Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz
Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Wir kommen somit sofort zur Abstimmung. Ihnen liegt die Beschlussempfehlung in der Drucksache 4/6966 vor. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Einstimmig ist dieser Beschlussempfehlung zugestimmt worden. Das Gesetz ist somit in 2. Lesung verabschiedet.
Außerdem liegt Ihnen in der Drucksache 4/7008 ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU vor.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die 2. Lesung der sechsten Novelle des Polizeigesetzes findet vor dem Hintergrund der Diskussion um das BKA-Gesetz statt, mit dem weitere erhebliche Einschnitte in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger verbunden sind. Wenn Herr Schäuble in Reaktion auf die Ablehnung des Gesetzentwurfs im Bundesrat gesagt hat, dass die Bundesrepublik auch ohne das neue BKA-Gesetz sicher sei, dann möchte ich genau das auch für den vorliegenden Gesetzentwurf feststellen. Das Land Brandenburg braucht keine Handyortung und auch keine automatische Erfassung von Autokennzeichen, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten zu können. Bei der Bewertung des vorliegenden Gesetzentwurfs sollte man nicht vergessen, dass es nach Auffassung des federführenden Innenministeriums nicht erforderlich gewesen wäre, eine erneute Befristung - auf jetzt drei Jahre - vorzunehmen. Das Ministerium hätte auch gern die Berichtspflicht gegenüber dem Landtag gestrichen. Damit sollte wie selbstverständlich der Prozess der Ausweitung polizeilicher Eingriffsbefugnisse fortgesetzt werden, der seit Jahren eine Einbahnstraße ist.
Aber allein der Bericht über die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre zeigt in aller Deutlichkeit, dass die neuen Eingriffsmöglichkeiten mit hoher Sensibilität und kritischem Auge zu hinterfragen sind. Das hat sich auch in der Anhörung im Innenausschuss widergespiegelt. Während der Chef des Bayerischen LKA von den großen Möglichkeiten der automatischen Kennzeichenerfassung schwärmte, wies Prof. Arzt von der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin anhand der konkreten Einsatzfälle in Brandenburg nach, dass auch das in Brandenburg stark eingeschränkte Verfahren rechtlich problematisch ist. Prof. Arzt analysierte auf der Grundlage des Berichts der Landesregierung die drei aufgeführten Fälle der Kennzeichenerfassung und kam zu dem Schluss, dass offensichtlich das Vorhandensein einer gegenwärtigen Gefahr als Voraussetzung für die automatische Kennzeichenerfassung nicht so ernst genommen wird. Zudem ergibt sich angesichts der wenigen Anwendungsfälle und der hohen Kosten der notwendigen Technik die Frage, warum eine solche Ermittlung nicht auf konventionelle Weise möglich sein soll, ohne Tausende von Unbeteiligten zu erfassen. Um das Spannungsfeld deutlich zu machen, in dem wir uns hier bewegen, verweise ich auf den Bericht der Landesregierung. Darin heißt es einerseits beruhigend:
„Die durch den Gesetzgeber geschaffenen hohen tatbestandsmäßigen und verfahrensrechtlichen Hürden gewährleisten den effektiven Grundrechtsschutz für die von diesen Maßnahmen Betroffenen.“
„Die hohe Eingriffsschwelle der ,gegenwärtigen Gefahr‘ begrenzt die Zahl der tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten der Kennzeichenfahndung erheblich.“
Es könnte also verführerisch sein, in einem nächsten Schritt die großen technischen Möglichkeiten des jetzt gedrosselten Verfahrens besser zur Anwendung zu bringen, indem man die Bremsen löst. Genau das ist unser Problem, denn wie heißt es so schön: Wer A sagt, muss auch B sagen. - Deshalb sind wir für eine klare Kappung dieser neuen Eingriffsbefugnisse, und
das unter der Voraussetzung, dass sie eben nicht mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger bringen.
Ich habe heute in der „Süddeutschen Zeitung“ einen Kommentar von Heribert Prantl gelesen, den ich auch Ihnen zur Lektüre empfehle. Ich zitiere nur einen Teil seiner Ausführungen:
„Dieser Präventionsstaat muss, das liegt in seiner Logik, dem Bürger immer mehr Freiheit nehmen, um ihm dafür vermeintliche Sicherheit zu geben; das trägt den Hang zur Maßlosigkeit in sich, weil es nie genug Sicherheit gibt.“
Die mit diesem Gesetzentwurf verbundene Entscheidung besteht doch darin, ob das Polizeirecht weiter verschärft werden soll oder ob wir erstmalig diesen Prozess stoppen und zugunsten der Wahrung der Bürgerrechte umkehren können.
- Ich dachte, Sie wollen einmal Innenminister werden, Herr Finanzminister. Dann sollten Sie genauer zuhören!
Das ablehnende Votum der Vereinigung der sozialdemokratischen Juristinnen und Juristen zeigt, dass die Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf breit gestreut sind und weit über uns hinausgehen. Letztlich ist auch der von der SPD initiierte Entschließungsantrag der Koalition Ausdruck einer kritischen Bewertung. Wir stimmen diesem Entschließungsantrag als Geste guten Willens zu, sind uns allerdings auch darüber im Klaren, dass er dadurch gekennzeichnet ist, dass die SPD so muss, wie sie nicht will, und die CDU nicht so kann, wie sie will. Das ist genau das Problem dieses Entschließungsantrags und Ihrer Koalition.
Ich wünschte mir mehr Konsequenz der SPD, die in anderen Ländern energisch gegen Kennzeichenerfassung und Handyortung auftritt. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie weiter dem Sicherheitsverständnis der CDU folgen wollen, die, so die neueste Nachricht von Herrn Schönbohm, jetzt alle Straftäter gentechnisch erfassen will. Wollen Sie das auch, meine Damen und Herren von der SPD?
