schon auffällig, wenn bestimmte Bedienstete unserer Landesverwaltung quasi als Dauergast in den Untersuchungsausschüssen des Landtags erscheinen müssen.

Deshalb sage ich auch: Es kann nicht sein, dass ein Abteilungsleiter sämtliche Grundsatzentscheidungen völlig alleine treffen kann, ohne dass Ministerinnen und Minister davon Kenntnis erhalten - auch keine Kenntnis davon, dass man trotz einer zuvor erlittenen gerichtlichen Niederlage seine bedenkliche Verfahrenspraxis auch noch bis zum höchsten deutschen Zivilgericht betreibt. Es geht uns an dieser Stelle nicht darum, Selbstständigkeit von Verwaltungshandelnden infrage zu stellen oder zu beschneiden, aber es muss eine politisch vorgegebene Grenze geben, bis wohin eine Fachverwaltung alleine agieren kann und an welcher Stelle es einer politischen Einflussnahme und Entscheidung bedarf. Was die Landesregierung braucht, ist eine wirksame interne Kontrolle, aber auch Regelungen und Vorgaben, wer wann über was zu informieren ist. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung haben Sie, Herr Finanzminister Speer, bereits getan, indem Sie für Ihr Haus geregelt haben, dass über jede Anrufung eines Bundesgerichtes gegen die Entscheidung eines Brandenburger Gerichts die Hausspitze zu unterrichten ist. Dies allein reicht jedoch nicht. Auch wir als Parlament, als Kontrollgremium, erwarten künftig, dass wir über derartige Vorgänge umfassend und zeitnah in Kenntnis gesetzt werden, denn Kontrolle setzt auch Transparenz als eine weitere wesentliche Schlussfolgerung voraus. Ich denke, darin sind wir uns alle einig. Hätte es mehr Transparenz gegeben, hätte auch das Parlament viel früher intervenieren können, und die Bodenreformaffäre hätte es vielleicht in dieser Form auch nicht gegeben. Offen bleibt bislang auch die Frage, wie das Land Brandenburg mit den Grundstücken umgeht, deren Eigentümer sich nicht melden. Die bisher eingeleiteten Maßnahmen, insbesondere das Fünfpunktepaket, blenden die Tatsache aus, dass viele Bodenreformerben bis heute nicht gefunden sind. Wir fordern Sie deshalb noch einmal auf, die rechtmäßigen Eigentümer der von der Rechtsprechung des BGH betroffenen Bodenreformgrundstücke zu ermitteln. Anderenfalls sollten zunächst unabhängige Dritte anstelle des Landes zum gesetzlichen Vertreter bestellt und damit eine treuhänderische Verwaltung der Bodenreformflächen sichergestellt werden. Auch hat das Land darauf hinzuwirken, dass die Grundbücher in allen Fällen, in denen das Land zu Unrecht eingetragen ist, berichtigt werden. Ich bitte Sie daher, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, und freue mich auf eine interessante Diskussion.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Frau Abgeordnete Melior.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Görke, ich möchte an dieser Stelle besser nicht auf Ihre Rede eingehen.

Worte wie Amnesie mit einer Ministerin in Verbindung zu bringen verbietet sich hier, so glaube ich.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Ich möchte gleich ins Thema einsteigen und ein paar Worte über die Arbeit im Ausschuss verlieren. Der Landtag Brandenburg hat am 27. Februar vergangenen Jahres den Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Verfahrenspraxis in Umsetzung der Vorschriften zur Abwicklung der Bodenreform nach Artikel 233 EGBGB und der Verantwortung der brandenburgischen Landesregierung in diesem Prozess auf Antrag der Fraktion DIE LINKE mit den Stimmen aller demokratischen Parteien in diesem Haus eingesetzt. Ich habe anlässlich dieser Einsetzung damals gesagt:

„Die Menschen in Brandenburg, vor allem die Betroffenen, haben hohe Erwartungen an uns. Sie wollen vollständige Aufklärung über die Praxis der Bodenzuordnung. Sie wollen die Klärung der Verantwortung, vor allem aber wollen sie Gerechtigkeit.“

Der Untersuchungsausschuss hat öffentlich getagt. Das Interesse der Medien war durchaus vorhanden, wie heute auch. Bürgerinnen und Bürger interessierten sich bis auf wenige Ausnahmen nicht für unsere Arbeit. Anrufe zu diesem Thema in unseren Bürgerbüros waren auch eher selten und wenn, dann bezogen sie sich auf Fälle im Umgang mit der Bodenreform zu DDR-Zeiten und den Wirrwarr, der mit dem sogenannten Modrow-Gesetz und in Folge geschah.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Es gab aber eine Menge Leute!)

