Erarbeitung der Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg (gemäß Beschluss des Landtags vom 13.10.2004 - Drucksache 4/2-B)
Die Aussprache wird mit dem Beitrag der Abgeordneten Kaiser-Nicht von der PDS-Fraktion eröffnet. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Geschäftsordnung beschließen wir heute unsere Arbeits- und Verhandlungsgrundlage. Diesbezüglich sind im SPD-Wahlkampf „Mit dem Gesicht zum Volke“, mit öffentlichkeitswirksamen Ankündigungen des Ministerpräsidenten und des neuen Fraktionschefs der SPD-Fraktion wie auch von unserem - von mir sehr verehrten - Herrn Präsidenten Erwartungen geweckt worden, dass langjährigen Forderungen nach mehr Transparenz von Regierungshandeln gegenüber dem Parlament und des Parlaments gegenüber den Wählerinnen und Wählern endlich entsprochen würde.
Wir als PDS-Fraktion haben uns an der Debatte über eine modernisierte Geschäftsordnung von Anfang an sachlich und mit Vorschlägen beteiligt, vor allem durch unseren erfahrenen, anerkannten Parlamentarischen Geschäftsführer Heinz Vietze. Für mich bzw. uns ist daher die Abstimmung am letzten Donnerstag im Hauptausschuss kaum nachvollziehbar, erst recht nicht die einhellige Ablehnung des PDS-Antrags zur Einführung öffentlicher Ausschusssitzungen durch die Koalition. Sehr geehrter Herr Präsident, Sie bedauerten, im Hauptausschuss ausdrücklich gegen Ihre eigene Überzeugung stimmen zu müssen. Mussten Sie tatsächlich? Warum folgen Sie nicht Ihrer Erfahrung und Überzeugung?
Die alte Geschäftsordnung wird im Wesentlichen auch die neue sein. Es gibt freilich einige Änderungen im Detail, die Einführung der Kurzintervention zum Beispiel, aber diese Änderungen beheben die Defizite der bisherigen Geschäftsordnung nicht grundsätzlich.
Es ist wahrscheinlich, dass SPD- und CDU-Fraktion hier und heute die PDS-Änderungsanträge erneut ablehnen werden. Wurde Ihnen mit dem Wahlergebnis vom 19.09. nicht auch signalisiert, dass sich in diesem Land etwas ändern muss? Wir jedenfalls haben das wahrgenommen. Was haben Sie gegen öf
fentliche Ausschusssitzungen, mit denen andere Parlamente gute Erfahrungen gesammelt haben? Was ist politisch so störend an einer geregelten Pflicht der Landesregierung, dem gesamten Parlament rechtzeitig notwendige Informationen zukommen zu lassen und damit Artikel 94 unserer Verfassung umzusetzen? Auch wenn es der Regierung nicht gefallen mag: Information, Transparenz und Öffentlichkeit sind nicht störend in der Politik.
Warum soll den Einbringern eines Antrags keine fachliche Debatte im Ausschuss zugestanden werden? Warum lehnen Sie das alles ab?
Regelungen wie die von uns vorgeschlagenen sind in anderen erfahreneren Landesparlamenten, zum Beispiel in RheinlandPfalz, Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein, parlamentarischer Brauch. Bekanntermaßen gibt es dort keine rotroten Koalitionen. Diese Landtage sind auch nicht durch Tumulte aufgefallen. Sind Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, denn tatsächlich fest entschlossen, am märkischen Provinzialismus des Landtags festzuhalten?
Sehr geehrter Herr Baaske - er ist gerade nicht im Saal -, bei allem Respekt, Sie haben doch nicht erst in Ihrer Zeit als Dezernent einer Kreisverwaltung gute Erfahrungen mit scheinbar unbequemen oder auch Minderheitenpositionen gemacht. Seit gestern Abend wissen wir aus dem Fernsehen ganz sicher, dass Sie nicht mehr die Landesregierung vertreten, aber Sie wissen, wie Regierung geht; das ist doch sicherlich hilfreich, um die jetzige Regierung zu kontrollieren - wenn auch von der anderen Bank aus, aber dennoch gemeinsam mit der Opposition.
Meine Damen und Herren von SPD und CDU und der Landesregierung, Sie wissen doch genauso wie wir, dass parlamentarische Demokratie als Errungenschaft in diesem Land nur funktioniert, wenn alle Fraktionen demokratischere Spielregeln respektieren. Dazu gehört die Art und Weise, wie die Mehrheit mit der parlamentarischen Minderheit umgeht, dazu gehört aber auch größtmögliche Transparenz gegenüber unseren Wählern.