Es geht auch anders. Wir sollten darüber reden, ob der vorgesehene Personalabbau bei der Polizei wirklich so realisiert werden muss.
- Doch? Gut. - Ich frage Sie, ob Sie außer den üblichen Dampfplaudereien wirklich bereit sind, dem Personalabbau in der Realität entgegenzuwirken. Warum ist es nicht möglich, die Handyortung analog zur Berliner Regelung wirklich auf den Fall zu beschränken, mit dem sie begründet wird, nämlich die Suche nach hilflosen Personen? Dann stellt sich auch noch die Frage, warum das im Polizeigesetz geregelt werden muss.
Da wir schon über Berlin reden: Es wäre auch ein völlig anderes Signal, wenn wir in Brandenburg ernsthaft über die Kennzeichnung von Polizeibeamten reden könnten, wie sie kürzlich vom Berliner Polizeipräsidenten vorgeschlagen wurde. Lassen Sie uns über diesen Vorschlag diskutieren, nicht aber über die mit dem Gesetzentwurf vorgesehene weitere Einschränkung der Grundrechte der Bürger. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir schließen mit der heutigen Debatte eine im Innenausschuss sehr kontrovers geführte Debatte zum Brandenburgischen Polizeigesetz ab. Damit bringen wir ein Gesetz auf den Weg, mit dem der Brandenburger Polizei - weiterhin befristet - neue Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere gilt das für die schon genannte anlassbezogene automatische Kennzeichenerfassung und die IMSI-Catcher, die zur Ortung von Handys verwendet werden.
An der Sicherheit der Bürger und Bürgerinnen - darin sind wir uns hier sicherlich alle einig - darf es keine Abstriche geben. Unsere Polizisten und Polizistinnen müssen mit allen Mitteln ausgestattet sein, die notwendig sind, damit sie ihre Aufgaben auch künftig zuverlässig und verantwortungsbewusst erfüllen können.
Die Ausweitung der Vorfeldkompetenzen der Polizei bringt aber auch weiterhin sehr weit reichende Grundrechtseingriffe mit sich. Vor diesem Hintergrund scheint es uns angemessen zu sein, auf der Grundlage einer gutachterlich abgesicherten Analyse die positiven und negativen Folgen dieser neuen Eingriffsformen gegeneinander abzuwägen. Deshalb haben wir den Entschließungsantrag vorgelegt, in dem wir uns für eine Evaluation durch eine unabhängige wissenschaftliche Begleitforschung aussprechen. Wir wollen, dass begleitend untersucht wird, in welchem Umfang die neuen Befugnisse in der Praxis angewandt werden und in welchem Verhältnis sie zu anderen Methoden und Befugnissen stehen.
Nach den Aussagen der von Ihnen, Herr Dr. Scharfenberg, schon genannten diversen Experten im Innenausschuss ist zu resümieren, dass sowohl der Anwendungszeitraum als auch die Art der Berichterstattung, in der das Innenministerium dem Innenausschuss die Maßnahmen erläutert hat, nicht geeignet bzw. nicht aussagekräftig genug sind, um schon heute abschließend eine dauerhafte Verankerung dieser beiden Eingriffsmöglichkeiten im Brandenburgischen Polizeigesetz zu vollziehen. Der Erprobungszeitraum von zwei Jahren war zu kurz. Deshalb haben wir uns dafür ausgesprochen, ihn um weitere drei Jahre zu verlängern und gutachterlich zu begleiten. Es geht eben um mehr als nur um die Rückmeldung, ob die neuen Instrumente funktionieren. Es geht um die Abwägung der ganz grundsätzlichen Aspekte der Erforderlichkeit, der Geeignetheit und auch der Verhältnismäßigkeit.
Wir sind im Innenausschuss sehr erstaunt angesehen worden von Praktikern, die diese Evaluation grundsätzlich infrage ge
stellt haben. Wenn man sich aber umschaut, stellt man fest: Auf Bundesebene ist es seit vielen Jahren Standard, dass vom Bundestag verabschiedete Gesetze, die sich auf den sicherheitsrelevanten Bereich beziehen, mit Evaluationsklauseln versehen sind. Ich finde das sehr positiv, weil somit durch eine unabhängige Begutachtung sichergestellt wird, dass die entsprechenden Maßnahmen von den Verantwortlichen mit guten Argumenten begründet werden können.
Aber nicht nur in Bundesgesetzen sind Evaluationsklauseln festgeschrieben. Ich möchte Ihnen zwei Beispiele aus Brandenburg nennen: Die Evaluationsklauseln in unserem Jugendstrafvollzugsgesetz und im Standarderprobungsgesetz ermöglichen es, den Sinn der jeweiligen Regelungen nachzuvollziehen.
Evaluation hat eine Kontrollfunktion. Es soll geprüft werden, ob die tatsächlichen Gegebenheiten und Entwicklungen den Einschätzungen bzw. Prognosen entsprechen, die der Gesetzgeber seiner Entscheidung über das Gesetz zugrunde gelegt hatte.
Ich glaube, dass wir dem Gesetz mit diesem Entschließungsantrag gemeinsam eine gute Grundlage geben, um das für die nächsten drei Jahre zu vollziehen; denn der Innenausschuss soll an der Untersuchung beteiligt sein und über die Ergebnisse rechtzeitig informiert werden. Wir werden dann auf dieser guten, unabhängigen Grundlage entsprechend entscheiden können, ob wir diese Eingriffsmöglichkeiten dauerhaft ins Gesetz schreiben oder nicht.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünsche mir, dass Sie dem Entschließungsantrag und dem Gesetzentwurf folgen. - Danke.