Protocol of the Session on April 2, 2009

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Werden Sie doch mal konkret!)

Lassen Sie uns doch einmal über Aus- und Weiterbildung reden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

Herr Kollege Scharfenberg, diejenigen, die in der DDR Kriminalistik an der Humboldt-Universität studiert haben, konnten nichts über das Internet lernen. Mich würde übrigens interessieren, wie die SED, wenn sie an der Spitze der DDR das Internet erlebt hätte - hat sie ja glücklicherweise nicht, weil es die DDR nicht mehr gab -, versucht hätte, auch diese technische Errungenschaft vom Volk der DDR fernzuhalten, wie sie es ja bei vielen anderen Dingen gemacht hat.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Sie hat nicht nur eine Mauer gebaut, sondern noch ganz andere Sachen gemacht. Allein am Beispiel des Internets können Sie sehen, dass Aus- und Fortbildung der Schlüssel ist, wenn man kriminalistisch arbeiten will. Jemandem, der heute Polizist werden will, können wir nicht, Jörg Schönbohm als Innenminister nicht, kein Bundesinnenminister und schon gar nicht die Fraktion DIE LINKE, sagen, was in 20 Jahren notwendig sein wird. Was derjenige braucht, ist die lebenslange Bereitschaft, sich im Berufsleben Wissen anzueignen. Das bedeutet, dass man auf Dinge wie Internetkriminalität oder Terrorismus vorbereitet sein muss. Das alles sind Dinge, über die wir vor 15 Jahren in dieser Form noch gar nicht reden konnten, weil niemand in diesem Raum davon etwas gewusst hat - bis auf die Oppositionsfraktion vielleicht. Wir wussten es jedenfalls nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

Deswegen besteht überhaupt keine Notwendigkeit, dem Antrag der Linken zuzustimmen. Wir haben gute Polizisten, und wir bilden gute Polizisten aus. Wir sorgen im Landesdienst dafür, dass sich diejenigen, die Verantwortung tragen, durch Aus- und Fortbildung ständig verbessern können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Minister Schönbohm.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben, wie Sie wissen, im vergangenen Jahr die Kriminalpolizei evaluiert. Wir haben dazu intensiv im Innenausschuss vorgetragen. Wir haben dort auch vorgetragen - Herr Dr. Scharfenberg, Sie waren der Vorsitzende -, dass wir Ungleichgewichte in der Kriminalpolizei verändert haben. Beim Vorstellen der Polizeilichen Kriminalstatistik habe ich auch gesagt, dass der Wegfall der von der Bundespolizei aufgeklärten Delikte ein Grund war. Ich habe weitere Gründe genannt. Ich habe gesagt, dass auch die Umstrukturierung der Kriminalpolizei möglicherweise dazu geführt hat, dass die Aufklärungsquote gesunken ist. Ich habe weiterhin darauf hingewiesen, dass wir im Rahmen der statistischen Erfassungsmerkmale vom Jahr 2007 zum Jahr 2008 durch die Einführung eines anderen Systems einen großen Berg abgearbeitet haben. Das habe ich alles im Einzelnen erläutert. - Ich sage es nur, weil Sie es vielleicht vergessen haben.

Wenn Sie jetzt beantragen, der Landtag möge beschließen, die kriminalistische Aus- und Fortbildung zu verbessern, dann formulieren Sie damit eine Forderung, die der Bund der Kriminalbeamten bundesweit stellt.

(Schippel [SPD]: Seit 20 Jahren schon!)

- Ja.

Schauen Sie sich einmal die Aufklärungsquote im Bundesland Berlin an! Wenn Sie den Bezug herstellen, werden Sie, glaube ich, etwas anders darüber sprechen. Da Sie nun aber die Aufklärungsquote genommen haben, möchte ich jetzt nach dem Gesetz der Logik vorgehen und Folgendes sagen:

Erstens: Die Anzahl der Kriminalbeamten hat sich im Jahr 2008 gegenüber 2007 nicht nach unten verändert; denn der Abbau beginnt ja erst.