Im Namen meiner Fraktion bitte ich Sie noch einmal, über unsere Anträge wie auch über Ihre eigenen Ankündigungen und Positionen nachzudenken. Es ist noch möglich, den PDS-Änderungsanträgen zuzustimmen. Die grundsätzliche Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen - würden wir sie heute beschließen - wäre ein gutes Signal für die Brandenburgerinnen und Brandenburger, ein Zeichen dafür, dass Volksvertreter lernfähig sind und aus wachsendem Misstrauen, Politikverdrossenheit, Wahlverweigerung im Lande die Schlussfolgerung ziehen: Politik kann und muss transparenter werden.
Es versteht sich von selbst, dass wir das Abstimmungsergebnis und die damit in Kraft getretene Geschäftsordnung respektieren werden. Sie werden aber auch verstehen, dass die PDS die politische Debatte, zum Beispiel zu den Forderungen nach mehr Öffentlichkeit und Transparenz in der Politik, weiterführen wird - nicht nur deshalb, weil wir es vor der Wahl verspro
chen haben, sondern auch deshalb, weil wir wenigstens versuchen, berechtigte Forderungen und eigene Erfahrungen ernst zu nehmen. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere, dass wir uns heute in einer Situation befinden, in der uns noch ein Packen Änderungsanträge auf dem Tisch liegt. Das war eigentlich nicht beabsichtigt. Die Fraktionen haben sich seit Erteilung des Auftrags durch den Landtag interfraktionell sehr intensiv mit der Überarbeitung der Geschäftsordnung beschäftigt. Die Geschäftsordnung des Landtages sollte eigentlich gemeinsame Grundlage und gemeinsames Fundament unserer Arbeit sein. Sie ist kein Instrument der Mehrheit; sonst hätten wir einige für uns nützliche Paragraphen in die Geschäftsordnung aufnehmen können. Sie soll die Basis für eine gemeinsame fruchtbare Arbeit sein und die Interessen aller Fraktionen ausgewogen berücksichtigen.
Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben in dieser Angelegenheit sehr oft miteinander gesprochen; auch bei verschiedenen Treffen mit der Verwaltung, im Hauptausschuss usw. wurde viel diskutiert. Ich bedauere daher außerordentlich, dass die PDS-Fraktion der Versuchung nicht widerstehen konnte, den Kolleginnen und Kollegen heute ein Stöckchen hinzuhalten und noch einmal ein Bekenntnis zu fordern.
Frau Kaiser-Nicht - ich habe Ihnen schon persönlich gesagt, dass dies für mich bedrückend ist -, wenn es um Toleranz und Friedensfähigkeit geht, ist immer auch die Frage zu stellen, ob man sich an einem bestimmten Punkt zurücknehmen kann und andere nicht provoziert oder vorführt.
Sie wissen, dass es auch in der SPD-Fraktion eine große Gruppe von Abgeordneten gegeben hat, die ich nicht namentlich oder zahlenmäßig benennen möchte, die dem Gedanken der Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen, § 81 der Geschäftsordnung, zuneigten. Sie wissen aber auch, dass die SPD-Fraktion Teil einer Koalition ist und dass der Koalitionspartner diesem Vorschlag aus grundsätzlichen Erwägungen, die nicht an den Haaren herbeigezogen sind, sondern denen man durchaus näher treten kann - immerhin besteht die Regelung der Nichtöffentlichkeit von Ausschusssitzungen bei der Hälfte aller Bundesländer; also kann man nicht ernsthaft behaupten, dass es dort keine Demokratie gibt -, nicht näher treten konnte.
Wir als SPD-Fraktion haben nicht versucht, den Partner über den Tisch zu ziehen und die Kollegen zu nötigen. Auch haben wir unsere Zustimmung nicht verweigert; denn das Wesen eines Konsens ist, dass man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt und den anderen nicht fortwährend vorführt.
„Wir von der PDS-Fraktion wollen noch einmal eine nachhaltige Debatte, um gegebenenfalls Änderungen und Bewegungen durchsetzen zu können.“
Das Wesen eines Konsens ist nicht, dass man sich durchsetzt, sondern dass man sich einigt. Dass Ihnen dafür das Bewusstsein fehlt, finde ich bedauerlich; das führt auch zu Verletzungen. Sie verlangen von Leuten Bekenntnisse, die diese aus innerer Überzeugung nicht abgeben können oder wollen, weil sie sich anders vereinbart haben.
Nach wie vor - das ist das Bedauerliche an der Sache, Frau Kaiser-Nicht - stellt sich die PDS-Fraktion auf die Position: Uns interessiert nicht das Konsenspapier - Sie haben ja gerade angekündigt, dass Sie es im Großen und Ganzen mittragen wollen -, sondern wir haben die Wahrheit gepachtet, und entweder schließt ihr euch uns an, denn wir haben Recht, oder Ihr seid die Bösen.
Aus diesem Grunde appelliere ich noch einmal an die PDSFraktion, ihre diesbezüglichen Änderungsanträge zurückzuziehen. Sie wissen, dass das nicht fruchtbringend sein kann.
