Protocol of the Session on February 26, 2009

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Die Zahlen sind unglaub- lich!)

- Ich glaube, die Zahlen sind nicht unglaublich, sondern sie stellen die Situation dar.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Sie schieben alles nur noch weiter!)

- Nein, das sind Spitzenplätze im bundesweiten Vergleich, die wir mit der Betreuungsquote einnehmen.

Bildungsteilhabe ist in Brandenburg von Anfang an konsequent umgesetzt worden. Die brandenburgische öffentliche Hand gibt im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Ländern am meisten Geld für die unter Zehnjährigen aus. Gemessen an den gesamten Ausgaben der öffentlichen Haushalte sind es wiederum die Brandenburger, die hier mit 5,6 % - Ostdeutschland 5,3 % - den Spitzenplatz einnehmen - so die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie, die gern zur Kritik herangeführt wird.

Ganz konkret hat das Land Brandenburg 2001 128,8 Millionen Euro, 2008 136,9 Millionen Euro und in diesem Jahr 149 Millionen Euro für die Kindertagesbetreuung ausgegeben. Das sind Werte, die sich durchaus sehen lassen können.

Damit wird die politische Prioritätensetzung auch finanziell klar: Unsere Erzieherinnen und Erzieher verfügen über ein hohes Qualifikationsniveau. 92 % der Pädagogen haben einen Fachschulabschluss. Kitas sind in Brandenburg schon lange keine „Verwahranstalten“ mehr. Deshalb ist es mit der bloßen Betreuung

natürlich nicht getan. Vielmehr ist die Kita der Anfang eines Bildungsverlaufes. Nur weil es keinen Unterrichtsplan gibt, bedeutet das nicht, dass hier keine Bildung stattfindet. Hier findet sie anders als in der Grundschule statt.

Meine Damen und Herren, die frühkindliche Bildung soll die natürliche Neugier der Kids fördern. Sie sollen spielend lernen und sich ausprobieren dürfen. Denn nie wieder lernt ein Mensch so viel wie in den ersten Lebensjahren.

Deshalb hat Brandenburg bereits Mitte der 90er Jahre einen Prozess der Qualitätssteigerung entwickelt. Wir subsumieren dies unter dem Begriff „Grundsätze der elementaren Bildung“. Dieses Koordinatensystem schlüsselt die praktischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse der frühkindlichen Bildung und Erziehung so auf, dass das Kita-Personal viele Beispiele und Anregungen an die Hand bekam, wie die Kinder unter anderem in ihrem Bewegungsdrang, bei den Naturwissenschaften oder in der Musik unterstützt und gefördert werden können.

In Reaktion auf die alarmierenden Sprachstörungen der ABCSchützen hat Brandenburg im Jahr 2006 die Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung im letzten Jahr vor der Einschulung eingeführt. Ist man zunächst davon ausgegangen, dass 5 bis 10 % der Kinder stottern, undeutlich sprechen oder die Kommunikation total verweigern, wird die Zahl nach allen jetzt erfolgten Betrachtungen nach oben korrigiert werden müssen. Experten sprechen davon, dass sich jedes fünfte Kind nicht seinem Alter entsprechend artikulieren kann. Brandenburg ist demnach gut damit beraten, wenn es seine Anstrengungen genau in diesem Bereich verstärkt. Dazu gehört eine auskömmliche Finanzierung genauso wie das notwendige Zeitkontingent für die Erzieherinnen und Erzieher. Diese Erkenntnis haben wir nicht erst mit der Aktuellen Stunde der Linken gewonnen, sondern wir haben uns hier zu diesem Thema schon mehrheitlich ausgetauscht.

Die Qualität in der frühkindlichen Bildung und Erziehung steht und fällt mit der Ausbildung und dem Engagement des KitaPersonals. In diesem Punkt schließe ich mich den Ausführungen meiner Vorrednerin ausdrücklich an und kann dies nur mehrfach unterstreichen. Diesbezüglich gibt es eine weitere Sorge, die uns umtreibt. Ein Großteil des Kita-Personals ist älter als 51 Jahre. Zudem handelt es sich fast ausschließlich um Frauen.