Zweitens: Wenn Sie sich die Kriminalstatistik ansehen, die zur Verfügung steht, stellen Sie fest, dass die Straftaten, die von der Kriminalpolizei bearbeitet werden, die höchste Aufklärungsquote haben. Ich möchte nur folgende nennen: Straftaten gegen das Leben 80,3 %, Mord 88 %, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 83,9 %, Vergewaltigung/sexuelle Nötigung 84,6 %. Also all die Straftaten, die in besonderer Weise den Einsatz der Kriminalpolizei verlangen, haben eine überdurchschnittlich hohe Aufklärungsquote. Bei Fahrraddiebstählen hat die Aufklärungsquote nicht zugenommen. Wegen der Kfz-Diebstähle haben wir eine Sonderkommission gebildet, zum großen Teil auf Anregung der Schutzpolizei.

Nun will ich Ihnen einmal sagen, wie unsere Aufklärungsquote im Vergleich ist. Ja, sie ist abgestürzt, sie ist zurückgegangen. Aber wir sind immer noch deutlich besser als Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Wir werden auch wieder besser. Warten Sie einmal ab! Ich kann leider die nächste PKS nicht mehr vorstellen, aber ich kann einen Kommentar dazu schreiben. Da komme ich auf das zurück, was Sie gesagt haben.

Von daher gesehen geht es jetzt darum: Wie gehen wir eigentlich damit um? Wir haben selbst festgestellt - stellen Sie sich das einmal vor, wir haben eine lernende Verwaltung, das müsste Sie doch beglücken -, dass Aufklärungsdefizite bestehen. Das haben wir im Rahmen der Evaluierung festgestellt. Wir haben

gesagt: Hier müssen wir etwas tun. Wir haben zunächst einmal die Grundausbildung an der Fachhochschule der Polizei überprüft. Die polizeiliche Ausbildung ist sehr gut. Sie hat allgemeine Zustimmung gefunden. Sie entspricht modernsten Gesichtspunkten des Bachelorstudiums.

Die Leistungsfähigkeit der Kriminalpolizei hängt davon ab, wie die dort Tätigen aus- und fortgebildet werden. Deshalb haben wir, wie hier schon erwähnt wurde, im Januar eine entsprechende Fachtagung abgehalten. Eine weitere wird noch in diesem Jahr folgen, und zwar wieder mit Fachleuten, die sich an der Sache orientiert um die Frage kümmern, wie es weitergehen soll. Möglicherweise werden wir dabei weitere Defizite feststellen. Natürlich liegen jedem Defizit Ursachen zugrunde; mit diesen werden wir uns auseinandersetzen. Dem bereits erkannten Optimierungsbedarf wird Rechnung getragen. Die entsprechenden Erkenntnisse werden an der Fachhochschule angewandt.

Herr Dr. Scharfenberg, als Vorsitzender des Innenausschusses können Sie uns darum bitten, die Ergebnisse vorzutragen. Wir sind gern dazu bereit, darzulegen, was wir machen.

Ich denke, das Innenressort mit den Fachleuten ist hervorragend in der Lage, die entsprechenden Aufgaben zu erfüllen. Das ist nicht immer ganz einfach, aber die Aus- und Fortbildung der Polizei werden wir so betreiben, wie ich es soeben gesagt habe: aus den bisherigen Erfahrungen lernend und diese dynamisch weiterentwickelnd. Wir machen Dreisprung, keinen Weitsprung. Das ist auch richtig so. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank. - Der Abgeordnete Dr. Scharfenberg hat noch Redezeit. - Er verzichtet.

Damit sind wir am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Ihnen liegt der Antrag, eingebracht von der Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 4/7390 vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Wer enthält sich? - Bei einigen Stimmenthaltungen ist mehrheitlich gegen diesen Antrag gestimmt worden. Er ist somit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Abhängigkeit der Bildungsbeteiligung und des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft verringern

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/7333

Ich eröffne die Aussprache. Die Abgeordnete Große erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der vergangenen Woche hat Herr Minister Rupprecht den heute schon zitierten ersten „Bildungsbericht Berlin-Brandenburg“ vorgestellt. Ne

ben Erfolg und dem schon hinlänglich bekannten „Wir sind auf einem guten Weg“ musste der Minister auch diesmal einräumen, dass es einen bedeutsamen Anstieg des Sozialgradienten gab. Einfacher ausgedrückt: Die Chancen eines Kindes, dessen soziale Herkunft von Risikolagen geprägt ist, auf gleiche Teilhabe an und Erfolg in der Bildung sind inzwischen auch in Brandenburg schlecht, und das entgegen dem sonstigen Bundestrend. Das hat auch die SPD erkannt und in dem Heft „Perspektive 21“, in dem es insbesondere um Bildung geht, formuliert: „Dieser Rückschritt ist für uns inakzeptabel.“ Recht haben Sie damit. Für uns ist er das auch!

