Protocol of the Session on December 17, 2008

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünsche mir, dass Sie dem Entschließungsantrag und dem Gesetzentwurf folgen. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Claus.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Polizeiliche Eingriffsmaßnahmen dürfen immer nur das letzte Mittel sein und sollten für uns als Gesetzgeber immer auch Maßstab der Normengebung sein.

Die Anhörung im Innenausschuss am 6. November hat gezeigt, dass nach wie vor erhebliche Bedenken gegen die einschlägigen Befugnisse bestehen und auch nicht durch deren Vollzug seit dem 20. Dezember 2006 ausgeräumt werden konnten.

Gerade die Telekommunikationsüberwachung ist ursprünglich als Ultima Ratio der Strafverfolgung in die Strafprozessordnung eingeführt worden. Die Telekommunikationsüberwachung durch die Polizei ist in der Praxis längst nicht mehr das letzte Mittel der Wahl, meine Damen und Herren. Nach dem Bericht des Ministeriums des Innern vom Dezember 2007 zeigt sich an den sechs Überwachungsfällen, dass diese Maßnahme eben nicht restriktiv eingesetzt wird, sondern auch bei Alltagseinsätzen. Drei Fälle waren Ermittlungen des Aufenthaltsortes, die anderen eine Vollstreckung eines Haftbefehls, ein Einsatz im Rockermilieu und eine Ausreiseunterbindung.

Schon die Formulierung des § 33b Abs. 1 Nr. 1, der auf die Abwehr einer sogenannten dringenden Gefahr abstellt, ist sehr schwammig. In der Praxis hatte nämlich das Merkmal „dringend“ als Zeitfaktor keine Bedeutung, sodass die Überwachung mit einer Ausnahme mehrere Tage, in einem Fall sogar einen Monat anhielt.

Überdies birgt die Telekommunikationsüberwachung nach Erfahrungen in der Praxis nach wie vor Bedenken im Hinblick auf die Verletzung des Kernbereichs des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus, dass dieses Risiko verfassungsrechtlich nur bei einem besonders hohen Rang des gefährdeten Rechtsgutes hinzunehmen ist, und fordert gesetzlich geregelte Vorkehrungen, die sicherstellen, dass Überwachungen mit derartiger Eingriffsintensität nicht gespeichert, sondern unverzüglich gelöscht werden. § 33b Abs. 2 legt zwar fest, dass die Datenerhebung zu unterbrechen ist, wenn der Kernbereichsbezug erkennbar wird. Die Befolgung dieser Vorschrift erfordert jedoch ein ständiges Mithören durch die Polizeibeamten. Das sollte eigentlich nicht sein. Auch das Verwertungsverbot und das Löschungsgebot bei Daten, bei denen sich nach der Auswertung herausgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Erhebung gar nicht vorlagen, jedoch mit der Einschränkung einer Nutzungserlaubnis zur Gefahrenabwehr für die höchsten Rechtsgüter begründet waren, führt dazu, dass Gesprächsinhalte auch dieser Kategorie letztlich gespeichert und genutzt werden können.

Kommen wir zur automatischen Kennzeichenerfassung nach § 36a. Diese Maßnahme zur Identitätsfeststellung von Fahrzeuginsassen im Wagenraum lässt weiteren Raum für Vermutungen; denn ein Täter als Abgleichsergebnis mit einer solchen Datei bedeutet keinesfalls eine belastbare Information, auf die sich erkennbare Eingriffe stützen lassen, meine Damen und Herren. Bedenklich ist auch, dass diese Vorschrift keine eigene Benachrichtigungspflicht hinsichtlich der Betroffenen enthält. Das wurde schon angesprochen. Man kann zwar ein Fahrzeug benutzen, jedoch braucht der Halter selbst nicht damit zu fahren; er wird aber erfasst.

Bei Anwendung der §§ 29 bzw. 36 finden sich wiederum nur schwammige Formulierungen, nach denen eine Unterrichtung unterbleiben kann - das muss nicht sein -, sodass die Regelung bereits unter dem Aspekt des Anspruchs der Betroffenen auf rechtliches Gehör als verfassungsrechtlich problematisch einzustufen ist.

