Protocol of the Session on January 22, 2009

Erinnern Sie sich bitte an die 1989 insbesondere im Osten Deutschlands erhobene Forderung nach einer neuen Verfassung. Wir begehen im Mai dieses Jahres „60 Jahre Grundgesetz“. In diesem Zusammenhang kann man doch durchaus darüber reden, warum es nicht zu einer neuen Verfassung gekommen ist. Zu diskutieren ist aber auch über die Fragen: Wie wertvoll ist uns das Grundgesetz? Welche Perspektiven sind damit verbunden? Dabei geht es auch um Forderungen, die in der friedlichen Revolution 1989 erhoben wurden.

Zu 2009 gehört ein weiteres Ereignis: 70 Jahre Überfall auf Polen und damit die Auslösung des Zweiten Weltkriegs. Auch über die damit verbundene besondere Friedensverantwortung Deutschlands kann man reden.

Das nächste Ereignis: Vor 60 Jahren wurden die Bundesrepublik Deutschland und die DDR gegründet. Es gibt durchaus Menschen, die sagen, man müsse sich mit diesem geschichtlichen Sachverhalt beschäftigen, der 1949 - oder noch davor seinen Ausgangspunkt hatte, damit man all das verstehen könne, was sich dann im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung vollzogen hat - bis 1989, als die friedliche Revolution auf der Tagesordnung stand. Da gibt es Möglichkeiten.

Wenn jemand von den Linken redet, wird ja nicht alles immer so akzeptiert. Von Friedrich Schorlemmer stammt der sehr interessante Artikel „Erinnern und Vergessen - der lange Schatten der DDR und die Vergangenheitspolitik“, der in mehreren Exemplaren bei mir am Platz vorrätig ist. Wer Interesse hat, dem stelle ich ihn gerne zur Verfügung. Dieser Artikel macht die Prämissen deutlich für einen vernünftigen, sachgemäßen, politisch verantwortungsbewussten Umgang mit einem solchen Thema.

Also, da gibt es vieles.

Dann kommen wir natürlich - völlig richtig - zu 20 Jahren Scheitern der DDR und, nachfolgend, 20 Jahren deutscher Einheit. Über diese interessante Zeit muss man reden. Wir alle waren Zeitzeugen. Aber auch diejenigen, die nicht Zeitzeugen sein konnten, sollten sich damit auseinandersetzen.

Ich bedauere es sehr, dass Herr Schönbohm nicht hier ist; Herr Schrey hat hier für die CDU gesprochen. Herr Schönbohm veröffentlichte am 4. Januar in der „Welt am Sonntag“ einen Beitrag, den er überschrieb mit „Glanz und Elend der Blockpartei CDU im SED-Staat“. Dort tritt er ein für die offene, kritische Auseinandersetzung mit den Fehlern der Ost-CDU und empört sich über die Geschichtsverlogenheit der SED-Nachfolger. Vielleicht kann man darüber mal reden; ich komme auch gerne einer Einladung der CDU-Fraktion nach. Mit Herrn Schönbohm hatte ich in der Prignitz ein tolles Gespräch über das preußische Erbe und anderes. Wir können das wirklich ernsthaft machen. Schönbohm schreibt, die CDU stelle sich der „schwierigen und bisweilen zwiespältigen Geschichte der Ost-CDU“. Richtig. Es ist gut so, dass sie das macht. Andere Parteien, die bis 1989 in der DDR politisch gewirkt haben, müssen dem Beispiel folgen.

Dann aber macht er deutlich, wie „skandalös“ er es finde, „dass sich die Linke heute voller Stolz und Selbstbewusstsein in die Tradition der verbrecherischen SED“ stelle. Dem muss ich entgegnen, dass er als langjährig in der Bundesrepublik - alt - sozialisierter Mensch möglicherweise nicht hinreichend mitbekommen hat, dass sich das bei uns wirklich anders vollzogen hat.