Sie, Herr Minister, machten die im Übrigen auch regional erkennbare Disparität an der schlechten Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler in Forst fest, was dann gleich ein kräftiges Wahlkampfgeholze des Kollegen Senftleben auslöste; auch darüber haben wir heute schon gesprochen.

Nun muss ich diesen meinen Minister nicht vor der Opposition in den eigenen Reihen schützen; das ist schließlich selbstgewähltes Leid. Aber so, meine Damen und Herren, sollte es nicht weitergehen. Wir hangeln uns von Bildungsbericht zu Bildungsbericht. Es gibt immer recht schnell Reaktionen auf das Festgestellte. Ebenso schnell folgen Maßnahmenpaketchen. Die SPD hat zumindest die soziale Situation erkannt - siehe Schulsozialfonds -, wenngleich genau diese Situation natürlich auch durch SPD-Bildungspolitik der vergangenen Jahre hervorgerufen wurde.

Schaut man sich die Abrufdaten des Schulsozialfonds in den Kreisen und Kommunen an, dann bestätigen sich alle gefühlten und nun auch mehrfach empirisch nachgewiesenen Befunde. Auch in Brandenburg steckt also die Risikolage der Herkunftsfamilie den Rahmen für Bildungsteilhabe und Bildungserfolg ab. Auch in Brandenburg gelingt es der Schule nicht, die Folgen der sozialen Disparitäten auszugleichen. Eine Steigerung des Sozialgradienten um 5 % auf 32 % - damit liegen wir deutlich über dem Bundesdurchschnitt - ist nicht hinnehmbar. Zwischen den Jahren 2002 und 2007 verschärfte sich ganz klar diese Problemlage. Es stellt sich die Frage: Warum?

Die Erklärungsversuche dafür, wie sie zum Beispiel im Lebenslagenbericht und auch jetzt, im Bildungsbericht, vorgenommen wurden, sind eher hilflos. So vermutet man, dass die Zuzüge eher bildungsnaher Eltern in den Speckgürtel Ursache dafür sind, dass ein vermehrtes Auseinanderdriften zu beobachten ist. Im Bildungsbericht werden zumindest detaillierte Analysen gefordert. Das ahnten wir schon, als wir unseren Antrag erarbeiteten, den Bildungsbericht aber noch nicht kannten. Wir haben dem also vorgegriffen; immerhin gab es schon PISA 2006.

Wir fordern nunmehr die Landesregierung zu detallierter Ursachenforschung auf, weil sich nur auf einer solchen Grundlage richtige Maßnahmen ableiten lassen. Dabei darf es keine Tabus geben. Es gehört alles auf den Prüfstand, zumal es erst seit dem Jahr 2002 diese erhebliche Verschlechterung gegeben hat.

Wie ist die Ausgangssituation? Eine Risikolage liegt - erstens dann vor, wenn eine Familie arm ist, also weniger als 60 % des durchschnittlichen Familieneinkommens zur Verfügung hat. Mit diesem Armutsbegriff wird in den Berichten operiert. Eine Risikolage liegt - zweitens - dann vor, wenn eine Familie sozial benachteiligt ist. Davon geht man aus, wenn in dieser Familie niemand einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Das dritte Kriterium