Wir haben diese Bedenken bereits im Gesetzgebungsverfahren geäußert und auf Löschung dieser Formulierung gedrängt. Mit unserem Änderungsantrag, den wir heute vorlegen, verlangen wir diese Konsequenz auch heute zu Recht.

Im Hinblick auf die nach wie vor bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken, meine Damen und Herren, bleibt jedenfalls aus Sicht unserer Fraktion für eine Verlängerung der §§ 33b Abs. 3 und 36a kein Raum. Deswegen können wir dem sechsten Änderungsantrag nicht zustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Petke.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Scharfenberg, wie konnten Sie auf die Idee kommen, dass ich Ihre Rede verpasse?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

Nicht, dass ich erwartet hätte, dass nun unbedingt neue Argumente von Ihnen vorgetragen werden! An der Stelle sei mir erlaubt zu sagen: Warum beschleicht mich - das geht, glaube ich, nicht nur mir allein so - immer, wenn Sie, wenn die Linke von Bürgerrechten, von Datenschutz redet, so ein Gefühl: Ist denn das ehrlich gemeint? - Aber das müssen Sie mit sich selbst ausmachen. Ich dachte eigentlich, nach Plossin sind Sie ein wenig entspannter und sehen die Dinge nach der Listenaufstellung bei der Linkspartei ein Stück weit gelassener. Aber ich habe mich natürlich getäuscht, Sie sind sich treu geblieben. Ich will gar nicht so sehr zum Polizeigesetz sprechen; denn das haben wir ja im Innenausschuss und hier diskutiert. Ich will mit den falschen Dingen aufräumen, die Sie hier gesagt haben. Ich beginne mit dem BKA-Gesetz.

Das BKA-Gesetz ist durch das Bundeskabinett, durch Frau Merkel, Herrn Steinmeier, Herrn Schäuble, die Bundesjustizministerin, nicht deswegen auf den Weg gebracht worden, weil die Bundesregierung oder die Mehrheit im Deutschen Bundestag die Menschen ausspionieren will, sondern weil es eine tatsächliche terroristische Bedrohung der Menschen in diesem Land gibt. Diese Bedrohung ist real. Kollege Baaske hat auch darauf hingewiesen, dass Sie die Zeitung lesen können. Da sind in unserem Land Menschen zu langjährigen Haftstrafen, die das Gesetz in Deutschland maximal hergibt, verurteilt worden, weil sie versucht haben, Kofferbomben in einem Regionalexpress zu zünden. Aus diesem Grund haben der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung das BKA-Gesetz auf den Weg gebracht, und es ist notwendig.

Zum Zweiten zum Polizeigesetz: Sie behaupten hier, da werde jetzt eine neue Stufe der Eskalation von neuen polizeilichen Maßnahmen geschaffen. Das ist falsch. Die hier in Rede stehenden Maßnahmen zur Kennzeichenfahndung oder Handyortung gibt es in Brandenburg bereits seit zwei Jahren.

(Dr. Klocksin [SPD]: Eben!)

Diese Maßnahmen werden erfolgreich angewendet. Was hinzukommt und was von der Linken gerne verschwiegen wird - da kennen Sie sich aus -, ist die Tatsache, dass mindestens eine Maßnahme, nämlich die automatische Kennzeichenfahndung, in Karlsruhe nicht nur Bestand hatte, sondern vor allen Dingen vom Bundesverfassungsgericht sogar gelobt wurde, weil es eine gesetzliche Norm ist, bei der sich Regierung und Gesetzgeber ausdrücklich an das Grundgesetz gehalten haben. Andere sind ja hintenruntergefallen. Die brandenburgische Regelung ist ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht als eine Möglichkeit der gesetzlichen Grundlage für die Kennzeichenerfassung benannt worden, an der sich andere Gesetzgeber orientieren können. Wir haben durchweg positive Erfahrungen gemacht.

An der Stelle möchte ich auch mit der Behauptung aufräumen, der Entschließungsantrag sei eine Idee der SPD-Fraktion. Es ist eine gemeinsame Idee der Koalition.

(Lachen bei der Fraktion DIE LINKE und der DVU)

- Sie können an beiden Enden des Parlaments gern zynisch lachen. Das bringt es so mit sich, wenn man so lange in der Opposition ist. Seien Sie versichert - auch wenn Sie es mir wahrscheinlich nicht glauben -, in beiden Fraktionen macht man sich Gedanken darüber, wie man die Bürgerrechte und die innere Sicherheit, wie man Sicherheit und Freiheit unter einen Hut bringt.