Er verweist dann darauf, dass wir uns bis zum heutigen Tage von den Vorgängen bzw. Verbrechen nicht distanziert hätten. Ich muss sagen: Es lohnt sich, ab und zu das zur Kenntnis zu nehmen, was die Linke auch öffentlich gemacht hat, und zwar einschließlich der Entschuldigung vor den Bürgerinnen und Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik. Es gibt etwas, was wir noch nicht gemacht haben, und das ist die Entschuldigung vor Herrn Schönbohm. Ich glaube aber, dass das nicht zwingend ist. Wir haben uns vor denen entschuldigt, gegenüber denen wir die Verbrechen zu verantworten haben. Das war entscheidend.

Wenn dann gesagt wird, wir besäßen die Dreistigkeit, die Blockflöten zu benennen, dann muss ich dazu Folgendes sagen: Herr Schrey, ich hatte Blockfreunde. Gregor Gysi, dem man das ja unterstellt, hatte einen ganz guten Blockfreund, nämlich Herrn de Maizière. - Nehmen Sie einfach zur Kenntnis, dass das nicht unser Sprachgebrauch ist.

Das Problem, dass darüber in der Gesellschaft möglicherweise gesprochen wird, hat damit zu tun, dass der eine für sich in Anspruch nimmt, der Ehrliche zu sein, der aufarbeitet und der glaubt, den anderen diffamieren zu können. Wenn Sie es mit der geschichtlichen Auseinandersetzung wirklich ernst meinen, dann lassen Sie uns über Sachfragen und über Konsequenzen reden, aber unterlassen Sie Diffamierungen des politischen Kontrahenten, mit dem diese Auseinandersetzung zu führen ist.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Ich komme zum Schluss. Bekanntlich hatte ich einen sehr guten Freund, nämlich Michael Schumann. Nach ihm ist eine unselbstständige Stiftung benannt, die Michael-Schumann-Stiftung, die Eigentümerin des Dietz-Verlages ist. Wenn jemand dazu Lust hat, dann kann er in diesem Jahr nachlesen:

Ernst Engelbert: „Die Deutschen - Woher wir kommen“ Oder: „Vom kritischen Gebrauch der Erinnerung“.

In diesem Jahr nachgelesen werden kann auch: „Die Partei hatte manchmal Recht“, „Freiheiten ohne Freiheit“ und vieles andere mehr.

Damit komme ich für die, die sich dafür interessieren wollen, und zwar möglicherweise nicht nur in der CDU, zu den Sachfragen: Der Honecker-Besuch in Bonn unter Mitwirkung von herausgehobenen Bürgern der Bundesrepublik Deutschland (alt) , „Der neue Geist von Potsdam“, „Die evangelische Kirche in Potsdam seit 1945“, „Die SED-Geschichte - Organisation und Politik“,

(Zuruf des Abgeordneten Baaske [SPD])

„Deutsche Zeitgeschichte von 1945 bis 2000“.

(Zurufe von der SPD)

- Natürlich, Herr Klocksin, ist das nicht für den täglichen Gebrauch. Aber wie Sie wissen, sind die Geschichtsbücher Ihrer bürgerlichen

(Dr. Klocksin [SPD]: Vorsichtig!)

Philosophen, Historiker - schauen Sie sich nur einmal die zwei Bände der „Erinnerungen“ von Helmut Kohl an! - auch nicht dünner.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Klocksin [SPD])

Was ich hier aufgeführt habe, sind 45 Jahre Zeitgeschichte, wie wir sie aufgeschrieben haben. Das können Sie anhand der umfänglichen Originaldokumente frei verfolgen.

Eine ernsthafte Debatte mit der Linken setzt voraus, dass man die Positionen der Linken zur Kenntnis nimmt. Dann lässt es sich sehr viel besser arbeiten. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Auch ich bedanke mich ganz herzlich. - Herr Dombrowski hat während der Rede des Abgeordneten Vietze den Wunsch nach einer Kurzintervention angezeigt. Bitte, Herr Dombrowski.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Vietze, als Herr Honecker in Bonn und übrigens auch in Wiebelskirchen im Saarland war, war ich dabei. Ich habe ihn vorbeifahren sehen und ihn zusammen mit 300 anderen Bürgern begrüßt.