In Brandenburg haben wir aber auch ein weiteres Problem zu lösen; denn von den 11 000 Erzieherinnen und Erziehern sind gerade einmal 87 Männer zu verzeichnen. Bei den Leiterinnen sieht es ähnlich aus. Den 1 655 Leiterinnen stehen gerade einmal zwölf Leiter gegenüber. Es ist also eine Herausforderung, den Männern diesen Beruf nicht nur schmackhaft zu machen, sondern sie dafür auszubilden. Projekte wie in Cottbus stimmen uns in dieser Hinsicht optimistisch. Dennoch muss diese Anstrengung verstärkt werden, weil dieses Problem der Jungen und deren Bezugspersonen in der Kita beginnt, sich jedoch nicht im Grundschul- und im Sek-I-Bereich fortsetzen soll. Hier sollten wir weiterhin tätig werden.

(Beifall des Abgeordneten Hammer [DIE LINKE])

- Herr Hammer ist natürlich eingeladen, sich einzumischen.

Aber nicht nur Männer fehlen. Richtig ist, dass die pädagogische Arbeit in unseren Einrichtungen häufig an ihre Grenzen stößt. Das wissen auch wir. Das Versprechen der brandenburgischen

Sozialdemokraten vom Wochenende - Frau Große erwähnte es bereits -, 25 Millionen Euro vor allem für die Kleinsten der Kleinen zu investieren, kommt aus unserer Sicht genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe von hier aus schon oft verkündet, dass der nächste Finanzplanungszeitraum unser Wirkungsgrad sein wird, wenn es um die Verbesserung der Quote, also um den Erzieherschlüssel, geht.

Daher erwarten wir eine bessere Ausstattung im Bereich der Sprachförderung und der Leitungsfunktionen. Auch in diesem Punkt schließe ich mich Ihnen an. Management und Organisation sind Prozesse, die längst nicht mehr nur im Zusammenhang mit der Wirtschaft im Munde geführt werden, sondern auch Einzug in die Bildungsinstitutionen unseres Landes gefunden haben. Dennoch geht es natürlich auch um die Arbeit mit den Eltern. Genau dies wird oft in der Diskussion vernachlässigt. Dabei zeigen Kita-Qualitätsuntersuchungen - wie die von Prof. Tietze -, dass der familiäre Hintergrund wesentlich entscheidender für die Bildungsqualität der Kinder ist.

Die Ausstattung der Qualitätsmerkmale der Kita spiegelt sich zu 50 % in der Bildung der Kinder und Jugendlichen wider. Die anderen 50 % haben die Eltern zu verantworten. Genau hier hat Brandenburg von 2006 bis 2008 mit dem Modellprojekt „ElternKind-Zentren“ angesetzt und wird dies entsprechend der Ankündigung des Bildungsministeriums auch im Jahr 2009 mit den Eltern-Kind-Gruppen fortführen; denn für uns ist klar: Eltern sollen angeleitet werden, auch wenn sie ohne soziale Bezüge auskommen müssen, auch wenn sie sich bewusst dafür entscheiden, mit ihren Kindern in den ersten Lebensjahren zu Hause zu bleiben oder sie keinen Anspruch auf einen Kita-Platz haben, weil sie nicht im klassischen Sinne berufstätig sind. Entwicklungsdefizite sollen mit Hilfe von pädagogischem Fachpersonal frühzeitig erkannt und die Eltern-Kind-Bindung verstärkt werden.

Brandenburg war vielfach Initiator und Vorreiter für Betreuungsquote, Bildungsstandards, Qualifizierungen und Modellprojekte.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Personalabbau!)

Das sollten wir an dieser Stelle nicht vergessen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Abbau!)

Frau Große, Ihre Aufforderung war ja, von uns zu erfahren, was wir vorschlagen. Am Wochenende haben wir klar formuliert, wohin unser Weg geht. Wir wollen und werden dafür kämpfen, ein Gesamtpaket für unsere Kitas zu schnüren. Neben der Verbesserung des Betreuungsschlüssels werde ich mich natürlich auch meine gesamte Fraktion - dafür einsetzen, dass innerhalb der von uns in Aussicht gestellten 25 Millionen Euro folgende Projekte realisiert werden: Zeit für die Kooperation Kita und Grundschule, eine Aufstockung der Mittel für die Sprachförderung, ein System der Qualifizierung unseres heutigen und des zukünftigen Kita-Personals. Darüber hinaus möchte ich konkret auch die Qualifizierung der Tagespflege und die Verbesserung der Netzwerkarbeit in diesen Ring einbringen; denn vor allem die Arbeit der sogenannten Leuchtturm-Kitas hat gezeigt, dass nicht immer viel Geld erforderlich ist, um diese Netzwerkarbeit zu leisten. Damit ist die Partizipation der Einrichtungen voneinander auch mehr als deutlich gesetzt.

