Protocol of the Session on April 1, 2009

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass Österreich und das Saarland vor der Einführung der elektronischen Verkündung ihre Verfassung ebenfalls geändert haben.

Ein anderer Aspekt erscheint mir noch wesentlicher. Voraussetzung für das Zustandekommen eines jeden Gesetzes ist insbesondere dessen rechtlich wirksame Ausfertigung und Verkündung. Fehlt es daran, ist es nichtig. Wir gingen ein hohes Risiko ein, wenn wir auf eine Klarstellung in der Landesverfassung verzichteten und die elektronische Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen lediglich auf das Brandenburgische Ausfertigungs- und Verkündungsgesetz stützten. Das Landesverfassungsgericht könnte bei der Normenkontrolle eines beliebigen Landesgesetzes zu der Auffassung gelangen, dass das Brandenburgische Ausfertigungs- und Verkündungsgesetz nichtig sei, weil es nicht von Artikel 81 der Landesverfassung gedeckt ist.

Dies, meine Damen und Herren Abgeordneten, könnte dann aber zur Folge haben, dass jedes nach dem Brandenburgischen Ausfertigungs- und Verkündungsgesetz elektronisch verkündete Gesetz ebenfalls nichtig wäre. Es entstünde erheblicher Schaden für das Land. Deshalb sollten wir dieses hohe Schadensrisiko vermeiden und den von der Landesregierung vorgeschlagenen Weg einer Verfassungsänderung beschreiten. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/7337 und des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/7338 an den Hauptausschuss - federführend - und an den Rechtsausschuss. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Ich schließe Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Gesetz zur Entwicklung der Krankenhäuser im Land Brandenburg und zur Aufhebung von Rechtsverordnungen aus dem Bereich des Arbeitsschutzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/7302

1. Lesung

Es ist vereinbart worden, dazu keine Debatte zu führen. Das Präsidium des Landtags empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/7302 an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Wer dem Folge leisten möge, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisung zugestimmt worden und ich schließe Tagesordnungspunkt 9.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft im Land Brandenburg (Brandenburgisches Untersu- chungshaftvollzugsgesetz - BbgUVollzG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/7334

1. Lesung

Frau Ministerin Blechinger eröffnet für die Landesregierung die Debatte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Seit dem 1. September 2006 haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz für den Vollzug der Untersuchungshaft und damit erstmals die Gelegenheit, diesen Bereich umfassend gesetzlich zu regeln. Brandenburg hat in einer Arbeitsgruppe mit elf weiteren Bundesländern einen gemeinsamen Gesetzentwurf erarbeitet. Dieser Entwurf wurde hier nur geringfügig geändert, um den brandenburgischen Besonderheiten Rechnung zu tragen und ihn an das Landesrecht anzupassen.

Wie schon beim Jugendstrafvollzugsgesetz im Jahr 2007 war eines der Hauptanliegen des gemeinsamen Entwurfs, möglichst gleichlautende Vorschriften, insbesondere mit den Nachbarländern und aus unserer Sicht vor allem mit Berlin, zu schaffen. Es wird ein eigenständiges, in sich geschlossenes Untersuchungshaftvollzugsgesetz vorgelegt. Der Untersuchungshaftvollzug hat nur eine dem Strafverfahren dienende Funktion. Anders als der Strafvollzug hat der Untersuchungshaftvollzug keinen Behandlungsauftrag. Der Vollzug an jungen Untersuchungsgefangenen ist jedoch wie im Jugendstrafvollzug erzieherisch zu gestalten.

Die Ausgestaltung des Untersuchungshaftvollzugs muss dem Umstand Rechnung tragen, dass die Untersuchungsgefangenen als unschuldig anzusehen sind. Deshalb müssen Beschränkungen, die über den Freiheitsentzug hinausgehen, so gering wie möglich sein. Die Unschuldsvermutung soll sich nicht zum Nachteil der Untersuchungsgefangenen auswirken und keine Schlechterstellung gegenüber Strafgefangenen zur Folge haben.

Die Untersuchungshaft greift gravierend in die Lebensführung eines Beschuldigten ein und reißt ihn abrupt aus seinen bisherigen Lebensbezügen. Daher erwächst dem Staat eine besondere Fürsorgepflicht für das psychische und körperliche Wohl der Untersuchungsgefangenen. Ausgehend von diesen Erwägungen bestimmt das Gesetz als Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs, durch sichere Unterbringung der Untersuchungsgefangenen die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und der Gefahr weiterer Straftaten zu begegnen.

Eine wesentliche Neuerung stellt die Bestimmung der Zuständigkeiten für die Ausgestaltung des Vollzugs und Angelegenheiten der Sicherheit und Ordnung dar. War bisher das Gericht auch für solche Anordnungen zuständig, so wird nunmehr der Anstalt aufgrund ihrer größeren Sachnähe die Zuständigkeit übertragen.