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Herr Petke, ich bin erstaunt über Ihre seherischen Fähigkeiten. Wie können Sie aus drei Fällen automatischer Kennzeichenerfassung und aus sechs Fällen der Handyortung Erfahrungen ableiten? Es ist ja die Grundlage Ihres Entschließungsantrags, dass es diese Erfahrungen eben noch nicht gibt. Können Sie mir diese Frage bitte beantworten?

Herr Kollege Scharfenberg, durch die Handyortung konnte Menschen in Brandenburg geholfen werden. Wir hören ja genau zu. Selbst Sie haben gesagt, es sei eine sinnvolle Sache, nur: Müsse man sie denn unbedingt im Polizeigesetz regeln? - Ich merke, da ist ein Stückchen Vernunft auf Ihrer Seite, ein Stückchen Anerkenntnis, dass man mit der Handyortung Menschen Gutes tun kann, dass man in Not geratenen Menschen ärztliche Hilfe zuteil werden lassen und Leben retten kann.

Was ich konkret gemeint habe, ist: Das Bundesverfassungsgericht hat unser Gesetz geprüft und für gut befunden. Die Richter haben nicht nur gesagt, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar sei - wir haben über dieses Thema im Plenum diskutiert -, sondern sie haben auch gesagt, es sei eine sehr gute Norm. An der Stelle kann man durchaus stolz darauf sein, dass wir es geschafft haben, Freiheit und Sicherheit gesetzgeberisch so gut unter einen Hut zu bekommen. In der Koalition werden diese Fragen zu Recht diskutiert. Wenn Sie Jörg Schönbohm vorwerfen, er wolle den genetischen Fingerabdruck mit dem herkömmlichen Fingerabdruck gleichstellen, dann bleibt es lediglich bei dem Vorwurf. In der Sache haben Sie ja nichts beizutragen.

Wie steht es denn eigentlich mit dem Datenmissbrauch in Deutschland? Wenn man den Verlautbarungen der Presse folgt, ist es nicht der Staat, sondern die Privatwirtschaft. Es verschwinden Daten auf der Autobahn, es werden CDs mit Millionen von Daten gehandelt - Urheber ist nicht das Land Brandenburg, nicht die Polizei, sondern der private Bereich. Ich glaube, an der Stelle in eine Diskussion einzutreten, wie sie der Innenminister angeregt hat, ist sinnvoll; denn wir wissen ebenso wie Sie, dass der genetische Fingerabdruck eine Riesenerfolgsgeschichte im Bereich innere Sicherheit ist.

Herr Petke, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu? Es wäre die letzte. Ihre Redezeit ist nämlich fast schon überschritten.

Danke für das Verständnis, Frau Präsidentin. Aber die Antwort darf ich doch noch geben, oder?

Natürlich.

Herr Petke, Sie haben richtigerweise gesagt, dass das Problem des Datenmissbrauchs im privaten Bereich liegt. Warum sind Sie dann gegen die Zusammenlegung der Datenschutzaufsicht? Das erstaunt mich.

Kollege Scharfenberg, ich habe gesagt, dass die Verstöße im privaten Bereich stattfinden. Wir haben kein Aufsichtsproblem. Die meisten Verstöße, die die Menschen in Deutschland betreffen, finden - anders, als Sie es hier im Landtag und anderswo immer wieder predigen - nicht im staatlichen Bereich - da haben wir ein sehr gutes Controlling und klare Gesetze -, sondern im privaten Bereich statt. Das ist so. Mir ist nicht bekannt, dass Brandenburg oder andere Länder ein Aufsichtsproblem hätten. Das wollen Sie herbeireden.

Ich komme zum Schluss. Die Verabschiedung des Polizeigesetzes ist ein sehr gutes Signal. Brandenburg ist ein sicheres Land. Wir werden seiner Polizei mit dem Polizeigesetz weiter die Möglichkeit geben, für die Sicherheit der Menschen in Brandenburg zu sorgen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Minister Schönbohm.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte mitunter den Eindruck, wir reden heute zum ersten Mal über dieses Gesetz. Das trifft nicht zu.