ist die Bildungsferne der Familie. Davon spricht man, wenn die Eltern keinen Berufsabschluss haben. Interessanterweise ist insofern die Situation in Brandenburg eine andere als in Berlin, wo sich die Risikolagen Armut, soziale Benachteiligung und Bildungsferne dritteln. In Brandenburg dagegen sind 23 % aller Eltern arm, aber nur 5 % sozial benachteiligt und nur 4 % bildungsfern. Es gibt unter denjenigen also Eltern mit einem Berufsabschluss. Dieser ist zwar möglicherweise nicht mehr viel wert, aber immerhin haben die Eltern einen. Jede zweite Alleinerziehende in Brandenburg ist arm. Das alles bedeutet inzwischen leider auch in unserem Land: Die Chancen auf gleiche Teilhabe und Erfolg sind genau für diese Kinder - wohlgemerkt: bei annähernd gleichen kognitiven Voraussetzungen - erheblich geringer. Schon im Bereich der Grundschule gibt es die bundesweit dritthöchste Differenz zwischen Kindern aus bildungsnahen und bildungsfernen Elternhäusern bei der Lesekompetenz.

Herr Kollege Senftleben, eben weil es in den kreisfreien Städten Frankfurt (Oder) und Cottbus sowie in den Kreisen Uckermark, Prignitz und Oberspreewald-Lausitz erheblich mehr Menschen in solchen Risikolagen gibt, sind die Leseleistungen der Kinder dort in geballter Ladung schlechter, nicht etwa deshalb, weil dort die Lehrerinnen und Lehrer schlechter arbeiten. So ist der Zusammenhang! Aber ein Skandal bleibt das so oder so, genauso wie die Tatsache, dass Brandenburg mit 12 % die meisten Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss hat. Die defizitäre Lesekompetenz schleppt sich also durch; andere Defizite bauen sich drum herum auf.

(Senftleben [CDU]: Wo beginnt das?)

- Genau, wo beginnt es, Herr Kollege Senftleben? - Wir haben hier einige wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht. Auch wir als Opposition haben uns daran beteiligt. Wenn die Maßnahmen greifen, wird zumindest eine Linderung möglich sein. Ich denke nur an die Kita-Sprachförderung, an die flexible Eingangsphase und die Ganztagsangebote, wo Sie aber eher bremsend gewirkt haben.

Die Linke ist fest davon überzeugt, dass es Ursachen gibt, die tiefer liegen. Sie, meine Damen und Herren der Koalition, müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass es Folgen hat, wenn Bildung unterfinanziert ist. Heute ist glücklicherweise Herr Minister Speer mal hier.

(Unruhe bei der SPD)

- Wenn ich rede, meine ich; sonst ist er ja immer hier. Aber wenn ich rede, ist er nicht so oft da.

Wir haben in Brandenburg nach wie vor den niedrigsten Anteil an Bildungsausgaben am Gesamthaushalt, auch im Vergleich mit den Flächenländern Ost.

(Beifall der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Ich verweise auf den Vergleich, der sich am Anteil am Bruttoinlandsprodukt orientiert. Brandenburg liegt nur bei 4,4 %. In den Flächenländern Ost insgesamt sind es 5,0 % - in Berlin sind es übrigens 5,2 %. Wir in Brandenburg haben mit 3 700 Euro immer noch die geringsten Pro-Kopf-Ausgaben für die Schülerinnen und Schüler in der Grundschule. - Herr Kollege Senftleben, Sie haben mich gefragt, worin die Ursachen liegen. Eine habe ich Ihnen gerade genannt.

Natürlich drängt sich für die Linke immer auch die Frage auf, inwiefern ein integratives System, also eine Gemeinschaftsschule, diese Disparitäten besser ausgleichen könnte. Ich sage hier ganz deutlich: Wir sind nicht so blauäugig zu behaupten, dass das allein die Lösung wäre oder dass eine Strukturreform allein die Probleme, bezogen auf die sozialen Disparitäten, lösen könnte. Wir halten eine solche Reform dennoch für einen wichtigen, wenn nicht sogar für den Königsweg.

Es muss dringend analysiert werden, inwiefern die Maßnahmen der letzten großen Schulgesetznovelle ursächlich zu der derzeitigen Situation beigetragen haben und auch weiter beitragen werden, wenn wir sie denn nicht ändern. Ich nenne hier nur die Stichworte Undurchlässigkeit, Oberschule, Aufnahmeverfahren für Gymnasien, Leistungs- und Begabungsklassen usw.