Die Untersuchungsgefangenen sind von den Strafgefangenen getrennt unterzubringen. Dieser Trennungsgrundsatz trägt der Unschuldsvermutung Rechnung und macht deutlich, dass Untersuchungsgefangene nicht zur Verbüßung einer Strafe inhaftiert sind. Wie im Jugendstrafvollzugsgesetz sieht auch dieser Gesetzentwurf vor, dass Untersuchungsgefangene in der Ruhezeit einzeln unterzubringen sind. Diese Vorschrift dient dem Schutz der Privatsphäre und nicht zuletzt auch dem Schutz der Untersuchungsgefangenen vor Übergriffen.

Anders als Strafgefangene sind die Untersuchungsgefangenen nicht zur Arbeit verpflichtet. Unser Gesetzentwurf sieht jedoch vor, ihnen nach Möglichkeit Arbeit oder sonstige Beschäftigungen anzubieten. Für die Ausübung einer Arbeit erhalten die Untersuchungsgefangenen die gleiche Vergütung wie Strafgefangene. Denjenigen, denen keine Arbeit angeboten werden kann, soll die Gewährung eines Taschengeldes zuerkannt werden. Mit diesen Regelungen ist gewährleistet, dass Untersuchungsgefangene, die lediglich zur Gewährleistung eines geordneten Strafverfahrens inhaftiert sind, nicht schlechter gestellt sind als rechtskräftig verurteilte Strafgefangene. Deshalb sind finanzielle Mehraufwendungen unumgänglich. Mit Blick auf die geringe und ständig sinkende Anzahl von Untersuchungshäftlingen nehmen sich diese Kosten jedoch recht bescheiden aus.

Die Landesregierung legt Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, der den Untersuchungshaftvollzug erstmals auf eine gesetzliche Grundlage stellt und passgenau mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Untersuchungshaftrecht abgestimmt ist.

Werden beide Gesetze zügig verabschiedet, so wird es bereits ab Januar 2010 eine lückenlose gesetzliche Regelung des gesamten Bereichs der Untersuchungshaft geben. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Der Abgeordnete Loehr spricht für die Linksfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Untersuchungshaft ist - wir hörten es gerade - ein ein

schneidendes Mittel der Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten; denn derjenige, der in Haft genommen wird, gilt noch immer als unschuldig. Die Untersuchungshaft dient grundsätzlich nur der Sicherung des Strafverfahrens und stellt somit keine Strafe im eigentlichen Sinne dar. Es soll vielmehr einer möglichen negativen Beeinflussung des Verfahrens durch den Beschuldigten begegnet werden.

Mit der Föderalismusreform ist nun die Zuständigkeit für die Gesetzgebung zur Gestaltung freiheitsentziehender Maßnahmen, so auch der Untersuchungshaft, auf die Länder übertragen worden. Es ist zu begrüßen, dass sich die Landesregierung entschlossen hat, diesen Gesetzentwurf mit elf anderen Bundesländern abzustimmen. Gleichwohl erhärtet dies unsere Kritik und wirft erneut die Frage nach dem Sinn dieser Föderalismusreform auf. Grundsätzlich steht mit dem Gesetz auch die Aufstellung der Justiz im Land auf dem Prüfstand; denn nur zügige Ermittlungen und Verfahren können eine angemessene Untersuchungshaft garantieren. Schließlich ist die Untersuchungshaft auf die Dauer von sechs Monaten begrenzt.

Die Situation von Untersuchungshäftlingen ist vergleichsweise schwierig, und sie wird von den Verdächtigen dementsprechend auch als sehr belastend empfunden. Sie werden plötzlich aus ihrem sozialen Umfeld, ihren Familien, ihrem Beruf genommen, ihnen steht eine Untersuchungshaft von ungewisser Dauer bevor, es gibt kaum sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten, aber lange Einschlusszeiten. Zudem sind Besuchszeiten und Besuche sehr streng geregelt. Nicht zuletzt zeigt die überproportional hohe Anzahl von Suiziden im Vergleich zum normalen Strafvollzug die außergewöhnlich hohe Belastung der Untersuchungshäftlinge.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der besonderen Situation der Untersuchungshäftlinge müssen entsprechende gesetzliche Regelungen gegenüberstehen. Ob der vorliegende Gesetzentwurf die Anforderungen eines zeitgemäßen, humanen und an der geltenden Unschuldsvermutung orientierten Untersuchungshaftvollzugs gewährleisten kann, wollen wir zumindest bezweifeln. Die Umsetzung der vorgesehenen gesetzlichen Vorgaben bedarf nämlich einer qualitativ und quantitativ besseren Ausstattung in finanzieller und vor allem in personeller Hinsicht. Eine Aufwertung des Stellenschlüssels im Bereich der Untersuchungshaft wäre notwendig, um den umfangreichen Anforderungen und Aufgaben gerecht werden zu können. Insofern sind die bisher vorgesehenen Stellenreduzierungen im Justizvollzug nicht hinnehmbar, vor allem, wenn es darum geht, die §§ 5 und 6 mit Leben zu füllen. Man muss sich entscheiden: entweder Stellenreduzierung oder qualifizierte Umsetzung des Gesetzes.