(Baaske [SPD]: Von der Jungen Union?)

Als er das erste Mal an uns vorbeifuhr, winkte er noch; nachdem er aber verstanden hatte, was wir da gerufen haben, hat er auf der Rückfahrt nicht mehr gewinkt. Die 300 Demonstranten bezeichneten ihn dort nämlich öffentlich als Mörder. Das war vielleicht ein bisschen übertrieben; aber diese Bürger meinten eben, dass mehrere Hundert Tote an der innerdeutschen Grenze nicht einfach so beiseite geschoben werden können.

(Schulze [SPD]: Da haben sie nicht falsch gelegen; denn er wurde ja nach der Wende angeklagt!)

Wenn Sie, Herr Vietze, hier zu einer ernsthaften und sachlichen Diskussion mit der Linkspartei auffordern, dann sage ich Ihnen dazu, dass wir - und auch ich persönlich - dazu bereit sind. Nun liegt aber als Tagesordnungspunkt ein bestimmter Antrag vor, nach dem wir 20 Jahre neu errungener Freiheit in besonderer Weise durch den Landtag würdigen wollen. Aber Sie kommen daher und begründen mit dem Hinweis auf 20 Bücher, was wir in dem Zusammenhang noch alles tun müssten. Das mag ja richtig sein, nur führt das am Ende mit Ihrer Argumentation dazu, dass im Grunde das Ereignis von 40 Jahren DDR und Unterdrückung, von über 200 000 politischen Gefangenen, von 33 575 mit 3,7 Milliarden D-Mark freigekauften Gefangenen, womit die DDR Devisen gemacht hat, für Sie keine große Rolle spielt. Das sind für Sie kleine Details, die einfach so mit vorgekommen sind.

Im Moment reden wir darüber, dass wir diesen Jahrestag von 20 Jahren friedlicher Revolution würdigen wollen. Das ist unsere ureigene Angelegenheit, insbesondere die Angelegenheit der Ostdeutschen und in diesem Fall speziell auch der Brandenburger. Es geht hier nicht um Amerikaner, Russen bzw. Sowjets, sondern es geht darum, was sich die Ostdeutschen gegenseitig angetan haben, wofür wir Verantwortung tragen. Diese Verantwortung ist nicht anonym. Viele haben in der DDR Verantwortung getragen, auch in den Blockparteien. Aber jeder, der in der DDR gelebt hat, weiß natürlich auch, welche Funktion die Blockparteien hatten. Jeder weiß auch, wie sehr man sich in einer Diktatur verbiegen und anpassen muss. Die Hauptverantwortung, Herr Vietze, war, bleibt und ist da zuzuordnen, wo Sie sitzen, nämlich bei der ehemaligen SED. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Beifall bei CDU und DVU)

Wenn Sie sich dieser Verantwortung ernsthaft stellen... Herr Vietze, Sie sind hier ja weiter gegangen als viele andere in ihrer Partei, das weiß ich. Von daher habe ich mit Ihnen ja kein Problem. Aber in Ihren Reihen sind auch Leute, die nach wie vor Leserbriefe schreiben, in denen es heißt: Wer an die Grenze gegangen ist, wusste doch, dass da geschossen wird. - Diejenigen, die versucht haben zu flüchten, sind also die Doofen, weil sie wussten, dass da geschossen wird. Dem widersprechen Sie auch nicht öffentlich. Das ist Ihre Klientel, sind Ihre ehemaligen Anhänger.

Von daher: Ernsthafte Diskussion ja. Aber auch ein klares Bekenntnis zu der Verantwortung, die insbesondere die SED und innerhalb der SED insbesondere ca. ein Drittel der Mitglieder gehabt hat. Auch das gehört zur Ehrlichkeit. - Danke.

(Beifall bei CDU und SPD sowie bei der DVU)

Herzlichen Dank. - Laut Geschäftsordnung darf der Redner auf die Kurzintervention entgegnen.