- Ja, das mag unterschiedlich gewesen sein; bei uns war es eher diese Lage. Der Petitionsausschuss hat übrigens auch viele Zuschriften genau in dieser Richtung erhalten.

Unser Aufklärungsauftrag bezog sich auf Handeln und Agieren der Landesregierung in den Jahren 1992 bis zum Stichtag 2. Oktober 2000. Natürlich ist es politisch brisant, wenn eine Landesregierung eine Entwicklung unterschätzt, den Dingen zu lange ihren Lauf lässt, Aufträge an Dritte zu wenig kontrolliert und den Informationsfluss im Haus nicht ordentlich regelt. Wenn es ein Verdienst unserer Arbeit gibt, dann das, dass wir all diese Dinge festgestellt und benannt haben.

Bodenreform - gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Rückblick -, da stellt sich die Frage: Was hat es eigentlich damit auf sich und was verbirgt sich dahinter?

„Junkerland in Bauernhand“ - für mich als Schülerin der DDR war diese Formel positiv besetzt.

(Frau Schier [CDU]: War bei mir nicht so!)

- Das unterscheidet uns dann, aber ich habe das damals durchaus positiv wahrgenommen.

In unseren Lese- und Geschichtsbüchern wurden freundliche Menschen gezeigt, die - meist mit Schippen und Pfählen ausgestattet - auf die Felder zogen und das Land neu verteilten.

(Zurufe von der Fraktion der CDU und der Fraktion DIE LINKE)

Großgrundbesitzern - dazu zählten alle, die mehr als 100 ha besaßen - und Kriegsverbrechern wurde das Land weggenommen und an landarme Bauern, Landarbeiter und Umsiedler verteilt - im Durchschnitt 3,9 ha.

Die Menschen hatten 1945 neben dem guten Gefühl, dass der Krieg endlich vorbei ist, vor allem eins: Hunger. Viele Flüchtlinge wohnten in den Dörfern und mussten versorgt werden. Sie wollten selbst Gemüse und Feldfrüchte anbauen, um damit Hühner und Kaninchen zu füttern. Von Zwangskollektivierungen und Kolchose war damals noch nicht die Rede - das kam dann später.

Die Vorgehensweise entsprach der gelehrten Doktrin: Produktionsmittel vergesellschaften. Dass damit eine ganz neue Art des Eigentums entstand, das sogenannte Arbeitseigentum, war mir als Schülerin nicht bewusst. Bodenreformland war nur vererbbar, wenn die Erben in der Landwirtschaft tätig waren und den Acker damit weiter als Produktionsmittel - wenn auch kollektiviert in der LPG - benötigten.

Dem DDR-Unrechtsstaat entsprach, dass bei Funktionären die Sache viel großzügiger gehandhabt wurde und es dann auch schon mal ausreichte, wenn jemand beim Rat des Kreises, Abteilung Landwirtschaft, arbeitete, aber nie wirklich den Acker bestellt hat.

Mein Vater kann heute noch jeden namentlich benennen, der 1945 in meinem Heimatort Sandau an der Elbe Flächen zugeteilt bekam, um sich und seine Familie zu versorgen.

(Krause [DIE LINKE]: Da hätte man ja alle Erben gut finden können!)

Wer inzwischen im Grundbuch steht oder was mit den Menschen passiert ist - genau da ist dann der Unterschied, Herr Krause -, die dann die Stadt verlassen haben und andere Wege gegangen sind, das weiß er natürlich auch nicht in jedem Detail.