Mit diesem Paket ist aus unserer Sicht die Chancengleichheit für unsere Landeskinder auch weiterhin gesichert. Der Be

schluss der Sozialdemokraten vom Wochenende zeigt deutlich, in welche Richtung wir uns bewegen wollen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die Abgeordnete Fechner erhält für die DVU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde soll zum Anlass genommen werden, sich über die Situation in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung auszutauschen. So steht es in der Begründung zu dieser Aktuellen Stunde. Also nutzen wir die eine Stunde und tauschen uns über die Situation der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung aus, obwohl die Standpunkte der einzelnen Fraktionen bekannt sind. Zudem schreiben es ja die Genossen auch in ihrer Begründung: Parteiübergreifend herrscht weitgehend Einigkeit über die herausragende Bedeutung der frühkindlichen Bildung und Erziehung.

Es ist schon einmal recht gut, dass hier Einigkeit darüber herrscht, doch Worte ersetzen bekanntlich keine Taten. Obwohl die Regierungsfraktionen die Richtigkeit der Forderung nach einem besseren Betreuungsschlüssel in den Kitas mittlerweile auch erkannt haben, wird erst einmal alles beim Alten bleiben. Erst im nächsten Haushaltsplan sollen die erforderlichen Gelder eingestellt werden.

Am Montag konnte man es dann in allen Brandenburger Tageszeitungen lesen: Die SPD-Fraktion will jetzt mehr Geld für die Kita-Betreuung. - In der kommenden Legislaturperiode will die SPD-Fraktion nicht nur dafür sorgen, dass künftig nicht mehr als 28 Kinder in einer Schulklasse sein sollen, nein, die Genossen möchten jetzt auch den Betreuungsschlüssel in den Krippen verbessern.

(Zuruf von der SPD: Wir haben es gelesen!)

Wenn ich das so lese, meine Damen und Herren, dann frage ich mich, ob die Genossen vergessen haben, dass sie seit 1990 hier in der Regierung sitzen. Seit 1990 hätten Sie Zeit gehabt, das umzusetzen.

(Beifall bei der DVU)

Ausgerechnet in einer Zeit, in der wir uns in einer Finanz- und Wirtschaftskrise befinden, möchten Sie das Geld dafür bereitstellen. Wie Sie all das zu finanzieren gedenken, sagen Sie Ihren Wählern natürlich nicht. Wo soll gestrichen werden, um die gemachten Versprechen zu finanzieren? Gedenken Sie, dafür wieder Schulden aufzunehmen? - Es würde zur Ehrlichkeit beitragen, wenn Sie das Ihren Wählern auch erzählen würden. Bleibt also zu hoffen, dass die Wähler auf Ihre billigen Wahlkampfversprechen nicht hereinfallen werden. Zudem bleibt zu hoffen, dass die Brandenburger nicht vergessen, wofür die Partei PDS/Linke 40 Jahre stand. Zu DDR-Zeiten gab es auch einen Kinderbetreuungsschlüssel. Der lag wesentlich höher als der heutige.

Des Weiteren soll auch Folgendes nicht vergessen werden: In Berlin, wo diese Partei mit in der Regierung sitzt, wurde neulich

erst der Betreuungsschlüssel verschlechtert. Ich hoffe, meine Damen und Herren, dass die Brandenburger all das nicht vergessen werden, wenn im September die Landtagswahl stattfindet.

Meine Damen und Herren, wie realistisch ist die Umsetzung der aktuellen Kita-Initiative? In welchem Zeitraum ist es möglich, die Forderung nach einer spürbaren personellen Verbesserung an den Kitas umzusetzen? - Gesetzt den Fall, die Landesregierung würde das benötigte Geld ohne Nachtragshaushalt sofort zur Verfügung stellen: Was wäre dann? Woher kommt das notwendige Personal? - Glaubt man den Ausführungen der Landesregierung - ich gehe davon aus, dass wir hier nicht bewusst angelogen wurden -, dann ergäbe sich in den nächsten Jahren ein Mehrbedarf in Höhe von 3 150 Beschäftigten. Bei Beibehaltung gleichbleibender Bedingungen könnte der Mehrbedarf erst im Jahr 2015 gedeckt sein. Das ist natürlich - wie so vieles hier in diesem Land - viel zu spät. Statt sich beizeiten mit den Realitäten und deren Auswirkungen zu beschäftigen, haben die Genossen viel Zeit, Energie und Geld dafür verschwendet, um den politischen Gegner zu bekämpfen.