Die Sachverhalte sind bekannt. Wenn sich der Vermittlungsausschuss auf Bundesebene heute auf das BKA-Gesetz verständigt hat, so zeigt das, dass man manchmal lange und intensiv um ein Ergebnis ringen muss.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das macht das Gesetz nicht besser!)

Wir hatten eine Anhörung im Innenausschuss. Allen Kollegen, die sich für das Thema wirklich interessieren, empfehle ich nachzulesen, was dort gesagt wurde. Es waren fünf Fachleute eingeladen, zwei haben sich kritisch, drei haben sich positiv geäußert, darunter auch der Universitätsprofessor Dr. Dr. Battis. Sie haben einen Vertreter der Fachhochschule Berlin zitiert, ein anderer Vertreter einer Fachhochschule hat sich ebenfalls zustimmend geäußert. Wenn Sie das Protokoll lesen, werden Sie feststellen, dass die Stellungnahmen überwiegend positiv ausfielen. Die Berichterstattung hört sich an, als seien nur ne

gative Äußerungen gefallen. Da scheinen merkwürdige Kräfte zu wirken, die diesen Eindruck erwecken wollen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

- Es gibt Protokolle, Herr Vorsitzender, darin können Sie das nachlesen. Wir haben dieses Thema gemeinsam erörtert.

Zu dem von Ihnen angesprochenen Beschlussantrag: Ich mache keinen Hehl aus meiner Auffassung. Ich glaube, es ist entbehrlich.

Ich möchte Ihnen ein sehr persönliches Wort sagen: Bundesinnenminister Schäuble und ich waren heute Nachmittag mit 340 Polizeibeamten aller Bundesländer und des Bundes, die von Auslandseinsätzen zurückgekehrt sind, zusammen. Schauen Sie sich an, wo überall unsere Polizeibeamten in der Welt eingesetzt werden! Man überträgt ihnen eine Verantwortung, die weit über ihre Verantwortung hierzulande hinausgeht; die Bedingungen sind weit schwieriger. Wir erwarten von ihnen, dass sie dieser Verantwortung gerecht werden. Warum also sollte man so leichtfertig davon ausgehen, dass Beamte, die einen Eid auf unsere Verfassung geleistet haben, diese Verantwortung nicht tragen können?

Meine Bitte an alle - das meine ich sehr ernsthaft -: Wenn Sie den Beschlussantrag zur Evaluierung stellen, dann lässt sich eine Begründung aus dem genannten Spannungsverhältnis durchaus herleiten. Aber die Begründung darf nicht Ausdruck dessen sein, dass Sie den Polizeibeamten bezüglich ihres rechtsstaatskonformen Verhaltens misstrauen. Dafür besteht überhaupt kein Anlass. Wenn wir uns auf diese Basis verständigen, können wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen.

Es wird immer wieder gesagt, es gehe möglicherweise auch um den Eingriff in die Grundrechte unbescholtener Bürger. Nein! Die Polizei soll Gefahren abwenden. Wir reden immer über Prävention. Hier können wir vorbeugend tätig werden. Im Bericht sind Beispiele genannt, warum wir die Fahrzeugerkennung für positiv erachtet haben: Wir konnten Straftaten abwehren. Das ist doch positiv. Warum soll denn immer erst jemand Gewalt anwenden, damit wir dann am Ende feststellen können: Das waren ja die, die wir gesucht haben?

Wir sind zu einem Ergebnis gekommen, dem Sie guten Herzens und voller Überzeugung zustimmen können. Wenn Sie sich - wie vorgesehen - dazu entschließen, den Beschlussantrag zu stellen, so sehe ich dem mit großer Gelassenheit entgegen. Ich werde in drei Jahren aus der Fachpresse und aus den Protokollen erfahren, was tatsächlich gesagt wurde. Ich glaube, das Ergebnis wird sein: Wir haben uns mit der modernen Technik auf neue Herausforderungen eingestellt. Das ist unsere Aufgabe. Darauf haben wir unseren Eid geleistet, und dazu sind wir verpflichtet. Ich bitte Sie um Zustimmung, wenn es sein muss, mit dem Evaluationsauftrag. - Danke.

(Beifall bei CDU und SPD)