- Frau Enkelmann, Ihre Erregung ist genau dem von mir gerade angesprochenen Sachverhalt zuzuschreiben.
Die anderen Kolleginnen und Kollegen waren in dieser Beratung sehr rücksichtsvoll. Es geht eben nicht darum, anderen die eigene Auffassung aufzuzwingen, sondern darum, wie weit ein anderer gehen kann. Dabei geht es nicht um Zwang oder Nötigung, sondern um Gespräche und Argumente. Es ist Ihnen in der Diskussion leider nicht gelungen, die anderen von Ihrem Anliegen zu überzeugen.
Im Übrigen, Frau Kaiser-Nicht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der PDS-Fraktion: Wie Sie die grundsätzlichen Defizite der Geschäftsordnung, die Sie gerade angesprochen haben, mit vier sehr schmalen Änderungsanträgen prinzipiell beseitigen wollen, ist mir unklar. Wenn Sie so grundsätzliche Veränderungen der Geschäftsordnung umsetzen wollten, dann hätte etwas mehr Fleisch am Knochen sein müssen. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Geschäftsordnung des Landtages ist der Prüfstein parlamentarisch-demokratischer Standards für die Arbeit dieses Hauses. Nachdem wir im Hauptausschuss am vergangenen Donnerstag detailliert den hierzu notwendigen Änderungsbedarf diskutiert und einige notwendige Verbesserungen der Arbeitsweise dieses Hauses als Beschlussempfehlung vorgelegt haben, ist doch zu kritisieren,
Die bisher geltende Geschäftsordnung enthält lediglich ein Zutrittsrecht der Präsidenten des Landesverfassungsgerichts und des Landesrechnungshofes sowie des Landesdatenschutzbeauftragten. Das Rederecht für diese Personen, die immerhin Verfassungsorgane repräsentieren, steht ausschließlich im Ermessen des Präsidenten des Landtages. Das ist aber gerade im Rahmen der parlamentarischen Befassung mit Beratungsgegenständen von Grundrechts-, Landesorganisations-, Datenschutzsowie Haushaltsrelevanz äußerst fragwürdig, denn wegen ihrer Sachkompetenz müssen die genannten Verfassungsorgane nach eigenem Ermessen entsprechend dem Aufklärungsbedürfnis der Abgeordneten Rede und Antwort stehen können.
Zudem gibt es hier kein Recht eines einzelnen Abgeordneten oder einer Fraktion, die Verletzung von Abgeordneten- oder Fraktionsrechten gegenüber dem Präsidium in einer förmlichen Beschwerde zu rügen. Derartige Eingaben wurden in der Vergangenheit zu unserem Leidwesen ohne jede Reaktion zurückgewiesen.
In vielen Fällen, in denen Uneinigkeit über die Wahrung oder Verletzung von Abgeordneten- oder Fraktionsrechten besteht, könnte aber ein Präsidiumsbeschluss zur Abwendung mancher Verfassungsstreitigkeiten beitragen.
Außerdem haben sich unmittelbar nach der Landtagswahl viele Vertreter fast aller Fraktionen dafür ausgesprochen, bei den Ausschusssitzungen grundsätzlich Öffentlichkeit herzustellen. Daher ist es schon sehr verwunderlich, wenn die Herstellung der Öffentlichkeit nunmehr nur punktuell einer Beschlussfassung der Ausschussmitglieder zugänglich sein soll. Schließlich geht es um die Transparenz der parlamentarischen Arbeit, die sich auf Sachebene nun einmal vorwiegend in den Ausschüssen abspielt und darstellt. Warum haben Sie eigentlich solche Angst davor, meine Damen und Herren besonders von der CDU?
Ein letzter Punkt: Es kann nicht angehen, dass eine Fraktion ihre Redezeit an eine andere Fraktion, namentlich eine Koalitionsfraktion, den Koalitionspartner, abtreten kann. Dies geschah zum Beispiel neulich bei der Debatte über unseren Gesetzentwurf zur Änderung des Untersuchungsausschussgesetzes, sodass Herr Kollege Schulze von der SPD zweimal zur gleichen Sache redete, obwohl seiner Fraktion lediglich fünf Minuten Redezeit zustanden.
Der größte Skandal aber ist, dass man hier mit dem Trick, die Einbringungsreihenfolge bei Aktuellen Stunden neu anlaufen zu lassen, versuchte, uns wegen der März-Sitzung über den Tisch zu ziehen. Die Reihenfolge des Rechts zur Beantragung einer Aktuellen Stunde durch die Fraktionen muss auf den Beginn der Legislaturperiode bezogen werden, also auf den Tag der konstituierenden Sitzung des Landtages. Anderenfalls wären wir in dem gegebenen Fall zu den gebotenen verfassungsgerichtsprozessualen Schritten gezwungen.