Hätten Sie das nicht getan, könnte es hier anders aussehen. Doch die Landtagswahl steht vor der Tür, und erfahrungsgemäß neigen die regierungstragenden Parteien in dieser Zeit dazu, doch noch Entscheidungen und Maßnahmen zu treffen, die jahrelang unmöglich schienen.

Erinnern möchte ich an die Initiativen für ein Sozialticket und für eine kostenlose Schülerbeförderung im vergangenen Jahr. Auch an die vielen Ausnahmegenehmigungen zum Erhalt von Schulstandorten sei erinnert, alles im Vorfeld der Kommunalwahl. Das, was lange Zeit nicht möglich schien, war nun auf einmal möglich. Vielleicht werden auch diesmal die Regierungsparteien dem Druck der Bürger nachgeben. Die DVU-Fraktion wünscht der aktuellen Kita-Initiative jedenfalls viel Erfolg.

(Beifall bei der DVU)

Die Abgeordnete Hartfelder spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir nehmen die Kita-Initiative ernst. Die Kita-Initiative hat Recht mit allem, was da aufgeschrieben worden ist. Lassen Sie mich aber zunächst meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass die Linke sich an die Spitze dieser Bewegung gestellt hat. Wenn sie das hier in Brandenburg tut, dann muss man auch nach Berlin schauen und sehen, dass sie dort Mitverantwortung für die Verschlechterung der Situation getragen hat. Gerade gestern ist dort ein Hilferuf der Kita-Erzieherinnen gestartet worden, egal von welchem Niveau. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren von der Linken.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das Niveau ist nicht egal!)

Das Thema Kita spielte im Parlament in allen Wahlperioden eine wichtige Rolle. Allein in der 4. Wahlperiode, also in der, in der wir uns zurzeit befinden, taucht der Begriff in der Parlamentsrecherche 245 Mal auf.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren, dass es keinen Bereich gibt, über den so häufig gesprochen wurde bezüglich der Qualität und bezüglich der Quantität der Einrichtungen, bezüglich der Vergleichbarkeit von Kitas in Brandenburg mit den anderen ostdeutschen Ländern, aber auch mit den Bundesländern insgesamt.

Hinsichtlich der Zahl der Betreuungsplätze sind die neuen Bundesländer den alten Bundesländern weit voraus. Unser Versorgungsgrad - ich sage das hier noch einmal, weil es für die Debatte über den Versorgungsschlüssel wichtig ist - liegt bei 44 % bei den unter Dreijährigen, bei über 90 % bei den Dreibis Sechsjährigen und bei 53 % bei den Hortkindern. In den bekannten Studien der OECD von 2004 wird ausgeführt, dass Brandenburg die beste quantitative Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland hat. Meine Damen und Herren, auch in diesem Bereich sind wir Spitze. Im Jahr 2007 gab es im Land Brandenburg laut LDS 1 700 Tageseinrichtungen für Kinder mit 15 418 Betreuern. Betreut wurden 135 495 Kinder. Darüber hinaus gab es 1 042 Tagespflegepersonen. Sie betreuten 3 554 Kinder. Die Zahlen zeigen Ihnen, meine Damen und Herren: Bei einem so hohen Betreuungsgrad ist eine Verbesserung des Personalschlüssels auch mit sehr, sehr hohen Kosten verbunden. Habe ich nur die Hälfte der Betreuungseinrichtungen, dann habe ich also bedeutend weniger Aufwand für die Verbesserung dieses Schlüssels. Das wollte ich an dieser Stelle einmal ganz deutlich gesagt haben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wenn wir über ein Kind weniger in einer Kita-Gruppe in Brandenburg reden, dann ist das eine sehr hohe Zahl im Vergleich zu Bayern oder Baden-Württemberg, die sich dann noch in einer ganz anderen finanziellen Situation befinden. Ich möchte an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass wir sehr seriös mit dem Thema umgehen müssen und nicht Wahlkampfpopulismus betreiben sollten.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der Fraktion DIE LIN- KE)