Herr Dombrowski, da wir unsere Biografien und Geschichte kennen, möchte ich ausdrücklich sagen: Ich bekenne mich zu der Verantwortung, die ich als Mitglied der SED in der SED in der Zeit bis 1989 getragen habe. Ich habe dies auch nach 1989 und in dem Jahr 1989 in entsprechender Weise wahrgenommen, was ich an Verantwortung habe. Das ist der erste Punkt.

Punkt zwei: Sie haben völlig recht, der Umgang mit der persönlichen Verantwortung ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Ich glaube, das trifft nicht nur ehemalige Mitglieder der SED, sondern trifft auch viele andere in der Gesellschaft. Das Schreiben von Leserbriefen ist auch so ein Problem. Jeder hat nun einmal das Recht, seine Meinung kundzutun.

Ich möchte Sie nur bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir eine sehr intensive Auseinandersetzung mit jenen führen, die Geschichte verklären wollen. Ich erinnere daran, dass das auch öffentlich und nicht nur hinter vorgehaltener Hand geschieht. Die Auseinandersetzungen in Hohenschönhausen und in Lichtenberg wurden intensiv geführt. Auch die Auseinandersetzungen, wenn Zusammenkünfte mit Grenzern und anderen sind, wer

den intensiv geführt. Das gehört zu der Verantwortung, die ich trage, dazu.

Es kann sogar passieren, dass ich, wenn die Kolleginnen und Kollegen des Runden Tisches in Erfurt zusammenkommen wollen und niemand von der ehemaligen SED mehr zur Verfügung steht, zum Erfurter Dom fahre und mich für das Gespräch dort mit zur Verfügung stelle. Wenn die CDU in Wilmersdorf in Berlin (West) diskutieren will, dann machen wir das auch.

Ich will damit sagen: Ich finde, man muss diese Auseinandersetzung führen, aber sie muss differenziert geführt werden. Ich habe die Bitte, dass diejenigen, mit denen wir in dieser Auseinandersetzung unterschiedlichste Erfahrungen haben, auch das Gebot der Fairness, des ehrlichen, offenen und sachorientierten Umgangs beachten.

Heute stehen auf der Tagesordnung nicht „40 Jahre DDR“. Das war der Antrag, den Sie im Januar 2007 auf der Tagesordnung hatten und bei dem es um „Demokratie wagen“ und um die Auseinandersetzung darüber ging, und es war das Konzept der Landesregierung, das im November 2007 auf der Tagesordnung stand.

Ich finde, wir haben auch die Pflicht, Folgendes deutlich zu machen: Es gibt kein für sich genommenes „Fall der Mauer“, „Friedliche Revolution“ usw. Das alles hatte einen geschichtlichen Vorlauf, geschichtliche Rahmenbedingungen, politische Dimensionen im Handeln. Dazu waren viele Veränderungen in der Sowjetunion, in Polen, in Ungarn erforderlich, auf die wir alle bei Veranstaltungen auch hinweisen.

Ich finde, wir sollten die Dimension der Auseinandersetzung und die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen annehmen und auch die Diskussion entsprechend führen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort erhält die Abgeordnete Prof. Dr. Heppener.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Vietze, es geht heute eigentlich nicht um unsere Haltung zur Geschichte der DDR und um unsere Haltung zur Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur, mit der SED-Diktatur. Damit haben wir uns wie Sie sagten - schon im Dezember 2007 auseinandergesetzt. Ich habe damals meine Meinung - im Namen meiner Fraktion - kundgetan. Jeder, der Interesse hat und darauf zurückkommen will, der kann unsere Meinung im Protokoll nachlesen.

Ein bisschen musste ich lächeln, Herr Vietze, als ich Sie zum Podium gehen sah. Ich habe mich vor vielen Jahren lange Zeit mit der Geschichte der Sozialdemokratie in Deutschland beschäftigt, also auch mit der im 19. Jahrhundert. Ferdinand Lassalle war ein großer, ein bedeutender Mann und klug, aber er hat viele Witze, viel Lachen hervorgerufen, weil er immer, wenn er irgendwo auftrat, mit einem großen Bücherstapel zum Podium ging. Genauso wie die alten Sozialdemokraten über