In § 7 ist festgeschrieben:

„Mit den Untersuchungsgefangenen wird unverzüglich ein Zugangsgespräch geführt...“

Besser wäre hier eine klare und eindeutige Regelung. Nicht ohne Grund mahnt der Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands, Landesverband Brandenburg, eine 24-stündige Frist an; denn mitunter dauert es in Brandenburg bis zu drei Tage, bis das Zugangsgespräch stattfindet. Ob man damit dem Begriff „unverzüglich“ gerecht wird, sei dahingestellt.

Elementar ist aus unserer Sicht das Gebot der Trennung der Untersuchungsgefangenen von Gefangenen anderer Haftarten. Ich zitiere aus Ihrem Gesetzentwurf:

„Darüber hinaus können Untersuchungsgefangene ausnahmsweise mit Gefangenen anderer Haftarten untergebracht werden, wenn die geringe Anzahl der Untersuchungsgefangenen eine getrennte Unterbringung nicht zulässt.“

So § 11.

Diese Herangehensweise teilen wir ausdrücklich nicht. Sie ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Haftplatzangebots in Brandenburg nicht erforderlich. Zudem steht sie im Widerspruch zu den erwarteten Auswirkungen des Gesetzes.

Um diese und weitere Fragen im Zusammenhang mit dem Brandenburgischen Untersuchungshaftvollzugsgesetz befriedigend zu klären, stimmen wir der Überweisung an den Rechtsausschuss zu und freuen uns auf die notwendige Anhörung zu diesem Thema. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Der Abgeordnete Holzschuher setzt die Debatte für die SPDFraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Untersuchungshaftvollzugsgesetz ist - das steht im Gegensatz zu dem, was der Kollege Loehr gerade vertreten hat - aus meiner Sicht ein sehr gutes Beispiel dafür, dass die Föderalismusreform I hervorragend gelungen ist.

Ich will mich kurz fassen und die inhaltliche Diskussion im Ausschuss nicht vorwegnehmen. Auf einen wesentlichen Punkt möchte ich hinweisen: Über ein derartiges Gesetz ist auf Bundesebene schon sehr lange geredet worden. Wir können auch bei diesem Thema wieder in die Rechtsgeschichte zurückgehen, nicht bis zu den Merowingern, aber bis zur sozial-liberalen Koalition auf Bundesebene. In den Anfangsjahren dieser Koalition 1971 kam die Diskussion über ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz auf. Dann vergingen 35 Jahre. Es wurde immer wieder diskutiert, und es gab immer mehr Verfassungsrechtler und Strafrechtler, die sagten: Wir brauchen ein solches Gesetz nicht nur aus Praktikabilitätserwägungen, sondern weil es verfassungsrechtlich zwingend geboten ist. Wir greifen massiv in die Freiheit Einzelner ein. Dafür brauchen wir eine klare gesetzliche Grundlage. - Trotzdem hat es 35 Jahre gedauert, und es ist nichts passiert. Im Zuge der Föderalismusreform schließlich wurde dieser Teil des Strafvollzugs auf die Länder übertragen.

Obwohl die Länder gezwungen waren, sehr kurzfristig ein Jugendstrafvollzugsgesetz zu realisieren, und das auch, wie ich meine, in hervorragender Weise geschafft haben, ist es dann, nicht einmal zweieinhalb Jahre später, gelungen, ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz vorzulegen, und das Ganze auch noch in Abstimmung mit mehreren - elf haben Sie gesagt

Ländern. Das widerlegt die Befürchtungen, in Deutschland würde jetzt eine Rechtszersplitterung eintreten. Nein, die Länder sind sehr wohl in der Lage, konsequent zusammenzuarbeiten, etwas auf den Tisch zu bringen und etwas zu leisten. Ich meine, das kann man an dieser Stelle gar nicht oft genug betonen. Dies ist für mich - ich war anfangs auch ein Kritiker der Übertragung dieser Kompetenz - ein klarer Beweis dafür, dass es ein Erfolg war, diese Kompetenzen auf die Länder zu übertragen. Der Bund - davon bin ich überzeugt - würde heute noch diskutieren, und irgendwann würde das Bundesverfassungsgericht dem Bund eine Frist setzen. Dieser Fristsetzung sind wir zum Glück zuvorgekommen.

Über Einzelheiten können wir im Ausschuss diskutieren. Aber im Grundsatz freue ich mich sehr, dass wir heute einen solchen Entwurf haben und dass diese Debatte aller Voraussicht nach noch in dieser Legislaturperiode einen Abschluss finden wird. Dies ist ein außerordentlich erfreulicher Gesetzentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Der Abgeordnete Schuldt spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun haben wir heute einen Gesetzentwurf der Landesregierung auf dem Tisch, der die Untersuchungshaft in Brandenburg erstmals regelt und folglich ein Novum in diesem Lande ist. Es ist zunächst ausdrücklich zu begrüßen, dass die Landesregierung etwas anderes zu Papier gebracht hat als ein Kultur- und Erholungsgesetz für Strafverdächtige, das womöglich noch die Mindesttemperatur für Warmduscher festlegt.